Neue Szene Augsburg 2014-08

40
„Weltmeister?
Dieser Titel bleibt dir
ein ganzes Leben“
Der Tag nach dem Finale!
Ein perfekter Termin für ein Interview mit
einem Weltmeister von 1990. Nur ein paar
Stunden nach der Neuauflage des
WM-Finales 1990 und dem erneuten
Triumph gegen Argentinien traf Neue-
Szene-Redakteur Walter Sianos FCA-
Sportmanager Stefan Reuter zum
Interview.
Heiser? Sind das noch die Nachwirkungen vom
gestrigen Endspiel?
Nein, die zwei Testspiele dieses Wochenende haben
ihre Spuren hinterlassen (lacht).
Wo und wie haben Sie das Finale gestern erlebt?
In kleiner Runde bei einem fußballverrückten Freund
in München. Der hat sein Gartenhaus zu einer kleinen
Fußballarena mit Fernsehern, Großbildleinwand und
einer Traumbar umfunktioniert.
Das klingt feuchtfröhlich. Wann sind Sie denn ins
Bett gegangen?
War alles halb so schlimm, ich bin zu einer humanen
Uhrzeit nach Hause, es war so gegen ein Uhr morgens.
Sie sind 1990 Weltmeister in Rom geworden. Der
Gegner war damals ebenfalls Argentinien. Hatten
Sie während des Spiels ein Déjà-vu-Erlebnis?
Ein bisschen, ich habe mehr mitgefiebert. Ein Déjàvu
hatte ich mehr während des Turniers, denn es
wurde ja öfters über die WM 1990 berichtet und ein
paar Tage vor dem Finale kam im ZDF auch eine Dokumentation
über die Videos, die Sepp Maier mit seiner
Kamera während der WM 1990 gedreht hat.
Weltmeister, ist das ein Titel, von dem man sein
Leben lang zehrt?
Definitiv, gerade vor und während der Weltmeisterschaft
hatte ich sehr viele Angebote aller möglichen
Art, da spürt man schon, welchen Stellenwert das
nach wie vor hat. Wenn man alle Termine annehmen
würde, wäre das fast schon ein Fulltimejob. Der
Weltmeistertitel bleibt dir ein ganzes Leben.
Was kommt auf die Spieler in nächster Zeit
so zu?
Jetzt wird erst einmal richtig gefeiert und sie werden
die Ankunft in Deutschland in allen Zügen genießen.
Sie haben es sich verdient, denn Jogi Löws Truppe hat
wirklich eine super WM gespielt. Danach geht jeder
in Urlaub und dann wird die Uhr wieder auf Null gestellt.
Besteht da nicht die Gefahr, dass man nach so
einem Titel in ein mentales und physisches Loch
fällt? Die WM ging ja mächtig an die Substanz.
Genau das Gegenteil ist der Fall, man strotzt nur noch
vor Selbstvertrauen. Nach zwei Wochen Urlaub juckt
es jeden Fußballer wieder in den Beinen.
Lothar Matthäus war da. Warum waren Sie nicht
in Rio de Janeiro? Als Weltmeister hatten Sie doch
sicher eine Einladung vom DFB.
Die hatte ich, aber wir stecken mit dem FCA mitten in
der Saisonvorbereitung, da hat man ganz andere Prioritäten.
Wie geht es unserem Argentinier im Team, Raúl
Bobadilla? Kam der heute arg geknickt ins Training?
Er hat es anscheinend sehr sportlich genommen, denn
schon kurz nach dem Spiel hat er mir per SMS gratuliert.
Kann man als Manager aus so einem Turnier wichtige
Schlüsse oder Erkenntnisse für seinen Verein
ziehen?
Immer, gerade aus solchen Spektakeln kann man lernen.
Deutschland hat beweisen, was mit mannschaftlicher
Geschlossenheit und einem gutem Teamgeist
möglich ist. Durch solche Tugenden kann man Teams
mit höchster Qualität ausschalten.
Der Titel für Deutschland ist das Resultat eines
langen Prozesses. Jogi Löw wurde immer wieder
in Frage gestellt. Das ist doch eine Parallele zum
FCA, auch die Augsburger Vereinsführung hat gerade
in einer kritischen Phase zu Markus Weinzierl
gehalten. Zahlt sich Geduld beim Fußball letztendlich
doch aus?
Man muss grundsätzlich von bestimmten Dingen
überzeugt sein und auch mal Rückschläge wegstecken
und daraus seine Lehren ziehen. Es war ein ganz großes
Plus, dass der Verein an Markus Weinzierl festgehalten
hat und die Fans ruhig geblieben sind. Diese
Geduld hat den FCA sportlich weitergebracht und dem
Klub viel Sympathie in der ganzen Republik beschert.