S-taff 1-12
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S-<strong>taff</strong> nah dran<br />
„Technik<br />
ist für Menschen da“<br />
Preise gehören für die Wittenstein AG beinahe zum Alltag: Seit 2005 hat der<br />
Igersheimer Weltmarktführer in der Antriebstechnologie rund ein Dutzend davon<br />
erhalten. Eine besondere Auszeichnung gab es vor wenigen Monaten, als die Unternehmensberater<br />
von Ernst & Young den Gründer und Vorstandsvorsitzenden<br />
Dr. Manfred Wittenstein zum „Entrepreneur des Jahres 2011“ wählten. Wolf Alexander<br />
Hanisch sprach mit ihm über Sandkasteningenieure und die Talentarena.<br />
14<br />
S-<strong>taff</strong>: Der Maschinenbau ist das Rückgrat<br />
der Exportnation Deutschland:<br />
Satte 75 Prozent seiner Produkte gehen<br />
ins Ausland. Dabei spielt ihm die enorme<br />
Entwicklung Asiens und insbesondere<br />
Chinas vehement in die Hände.<br />
Haben Sie keine Angst, dass in Fernost<br />
eine Innovationskraft heranreift, gegen<br />
die deutsche Firmen bald nur noch<br />
schwer ankommen?<br />
Wittenstein: Nein, für mich wird<br />
andersherum ein Schuh daraus. Schließlich<br />
belebt Konkurrenz das Geschäft.<br />
Und damit meine ich, dass der asiatische<br />
Aufschwung dem deutschen<br />
Maschinenbau ungleich mehr neue<br />
Marktchancen eröffnet, als er Risiken<br />
birgt. Nicht nur unsere Branche zeigt ja,<br />
dass die deutsche Industrie nach den<br />
Anpassungsprozessen der letzten Dekade<br />
hervorragend aufgestellt ist. Gerade<br />
junge Leute können sich über diese Situation<br />
nur freuen. Denn die wollen doch<br />
den Alten zeigen, was frischer Wind<br />
alles bewirken kann. Und dafür gibt es<br />
heutzutage enorm spannende Möglichkeiten.<br />
S-<strong>taff</strong>: Aber fehlt es denn nicht genau<br />
an diesem Nachwuchs? Schließlich ist<br />
der demografische Wandel in Deutschland<br />
so eklatant, dass man de facto von<br />
einer Vergreisung sprechen kann.<br />
Woher nehmen Sie Ihren Optimismus?<br />
Wittenstein: Manchmal muss man nur<br />
den Blick heben, dann kommt der Optimismus<br />
von ganz allein. Und wenn ich<br />
meine Perspektive auf dem demografischen<br />
Feld erweitere, erkenne ich, dass<br />
nicht nur wir über dieses Problem verfügen.<br />
Das am heftigsten alternde Land ist<br />
immerhin China, von dem Sie gerade<br />
noch als einem eminenten Konkurrenten<br />
gesprochen haben. Dazu kommt, dass<br />
mir das Wort Vergreisung generell nicht<br />
gefällt. Meine Sichtweise ist eine andere.<br />
Wir leben einfach alle länger und<br />
haben mehr Zeit, unsere Chancen zu<br />
verwirklichen. Schauen Sie mich an: Ich<br />
werde dieses Jahr 70 und arbeite immer<br />
noch mit Vergnügen. Außerdem stelle<br />
ich durchaus einen Wandel fest, was das<br />
Verständnis von Lebensalter betrifft.<br />
Wenngleich auch hier noch ein paar alte<br />
Zöpfe abgeschnitten werden müssen.<br />
S-<strong>taff</strong>: Zum Beispiel?<br />
Wittenstein: Zum Beispiel die weiterhin<br />
oft starren Ruhestandsregelungen, die<br />
es in der Wittenstein AG so nicht mehr<br />
gibt. Bei uns bestimmen die Mitarbeiter<br />
selbst, wie lange sie arbeiten. Damit<br />
dies auch klappt, haben wir eine Weiterbildungsakademie<br />
gegründet, die<br />
unserer Belegschaft das lebenslange<br />
Lernen von Anfang an in Fleisch und<br />
Blut übergehen lässt. Denn wer seine<br />
Kenntnisse ständig erweitert, ist dazu<br />
auch jenseits der 60 sehr gut in der Lage.<br />
S-<strong>taff</strong>: Und doch sind laut des Vereins<br />
Deutscher Ingenieure nahezu 100.000<br />
Ingenieurstellen unbesetzt – so viel wie<br />
noch nie. Wie sehr trifft Sie der Fachkräftemangel?<br />
Und was tun Sie dagegen?<br />
Wittenstein: Um Fachkräfte kämpfen<br />
wir schon seit 20 Jahren. Wir residieren<br />
ja in einem Landstrich ohne Industrie.<br />
Da muss man das Problem schon aktiver<br />
angehen als andere. Und das bedeutet,<br />
dass wir uns weniger an klassischen<br />
Berufsbildern orientieren, sondern die<br />
Berufe ganz pragmatisch im Licht<br />
unserer Bedürfnisse sehen. So bekommen<br />
auch Menschen eine Chance, die<br />
sonst aus den hergebrachten Mustern<br />
fallen.<br />
Was tun gegen den Fachkräftemangel?<br />
S-<strong>taff</strong>: Die Bildungsinstitutionen sind<br />
demnach zu rigide?<br />
Wittenstein: Genau. Deren Unbeweglichkeit<br />
versündigt sich geradezu an der<br />
Jugend! Da liegen Fähigkeiten brach,<br />
die man viel flexibler nutzen muss. Wir<br />
pflegen zum Beispiel das Berufsbild des<br />
Vertriebsingenieurs, für das man keine<br />
fünf Semester Mathematik studiert<br />
haben muss. Technisches Verständnis,<br />
kaufmännisches Talent und die Fähig-