ROTZFRECH - SPD Saar
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S A A RL A ND.<br />
S C HÖN, DA S S DU<br />
( NOCH) DA BIS T.<br />
J<br />
u S O L A N D E S V E R B A N D S A A R<br />
N r . 0 1 # A p r i l 2 0 0 7 # J H G 3<br />
<strong>ROTZFRECH</strong><br />
DAS LINKE JUGENDMAGAZIN IM SAARLAND<br />
www.jusos-saar.de
E DI T ORI A L<br />
von Christine Streichert, Chefredakteurin<br />
02<br />
Liebe Freundinnen und Freunde des gepflegten Wortes,<br />
„wie schön, dass Du geboren bist, wir hätten Dich sonst sehr vermisst …“ – dieses Ständchen<br />
wollen wir in dieser Ausgabe dem <strong>Saar</strong>land singen! In neuem Gewand unter dem Titel „<strong>Saar</strong>land<br />
– schön, dass Du noch da bist“ präsentiert sich das Rotzfrech-Magazin abermals bekannt kritisch<br />
gegenüber den nicht mehr vorhandenen Perspektiven, die die CDU-Landesregierung insbesondere<br />
der jungen Generation im <strong>Saar</strong>land bietet. Einen historischen Rückblick gewähren wir, in dem<br />
wir die Frage beantworten „Was wäre, wenn das <strong>Saar</strong>land 1955 anders abgestimmt hätte“. In unserem<br />
internationalen Teil zeigen wir auf, warum Frankreich eine Frau an die Spitze ihres Staates stellen<br />
muss und welche Lehren wir aus der Gewerkschaftsarbeit in Bolivien für den ArbeiterInnenkampf bei uns ziehen können.<br />
Ihr werdet sehen, auch diese Ausgabe hat es in altbekannter Tradition in sich: Wir zeigen Perspektiven, wir klären auf, wir analysie-<br />
Die alte Hure !<br />
Alt. Aufgetakelt. Überschminkt. Verraten. Verkauft. Ausgelutscht.<br />
Unansehnlich. Hässlich. Auf der Suche nach dem Glanz<br />
von damals als die Kunden noch Geld hatten und der Rubel<br />
rollte. Da stand man noch Schlange, wenn man zu ihr wollte.<br />
Doch bei ihr durften nicht alle. Und so mancher musste Jahre<br />
darauf warten, dass man ihn mal ran lies. Heute ist das anders.<br />
Da darf bei ihr jeder. Anstellen muss man sich auch nicht mehr.<br />
Die Tür steht weit offen. Niemand fragt was man hier will. Man<br />
sagt nur noch wie man es will, was man bezahlt und los geht’s.<br />
Selbst zerstörerisch nenn ich so was. Was hat man dir angetan?<br />
Du, die du einst meine erste Liebe warst. Du hast über meinen<br />
Schlaf gewacht und meine Träume geformt. Du hast meine Ideale<br />
geprägt und meine Sprache bereichert. Deine Gesellschaft war<br />
immer angenehm. Treue Freundin. Was ist aus dir geworden.<br />
Sieh dich doch an. Was bist du denn heute noch. Du Hure…<br />
Warum ich Hollywood eine Hure nenne?<br />
Seht es euch doch an. In diesem Jahr wurden die 79. Academy<br />
Awards verliehen. Den Host gab dieses Jahr Ellen De Generes.<br />
Was soll das? Diese Frau hat in Hollywood nicht viel erreicht. Sie<br />
hatte ne eigene Sitcom und lieh in “Finding Nemo“ dem Fisch<br />
“Dori“ ihre Stimme. Sonst ist sie Comedian. Sie war als Host<br />
fehlbesetzt. Während ihre Vorgänger wie Billy Crystal oder Steve<br />
Martin schon in den ersten fünf Minuten die ersten zehn Reihen<br />
der Gäste schon mindestens 2-mal beleidigt hatten, fand ich<br />
Ellen irgendwie etwas flach. Vielleicht wollte man zeigen dass<br />
man ihre Homosexualität akzeptiert. Doch Ellen ist nur ein weiteres<br />
Indiz für den Verfall.<br />
Die Qualität leidet doch arg in Hollywood. Klar hat sich der Geschmack<br />
des Publikums geändert und ja ich gebe zu, die Hip-<br />
Hop-Generation will Rapper auf der Leinwand sehen. Aber sind<br />
wir ehrlich, seit DMX und andere Rapper<br />
wie 50 Cent deren schauspielerisches Talent,<br />
wie der Name schon sagt, nicht mal<br />
´nen ganzen Euro wert sind, auf der Leinwand<br />
rumhopsen, geht es mit Hollywood<br />
SIGGIS WELT<br />
Die Rotzfrech Kolumne<br />
immer weiter abwärts. Die Folge: Es bleiben die Zuschauer<br />
aus, die Zahlen rutschen in den Keller. Das versucht man mit<br />
noch mehr Schund auszugleichen. Und so dreht sich die Spirale<br />
weiter. Während man früher mit einem guten Regisseur, ´nem<br />
ordentlichen Drehbuch und ´nem coolen Hauptdarsteller Rekorde<br />
brach; versucht man heute Qualität durch Quantität zu<br />
ersetzten. Von allem, egal wie schlecht, gibt es ne Fortsetzung.<br />
Ein so genanntes Sequel. Und wenn jemand so blöd war die<br />
Hauptfigur im letzten Teil sterben zu lassen, dann macht man<br />
ein Prequel. Doch wenn gar nichts mehr geht und keiner mehr<br />
´nen Rapper oder sonst einen Möchtegern kennt, dann gibt’s<br />
ein Remake. Umgesetzt von Imitationen von Künstlern mit billiger<br />
Besetzung. Das kommt davon, wenn in den einst so heiligen<br />
Wäldern in Kalifornien, plötzlich jeder mit meiner Liebe<br />
rummachen darf. Einziges Kriterium für ne Nummer ist Kohle.<br />
Schnöder Mammon. Fantasie und Talent sucht man leider viel<br />
zu oft vergebens. Egal wie man es dreht und wendet, alles ist nur<br />
noch aufgewärmt und wiedergekäut. Vielleicht sollte die Alte<br />
endlich in Rente gehen und man sollte den Film-Puff abfackeln<br />
und die Versicherung kassieren.<br />
Nur eins tröstet mich: Dass es manchmal, zwischen all dem<br />
Schrott, der aus der Traumfabrik kommt, einen Film gibt wie<br />
“Crank“, der einen mit viel Action, Kreativität, Humor und Coolness<br />
vom Sitz haut, wie einst der gute, alte Bruce Willis; und<br />
dass einst aus dem Kopf eines Mannes, wie Peter Jackson eine<br />
Trilogie entstand, die in der ganzen Filmhistorie ihres Gleichen<br />
sucht.<br />
Vielleicht tue ich meiner alten Liebe unrecht, wenn ich sage, sie<br />
sei ne abgetakelte Hure. Vielleicht sind es nur die falschen Freier,<br />
die mit Gewalt darauf drängen ihr talentfreies Material durch<br />
Hollywood aufzuwerten. Jemand sollte mal<br />
wieder darauf achten, dass nicht jeder in<br />
Hollywoods Studios machen kann was er<br />
will. Fazit: Die alte Hure Hollywood bräuchte<br />
mal wieder ´nen ordentlichen Zuhälter.
<strong>Saar</strong>land, Helau!<br />
Von Michael Clivot<br />
Immer wieder setzt sich das Rotzfrech mit der Leistung der<br />
Landesregierung auseinander. Jetzt ist Halbzeitbilanz angesagt,<br />
denn 2,5 Jahre ist es her, dass die <strong>Saar</strong>länderinnen und<br />
<strong>Saar</strong>länder der CDU ein zweites Mandat bescherten. Über die<br />
Gründe, wollen wir uns gar nicht auslassen, sondern einen<br />
Blick auf den heutigen Sachstand werfen. Es wird nicht verwunderlich<br />
sein, dass wir dieser zweiten Amtsperiode nicht<br />
viel abgewinnen können, haben die Jusos doch intensiv gegen<br />
eine Wiederwahl von Peter Müller gekämpft. Betracht man das<br />
Ganze jedoch objektiv, wird man auch ganz schnell feststellen,<br />
dass die CDU-Landesregierung das Land weiter in eine katastrophale<br />
Lage manövriert hat und damit die Eigenständigkeit<br />
massiv gefährdet.<br />
Es gäbe Hunderte von Themen an denen man das Versagen der<br />
Landesregierung deutlich machen könnte. Wir wollen uns aber<br />
auf einige beschränken. Wir wollen ja auch kein Buch schreiben.<br />
Fangen wir mit der Arbeitsmarktpolitik an. Noch vor 8<br />
Jahren, nach der Regierungsübernahme durch die CDU, hat<br />
Peter Müller großspurig 60.000 neue Stellen bis 2009 versprochen.<br />
Schon 2004 war klar, dass dieses Ziel nicht zu erreichen<br />
ist. Heute ist nicht mehr abzustreiten, dass der Plan definitiv<br />
nicht aufgehen kann. Waren beispielsweise 2001 noch 43.247<br />
Menschen im <strong>Saar</strong>land arbeitslos sind es 2006 sogar 44.285<br />
gewesen. Also ca. 1.000 mehr und dies, obwohl die konjunkturelle<br />
Lage sich auch im <strong>Saar</strong>land verbessert hat (im Übrigen vor<br />
allem dank der von der CDU verpönten traditionellen Industrien).<br />
Auch bei den sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen<br />
sieht es nicht so rosig aus, wie die CDU es immer wieder<br />
behauptet, denn im gleichen Zeitraum ging die Zahl dieser<br />
Arbeitsplätze im <strong>Saar</strong>land um fast 20.000 zurück, obwohl sie<br />
im Bund gestiegen ist. Stattdessen sind diese Stellen massenweise<br />
durch prekäre Beschäftigungsverhältnisse – in der<br />
Regel Minijobs und Zeitarbeitsverträge ohne soziale Sicherheit<br />
– ersetzt worden. Diese Entwicklung ist auch ganz leicht zu<br />
erklären, betrachten man die Strukturpolitik der Landesregierung.<br />
Seit 1999 wurde keine einzige Leitinvestition des Landes<br />
getätigt, ganze Industriezweige, wie zum Beispiel der Bergbau,<br />
werden konsequent zerstört. Die Ansiedlungspolitik der CDU<br />
ist auf ganzer Linie gescheitert. Seit der Regierungsübernahme<br />
der Regierung Müller im Jahre 1999 konnte kein größeres<br />
Unternehmen im <strong>Saar</strong>land angesiedelt werden, obwohl es der<br />
Vorgänger-Regierung jedes Jahr ihrer 15-jährigen Amtszeit<br />
gelang, mindestens eins dieser Unternehmen ins <strong>Saar</strong>land zu<br />
locken. Seit über 8 Jahren herrscht Stagnation, was wirtschaftliche<br />
Innovation und eine moderne Wirtschafts- und Industriepolitik<br />
im <strong>Saar</strong>land angeht.<br />
Auch auf dem Ausbildungsmarkt ist die Lage weiterhin Ernst.<br />
Im <strong>Saar</strong>land mündeten 2006 nur ca. 50% der Ausbildungsplatzsuchenden<br />
auch tatsächlich in ein Ausbildungsverhältnis<br />
ein. Bei vielen Jugendlichen, die es geschafft haben einen<br />
Ausbildungsplatz zu bekommen, entsprach jedoch der Ausbildungsberuf<br />
nicht der Wunschvorstellung. Dies liegt daran, dass<br />
aufgrund des geringeren Angebotes gegenüber der Nachfrage<br />
kein auswahlfähiges Angebot entstehen kann. Das Angebots-<br />
Nachfrage-Verhältnis im abgeschlossenen Ausbildungsjahr<br />
liegt somit bei knapp 99 Stellen für 100 Bewerber. Von einem<br />
auswahlfähigen Stellenangebot, von dem man nach der Definition<br />
des Bundesinstitutes für Berufsbildung bei einer Relation<br />
von 112,5 Stellen für 100 Bewerber spricht, ist man somit<br />
weit entfernt. Statt wirkungsvolle Maßnahmen auf den Weg<br />
zu bringen, beharrt die Landesregierung auf den gescheiterten<br />
Ausbildungspakt und versucht den Jugendarbeitsschutz auszuhebeln<br />
(siehe Artikel Seite 9).<br />
Ein weiteres Armutszeugnis für diese Regierung ist die Bildungspolitik.<br />
Seit 8 Jahren, wird gerade im bildungspolitischen<br />
Bereich nur noch purer Aktionismus betrieben. Herrn Minister<br />
Schreier geht es offensichtlich nicht wirklich um Qualitätsverbesserungen,<br />
sondern um persönliche Prestige-Projekte, die<br />
er sich auf die Fahne schreiben will. Alle Projekte, die er unter<br />
den Mantel der Qualitätsverbesserung gestellt hat, haben<br />
genau das Gegenteil bewirkt oder werden es in den nächsten<br />
Jahren bewirken. Bildung spielt für die CDU aber offensichtlich<br />
keine große Rolle und ist ein beliebtes Ressort um Kürzungen<br />
im Haushalt vorzunehmen, obwohl gerade im <strong>Saar</strong>land deutlich<br />
mehr Geld investiert werden müsste. Bundesweit belegt<br />
das <strong>Saar</strong>land beim Vergleich der Ausgaben der Länder für<br />
öffentliche Schulen den letzten Platz. Im Bundesdurchschnitt<br />
liegen die Ausgaben für Personal, laufenden Sachaufwand und<br />
Investitionen bei jährlich 4.700 Euro pro SchülerInnen. Laut<br />
einem Bericht des statistischen Bundesamtes von 2006 werden<br />
im <strong>Saar</strong>land mit 4.300 Euro deutlich weniger in die schulische<br />
Bildung investiert als sonst wo. Selbst das neoliberale Institut<br />
Neue Soziale Marktwirtschaft beschert der Landesregierung<br />
keine gutenNoten im Bezug auf die Ausgaben für berufliche<br />
Schulen. Auch diese sind reduziert worden, obwohl die SchülerInnenzahl<br />
deutlich angestiegen ist. Und im Haushaltsjahr<br />
2007 wurde der Bildungsetat noch einmal gesenkt. Unter diesem<br />
Aspekt versteht man wieso die Landesregierung Grundschulen<br />
schließt, Studiengebühren einführt, nicht ausreichend<br />
Lehrer einstellt, die Schulsozialarbeit vernachlässigt oder sich<br />
weigert Geld für echte Ganztagsschulen in die Hand zu nehmen.<br />
All diese Erkenntnisse belegen, wie hoffnungslos die Politik<br />
dieser Regierung ist. Die Kabinettsitzungen sind das ganze<br />
Jahr über Karnevalsveranstaltungen. Und wenn sie so weiter<br />
macht, wird der Narrenruf im <strong>Saar</strong>land bald „Helau“ und nicht<br />
mehr „Alleh hopp“ lauten.
