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ROTZFRECH - SPD Saar

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R O T Z F R E C H 01/ 2 0 0 7 04<br />

Alternative Geschichte:<br />

Das europAEische <strong>Saar</strong>land<br />

Von Nadine Docktor und Michael Gerke<br />

„Im Herzen Europas“, „mitten<br />

in Europa“ oder auch „europäische<br />

Kulturhauptstadt 2007“<br />

– das sind die Schlagwörter die<br />

die saarländische Landschaft,<br />

die Hauptsstadt <strong>Saar</strong>brücken<br />

prägen.<br />

Eine vertane Chance<br />

Bereits 1954 wurde im Rahmen<br />

des deutsch – französischen.<br />

Freundschaftsvertrag<br />

das Europastatut, eine Art<br />

saarländische Verfassung, von<br />

Mendés-France und Adenauer<br />

ausgearbeitet. Dieses sollte einen<br />

Kompromiss zwischen der saarländische Autonomie, dem<br />

französischen Interesse an der saarländischen Wirtschaft und<br />

dem saarländischen Zugehörigkeitsgefühl zu Deutschland darstellen.<br />

Das <strong>Saar</strong>land als multinationale Insel, die wirtschaftlich<br />

an Frankreich gebunden, administrativ selbstständig und<br />

sicherheitspolitisch einem westeuropäischen Kommissar unterstellt<br />

war. Das Statut legte fest, dass die Montanunion, der<br />

Vorläufer der EU, ihren Sitz ins <strong>Saar</strong>land verlegen würde. Einziger<br />

Haken: Das Statut sah eine Volksabstimmung vor, die von<br />

den <strong>Saar</strong>ländern durch einen sehr emotionalen Wahlkampf<br />

ausgeführt wurde, der mit einer Wahlbeteiligung von fast 97<br />

%, die Betrachtung des <strong>Saar</strong>statuts als Existenzfrage bei den<br />

<strong>Saar</strong>ländern aufzeigt. Nachdem sich am 23.10.1955 deutliche<br />

67% der <strong>Saar</strong>länder gegen das Statut entschieden, gehörte der<br />

Gedanke an die Position des <strong>Saar</strong>landes als Vorreiter Europas<br />

vorerst der Vergangenheit an.<br />

Wenn das Wörtchen wenn nicht wäre...<br />

Es stellt sich hier eine große Frage: Was wäre gewesen wenn?<br />

Natürlich war die Abstimmung nicht knapp, und der Ausgang<br />

auch nicht zufällig. Nehmen wir einfach mal an, der Nationalismus<br />

wäre damals schwächer gewesen und die Mehrheit der<br />

Menschen hätten wirklich an die Europäische Idee geglaubt.<br />

Was wäre, wenn das <strong>Saar</strong>statut angenommen worden wäre?<br />

Was hätte das verändert? Alles!<br />

Aus dem <strong>Saar</strong>land wäre ein europäischer Regierungssitz geworden,<br />

eine Art Washington D.C. Europas. Dort hätten sich die<br />

supranationalen, europäischen Institutionen niedergelassen.<br />

Mit Sicherheit hätte sich das Hauptquartier einer europäischen<br />

Verteidigungsgemeinschaft – wäre sie nicht an den nationalen<br />

Interessen Frankreichs gescheitert- hier befunden. Auch das<br />

Hauptquartier der NATO, viele weitere internationale Organisationen,<br />

Teile der Vereinten Nationen und Nichtregierungsorganisationen<br />

hätten sich im <strong>Saar</strong>land niedergelassen. Auf jeden<br />

Fall wären all die Lobbygruppen und Ländervertretungen, die<br />

sich jetzt in Brüssel, Luxemburg und Straßburg befinden, in<br />

<strong>Saar</strong>brücken.<br />

Das <strong>Saar</strong>gebiet hätte sich zum Nabel der Welt entwickelt - einer<br />

Art eurozentristischer Welt-“Hauptstadt“.<br />

Aufgrund der Stärkung des deutsch-französischen Motors in<br />

der europäischen Einigung, den dieses Gemeinschaftsunternehmen<br />

<strong>Saar</strong>gebiet mit sich gebracht hätte, wäre Europa heute<br />

stärker vereint und nicht so sehr auf die angelsächsische Schiene<br />

der reinen Wirtschaftsunion gekommen.<br />

Um Europa den Leuten schmackhaft zu machen, gerade vor dem<br />

Hintergrund des kalten Krieges, wäre das <strong>Saar</strong>gebiet wirtschaftlich<br />

zum Vorzeigeland gemacht worden, durch europäische Fördergelder<br />

wäre es immer an der Spitze der Entwicklung. Das<br />

<strong>Saar</strong>gebiet wäre heute möglicherweise das wichtigste Finanzund<br />

Wirtschaftszentrum Europas, eventuell der Welt. Auf jeden<br />

Fall wäre <strong>Saar</strong>brücken heute eine Stadt von Weltrang.<br />

Was hätte das für die Menschen bedeutet? Die <strong>Saar</strong>länder hätten<br />

sich an die Entwicklung angepasst und ähnlich den Luxemburgern<br />

auf Mehrsprachigkeit gesetzt, Deutsch und Französisch<br />

könnten sie alle, und in moderneren Zeiten auch Englisch.<br />

Damit hätten sie bessere Jobaussichten, sie könnten sich fast<br />

überall in Europa verständigen, sie wären die einzigen gebürtigen<br />

„europäischen Staatsbürger“. Die <strong>Saar</strong>länder hätten das<br />

Image und die Möglichkeiten des „Weltbürgers“ im Herzen Europas.<br />

Haben wir seitdem gelernt?<br />

Alles in allem war die Entscheidung gegen das <strong>Saar</strong>statut wohl<br />

falsch, aber auch das Europa, indem man sich für das Statut entschieden<br />

hätte, existierte nur in den Köpfen einiger Weniger.<br />

Das <strong>Saar</strong>statut scheiterte an der nationalistischen Sichtweise<br />

der Frage. Es wurde nicht für oder gegen Europa abgestimmt,<br />

sondern mehr über „Kolonie von Frankreich“ oder „deutsches<br />

Bundesland“ und wohl auch gegen die damalige Regierung von<br />

Johannes Hoffmann.<br />

Das Scheitern des <strong>Saar</strong>statuts ist zugleich ein Zeichen, dass<br />

die Zeit für ein geeintes Europa in den Köpfen und Herzen der<br />

Menschen noch nicht da war. Damals waren manche visionäre<br />

Politiker weitsichtiger.

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