Ein unermüdlicher Musiker und Pädagoge - Stadttheater Minden
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<strong>Ein</strong>trittskarte<br />
Franz Bernhardt, 1945<br />
Karikatur eines Mithäftlings während<br />
französischer Kriegsgefangenschaft<br />
<strong>Ein</strong> <strong>unermüdlicher</strong> <strong>Musiker</strong> <strong>und</strong> <strong>Pädagoge</strong><br />
Der städtische Musikdirektor Franz Bernhardt (1905 - 1989)<br />
Wenn man sich auf die Spurensuche von<br />
Franz Bernhardt in <strong>Minden</strong> begibt, fällt<br />
erst einmal auf, dass nichts, aber auch gar<br />
nichts an sein fast vierzigjähriges Wirken<br />
in unserer Stadt erinnert. Sein Sohn Bernd<br />
– 1937 geboren, von 1958 bis 1960 jeweils<br />
Stipendiat des Richard Wagner Verbandes<br />
<strong>und</strong> inzwischen pensionierter Musiklehrer<br />
in Warendorf, der Heimatstadt seines<br />
Vaters – hat noch eine sehr lebhafte<br />
Erinnerung, vor allem an das Theater <strong>und</strong><br />
an den Theaterleiter Wilhelm Kahre, der<br />
ihm jedoch immer wie ein „besserer Hausmeister“<br />
vorkam. Dass der Halbwüchsige<br />
so oft im Theater war, erklärt sich aus der<br />
Tatsache, dass sein Vater in dessen produktivsten<br />
Jahren – als Leiter des Musikvereins<br />
– bis zu 60 Konzerte pro Jahr vorwiegend<br />
im <strong>Minden</strong>er Theater dirigiert hat<br />
<strong>und</strong> der Junge sowohl bei den Proben wie<br />
auch bei den Aufführungen durch das<br />
ganze Haus tobte.<br />
Franz Bernhardt ist 1905 in Warendorf<br />
geboren <strong>und</strong> 1989 in <strong>Minden</strong> gestorben.<br />
Hier war die Stätte seiner größten<br />
Wirksamkeit <strong>und</strong> hier trat er 1935 seine<br />
allererste Stelle als Junglehrer an (am<br />
Caroline von Humboldt-, dem späteren<br />
Herdergymnasium), nachdem er in Köln<br />
studiert, in Berlin sein Examen abgelegt<br />
<strong>und</strong> in Brandenburg sein Referendariat<br />
absolviert hatte. Der vielseitig begabte<br />
<strong>Musiker</strong> war wohl ein leidenschaftlicher<br />
<strong>und</strong> überzeugender <strong>Pädagoge</strong> (wie sein<br />
Schüler Werner Schmack zu berichten<br />
weiß), aber ihn reizte weit mehr. Darum<br />
war man in der Stadt auch nicht wirklich<br />
verw<strong>und</strong>ert, dass er am 25.Februar 1942 in<br />
Bielefeld seine Oper „Die Spielereien einer<br />
Kaiserin“ zur Uraufführung bringen konnte.<br />
An hervorragender Stelle, nämlich auf der<br />
Seite 3 des ><strong>Minden</strong>er TageblattsTextbuch< ein, das eben<br />
doch ein echter Dauthendey wurde <strong>und</strong><br />
blieb. Er musste zartfühlend den Bedürfnissen<br />
der Oper gefügig gemacht werden<br />
durch Kürzungen <strong>und</strong> Streichungen. Aber<br />
die Sprache des Dichters ist nicht angetastet;<br />
seine Dichtung selbst vertrug behutsame<br />
<strong>Ein</strong>griffe durchaus <strong>und</strong> man entbehrt<br />
nicht diesen oder jenen Akt, weil die einzelnen<br />
Teile des Werkes Bilder sind, Episoden<br />
aus dem Leben der Zarin Katharina I,<br />
die von der Tochter eines Bauern sich<br />
emporliebte, merkwürdige Stufenleiter<br />
einer despotischen, leidenschaftlichen<br />
Frau, Entwicklung eines Charakters starker<br />
Prägung in stets neuen psychologischen<br />
Formen … Aber was mehr noch lockt <strong>und</strong><br />
reizt, ist die Stimmung der Szenerie, <strong>und</strong><br />