R O T Z F R E C H 01/ 2 0 0 7 04<br />
Alternative Geschichte:<br />
Das europAEische <strong>Saar</strong>land<br />
Von Nadine Docktor und Michael Gerke<br />
„Im Herzen Europas“, „mitten<br />
in Europa“ oder auch „europäische<br />
Kulturhauptstadt 2007“<br />
– das sind die Schlagwörter die<br />
die saarländische Landschaft,<br />
die Hauptsstadt <strong>Saar</strong>brücken<br />
prägen.<br />
Eine vertane Chance<br />
Bereits 1954 wurde im Rahmen<br />
des deutsch – französischen.<br />
Freundschaftsvertrag<br />
das Europastatut, eine Art<br />
saarländische Verfassung, von<br />
Mendés-France und Adenauer<br />
ausgearbeitet. Dieses sollte einen<br />
Kompromiss zwischen der saarländische Autonomie, dem<br />
französischen Interesse an der saarländischen Wirtschaft und<br />
dem saarländischen Zugehörigkeitsgefühl zu Deutschland darstellen.<br />
Das <strong>Saar</strong>land als multinationale Insel, die wirtschaftlich<br />
an Frankreich gebunden, administrativ selbstständig und<br />
sicherheitspolitisch einem westeuropäischen Kommissar unterstellt<br />
war. Das Statut legte fest, dass die Montanunion, der<br />
Vorläufer der EU, ihren Sitz ins <strong>Saar</strong>land verlegen würde. Einziger<br />
Haken: Das Statut sah eine Volksabstimmung vor, die von<br />
den <strong>Saar</strong>ländern durch einen sehr emotionalen Wahlkampf<br />
ausgeführt wurde, der mit einer Wahlbeteiligung von fast 97<br />
%, die Betrachtung des <strong>Saar</strong>statuts als Existenzfrage bei den<br />
<strong>Saar</strong>ländern aufzeigt. Nachdem sich am 23.10.1955 deutliche<br />
67% der <strong>Saar</strong>länder gegen das Statut entschieden, gehörte der<br />
Gedanke an die Position des <strong>Saar</strong>landes als Vorreiter Europas<br />
vorerst der Vergangenheit an.<br />
Wenn das Wörtchen wenn nicht wäre...<br />
Es stellt sich hier eine große Frage: Was wäre gewesen wenn?<br />
Natürlich war die Abstimmung nicht knapp, und der Ausgang<br />
auch nicht zufällig. Nehmen wir einfach mal an, der Nationalismus<br />
wäre damals schwächer gewesen und die Mehrheit der<br />
Menschen hätten wirklich an die Europäische Idee geglaubt.<br />
Was wäre, wenn das <strong>Saar</strong>statut angenommen worden wäre?<br />
Was hätte das verändert? Alles!<br />
Aus dem <strong>Saar</strong>land wäre ein europäischer Regierungssitz geworden,<br />
eine Art Washington D.C. Europas. Dort hätten sich die<br />
supranationalen, europäischen Institutionen niedergelassen.<br />
Mit Sicherheit hätte sich das Hauptquartier einer europäischen<br />
Verteidigungsgemeinschaft – wäre sie nicht an den nationalen<br />
Interessen Frankreichs gescheitert- hier befunden. Auch das<br />
Hauptquartier der NATO, viele weitere internationale Organisationen,<br />
Teile der Vereinten Nationen und Nichtregierungsorganisationen<br />
hätten sich im <strong>Saar</strong>land niedergelassen. Auf jeden<br />
Fall wären all die Lobbygruppen und Ländervertretungen, die<br />
sich jetzt in Brüssel, Luxemburg und Straßburg befinden, in<br />
<strong>Saar</strong>brücken.<br />
Das <strong>Saar</strong>gebiet hätte sich zum Nabel der Welt entwickelt - einer<br />
Art eurozentristischer Welt-“Hauptstadt“.<br />
Aufgrund der Stärkung des deutsch-französischen Motors in<br />
der europäischen Einigung, den dieses Gemeinschaftsunternehmen<br />
<strong>Saar</strong>gebiet mit sich gebracht hätte, wäre Europa heute<br />
stärker vereint und nicht so sehr auf die angelsächsische Schiene<br />
der reinen Wirtschaftsunion gekommen.<br />
Um Europa den Leuten schmackhaft zu machen, gerade vor dem<br />
Hintergrund des kalten Krieges, wäre das <strong>Saar</strong>gebiet wirtschaftlich<br />
zum Vorzeigeland gemacht worden, durch europäische Fördergelder<br />
wäre es immer an der Spitze der Entwicklung. Das<br />
<strong>Saar</strong>gebiet wäre heute möglicherweise das wichtigste Finanzund<br />
Wirtschaftszentrum Europas, eventuell der Welt. Auf jeden<br />
Fall wäre <strong>Saar</strong>brücken heute eine Stadt von Weltrang.<br />
Was hätte das für die Menschen bedeutet? Die <strong>Saar</strong>länder hätten<br />
sich an die Entwicklung angepasst und ähnlich den Luxemburgern<br />
auf Mehrsprachigkeit gesetzt, Deutsch und Französisch<br />
könnten sie alle, und in moderneren Zeiten auch Englisch.<br />
Damit hätten sie bessere Jobaussichten, sie könnten sich fast<br />
überall in Europa verständigen, sie wären die einzigen gebürtigen<br />
„europäischen Staatsbürger“. Die <strong>Saar</strong>länder hätten das<br />
Image und die Möglichkeiten des „Weltbürgers“ im Herzen Europas.<br />
Haben wir seitdem gelernt?<br />
Alles in allem war die Entscheidung gegen das <strong>Saar</strong>statut wohl<br />
falsch, aber auch das Europa, indem man sich für das Statut entschieden<br />
hätte, existierte nur in den Köpfen einiger Weniger.<br />
Das <strong>Saar</strong>statut scheiterte an der nationalistischen Sichtweise<br />
der Frage. Es wurde nicht für oder gegen Europa abgestimmt,<br />
sondern mehr über „Kolonie von Frankreich“ oder „deutsches<br />
Bundesland“ und wohl auch gegen die damalige Regierung von<br />
Johannes Hoffmann.<br />
Das Scheitern des <strong>Saar</strong>statuts ist zugleich ein Zeichen, dass<br />
die Zeit für ein geeintes Europa in den Köpfen und Herzen der<br />
Menschen noch nicht da war. Damals waren manche visionäre<br />
Politiker weitsichtiger.
