DOWN - SYNDROM TIROL Selbsthilfegruppe für ... - Selbsthilfe Tirol
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MEDIZIN<br />
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TEXT: ULRIKE KINZLER<br />
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Was Eltern eines Kindes mit Trisomie 21 über die Besonderheiten<br />
Autorin<br />
des orofazialen Systems wissen sollten, hat die<br />
Frau Dr. Ulrike Kinzier für Leben mit Down-Syndrom<br />
kurz zusammengefasst. Frau Kinzier ist Zahnärztin für Kieferorthopädie<br />
und gehört zum Team der Westdeutschen<br />
Down-Syndrom-Ambulanz im Klinikum Niederberg in<br />
Velbert.<br />
Was Eltern eines Kindes mit Trisomie 21<br />
über die Besonderheiten des orofazialen<br />
Systems wissen sollten:<br />
I. Die Gesichts- und Mundmuskulatur<br />
ist hypoton, das heißt, sie hat wenig Spannung.<br />
11.Das Mittelgesicht ist hypoplastisch,<br />
es wirkt eingesunken. Der harte Gaumen ist<br />
verkürzt.<br />
III. Die Zähne<br />
a. Milchzähne<br />
Die Milchzähne brechen meist deutlich verspätet<br />
durch und in ungewöhnlicher Reihenfolge.<br />
Die Form der Milchzähne ist oft verändert.<br />
Besonders die Frontzähne sind sehr<br />
spitz (Achtung Selbstverletzungsgefahr).<br />
Einige Milchzähne können fehlen (Nichtanlagen),<br />
bevorzugt die Frontzähne.<br />
b. Bleibende Zähne<br />
Der Zahnwechsel erfolgt meist deutlich<br />
verspätet und auch in ungewöhnlicher Reihenfolge.<br />
Häufig sind Zähne nicht angelegt,<br />
bevorzugt Frontzähne. Die Zahnform kann<br />
auch verändert sein, oft schmal und mit gedrungenen<br />
Wurzeln.<br />
Diese angeborenen Besonderheiten haben<br />
Konsequenzen, da sich alle Teile des orofazialen<br />
Systems gegenseitig beeinflussen.<br />
Sie sind ein Regelkreis. Alle sogenannten<br />
Fehlbildungen im orofazialen Bereich entstehen<br />
durch das Gesetz der funktionellen<br />
Orthopädie, das von Wilhelm Roux (1850-<br />
1924) formuliert wurde: Die Funktion folgt<br />
der Form und in der Umkehr die Form folgt<br />
der Funktion.<br />
I. Die Gesichts- und Mundmuskulatur<br />
ist hypoton, das heißt<br />
sie hat wenig Spannung.<br />
Durch die hypotone Muskelentspannung<br />
kann Folgendes entstehen:<br />
1. Die Lippen und der Mund stehen immer<br />
offen, unterstützt noch durch den nicht aufgerichteten<br />
Nacken, es entsteht eine habituelle<br />
Mundatmung.<br />
Die Mundatmung trocknet die Zähne<br />
aus, was wieder die Entstehung von Karies<br />
fördert. Die Mundatmung begünstigt Infektionen<br />
der oberen Atemwege.<br />
2. Der offene Mund gestattet der hypotonen<br />
Zunge, sich zwischen die Zähne und Lippen<br />
zu lagern. Der Oberkiefer biegt sich<br />
auf, es entsteht ein offener Biss. Das Kind<br />
kann nicht abbeißen.<br />
Die hypotone Zunge befindet sich in Ruhelage<br />
und beim Schlucken im Unterkiefer.<br />
Das Unterkieferwachstum wird nach vorne<br />
hin angeregt. Der Unterkiefer beißt vor den<br />
Oberkiefer, es entsteht eine Progenie.<br />
Der Gaumen erhält keinen Druck, um<br />
sich auszuformen. Es entsteht ein hoher<br />
oder im Extremfall ein gotischer Gaumen.<br />
Die ständig außerhalb des Mundes gelagerte<br />
Zunge verleitet zu Zungenlutschen und<br />
begünstigt eine Hypersalivation, einen erhöhten<br />
Speichelfluss, aus dem Mund. Das<br />
kann zu einem Speichelekzem um den<br />
Mund und auf den Wangen führen. Das<br />
"Sabbern" stellt auch ein psychosoziales<br />
Problem dar.<br />
11.Das Mittelgesicht ist hypoplastisch,<br />
es wirkt eingesunken.<br />
Der harte Gaumen ist<br />
verkürzt.<br />
Das eingesunkene Mittelgesicht beeinflusst<br />
durch seine Verkürzung des harten<br />
Gaumens das orofaziale System. Der<br />
Mundraum ist deutlich verkleinert. Die<br />
Zunge hat keinen Raum, um sich aktiv und<br />
passiv im Gaumen anzusaugen und zu lagern.<br />
Wie schon unter Ib. erklärt, kann so<br />
der Gaumen sich nicht entwickeln. Der<br />
Zahnbogen des Oberkiefers wird zu eng,<br />
die Zähne haben besonders in der Front<br />
keinen Platz und schieben sich "schief'<br />
übereinander.<br />
11I.Die Zähne<br />
Der verzögerte und ungewöhnliche Zahnwechsel<br />
ist nur insofern von Bedeutung,<br />
dass die Milchzähne deutlich länger halten<br />
müssen, sodass auf das Vermeiden von Karies<br />
besonders Wert gelegt werden muss.<br />
Selbstverständliche Zahnpflege zwei bis<br />
drei Mal täglich mit fluorhaitiger Zahnpasta,<br />
wenig zuckerhaltige Nahrungsmittel,<br />
keine Fruchtsäfte - Schorle oder Smoothies<br />
zwischen den Mahlzeiten. Die Fruchtsäure<br />
und der Fruchtzucker schädigen die Zähne<br />
im Besonderen. Das sollte alles selbstverständlich<br />
sein.<br />
Die Zahn form kann nicht beeinflusst<br />
werden. Die spitzen Frontzähne können bei<br />
Selbstverletzung oder wenn sie Anlass zu<br />
Hänseleien geben, beschliffen werden<br />
Die Nichtanlage von Milchzähnen, soweit<br />
nicht zu viele Zähne betroffen sind,<br />
hat keine Konsequenzen. Man sollte nur<br />
noch achtsamer bei der Kariesprophylaxe<br />
sein, da Nichtanlage von Milchzähnen auch<br />
Nichtanlage von bleibenden Zähnen (nicht<br />
immer an derselben Stelle) anzeigt.<br />
Gut erhaltene Milchzähne können als<br />
Ersatzzähne für bleibende Zähne dienen.<br />
Die Nichtanlage von bleibenden Zähnen<br />
(Röntgenkontrolle spätestens mit zehn Jahren)<br />
beeinflusst die kieferorthopädische Behandlung<br />
wesentlich.<br />
22 Leben mit Down-Syndrom Nr. 68 I Sept. 2011