die Bewegtheit des Vorwurfes ist dem<br />
musikalischen Niederschlag günstig: <strong>Ein</strong><br />
temperamentvoller <strong>Musiker</strong> mit Phantasie<br />
<strong>und</strong> Klangbewusstsein kann sich schon an<br />
diesen >Spielereien< entzünden … Die Uraufführung<br />
wurde zu einem großen Erfolg,<br />
<strong>und</strong> das dankerfüllte Publikum, enthusiastisch<br />
angefeuert, erzwang sich einen<br />
Vorhang nach dem anderen; weit über<br />
zwanzigmal mussten die Darsteller, der<br />
Dirigent <strong>und</strong> Regisseur <strong>und</strong> auch der<br />
Komponist erscheinen, sie wurden mit<br />
Blumen <strong>und</strong> Blüten überschüttet <strong>und</strong><br />
kamen immer von neuem vor die Rampe …<br />
Bielefeld hatte seine erste Opern-<br />
Uraufführung, <strong>Minden</strong>-Ravensberg aber ein<br />
bedeutendes kulturelles <strong>und</strong> künstlerisches<br />
Ereignis. Dass Franz Bernhardts<br />
Oper zudem bei uns in <strong>Minden</strong> entstanden,<br />
konzipiert, instrumentiert <strong>und</strong> geschrieben<br />
wurde, erfüllt uns alle mit<br />
besonderer Freude.“
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Programmheft von 1951/52<br />
Nach diesem Paukenschlag war Franz<br />
Bernhardt unbestritten die Nummer eins<br />
auf der <strong>Minden</strong>er Musikszene – als<br />
Komponist, aber auch als <strong>unermüdlicher</strong><br />
Organisator von Musikveranstaltungen.<br />
Seine nachhaltigste Wirkung erzielte er<br />
jedoch mit seiner kontinuierlichen Chorarbeit,<br />
egal ob in weltlichen oder kirchlichen<br />
Chören. Und nachdem die von den<br />
Nazis betriebene Zwangsauflösung des<br />
Musikvereins kurz nach dem Weltkrieg<br />
endlich beendet war, war er die treibende<br />
Kraft des seit 1828 bestehenden <strong>und</strong> sich<br />
nun neu formierenden Musikvereins.<br />
Schließlich ernannte ihn die Stadt <strong>Minden</strong><br />
im Jahre 1949 zum Städtischen Musikdirektor,<br />
wohl eher ein Titel als eine<br />
Funktion – aber immerhin ist Franz<br />
Bernhardt der einzige, der diesen Titel<br />
jemals trug. Auf jeden Fall konnte <strong>und</strong><br />
wollte jetzt auch niemand mehr an ihm<br />
vorbei. Als der <strong>Minden</strong>er Dom am 29. Juni<br />
1957 nach dem Wiederaufbau neu geweiht<br />
wurde, wurde seine Dom-Messe zur<br />
Uraufführung gebracht. Und wann immer<br />
das 1946 neugegründete Städteb<strong>und</strong>-<br />
Orchester Nordwestdeutsche Philharmonie<br />
in <strong>Minden</strong> auftrat, war es selbstverständlich,<br />
dass Franz Bernhardt (immerhin 6mal<br />
pro Jahr) das Dirigat übernahm.<br />
Nach seiner Pensionierung 1970 leitete er<br />
den Musikverein <strong>Minden</strong> noch weitere drei<br />
Jahre. (Und noch Jahre darauf erfüllte er<br />
mit seinem sensiblen Orgelspiel Herz <strong>und</strong><br />
Sinne der katholischen Gläubigen.) Mit<br />
seinem Weggang löste sich der 145 Jahre<br />
lang das Musikleben <strong>Minden</strong>s prägende<br />
Verein auf. Seit 1973 ging der stets vornehm<br />
gekleidete städtische Musikdirektor<br />
durch die Stadt flanieren. Man vergaß ihn<br />
schlicht <strong>und</strong> er kümmerte sich nicht drum.<br />
Vielleicht findet sich ja einmal jemand, der<br />
die Rolle dieses Mannes zu würdigen<br />
weiß. Es stünde der Stadt nicht schlecht<br />
an. Schließlich hat Franz Bernhardt viel für<br />
sie getan.<br />
Robert Werther