Gibt es Parallelen zu heute? Im heutigen Europa sind viele Menschen weitsichtiger, und Europa scheitert auch an einer kurzsichtigen Politik. Viele<br />
denken zwar bei „Europa“ zuerst an Detailstreitfragen, etwa die neuste Richtlinie aus Brüssel. Aber schon bei der nächsten Frage, dem leidigen<br />
Streit um den EU-Beitritt der Türkei, zeigt sich, das heute im offiziellen Europa die Visionen fehlen, viele Bürger aber durchaus das Große und<br />
Ganze im Auge haben. Und es wird wieder gestritten um die Visionen von Europa: Die Frage, ob Europa nur Wirtschaftunion oder auch politische<br />
Union, ob Europa ein Bund von Nationen oder ein Zusammenschluss von Menschen zu einer Art großen Nation ist, ist zwar immer noch ungeklärt,<br />
wird aber wieder gestellt.<br />
DAS SAARSTATUT<br />
Das sogenannte zweite <strong>Saar</strong>statut wurde als Teil der Pariser Verträge<br />
von 1954 zwischen dem französischen Ministerpräsidenten Pierre<br />
Mendès-France und dem deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer<br />
ausgehandelt und am 23. Oktober unterzeichnet und sah im wesentlichen<br />
eine Europäisierung des <strong>Saar</strong>landes vor, die jedoch an einer ablehnenden<br />
Volksabstimmung durch die <strong>Saar</strong>länder scheiterte.<br />
Die Vorgeschichte dieser Regelung bestand vor allem aus der französischen<br />
Besatzung des <strong>Saar</strong>landes nach dem Zweiten Weltkrieg:<br />
Frankreich wollte – nachdem das <strong>Saar</strong>gebiet nach Ablösung der USamerikanischen<br />
Besatzung am 10. Juli 1945 zur französischen Besatzungszone<br />
gehörte – das Industrierevier an der <strong>Saar</strong> stärker an sich<br />
binden, so wie nach dem Ersten Weltkrieg. Wegen des Widerstands<br />
der Alliierten gab es diesen Wunsch<br />
zugunsten einer Währungs-, Wirtschafts-<br />
und Verteidigungsunion bei<br />
einer ansonsten gewährten Autonomie<br />
des <strong>Saar</strong>landes auf.<br />
Am 8. Oktober 1946 bildete sich eine<br />
Verwaltungskommission und am 22.<br />
Dezember 1946 schloss Frankreich<br />
die Grenze des <strong>Saar</strong>landes zum übrigen<br />
Deutschland und trieb damit<br />
die Entwicklung im französischen<br />
Sinne voran - etwa durch die Einführung<br />
des französischen Franc als<br />
Währung am 20. November 1947<br />
und durch die Verabschiedung einer<br />
eigenen Verfassung am 15. Dezember<br />
1947. Anfängliche Annexionsbestrebungen seitens Frankreichs<br />
wurden bereits 1946 fallengelassen.<br />
Ab 1950 begann der ungelöste Status des <strong>Saar</strong>gebiets die westeuropäische<br />
und atlantische Zusammenarbeit zu behindern. Frankreichs Außenminister<br />
Robert Schuman hatte, um die unter dem Zankapfel <strong>Saar</strong>land<br />
leidende deutsch-französische Verständigung in Gang zu bringen,<br />
1952 eine Europäisierung der <strong>Saar</strong> ins Gespräch gebracht.<br />
Eigentlicher Vordenker der Europäisierung war aber Johannes Hoffmann,<br />
der Ministerpräsident des <strong>Saar</strong>lands zu dieser Zeit. Das <strong>Saar</strong>land<br />
sollte zu einem außerstaatlichen Territorium und Standort verschiedener<br />
europäischer Institutionen werden.<br />
Das 1954 zwischen Pierre Mendès-France und Konrad Adenauer ausgehandelte<br />
und am 24. Oktober unterzeichnete <strong>Saar</strong>statut sah dementsprechend<br />
bis zum Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutschland<br />
die Unterstellung des <strong>Saar</strong>landes unter einen Kommissar der Westeuropäischen<br />
Union vor. Dieser sollte das Land nach außen vertreten.<br />
Die saarländische Regierung sollte jedoch weiter für die inneren Angelegenheiten<br />
zuständig und die wirtschaftliche Anbindung an Frankreich<br />
erhalten bleiben. Allerdings war auch eine engere wirtschaftliche<br />
Vernetzung mit der Bundesrepublik vorgesehen. In der deutschen Innenpolitik<br />
wurde Adenauer wegen des <strong>Saar</strong>statuts scharf angegriffen.<br />
Vor allem die <strong>SPD</strong> sah darin eine De-facto-Abtretung des <strong>Saar</strong>landes<br />
an Frankreich.<br />
Vor dem endgültigen Inkrafttreten sah das <strong>Saar</strong>statut jedoch eine<br />
Volksabstimmung vor, um die bald ein heftiger Abstimmungswahlkampf<br />
ausbrach. Da das <strong>Saar</strong>statut die Wiederherstellung der Meinungs-<br />
und Versammlungsrechte vorsah, formierten sich im Sommer<br />
1955 die pro-deutschen Parteien des <strong>Saar</strong>landes zum Heimatbund.<br />
Da sich darunter auch die CDU befand, ergab sich die paradoxe Situation,<br />
dass die <strong>Saar</strong>-CDU zum Ablehnen des Status aufrief, während<br />
CDU-Bundeskanzler Adenauer eine Zustimmung propagierte. Während<br />
des Wahlkampfes kam es zu schweren Auseinandersetzungen<br />
mit deutsch-nationalistischen Tönen sowie<br />
Angriffen auf Ministerpräsident Hoffmann<br />
(«Der Dicke muss weg!») und seine von<br />
ehemaligen Emigranten getragene Regierung.<br />
Zusätzlich hatte die Ablehnung der<br />
Europäischen Verteidigungsgemeinschaft<br />
durch Frankreich das Vertrauen in den europäischen<br />
Einigungskurs erschüttert und<br />
Frankreichs Wirtschaft geriet gegenüber<br />
dem deutschen Wirtschaftswachstum ins<br />
Hintertreffen. (Zur Rolle der katholischen<br />
Kirche im Abstimmungswahlkampf siehe<br />
den Artikel über Michael Schulien, den damaligen<br />
Päpstlichen Apostolischen Visitator<br />
des <strong>Saar</strong>gebietes.)<br />
In der Volksabstimmung am 23. Oktober<br />
1955 votierten 67,7 Prozent der abstimmenden saarländischen Bürger<br />
– bei einer Beteiligung von 96,6 Prozent (620.000 Teilnehmer) - gegen<br />
das <strong>Saar</strong>statut. Dieses Votum wurde als Ausdruck des Willens zu einem<br />
Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland angesehen.<br />
Da der deutsch-französische Vertrag von 1954 keine Regelungen für<br />
den Fall einer Ablehnung des <strong>Saar</strong>statuts enthielt, musste erneut verhandelt<br />
werden. Diese Verhandlungen führten zum Luxemburger Vertrag<br />
vom 27. Oktober 1956, in dem Frankreich der Rückgliederung des<br />
<strong>Saar</strong>landes unter deutsche Hoheit zum 1. Januar 1957 zustimmte. Am<br />
14. Dezember 1956 erklärte der saarländische Landtag den förmlichen<br />
Beitritt zum Geltungsbereich des bundesdeutschen Grundgesetzes.<br />
Durch das Gesetz über die Eingliederung des <strong>Saar</strong>landes vom 23. Dezember<br />
1956 wurde das <strong>Saar</strong>land am 1. Januar 1957 als zehntes Bundesland<br />
in die damalige Bundesrepublik Deutschland eingegliedert.<br />
Der Termin für die wirtschaftliche Eingliederung des <strong>Saar</strong>landes in die<br />
Bundesrepublik und die Einführung der D-Mark an der <strong>Saar</strong> wurde vor<br />
der Bevölkerung lange geheim gehalten und als „Tag X“ hoffnungsvoll<br />
erwartet. Erst mit dem wirtschaftlichen Anschluss am 6. Juli 1959 war<br />
die „Kleine Wiedervereinigung“ vollständig, und so endete nach 14<br />
Jahren der zweite saarländische Sonderweg.
R O T Z F R E C H 01/ 2 0 0 7 06<br />
SAAR-LOR-LUX<br />
Modellregion fUEr Europa<br />
Vive la France: denkt so mancheR, wenn er sich am späten Samstagnachmittag<br />
noch schnell in den großen französischen Hypermarché nach<br />
Sarreguemines oder Forbach aufmacht, um den leckeren französischen Camembert<br />
und eine Flasche Bordeaux zu kaufen. Gewiss, kriegt man das alles<br />
auch in der saarländischen Supermarktkette – aber seien wir ehrlich: das Flair<br />
geht gänzlich verloren. Ein kurzer Blick in die Fischtheke beweißt, nur wenige<br />
Kilometer hinter der Grenze ist man dem Atlantik schon ein gutes Stück näher.<br />
Das Urlaubsgefühl steigt uns sprichwörtlich in die Nase.<br />
Dabei ist das Leben in der Grenzregion inzwischen für viele Menschen Alltag, ein<br />
Teil ihres Lebensinhaltes und auch Zukunftsperspektive. Die SozialdemokratInnen und SozialistInnen in der Grenzregion<br />
haben das erkennt. Sie gründeten am 20. Juni 2005 einen Dachverband – die <strong>Saar</strong>LorLux-Internationale.<br />
Inzwischen gibt es eine Reihe von Initiativen, die den politischen Austausch über die Landesgrenzen hinweg fördern<br />
und den Dialog aufrechterhalten.<br />
Die sozialdemokratischen Frauen der Großregion leisten bereits seit 2003 ihren Beitrag zum grenzüberschreitenden<br />
Austausch. In Fachkonferenzen, bei Wahlkampfinitiativen tauschen sich die AsF <strong>Saar</strong> und Rheinland-Pfalz mit den<br />
Frauen der Parti Socialiste in Lothringen, den Sozialistinnen in Luxemburg und Belgien unter dem Dach der „Pont<br />
des Femmes“ in regelmäßigen Abständen aus.<br />
Auch die Jusos <strong>Saar</strong> haben in ihrer Arbeit die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Lothringen, Belgien und<br />
Luxemburg nie aus den Augen verloren. Auf dem IUSY-Festival im Sommer 2006 in Alicante gab es mehrere gemeinsame<br />
Delegationsbesprechungen zwischen den vier PartnerInnen in der Großregion. Der grenzüberschreitende Dialog<br />
ist wichtig, weil alle Organistionen eine große gemeinsame Schnittmenge an Themen haben: die Abschaltung des<br />
AKW in Cattenom, der Strukturwandel in den Industrieregionen aber auch der Umgang mit jungen arbeitssuchenden<br />
Menschen. Die Jusos <strong>Saar</strong> lassen daher keine Gelegenheit aus, ihre Positionen in unterschiedliche Foren einzubringen.<br />
Die Jungen Europäischen Föderalisten im <strong>Saar</strong>land sind daher ein wichtiger Netzwerkpartner unter den saarländischen<br />
Jugendorganisationen. Hier lassen sich über die Partei hinaus wichtige Kontakte knüpfen. Die gemeinsame<br />
Arbeit mit der MJS (Mouvement des Jeunes Socialistes – Bewegung der jungen SozialistInnen) in Frankreich und der<br />
JSL (Jeunesse Socialiste Luxembourgeoise – Sozialistische Jugend Luxemburg) zeigt, dass die Zukunft der Zusammenarbeit<br />
in der Großregion liegt. Nur so können wir uns langfristig auch Gehör in Europa schaffen und zeigen, dass<br />
