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Zum Anbeißen Zum Abkühlen - Stadtwerke Gotha

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HANDWERK<br />

von denen ein großer Teil dann wieder im Sande<br />

verläuft“. Dem König aber ist es ernst, denn ihn<br />

drückt sprichwörtlich der Schuh. Er sorgt sich<br />

ums Überleben der uralten Traditionen seines<br />

Landes, so auch um die Nationaltracht, deren unverzichtbarer<br />

Teil eben jene Stiefel sind. Also<br />

nimmt Brock das Fußkleid unter die Lupe und<br />

stellt erstaunt fest, dass es nach europäischem<br />

Verständnis kaum als Schuhwerk durchgehen<br />

kann: „Bei den Stiefeln wurde gar nicht zwischen<br />

rechts und links unterschieden. Schaft<br />

und Sohle waren mit einem Strick<br />

zusammengehalten und als Fußbett<br />

dienten drei Lagen Pappe.“<br />

Schlimmer ist noch, dass es im<br />

ganzen Königreich offenbar niemanden<br />

mehr gibt, der selbst<br />

dieses einfache Modell noch<br />

herstellen könnte. Angesichts<br />

dieser Misere kramt der Erfurter<br />

sein Schuhwissen und seine<br />

praktischen Fähigkeiten hervor.<br />

„Das war eine echte<br />

Herausforderung, denn ich hatte ja den Beruf 20<br />

Jahre lang nicht ausgeübt und musste mich da<br />

erst mal wieder hineinfinden.“ Nach den Vorgaben<br />

des Königs entwirft er einen Stiefel, der in<br />

seiner Optik dem Original entspricht, aber von<br />

seiner technischen Machart her ein moderner<br />

Schuh mit angenehmen Eigenschaften ist. „Sohle<br />

und Schaft werden verklebt und für den Tragekomfort<br />

sorgt eine zeitgemäße Brandsohle, wie<br />

sie jeder aus guten Schuhen kennt.“ Diesen Prototyp<br />

schickt er nach Bhutan und lässt erst einmal<br />

Gras über die Sache wachsen. Ein Jahr später<br />

jedoch wird Brock eingeladen, um mit dem König<br />

über GTZ-Projekte zu sprechen. „Während der<br />

Unterredung zog sich der König die Stiefel an<br />

und ging damit durch den Raum. ‚Die sind von<br />

Ihnen?’, fragte er und meinte dazu, er gehe wie<br />

auf Wolken. Dann sagte er, man brauche sehr<br />

viele von diesen Stiefeln in Bhutan, und dass es<br />

eben wichtig sei, wenn junge Leute im Land lernten,<br />

wie man solche Schuhe herstellt.“<br />

Um den Wunsch seiner Majestät Jigme Singye<br />

Wangchuck nach 25 000 Paar Stiefeln zu erfüllen,<br />

reist Horst Brock wieder nach Indien, denn dort<br />

sind die nötigen Maschinen, die übrige Ausrüstung<br />

und das Material zu beschaffen. „Ich musste<br />

alles, wirklich alles mitbringen, sogar den Schusterhammer“,<br />

erinnert sich Brock. „Und alles musste<br />

per LKW herübergeschafft werden. Der Transport<br />

über die Berge dauerte geschlagene zwei<br />

Monate.“ Nach der Ankunft braucht er dagegen<br />

nur vier Wochen, um die kleine Schuhfabrik aufzubauen.<br />

Sie bekommt den Charakter einer Manufaktur,<br />

da viele Arbeitsgänge von Hand ausgeführt<br />

werden. Es sind etwa 20 Schulabgänger, die<br />

Horst Brock hier in der Schuhherstellung anlernt.<br />

Dass er damit etwas bewegen kann, macht ihn<br />

auch ein wenig stolz. „In Bhutan gibt es 60 Prozent<br />

junge Leute und überhaupt keine Industrie“,<br />

erklärt der Erfurter die Situation. Im Vorfeld des<br />

Projekts war in der Hauptstadt Thimphu das „Labour<br />

Research Institute“ gegründet worden, ein<br />

Institut zur Erforschung der Möglichkeiten, Arbeit<br />

zu schaffen. Die Sache mit den Stiefeln zeigt den<br />

Menschen, was sich erreichen<br />

lässt. „Vielleicht werden die<br />

Probleme und Chancen jetzt ein<br />

bisschen ernster genommen“,<br />

resümiert Brock.<br />

Derzeit ruht die Produktion, da<br />

die Institutsgebäude umgebaut<br />

und erweitert werden. Dafür soll<br />

sie anschließend von 15 bis 20<br />

Paar Stiefel pro Tag auf 50 Paar<br />

steigen: „50 müssen es schon sein, sonst dauert<br />

es ja ewig, bis der König seine 25.000 Paar bekommt.“<br />

Die Koffer sind gepackt. Brock wartet<br />

nur noch auf die Anforderung, um wieder nach<br />

Bhutan zu reisen. Im Gepäck wird er dann auch<br />

einen Damenstiefel haben: „Auf ausdrücklichen<br />

Wunsch habe ich ein eigenes Modell für Damen<br />

entworfen, muss aber noch den Prototyp herstellen.“<br />

In der Zwischenzeit ist der 65-Jährige weiter<br />

in Indien unterwegs, reist hin und her und<br />

achtet im Auftrag einer deutschen Firma darauf,<br />

dass alle Materialien für deren Schuhe „von bester<br />

Qualität und frei von Schadstoffen sind,<br />

damit das Endprodukt stimmt“. Nebenbei will er<br />

weiterhin für die GTZ tätig sein, wenn seine<br />

Kenntnisse gefragt sind und seine Zeit es erlaubt:<br />

„Ein paar Jahre möchte ich das schon noch<br />

machen, solange die Gesundheit mitspielt, denn<br />

wer rastet, der rostet auch schnell.“ Die Herausforderung<br />

hält ihn auf Trab. „Indien ist ein<br />

Riesenland, mit sehr vielen Menschen, und es bewegt<br />

sich schnell. Es kann mitunter beängstigend<br />

sein, aber es hat Zukunft.“<br />

Seine Majestät Jigme Singye<br />

Wangchuck informiert sich über die<br />

Machart der Stiefel.<br />

Interesse an der GTZ?<br />

Die Deutsche Gesellschaft für<br />

Technische Zusammenarbeit (GTZ)<br />

GmbH ist ein weltweit tätiges Unternehmen<br />

der Internationalen Zusammenarbeit<br />

für nachhaltige Entwicklung.<br />

Sie realisiert in mehr als<br />

130 Ländern des Südens und Ostens<br />

rund 2700 Entwicklungsprojekte<br />

und -programme, vornehmlich im<br />

Auftrag der deutschen Bundesregierung.<br />

Deutsche Gesellschaft<br />

für Technische Zusammenarbeit<br />

(GTZ) GmbH<br />

Dag-Hammarskjöld-Weg 1-5<br />

65760 Eschborn<br />

Telefon 06196 79-0<br />

Telefax 06196 79-1115<br />

Noch in Gummistiefeln:<br />

Bhutanesische Kinder vor ihrem Haus.<br />

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