wir eine leistungsstarke Region sind, die eine Zukunft hat, wenn sie von SozialdemokratInnen und SozialistInnen<br />
regiert wird. Denn: für uns ist grenzüberschreitende Zusammenarbeit schon lange kein Fremdwort mehr.<br />
Jeunesses Socialistes Luxembourgeoises<br />
Luxemburg<br />
www.jsl.lu<br />
Herausgeber:<br />
Jungsozialistinnen<br />
und Jungsozialisten<br />
in der <strong>SPD</strong> -<br />
Landesverband <strong>Saar</strong><br />
Verantwortlich:<br />
Christine Streichert<br />
Chefredakteurin<br />
Satz und Gestaltung:<br />
Katrin Seibert<br />
Verlag:<br />
Grundlayout:<br />
Eigenverlag<br />
<strong>ROTZFRECH</strong><br />
Impressum<br />
Corporate Werbeagentur,<br />
Münster<br />
Druck:<br />
WVD, St. Ingbert<br />
Redaktionsanschrift:<br />
Jusos <strong>Saar</strong>,<br />
Talstrasse 58, 66119 <strong>Saar</strong>brücken,<br />
Tel. 0681 58 17 37, Fax -415<br />
www.jusos-saar.de, rotzfrech@jusos-saar.de<br />
Namentlich gekennzeichnete<br />
Beiträge geben nicht unbedingt<br />
die Meinung der Redaktion wieder.<br />
Mouvement des Jeunes Socialistes<br />
Lorraine<br />
www.mjsfrance.org<br />
Mouvemeent des Jeunes Socialistes<br />
Wallonie<br />
www.mjs.be<br />
JungsozialistInnen in der <strong>SPD</strong><br />
Rheinland-Pfalz<br />
www.jusos-rlp.de
Juso-Landeskonferenz 2007:<br />
Linke Politik zur rechten Zeit<br />
Unter diesem Motto kommen die saarländischen Jusos am<br />
Sonntag, den 29. April 2007, in der Dorfhalle in Limbach (<strong>Saar</strong>pfalz)<br />
zu ihrer diesjährigen Juso-Landeskonferenz zusammen.<br />
An diesem Tag werden die 105 Delegierten dazu aufgerufen,<br />
über Anträge aus den verschiedensten Politikbereichen zu debattieren.<br />
Darüber hinaus steht die Neuwahl des Juso-Landesvorsitzenden<br />
auf dem Programm. Michael Clivot wird sein Amt nach<br />
sechsjähriger Amtszeit zur Verfügung stellen. Der 27-jährige<br />
wird den Jusos aber weiterhin erhalten bleiben. Er ist bis Ende<br />
des Jahres in den Juso-Bundesvorstand kooptiert und wird<br />
auf dem Juso-Bundeskongress im November dieses Jahres als<br />
stellvertretender Juso-Bundesvorsitzender kandidieren. Als<br />
Nachfolger von Michael Clivot wird Sebastian Thul (Unterbezirk<br />
Neunkirchen) für das Amt des Juso-Landesvorsitzenden<br />
kandidieren. Der 27-jährige ist seit drei Jahren stellvertretender<br />
Juso-Landesvorsitzender.<br />
ebenfalls nicht mehr für<br />
den Juso-Landesvorstand<br />
zur Verfügung.<br />
Von Maik Licher<br />
Wichtigster inhaltlicher<br />
Diskussionspunkt wird<br />
der Leitantrag des Juso-<br />
Landesvorstandes sein.<br />
Dieser wird zum Einen<br />
eine Generalabrechnung<br />
mit der CDU-geführten<br />
Landesregierung um Michael Clivot tritt nach 6 Jahren ab.<br />
Peter Müller und zum Anderen eigene inhaltliche Positionierungen<br />
beinhalten. Nach dem Arbeitsprogramm aus dem letzten<br />
Jahr werden die Jusos <strong>Saar</strong> in diesem Jahr auch die inhaltlichen<br />
Weichen für das „Superwahljahr 2009“, ganz nach dem Motto<br />
„Linke Politik zur Rechten Zeit“, stellen.<br />
Neben der Wahl zum Juso-Landesvorsitz werden noch weitere<br />
Wahlen auf der diesjährigen außerordentlichen Juso-Landeskonferenz<br />
notwendig sein. Aus beruflichen Gründen stehen<br />
Marc Brandstetter, stellvertretender Landesvorsitzender, Janine<br />
Lorch, Beisitzerin, und Jan Hornberger, Pressesprecher,<br />
Juso Landeskonferenz 2007<br />
Sonntag, 29. April 2007, ab 10 Uhr<br />
Dorfhalle Kirkel Limbach<br />
Auch eine Revolution will geplant sein!<br />
Seminarprogramm der Jusos <strong>Saar</strong> in Zusammenarbeit mit den Jusos RLP<br />
Von Dominik Merz<br />
Der große Erfolg des ersten gemeinsamen Bildungsprogramms<br />
der Juso-Landesverbände <strong>Saar</strong> und Rheinland-Pfalz aus dem<br />
vergangenen Jahr wird sich auch in 2007 fortsetzen.<br />
Das aktuelle Seminarprogramm beinhaltet sowohl inhaltliche<br />
als auch technische Bildungsangebote zu den verschiedensten<br />
Themen, angefangen bei A wie ArbeitnehmerInnenrechte bis<br />
hin zu Z wie Zeitmanagement.<br />
Folgende Seminare bieten wir für euch bis zur Sommerpause<br />
an (verfügbare Plätze und kurzfristige Änderungen erfahrt Ihr<br />
auf der Bildungsplattform www.bildung.jusos-saar.de):<br />
12.-13.05 „Deutschland und der Faschismus“ (Speyer)<br />
19.-20.05. „Homepaging“ (<strong>Saar</strong>brücken)<br />
02.06. „Bauleitplanung“ (Worms)<br />
15.-17.06. „Verhandeln I“ (Cochem)<br />
23.-24.06. „Öffentlichkeits- und Medienarbeit“<br />
(Traben-Trarbach)<br />
29.06.-01.07. „Konfliktmanagement“ (Bingen)<br />
30.06.-01.07. „Einstieg in die Europapolitik“ (Trier)<br />
Bitte gebt bei der Anmeldung alle relevanten Daten an. Sprecht<br />
auch Freunde und Bekannte auf die Teilnahme an einem unserer<br />
Seminare an, denn die Mitgliedschaft bei den Jusos und/<br />
oder der <strong>SPD</strong> ist keine Voraussetzung, um das Bildungsprogramm<br />
nutzen zu können. Alle Seminare (mit Ausnahme der<br />
Sommerschule) sind für Euch kostenfrei, lediglich die Fahrtkosten<br />
müsst ihr selbst bezahlen.<br />
Worauf wartet ihr noch? Für alle Seminare könnt ihr Euch bei<br />
unserem Bildungssekretär Dominik Merz anmelden. Dies geht<br />
am besten über die Bildungsplattform (www.bildung.jusos-saar.<br />
de) , per Post (Klarastraße 15a, 55116 Mainz, am besten mit<br />
dem Coupon aus der Broschüre) oder per Mail (seminare@jusossaar.de).<br />
ONLINE ANMELDEN<br />
oder exemplar<br />
bestellen:<br />
www.bildung.jusos-saar.de
R O T Z F R E C H 01/ 2 0 0 7 08<br />
Ein JUNGer Landrat fUEr St. Wendel<br />
kate und viele Infostände geben.<br />
Rotzfrech: Wie willst du jungen Leute, insbesondere Erstwählerinnen<br />
und Erstwähler, motivieren, am 01. Juli wählen zu<br />
gehen?<br />
Magnus: Seit 15 Jahren bin ich ehrenamtlich in der Jugendarbeit<br />
und der Jugendhilfe tätig und der Gründer von Was geht<br />
e.V. (Träger der Jugendbüros in Nonnweiler, Nohfelden und<br />
Marpingen), Ich denke, dass ich glaubhaft die Interessen der<br />
Jugendlichen vertreten und mich für sie stark machen kann.<br />
Während des Wahlkampfs werde ich verstärkt das Gespräch<br />
mit den Jugendlichen suchen und zähle hier insbesondere auf<br />
die Mithilfe der Jusos im Kreis St. Wendel.<br />
Rotzfrech: Was ist das Besondere am Kreis St. Wendel?<br />
Magnus: Klare Stärke der Region ist die starke soziale Struktur.<br />
Hinzu kommen stabile wirtschaftliche Strukturen, welche<br />
allerdings ein sehr niedriges Arbeitsplatzniveau aufweisen.<br />
Rotzfrech: Welche wichtigen politischen Themen siehst du für<br />
den Kreis St. Wendel?<br />
Rotzfrech: Am 01.07.07 wird im Kreis St. Wendel ein neuer<br />
Landrat gewählt. Der <strong>SPD</strong>-Kreisvorstand hat dich einstimmig<br />
als Kandidat nominiert. Für die CDU wird Udo Recktenwald,<br />
derzeit Sprecher der CDU-Landesregierung, ins Rennen gehen.<br />
Warum bist du der bessere Kandidat?<br />
Magnus: Der Kreis St. Wendel ist als Schulträger für Bildungspolitik<br />
als Kinder- und Jugendhilfeträger für Kindertagesbetreuung,<br />
Jugendsozialarbeit und Erziehungshilfe zuständig.<br />
Zudem sind wir als einzige Optionskommune im <strong>Saar</strong>land<br />
allein für die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit verantwortlich.<br />
Mein politischer Schwerpunkt liegt auf dem sozialpolitischen<br />
Themenbereich, da ich dort seit 15 Jahren meine<br />
ehrenamtlichen und beruflichen Tätigkeiten ausübe. Daher<br />
habe ich hier die besseren Konzepte und die größere Erfahrung<br />
in diesem Bereich. Darüber hinaus brauchen wir keinen<br />
Landrat, der die Interessen der Landesregierung im Kreis St.<br />
Wendel vertritt, sondern einen Landrat, der die Interessen<br />
der Bürgerinnen und Bürger unserer Region in <strong>Saar</strong>brücken<br />
vertritt.<br />
Rotzfrech: Welche konkreten Wahlkampf-Aktionen sind von<br />
Seiten der Kreis-<strong>SPD</strong> geplant?<br />
Magnus: Ab dem 10.04.07 besuche ich täglich ein Dorf im<br />
Kreis St. Wendel, um mit den Bürgerinnen und Bürgern in<br />
direkten Kontakt zu treten. Themen werden unter anderem<br />
die Zukunftsfähigkeit der Dörfer sein. Neben dem basisorientierten<br />
Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern unseres<br />
Kreises wird es natürlich Flyer, diverse Give-aways sowie Pla-<br />
Magnus: Zum Ersten ist hier die Bildungspolitik zu nennen,<br />
da sie in den Aufgabenbereich des Kreises fällt. Es muss mehr<br />
Zeit für Bildung geben, d. h. die Errichtung echter Ganztagsschulen<br />
ist notwenig, die zudem kostenfrei für die Eltern sind.<br />
Hierzu muss es dann auch ein schulisches und außerschulisches<br />
Angebot in den Bereichen Sport, Musik und Kultur<br />
geben. Zum Zwecke einer effektiven Familienförderung ist<br />
eine Erhöhung der Krippenplätze auf einen Vorsorgungsgrad<br />
von 20% bis 2010 dringend notwenig. Die Arbeitsmarktpolitik<br />
hat ebenfalls einen hohen Stellenwert, denn dort müssen die<br />
Langzeitarbeitslosen besser vermittelt werden, um so auch<br />
die Kinderarmut zu verringern. Notwenig ist hier ebenfalls die<br />
Verbesserung der Ausbildungsplatzsituation, die im Kreis St.<br />
Wendel derzeit deutliche Defizite aufweist.<br />
Rotzfrech: Danke für das Gespräch.<br />
INFOBOX<br />
Name: Magnus Jung<br />
Alter: 36<br />
Beruf: Freiberufler im Bereich<br />
Sozialforschung und<br />
Politikberatung<br />
Familie: verheiratet, 1 Tochter<br />
Mitglied der <strong>SPD</strong> seit 1988, Vorsitzender des<br />
Kreisverbandes St. Wendel seit 2006
BUERGERMEISTERWAHL IN QUIERSCHIED<br />
Karin Lawall: Jetzt erst Recht!<br />
Am 24. Juni findet in<br />
Quierschied die Bürgermeisterwahl<br />
statt. Die<br />
57-jährige Quierschieder<br />
L andtagsabgeordnete<br />
Karin Lawall tritt als Bürgermeisterkandidatin<br />
der<br />
<strong>SPD</strong> an. Die Gemeinde<br />
Quierschied hat sich in<br />
den letzten Jahren nicht<br />
weiterentwickelt, die<br />
anstehenden Probleme<br />
wurden nicht gelöst. Für<br />
Familien, Kinder und Jugendliche<br />
wurde nichts getan. Mit Karin Lawall wird sich das ändern:<br />
sie möchte ein lokales Bündnis für Familien gründen, sie unterstützt<br />
die Jugendlichen in ihren Bestrebungen, selbst verwaltete Jugendzentren<br />
in den Ortsteilen Fischbach und Göttelborn einzurichten und will<br />
Von Tim Rozenski<br />
die Skaterbahn in Quierschied wieder öffnen.<br />
Die Göttelborner Jusos und zahlreiche Jugendliche aus der ganzen<br />
Gemeinde unterstützen sie in ihrem Wahlkampf. Gemeinsam mit Karin<br />
Lawall führten sie bereits zwei erfolgreiche Kinoveranstaltungen<br />
durch und arbeiten auch sonst sehr eng zusammen: Den Bau der<br />
Standhütte der Jusos unterstützte Lawall mit einer Geldspende, genau<br />
wie den Bau des diesjährigen Faschingswagens der Jusos. Bereits<br />
im letzten Jahr half Karin Lawall bei den Juso-Ständen auf dem Dorffest<br />
und dem Weihnachtsmarkt und lief gemeinsam mit dem Göttelborner<br />
Juso-Vorsitzenden Tim Rozenski beim Benefizlauf „Schwitzen<br />
für Afrika“ mit. Kurz darauf übernahm sie die Schirmherrschaft des<br />
Benefizkonzertes „Gib Deine Stimme gegen Armut“.<br />
Mit Karin Lawall werden die Jugendlichen in der Gemeinde Quierschied<br />
endlich eine Stimme bekommen, die sie vertritt, ein Ohr, dass<br />
ihnen zuhört und eine Hand, die ihnen hilft.<br />
NEIN ZUM ARBEITSSCHUFTGESETZ!<br />
Dert Ausbilungsmarkt im <strong>Saar</strong>land ist ja bekanntlich nicht rosig und<br />
während die CDU-Landesregierung nicht viel dagegen unternimmt<br />
und sich gegen jede Maßnahme stellt, die ansatzweise Erfolgschancen<br />
versprechen würde, eröffnet sie andere Baustellen um von der eigenen<br />
Arbeitsmarktpolitischen Kompetenzlosigkeit abzulenken. Immer wieder<br />
kommen die Argumente, die Rahmenbedingungen würden für die<br />
Wirtschaft nicht stimmen. Und dagegen will die CDU offensichtlich<br />
etwas unternehmen und hat dafür Vorschläge gemacht, die der Wirtschaft<br />
weniger schaden und gleichzeitig angeblich mehr Ausbildungsplätze<br />
schaffen sollen.<br />
So dachte der Wirtschaftsminister Geogi, es wäre doch eine prima Idee<br />
wenn man sich mal an das Jugendarbeitsschutzgesetz wagen würde<br />
und mit bundesweiter Aufmwerkscamkeit bei anderen Bundesländern<br />
für richtig tiefe Einschnitte werben würde. So entstand im Mai 2006<br />
ein Arbeitspapier des <strong>Saar</strong>ländischen Ministeriums für Wirtschaft<br />
und Arbeit (SMWA), das umfangreiche Vorschläge zum Abbau des<br />
JArbSchG enthält. Dabei geht es darum, dass Jugendliche generell<br />
zwischen sechs und 22 Uhr (bisher 20 Uhr) arbeiten dürfen, im Gaststättengewerbe<br />
bis 23 Uhr. Für die Landwirtschaft soll die bisherige<br />
Begrenzung auf 21 Uhr ganz gestrichen werden. Jugendliche in Bäckereien<br />
sollen künftig bereits um vier und nicht erst um fünf Uhr mit<br />
der Arbeit beginnen dürfen. Begründet wird dies mit der »Annäherung<br />
an das veränderte Freizeitverhalten von Jugendlichen und der Anpassung<br />
an betriebliche Erfordernisse«.<br />
Damit ist gemeint: „Wer Abends saufen kann, kann genau so gut später<br />
arbeiten oder sogar früher anfangen“. Doch woher nehmen sich<br />
Müller, Georgi und Co. das Recht heraus darüber zu urteilen, wie Jugendliche<br />
heutzutage ihr Freizeitverhalten zu gestalten haben?<br />
Der berechtigte Widerstand der Gewerkschaften wertete die CDU-<br />
Nachwuchsorganisation im <strong>Saar</strong>land allerdings so, als würde die Gewerkschaft<br />
den Jugendlichen ihren Traumjob nicht gönnen. In einer<br />
Erklärung schreibt die Junge Union: „Der 17jährige Lehrling muss<br />
Von Michael Clivot<br />
um zehn Uhr abends Schluss machen, und der Meister darf dann die<br />
Küche alleine putzen.“ Im Umkehrschluss bedeutet das: die Küche zu<br />
putzen sehen die Jugendlichen heutzutage als Traumjob an.<br />
Konkret bedeuten die Vorschläge der Landesregierung:<br />
die Höchstarbeitszeiten anzuheben (§ 11 JArbSchG)<br />
Beschäftigungsverbote für Jugendliche zu bestimmten Tageszeiten<br />
und damit ihr Recht auf Nachtruhe drastisch einzuschränken (§ 14<br />
JArbSchG)<br />
Beschäftigungsverbote für Jugendliche an Samstagen und Sonntagen<br />
einzuschränken bzw. aufzuheben (§§ 16, 17 JArbSchG)<br />
das Züchtigungsverbot für Arbeitgeber gegenüber Jugendlichen (§<br />
31 JArbSchG) nicht länger im JArbschG zu regeln<br />
die gesundheitliche Betreuung der arbeitenden Jugendlichen (§§<br />
32–46 JArbSchG) weitgehend von den Ländern regeln zu lassen<br />
Der zuständige Landesausschuss für Jugendarbeitsschutz, der im<br />
JArbSchG verpflichtend verankert ist und an dem auch die Gewerkschaften<br />
teilnehmen wurde gar nicht erst einberufen. Die Verpflichtung<br />
zur Einrichtung solcher Ausschüsse für Jugendarbeitsschutz bei<br />
den Landesregierungen (§§ 55–57 JArbSchG) will die CDU nun natürlich<br />
komplett streichen.<br />
Es ist erschreckend, dass die Landesregierung den Abbau der Rechte<br />
von Auszubildenden für ein probates Mittel gegen den Mangel an<br />
betrieblichen Ausbildungsplätzen hält. Das JArbschG stellt kein so genanntes<br />
Ausbildungshemmnis dar, sondern beinhaltet die Gewährleistung<br />
von Sicherheit und Gesundheitsschutz als oberste Maxime einer<br />
qualitativ anspruchsvollen Berufsausbildung.<br />
Es liegt nahe zu behaupten, dass die CDU-Landesregierung klare Klientelpolitik<br />
macht. Die Rechte der Jugendlichen spielen dabei keine<br />
Rolle. Diese müssen aber geschützt werden bevor wir wieder im Zeitalter<br />
der Sklaverei landen.
R O T Z F R E C H 01/ 2 0 0 7 10<br />
Auf dem Weg zu einer neuen Partei -<br />
nur leider nicht die Richtige!<br />
Von Michael Clivot, Juso-Landesvorsitzender und Mitglied des Juso-Bundesvorstandes<br />
Nun ist es wieder soweit. Nach 18 Jahren will sich die <strong>SPD</strong> ein<br />
neues Programm geben und damit versuchen, ihren Mitgliedern<br />
und den Wählerinnen und Wählern zu zeigen, wo sie zu Beginn<br />
des 21. Jahrhunderts hin will. Die Betonung liegt auf „versucht“,<br />
denn der nun vorliegende Entwurf für dieses Programm, der so<br />
genannte Bremer Entwurf, erfüllt diesen Anspruch in keinster<br />
Weise.<br />
Dieser Entwurf, der nach der Meinung der Parteioberen im November<br />
auf dem Parteitag in Hamburg zum Programm auserkoren<br />
werden soll, besitzt weder Emotionen noch Visionen und<br />
schon gar keine richtungweisende Positionierungen, die einst die<br />
<strong>SPD</strong> zu einer starken Programm-Partei machten.<br />
Die <strong>SPD</strong> ist programmatisch ausgebrannt. Das Profil der <strong>SPD</strong> ist<br />
immer wenig klar erkennbar. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig,<br />
dass die Debatte um das Grundsatzprogramm Platz bietet um<br />
Visionen zu diskutieren, die über die alltägliche Regierungspolitik<br />
hinausgehen. Doch stattdessen wirkt der Entwurf als eine Art<br />
„Rechfertigungsprogramm“ für 7 Jahre rot-grün; die Programmdebatte<br />
lässt kaum Raum, diese Regierungszeit kritisch zu beleuchten.<br />
Es wird versäumt, klarzustellen, wie man die Schröder-<br />
Ära analysiert, welche Konsequenzen man daraus zieht und wofür<br />
die <strong>SPD</strong> nun steht.<br />
Sicherlich wird die im Entwurf gebotene sozialdemokratische Prosa<br />
der <strong>SPD</strong> dabei nicht weiter helfen. In dem Kapitel „Unser Weg“<br />
vermutet man jedoch eine Antwort darauf zu finden und so liest<br />
man „Wir sind die Partei der engagierten BürgerInnen“, „Wir sind<br />
die Partei der solidarischen Mitte“, „Wir sind die Partei für ganz<br />
Deutschland“... wer sich nach der Lektüre ein wenig verloren findet,<br />
steht ganz gewiss nicht alleine da. Vor allem könnten diese<br />
Formulierungen im Programm einer beliebigen anderen Partei<br />
stehen. Die Analyse der Gesellschaft muss mehr sein als ein paar<br />
nette Worte. Nur wer weiß, wo er steht, kann Gestaltungsvorschläge<br />
aufzeigen und damit Orientierung stiften. Die Analyse in<br />
weiten Teilen des Bremer Entwurfs ist schlichtweg platt und in<br />
ihrer Vereinfachung auch falsch.<br />
Der Entwurf versucht sich sichtlich von vorangegangenen Programmen<br />
zu lösen und bricht mit vielen Traditionen nicht nur<br />
bei der Verwendung von Begrifflichkeiten, sondern ebenso bei<br />
den damit verbundenen Inhalten. So nimmt der demokratische<br />
Sozialismus, der im Berliner Programm noch eine relativ starke<br />
Rolle spielte, fast keinen Raum mehr ein. Nur einmal wird er völlig<br />
lieb- und inhaltslos in den Programmentwurf gepackt, um die linken<br />
Gemüter zu beruhigen. Es geht aber nicht darum, wie oft man<br />
den Begriff demokratischer Sozialismus über die Suchfunktion im<br />
Grundsatzprogramm findet, sondern welchen Platz er tatsächlich<br />
im Konzept der <strong>SPD</strong> einnimmt. Nachdem der demokratische Sozialismus<br />
erwähnt wurde, wird nur noch von Sozialer Demokratie<br />
gesprochen. Ein flüchtiger Blick über den Entwurf genügt um zu<br />
wissen, dass die Worte: „Er ist kein Dogma und beschreibt keinen<br />
Endzustand, sondern die Vision einer freien, gerechten und<br />
solidarischen Gesellschaft, für deren Verwirklichung wir auch<br />
weiterhin eintreten.“ leer sind. In diesem Entwurf finden sich<br />
weder Ziele, die über den heutigen Tag hinausgehen, noch solche,<br />
die den Weg in diese Richtung weisen. Auch werden die<br />
Grundwerte der Sozialdemokratie „Freiheit, Gerechtigkeit und<br />
Solidarität“ nicht mehr aus dem Demokratischen Sozialismus<br />
hergeleitet, wie dies noch im Berliner Programm geschah. Damit<br />
wird der demokratische Sozialismus de facto zum historischen<br />
Relikt in der sozialdemokratischen Ahnengalerie.<br />
Für viele in der <strong>SPD</strong> bleibt der demokratische Sozialismus der<br />
Begriff, der dieses Konzept einer anderen Gesellschaft am Besten<br />
beschreibt. Denn dieser macht deutlich, dass die <strong>SPD</strong> eine<br />
Kapitalismuskritik braucht, da es in dieser Gesellschaft grundsätzliche<br />
Interessenskonflikte gibt. Einen „demokratischen<br />
Sozialismus light“ über den gesetzten Begriff „Soziale Demokratie“,<br />
bei dem es nur noch um Korrekturen und nicht mehr<br />
um eine andere, bessere Gesellschaft geht, wird die <strong>SPD</strong> nicht<br />
weiter bringen und die Gesellschaft im Übrigen auch nicht.<br />
Die Jusos <strong>Saar</strong> setzen sich intensiv mit dem Programm auseinander,<br />
deutlich mehr als die restliche Partei und wollen aufzeigen<br />
wo es noch Änderungsbedarf gibt. Nach mehreren Veranstaltungen<br />
und Diskussionen im Verband werden die Jusos<br />
auf der Landeskonferenz am 29. April sowie auf dem <strong>SPD</strong>-<br />
Landesparteitag am 1. und 2. Juni (ATSV-Halle, <strong>Saar</strong>brücken)<br />
für Korrekturen am Bremer Entwurf eintreten, damit die <strong>SPD</strong><br />
sich ein sozialdemokratisches Programm gibt, das auch diesen<br />
Namen verdient hat.<br />
nicht-angepasst.de
MADAME LA PRESIDENTE - WAHLKAMPF ROYAL<br />
Von Christine Streichert<br />
Was muss das für eine Frau<br />
sein, die sich in einem parteiinternen<br />
Wahlkampf um<br />
die Nominierung zur Präsidentschaftskandidatur<br />
gegen<br />
männliche Gegner mit einem<br />
phänomenalen Wahlergebnis<br />
durchsetzt. „Ich bin bereit,<br />
wenn die Partei es will“, erläuterte<br />
Ségolène Royal, 52, in<br />
einem Interview. Und die sozialistische<br />
Partei (PS) Frankreichs<br />
war bereit. Mit 60,62%<br />
setze sich Ségolène gegen ihre männlichen Herausforderer Laurent<br />
Fabius und Dominique Strauss-Kahn im November 2006 durch.<br />
Seitdem steht der Name Ségolène Royal sinnbildlich für das Aufbrechen<br />
verkrusteter Parteistrukturen und die Aussicht auf einen Wahlsieg.<br />
Als erste Frau könnte sie in Frankreich Präsidentin der Republik<br />
werden. An dem Establishment der sozialistischen Partei vorbei, hat sie<br />
sich gegen die männliche Führungsriege durchgesetzt.<br />
Wie lässt sich das „phénomène ségo“ – die Ségomanie – erklären?<br />
Liegt es an ihrem Alter? Da Frauen nicht gerne danach gefragt werden,<br />
sei nur soviel gesagt: sie gehört der gleichen Generation an, wie<br />
Fabius und Strauss-Kahn. Ist sie eine Externe, eine Neueinsteigerin?<br />
Seit ihrem Abschluss an der ENA, begleitete Ségolène unterschiedliche<br />
Funktionen auf Regierungsebene, war beispielsweise als Beraterin von<br />
François Mitterand in jugend- und sozialpolitischen Angelegenheiten<br />
tätig. Lionel Jospin nominierte sie 1997 zur Bildungsministerin, und<br />
später zur Familienministerin. 2004 erreichte sie den vorläufigen<br />
Höhepunkt ihrer politischen Karriere: Sie gewann den Wahlkreis des<br />
damals amtierenden konservativen Ministerpräsidenten Jean-Pierre<br />
Raffarin. In der Folge wurde sie Vorsitzende des Regionalrates von Poitou-Charentes.<br />
Sie gehört zur Politikkaste Frankreichs, und das nicht<br />
erst seit gestern.<br />
Was ist ihr Geheimnis? Obwohl die Sozialistin – wie die Mehrheit der<br />
französischen PolitikerInnen – die Kaderschmiede der ENA durchlaufen<br />
hat, umgibt sie der Charme des Neuen, des Aufbruchs. Die<br />
Medien stürzten sich auf sie während der Debatte um die Ausweitung<br />
der Probezeit für junge französische BerufseinsteigerInnen (Anm.: das<br />
Rotzfrech-Magazin berichtete in der Ausgabe 02/2006).<br />
Mehr als 60.000 neue Mitglieder kamen während dieser Zeit zur Partei.<br />
Ihre Wahlkampfstrategie ist dabei keineswegs einfach, aber sehr<br />
wirkungsvoll. Sie nutzt ein Element, das in Zeiten der Partei- und<br />
Politikerverdrossenheit zunehmend in Vergessenheit geraten ist: die<br />
partizipative Demokratie. In mehr als 6.000 öffentlichen Debatten<br />
haben sie und ihre UnterstützerInnen ein offenes Ohr für die Belange<br />
der Bevölkerung. Mehr als 135.000 Beiträge wurden über das Internet<br />
gesendet. In unterschiedlichen Blogs tauschen sich Parteimitglieder,<br />
WählerInnen und interessierte BürgerInnen über die Politik<br />
von Ségolène und der PS aus.<br />
Ségolène könnte eine wahre Alternative zum verkommenen<br />
Politikstil vieler männlicher Vorgänger. Ihr Gegenkandidat<br />
Nicolas Sarkozy – auch als rücksichtsloser Vertreter<br />
des Reinigungsgeräteherstellers Kärcher bekannt<br />
– bedient hingegen das Wählerklientel, das stärker auf<br />
ein hartes Durchgreifen durch den Staat statt präventiver<br />
Politik setzt. Das Projekt der „auslesenden Immigration“<br />
ist nur ein Beispiel für seine Politik der eiskalten Hand, die<br />
auch die rechtsextreme Wählerklientel bedienen soll.<br />
Der Name Ségolène Royal stand während ihrer politischen<br />
Tätigkeit für progressive Sozial- und Bildungspolitik. In<br />
ihrem Wahlprogramm – dem „Pacte présidentiel“ plädiert<br />
sie für eine Anhebung des Mindestlohn auf 1.500 € und<br />
eine Schulpflicht ab 3 Jahren. Sie ist Vertreterin einer<br />
neuen Generation politisch ambitionierter Frauen, die<br />
verschworene Männerzirkel und Klüngelrunden aufbrechen<br />
und neue Beteiligungsmöglichkeiten in der Partei<br />
und Regierung schaffen wollen.<br />
Der phänomenale Einstieg in den Wahlkampf ist mittlerweile<br />
allerdings breiter Ernüchterung gewichen. Männliche<br />
Kritiker werfen ihr vor, mehr Sozialarbeiterin statt<br />
Volksvertreterin und Gesetzgeberin sein zu wollen. Die<br />
französische Intellektuellenriege beschuldigt sie der Gefühlspolitik<br />
und des Populismus. Parteiintern werfen ihr<br />
Kritiker vor, sie habe zu spät ein Programm präsentiert.<br />
Mehr als einen Monat nach Sarkozy warf sie ihre Pläne<br />
in den Ring. Seitens jüngerer ParteigenossInnen wurde<br />
ihr vorgehalten, keine ausreichenden Visionen für präventive<br />
Jugendarbeit zu haben. So schlägt sie in ihrem<br />
Präsidentschaftsprogramm vor, Erziehungszentren unter<br />
militärischer Leitung für jugendliche Gewalttäter einzurichten.<br />
Ein Vorschlag, der sicherlich nicht gerade das<br />
linke Wählerklientel bedienen soll.<br />
In den Umfragewerten sinkt die Sympathie für Ségolène<br />
Royal, ein Einzug in die Stichwahl wird mittlerweile sogar<br />
von eigenen UnterstützerInnen in Frage gestellt. Getreu<br />
dem Motto „Wenn zwei sich streiten – freut sich die Mitte“<br />
profitiert der liberale Kandidat François Bayrou von<br />
Zweiflern und Kritikern Ségolène Royals.<br />
Das Wahlergebnis bleibt bis zum Wahltag offen. Mit Ségolène<br />
Royal könnte es zum ersten Mal eine Frau in den<br />
Elysée-Palast schaffen, deren Name als Symbol für das<br />
wichtigste Amt der französischen Verfassung steht: Madame<br />
Royal – Présidente de la République Française.
R O T Z F R E C H 01/ 2 0 0 7 12<br />
Internationale SolidaritAEt hautnah erlebt<br />
von Rotzfrech-Redaktuer Michael Gerke<br />
In einem fernen Land<br />
Ich möchte euch die Geschichte eines Arbeitskampfes erzählen.<br />
Das Besondere ist, dass dieser Arbeitskampf 10.000 km weit entfernt<br />
statt fand. Aber ich erzähle die Geschichte am besten von<br />
Anfang an.<br />
Meine Schwester arbeitete im Jahre 2006 als Lehrerin an der<br />
deutschen Schule in La Paz, Bolivien. La Paz ist der Regierungssitz<br />
Boliviens, dessen linksgerichteter Präsident Evo Morales in<br />
letzter Zeit viel von sich reden macht. Ich wollte meine Schwester<br />
besuchen und kurz vor meiner Abreise erzählte sie mir von einem<br />
Streik und bat um Hilfe für die Streikenden: Es gab in La Paz eine<br />
Firma, die Taller Externo El Alto (TEA), die Goldschmuck fertigte.<br />
TEA beschäftigte rund 80 ArbeiterInnen, davon 70 Frauen,<br />
oft junge alleinerziehende Mütter. Die TEA produzierte quasi als<br />
Subunternehmen für die Firma Exportadores Bolivianos S.R.L.<br />
(ExBol). Als größter Goldexporteur Boliviens in die USA arbeitet<br />
ExBol zu 98% mit amerikanischem Kapital. Die Arbeitsschutzgesetze<br />
in Bolivien versucht ExBol zu umgehen, indem ein Großteil<br />
der Produktion von Subunternehmen ausgeführt wird, die<br />
exklusiv für ExBol arbeiten. Jedem Gewerkschafter wird dieses<br />
Vorgehen bekannt vorkommen, denn auch deutsche Unternehmen<br />
lagern gerne Teile ihrer Produktion aus, um Tarifverträge<br />
zu umgehen.<br />
Ein Arbeitskampf beginnt<br />
Die ArbeiterInnen von TEA hatten es nicht leicht: 12-stündige<br />
Arbeitstage ohne Mittagspause, ungesunde Arbeitsplätze, keinerlei<br />
Sozialleistungen wie Kranken-, Renten-, Sozial- und Unfallversicherungen<br />
oder gar Schwangerschaftsurlaub. Und das alles<br />
für 30-40 Euro im Monat, also eine Bezahlung unterhalb des<br />
gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohnes von 50 Euro im Monat.<br />
Als die ArbeiterInnen dann erfuhren, dass die TEA Ende des<br />
Jahres geschlossen werden sollte, gegründeten sie die Gewerkschaft<br />
SITRATEA. Zuerst versuchte die TEA, die Gewerkschaftsführer<br />
zu entlassen, aber die SITRATEA erzwang durch einen<br />
Streik ihre Wiedereinstellung. Auch die Entlassung anderer<br />
ArbeiterInnen konnte durch Streiks verhindert<br />
werden. Schließlich wurde durch das Arbeitsministerium<br />
ein Abkommen vermittelt, das<br />
den ArbeiterInnen soziale Mindeststandards<br />
garantierte. Eigentlich könnte die Geschichte<br />
hier enden, leider geht sie hier erst richtig los.<br />
in Bolivien verbietet. Die ArbeiterInnen, die natürlich nicht über<br />
Rücklagen verfügten und auch nicht auf eine Streikkasse zugreifen<br />
konnten - denn die neugegründete Gewerkschaft SITRATEA<br />
hatte ja auch kein Geld - standen vor dem Nichts. Sie wussten<br />
nicht mehr wie sie ihre Kinder ernähren sollten, aber sie gaben<br />
nicht auf.<br />
Ein aussichtsloser Kampf?<br />
Um ihre Arbeitsplätze zurückzuerhalten oder wenigstens eine<br />
Abfindung zu bekommen, wandten sie sich an das Dachunternehmen<br />
ExBol, für das die TEA produziert hatte, und baten den<br />
Präsidenten Evo Morales persönlich um Hilfe. ExBol stritt jedoch<br />
jegliche Zugehörigkeit der TEA zu ExBol ab und versuchte<br />
das Subunternehmen lediglich als Geschäftspartner dazustellen<br />
für dessen ArbeiterInnen ExBol folglich keine Verantwortung<br />
trage. Diese Behauptung war ziemlich dreist, denn der Manager<br />
von TEA stand als „Technischer Manager“ (Produktionsleiter)<br />
bei ExBol auf der Gehaltsliste und selbst der Schriftverkehr zwischen<br />
ExBol und TEA trug den Vermerk „Interne Kommunikation“.<br />
Der einflussreiche Manager von ExBol, der nebenbei auch<br />
Vorsitzender der Kammer der Exporteure Boliviens ist, konnte<br />
seine Position durchsetzen und die Regierung stellte sich auf den<br />
Standpunkt, in Bolivien gebe es keine Entlassungen, die ja verboten<br />
sind, sondern es handle sich um einen Konkurs der TEA.<br />
Einige Mitglieder der SITRATEA traten daraufhin in einen Hungerstreik<br />
und kampierten auf der großen Prachtstraße im Stadtzentrum<br />
von La Paz, einer Stadt, die mehr als 3000 m über dem<br />
Meer gelegen ist, was zu sehr kalten Nächten führt. Sie wurden<br />
zwar von Studierenden und einigen sozialen Bewegungen mit<br />
kleinen Spenden unterstützt, aber ihre kargen Mittel reichten<br />
einfach nicht aus, so dass einige ArbeiterInnen den Mut verloren<br />
und die mittlerweile von ExBol angebotene Abfindung von<br />
20-80 Euro, je nach Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, akzeptierten.<br />
Eine unangenehme Überraschung<br />
Anstatt den Verpflichtungen aus dem Abkommen<br />
nachzukommen, legte TEA seinen ArbeiterInnen<br />
neue Verträge vor, die einen Verzicht<br />
auf die im Arbeitsministerium vereinbarten<br />
Rechte vorsahen. Als die ArbeiterInnen sich<br />
weigerten zu unterzeichnen, sperrte TEA sie<br />
kurzerhand aus und schloss seine Werkstätte<br />
am 14 Juli 2006. Und das obwohl ein Dekret<br />
der Regierung von Evo Morales Entlassungen<br />
Demonstration vor dem Arbeitsministerium
Internationale Solidarität ...<br />
In dieser Situation erreichte mich der<br />
Hilferuf der Streikenden durch meine<br />
Schwester, die mich bat, um Unterstützung<br />
zu werben. In der Kürze<br />
der Zeit konnte ich nur eine kleine<br />
Sammlung bei den <strong>Saar</strong>brücker Jusos<br />
durchführen, aber Leute von ATTAC<br />
und vom Deutschen Gewerkschaftsbund<br />
(DGB) sagten zu, Spenden zu<br />
sammeln. Als ich in Bolivien ankam<br />
und die Geschichte mit eigenen Augen<br />
sehen konnte, startete ich einen Spendenaufruf<br />
über Email an die <strong>Saar</strong>ländischen<br />
Jusos, der von vielen mit<br />
Spendenzusagen beantwortet wurde.<br />
An dieser Stelle möchte ich mich noch<br />
mal bei allen bedanken, die geholfen<br />
haben, denn selbst die kleinen Spenden<br />
konnten viel bewirken, da in Bolivien<br />
das Leben nicht sehr teuer ist.<br />
Insgesamt kam in den Sammlungen<br />
ein dreistelliger Betrag zusammen, der<br />
es der SITRATEA ermöglichte, ihren Kampf fortzusetzen. Besonders<br />
wichtig war für die Streikenden aber auch einfach das<br />
Gefühl, dass ihnen jemand hilft, denn sie fühlten sich von ihrer<br />
Regierung und ihrem Gewerkschaftsdachverband im Stich<br />
gelassen. Am 4. August einigte sich die SITRATEA auf Abfindungen<br />
von durchschnittlich 250-500 Euro, mindestens aber<br />
100 Euro, orientiert an der Dauer des Arbeitsverhältnisses,<br />
inklusive Stillgelder für die Schwangeren und die Mütter von<br />
Säuglingen. Dank der internationalen Solidarität konnten sie<br />
also eine Art Sozialplan für die ArbeiterInnen erkämpfen, ein<br />
Erlebnis, dass die an willkürliche Entlassungen gewöhnten ArbeiterInnen<br />
durchaus als einen Erfolg verbuchen konnten.<br />
... ist und bleibt Pflicht!<br />
Die Solidarität aus Deutschland ist ein kleiner Schritt zur Stärkung<br />
der Gewerkschaftsbewegung in Bolivien und somit auch<br />
ein kleiner Schritt zur Stärkung der Gewerkschaften in aller<br />
Welt. Trotz der linken Ausrichtung der Regierung in Bolivien<br />
kann nur eine starke Gewerkschaftsbewegung soziale Mindeststandards<br />
garantieren, wie diese Geschichte beweist. Und nur<br />
wenn überall soziale Mindeststandards gelten, kann die Globalisierung<br />
mit menschenwürdigen Arbeitsverhältnissen in Einklang<br />
gebracht werden. Deshalb ist internationale Solidarität in<br />
der globalisierten Welt geradezu ein Muss für alle, die die Hoffnung<br />
auf eine bessere Zukunft nicht aufgegeben haben.<br />
Rotzfrechredakteur Michael Gerke bei den Streikenden<br />
Das zu großen Teilen in den Anden<br />
gelegene Bolivien hat rund<br />
9 Millionen Einwohner und ist<br />
dreimal so groß wie Deutschland. Damit ist es sehr<br />
dünn besiedelt. Die Hälfte der Bolivianer lebt in Städten,<br />
außerhalb der Städte leben nur sehr wenige Menschen.<br />
INFOBOX<br />
Viele BolivianerInnen, rund 80%, haben indianische<br />
Vorfahren, und ungefähr die Hälfte sind „echte“ IndianerInnen,<br />
meist Quechua oder Aymara. Die meisten<br />
BolivianerInnen sprechen Spanisch, es gibt aber<br />
so viele verschiedene Sprachen wie es Indianervölker<br />
gibt.<br />
Bolivien ist nach Haiti das zweitärmste Land Lateinamerikas.<br />
Zum Vergleich: Deutschlands Wirtschaftsleistung<br />
ist mehr als 300 mal so groß wie die Wirtschaftsleistung<br />
Boliviens.<br />
Das Land wird von La Paz aus regiert. Dort leben mit<br />
den Vororten zusammen rund 1 ½ Millionen Menschen,<br />
zwischen 3.200 und 4.100 Meter über dem<br />
Meer.<br />
Internationale GroSSdemonstration gegen<br />
den G8-Gipfel am 2. Juni 2007 in Rostock<br />
Attac-Bus zur Demo nach Rostock, Abfahrt: 8 Uhr(!) am 01.06.2007, Hafenstr.<br />
(nähe Congresshalle) Platz für 49 Personen. Die Rückfahrt findet<br />
erst eine Woche später statt(8.6.). Kosten für die einfache Fahrt: 30 EUR<br />
/ Für die Hin- und Rückfahrt: 50 EUR<br />
Kontakt: attac <strong>Saar</strong>, Haus der Umwelt, Ev.-Kirchstr. 8, 66111 <strong>Saar</strong>brücken,<br />
Tel.: 0681/30140377 / E-Mail: service@attac-saar.de / Internet: www.attac-saar.de
R O T Z F R E C H 01/ 2 0 0 7 14<br />
Die ThAElmann-Kolonne (Spaniens Himmel)<br />
Spaniens Himmel breitet seine Sterne,<br />
über unsre Schützengräben aus.<br />
Und der Morgen grüßt schon aus der Ferne,<br />
bald geht es zum neuen Kampf hinaus.<br />
Refrain:<br />
Die Heimat ist weit,<br />
doch wir sind bereit.<br />
Wir kämpfen und wir siegen<br />
Für Spaniens Freiheit!<br />
Dem Faschisten werden wir nicht weichen,<br />
schickt er auch die Kugeln hageldicht.<br />
Mit uns stehn Kameraden ohne gleichen,<br />
und ein Rückwärts gibt es für uns nicht.<br />
Refrain<br />
Rührt die Trommel! Fällt die Bajonette!<br />
Vorwärts, Marsch! Der Sieg ist unser Lohn!<br />
Mit der Freiheitsfahne brecht die Kette!<br />
Auf zum Kampf das Thälmann – Batallion!<br />
Musik: Paul Dessau (Paris 1936)<br />
Text: Gudrun Kabisch (Pseudonym: Karl Ernst)<br />
Vier Monate, nachdem General Francos faschistische<br />
Truppen in Spanien gelandet waren, trafen am 14. Oktober<br />
1936 in Albacete die ersten freiwilligen der „Internationalen<br />
Brigaden“ ein.<br />
Während mit Ausnahme der Sowjetunion das Ausland<br />
außer Sympathiebekundungen keinerlei Hilfe für die<br />
bedrohte Spanische Republik leistete, trafen aus aller<br />
Welt Männer und Frauen ein, um gegen die spanischen<br />
Faschisten und ihre deutschen und italienischen Verbündeten<br />
zu kämpfen. Einer dieser Freiwilligen Verbände<br />
war das „Thälmann-Batallion“ der 1. Internationalen<br />
Brigade. Benannt wurde es nach dem Führer<br />
der deutschen Kommunisten, Ernst Thälmann, der zu<br />
dieser Zeit im Konzentrationslager gefangen gehalten<br />
und später umgebracht wurde.<br />
Paul Dessauer schrieb während seiner Zeit im Pariser<br />
Exil das Lied der „Thälmann-Kolonne“ für diese Einheit.<br />
DER SPANISCHE BÜRGERKRIEG<br />
Am 17. Juli 1936 beginnt die Militärrevolte in Marokko. Es ist ein Aufstand des Militärs gegen die Regierung<br />
in Spanien, gegen die Zweite Republik und gegen die Frente Popular. Auf der Seite des spanischen Militärs<br />
steht die spanische Fremdenlegion in Nordafrika, die aus marokkanischen Söldner besteht. Die Putschisten<br />
hoffen schnell die Kontrolle über die spanische Hauptstadt Madrid und andere wichtige Knotenpunkte im<br />
Land erringen zu können. 80 Prozent des Offizierskorps, die Mehrheit der Unteroffiziere, aber nur vier Divisionsgeneräle<br />
unterstützen den Putsch. Militärangehörige, die an ihrem Eid auf die Republik festhalten, werden<br />
in vielen Fällen erschossen. Auf der Seite der Frente Popular steht die Mehrheit der Generäle, zwei Drittel der<br />
Marine und die Hälfte der Luftwaffe.<br />
Den Putschisten gelingt es die Städte Sevilla, Cádiz, Jerez de la Frontera, Córdoba in Andalusien sowie Saragossa<br />
und Oviedo zu Kontrollieren. Außerdem erringen sie die Kontrolle über Galicien, Mallorca und Navarra.<br />
Sie scheitern in Madrid, Barcelona (Katalonien) und Valencia. Hier befinden sich aber 70 Prozent der Industrie<br />
in Spanien und die Mehrheit der spanischen Bevölkerung. Dem Putsch folgt der Spanische Bürgerkrieg der<br />
sich bis 1939 hinzieht. Erst am 28. März 1939 gelingt es Francisco Franco mit seinen Truppen in Madrid einzuziehen.<br />
Er erklärt den Bürgerkrieg in Spanien am 1. April 1939 für beendet.<br />
Angeführt werden sollte der Putsch eigentlich nicht von Francisco Franco, sondern von General Sanjurjo, der<br />
General verunglückte aber auf dem Weg aus dem Exil. Zunächst wurden die Putschisten durch die Generäle<br />
Franco, Mola und Queipo de Llano angeführt. Francisco Franco wird nach dem Bürgerkrieg zum provisorischen<br />
Staatsoberhaupt und Generalisimo der Streitkräfte ernannt.<br />
Zu Beginn des Spanischen Bürgerkriegs wurden über 10.000 Deutsche von den deutschen Behörden aus Spanien<br />
evakuiert. Schon damals war Spanien eine beliebte Residenz für sonnenhungrige Deutsche. Francisco<br />
Franco war zwar ein Gesinnungsgenosse von Adolf Hitler, mit der Evakuierung sollte dessen national-faschistische<br />
Politik gestärkt werden. Die Spaniendeutschen wurden zunächst in Süddeutschland untergebracht,<br />
später wurde ein Großteil von ihnen ins Rheinland verlegt. In Königswinter wurden extra ein Schulheim für<br />
deutsch-spanische Kinder eingerichtet.
Filmkritik:<br />
Pro<br />
Die wahrste Wahrheit UEber Adolf Hitler<br />
Heilt euch doch selbst!<br />
Der Führer des 3. Reiches, der für den Völkermord an über<br />
6 Millionen Juden verantwortlich war, ist ein Mensch.<br />
Diese Feststellung ist eine der prägnantesten dieser Satire.<br />
Was sich so simpel anhört, ist jedoch eine Feststellung die<br />
den Diktator als Monster entgültig entmystifiziert. Im Film<br />
geht es um wesentlich mehr als die Person Adolf Hitler. Der<br />
Wahnsinn des Hitler Regimes wird unter zu Hilfe nahme<br />
von satirischen Elementen deutlich herausgestellt. Dem<br />
Zuschauer wird das 3. Reich mit all seinen Widersprüchen<br />
ganz plastisch vorgeführt. Man kommt aus dem Staunen<br />
nicht mehr raus. Während Guido Knopp und Konsorten<br />
in unzähligen Hitler Reportagen nüchtern die Massenvernichtung<br />
und die Propaganda analysierten, wird mit der<br />
Satire auch ein Publikum angesprochen, dass üblicherweise<br />
um ZDF Reportagen einen großen Bogen macht. So<br />
wissenschaftlich die Präsentation des dunkelsten Kapitels<br />
deutscher Geschichte in Reportagen auch immer gehalten<br />
wurde, es hatte immer einen Hauch von altbacken. Während<br />
das Privat-Fernsehn seine Voyeure mit Actionvorführungen<br />
immer wieder an das Thema gebracht hat, gelingt<br />
es dem jüdischen Regisseur auf eine ganz andere Art die<br />
Menschen zum nachdenken anzuregen. Er setzt jüdischen<br />
Humor ein (Aussage des Regisseur) um die Nazis bloß zu<br />
stellen. Während viele Reportagen und auch Hollywood-<br />
Umsetzungen die Hauptpersonen des 3. Reichs als Monster<br />
darstellen, zeigt „Mein Führer“ was wirklich in Hitler, Goebbels,<br />
Speer und Co steckt. Monster sind etwas mythisches,<br />
sie sind Fiktion. Durch diesen Film wird die Fiktion jedoch<br />
Wirklichkeit und das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte<br />
rückt einem näher als je zuvor. Wer „nur“ eine Komödie<br />
sehen möchte, muss schon ein Fan vom skurilen Humor<br />
Levys sein.<br />
Genre<br />
Komödie<br />
Regie<br />
Dani Levy<br />
Darsteller<br />
Helge Schneider, Ulrich Mühe,<br />
Sylvester Groth, Adriana Altaras,<br />
Stefan Kurt, Ulrich Noethen,<br />
Lambert Hamel, Udo Kroschwald,<br />
Torsten Michaelis, Axel Werner,<br />
Victor Schefé, Lars Rudolph, Wolfgang<br />
Becker, Bernd Stegemann<br />
Contra<br />
Wenig Inhalt für einen vielversprechenden<br />
Titel<br />
Die Frage nach Sinn und Ethik des Nationalsozialismus,<br />
oder mörderische Diktaturen allgemein, durch Humor und<br />
Komik zu thematisieren, ist nicht erst seit Dani Levy(Mein<br />
Führer) aktuell. Bereits zu Beginn des Zweiten Weltkrieges<br />
bedienten sich Hollywood – Regisseure der totalitären<br />
Charaktere des NS – Regimes und im Besonderen natürlich<br />
der Typisierung Hitlers. Als Beispiel ist „Der große Diktator“<br />
mit Charly Chaplin zu nennen. Es muss sich allerdings<br />
damals wie heute die Frage nach den Grenzen zwischen<br />
Parodie und Verharmlosung des Regimes gestellt werden.<br />
Gerade in diese Gefahr begibt sich Dany Levy jedoch mit<br />
einem Film in dem einem jüdischen Professor die Wahl<br />
der Möglichkeit zwischen Überleben durch ein Geschäft<br />
mit den Nazis und der Ermordung zugestanden wird und<br />
Hitler als Opfer seiner autoritären, rohen Erziehung dargestellt<br />
wird. Diese Charakterisierung Hitlers als „geschlagenes<br />
Kind“, das diese Schläge nun auf den Rest der Welt<br />
projiziert, wird in ihrer erklärenden Wirkung zusätzlich<br />
verstärkt durch eine Entourage der NS – Größen Goebbels,<br />
Himmler, Speer & Co als machtsüchtige Profilneurotiker<br />
(übrigens treffend gezeichnet), die den eigentlich schon<br />
resignierten und kriegsmüden Hitler wie eine Marionnette<br />
anheizen und benutzen. Das Schicksal von 6 Millionen<br />
Juden und Gegnern des Nationalsozialismus sowie die<br />
Vorhaben der Nazis und deren Konsequenzen scheinen<br />
fast nur als Kulissen in das Gesamtbild des Films integriert<br />
worden zu sein. Eine humoristische Wirkung des Films<br />
kann darum nicht durch eine Fokussierung der Aufmerksamkeit<br />
auf psychologische Überlegungen über Hitler bei<br />
gleichzeitiger Verdrängung der Realitäten in den Hintergrund<br />
eintreten.<br />
Laufzeit<br />
89 min
Juso-Landesverband <strong>Saar</strong><br />
Talstrasse 58<br />
66119 <strong>Saar</strong>brücken<br />
EVA rettet die welt!<br />
Endlich haben sie die geheimen Wünsche von ca. 38 Mio. Frauen<br />
erhört, die Mixas, Herrmanns und wie sie alle heißen.<br />
Richtig alle Frauen Deutschlands haben nur darauf gewartet.<br />
Alle! Auch wenn sie noch nicht im geschlechtsreifen Alter sind<br />
– ihr genetisch eingepflanztes Rollenverständnis wird es ihnen<br />
noch frühzeitig klar machen: Die Berufung der Frau liegt im Kinder<br />
kriegen. Ja, es ist unsere Aufgabe der Zukunftsangst des 21.<br />
Jahrhunderts, der demographischen<br />
Entwicklung ein<br />
Schnippchen zu schlagen!<br />
Wir dürfen uns dieser Rolle<br />
nicht entziehen – ehrlich<br />
gesagt können wir das auch<br />
nicht! Nur leider haben wir<br />
Frauen uns zu oft dagegen<br />
gewehrt: Wir drängten darauf<br />
das Scheidungsrecht<br />
zu reformieren, sind auf die<br />
Straße gegangen um den<br />
Abtreibungsparagraphen<br />
218 zu reformieren, kämpfen<br />
für mehr und bessere<br />
Betreuungseinrichtungen.<br />
Warum das alles? Alles,<br />
nur weil wir unsere Rolle<br />
in dieser Gesellschaft nicht<br />
begriffen haben, weil wir<br />
uns weigern uns in unserem<br />
Körper zurecht zu finden<br />
– seine Möglichkeiten und<br />
Potentiale auszuschöpfen.<br />
Wir haben alles was frau braucht, um die Menschheit zu retten. Bis<br />
heute sind die Heldengeschichten, die uns in der Kindheit und im<br />
Erwachsenenleben begleiten, uns in Cartoons und Hollystreifen<br />
monatlich entgegenflimmern männlich geprägt. Frauen, begreift<br />
dies als Chance: Rettet das Überleben der deutschen Menschheit.<br />
Gründet den „Bischof-Mixa-Dankbarkeits-Verein“ und werdet<br />
endlich zu dem, was ihr schon immer wart: Gebärmaschinen.<br />
Die paar Wenigen, die sich verweigern wollen und sich dem Gebärstreik<br />
weiterhin hingeben, sei gesagt: Das alles bringt doch<br />
ACHTUNG!<br />
SATIRE<br />
nichts. Es gibt gute Gründe, sich<br />
Mixa anzuschließen:<br />
Denn Kinder bieten in Zeiten von<br />
Massenarbeitslosigkeit, Mini-Jobs und<br />
prekären Beschäftigungsverhältnissen Zukunftsaussichten.<br />
Sie sind langfristig – einem Kind kann man<br />
nach 2 Monaten nämlich nicht sagen, man braucht es nicht<br />
mehr! Sie fordern uns: Weiterqualifizierungsmaßnahmen können<br />
damit im unmittelbaren<br />
häuslichen Umfeld umgesetzt<br />
werden, denn „Von Kinder<br />
lernt man sooo viel“, sie weisen<br />
uns neue Wege der Kommunikation<br />
und der effektiven<br />
Zeiteinteilung. So werden wir<br />
– ohne es zu merken – zur<br />
Familienmanagerin und dass<br />
ohne Umwege über den Fallmanager<br />
der Arbeitsagentur.<br />
Klar machen müssen wir uns<br />
eines, liebe Frauen: Wenn wir<br />
jetzt werfen wie verrückt, uns<br />
der Familienplanung hingeben<br />
wie die Karnickel, dann<br />
sichern wir damit die sozialen<br />
Sicherungssystem ab 2032.<br />
Denn spätestens dann sind<br />
unsere Jungs und Mädels im<br />
zahlungspflichtigen Alter.<br />
Und bis dahin … sind sie in<br />
unseren Händen. Haha!!! Damit<br />
werden wir zu Retterinnen<br />
der Menschheit. Wir sichern<br />
das Überleben der Bundesrepublik Deutschland. Und dafür<br />
brauchen wir auch keine staatlichen Betreuungseinrichtungen.<br />
Warum auch: Nur wenn wir auf unseren Nachwuchs zu Hause<br />
aufpassen, haben wir auch alles im Griff. Aber vor allem wir können<br />
die Kinder „erziehen“, d.h. in unserem Sinne auch „ziehen“!<br />
Und vielleicht schaffen wir so die gesellschaftliche Revolution:<br />
die Sozialisation schreitet nämlich dann in unserem Sinne voran,<br />
liebe Freundinnen. Aber darüber unterhalten wir uns dann<br />
im AK „Revolutionärer Feminismus“ des „Bischof-Mixa-Dankbarkeits-Vereins“.