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11,7 MB - Steinbergkirche

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Aus vergangenen Zeiten<br />

35<br />

Nach der Konfirmation 1875 ergänzten Aufenthalte in England und Frankreich<br />

die häusliche Ausbildung von Auguste Victoria. Ein weiterer Aspekt<br />

kam noch dazu: „Der Standes gemäße Mann“ musste gefunden werden. Den<br />

Mann aber wollte sie persönlich auswählen und verliebte sich in Darmstadt<br />

in einem Herzog, der aber nicht den Vorstellungen ihrer Eltern entsprach.<br />

Bevor diese Liebesbeziehung in eine shakespearesche Tragödie endete, wurde<br />

Auguste Victoria zur gefühlsgemäßen Abkühlung zwei Jahre lang nach<br />

England verfrachtet. Ihre Eltern waren mit dem preußischen Thronfolger<br />

Friedrich befreundet und hatten mit den Hohenzollern entsprechende Pläne<br />

schon geschmiedet. Auguste Victoria und Wilhelm hatten schon als Kinder<br />

miteinander gespielt und waren für den Plan der Eheschließung auch nicht<br />

abgeneigt. Die Ehe wurde, wie in der damaligen Zeit üblich, arrangiert und<br />

die Eheleute arrangierten sich gegenseitig. In seinen Erinnerungen schrieb<br />

später Wilhelm II: „ Bei diesem Besuch wurde mein lange im stillen gehegter<br />

Wunsch in mir zum festen Entschluss. Die Wahl meines Herzen stieß<br />

nicht nur auf keinen Widerstand bei meinen Eltern, sondern fand deren<br />

vollen Beifall, und es war für mich ein unendlich glückendes Gefühl, in<br />

dieser Frage ganz mit ihnen zu harmonieren. Es gab aber auch Bedenken<br />

und diese Verbindung wurde als eine nicht „gute Partie“ bezeichnet. Die<br />

Entspannungspolitik mit Dänemark wurde durch die Heirat belastet und<br />

Wilhelm war leider durch einen Geburtsfehler behindert; bedingt dadurch<br />

könnte die Thronfolge an ihm vorübergehen. Bismarck bezeichnete sogar<br />

den Vater von Auguste Victoria als den Augustenburger Idioten.<br />

Am 14. Januar 1880 verstarb plötzlich Auguste Victorias Vater und deshalb<br />

heiratete am 27.02.1881 Prinz Wilhelm, Sohn des Kronprinzen Friedrich<br />

und Enkel vom Kaiser Wilhelm I, Auguste Victoria. Kennzeichnend für diese<br />

Epoche war die sehr ausgeprägte Doppelmoral, die Männer sollten ihre<br />

Hörner abstoßen und die Frauen wurden stark behütet. So hatte Wilhelm<br />

vor der Ehe schon einen unehelichen Sohn, der auch, wie es sich gehörte<br />

bis zum 14 Lebensjahr von Wilhelm Unterhalt bekam. Ab 14 musste man<br />

damals auf eigenen Beinen stehen.<br />

In den ersten Jahren ihrer Ehe war die Zahl der öffentlichen Verpflichtungen<br />

Auguste Victoria noch klein, und ihr Leben entbehrte wohl nicht einer gewissen<br />

Belanglosigkeit und Leere. Sieben Kinder gingen aus der Ehe hervor.<br />

Im Mai 1882 Wilhelm, im Juli 1883 Eitel Friedrich, im Juli 1884 Adelbert<br />

und im Januar 1887 August Wilhelm. Nach dem Regierungsantritt von Wilhelm<br />

II am 15. Juni 1888 wurde im Juli 1888 Oskar, und danach der letzte<br />

Sohn Joachim im Dezember 1890 geboren. Nach sechs Söhnen erblickte<br />

zur Freude der Eltern die ersehnte Tochter Victoria Luise 1892, das Licht<br />

der Welt. Hervorzuheben ist der Sohn August Wilhelm, genannt Auwi der in<br />

der NS Zeit Karriere machte, aber dann wegen seiner homosexuellen Neigungen<br />

wieder kaltgestellt wurde. Auguste Victoria musste neben ihrem Wilhelm<br />

in der Öffentlichkeit glänzen. Aber sieben Kinder gehen an einer Frau<br />

auch nicht spurlos vorüber. Sieben Kinder, etliche Mätressen, Kontakte mit<br />

Schauspielerinnen und Edelprostituierten spiegeln uns einen überaus agilen<br />

Wilhelm II. vor. Es lässt sich nur vermuten, dass irgendwann nach dem<br />

siebten Kind, so etwas Ähnliches, wie einen militärischen Nichtangriffspakt<br />

zwischen beiden Eheleuten geschlossen wurde. So hatte jeder seine Freiräume<br />

und vor allen Dingen seine Ruhe.<br />

1888, 99 Tage nach der Regierungszeit von seinen Vater Friedrich III, wurde<br />

Kronprinz Wilhelm Kaiser vom Deutschen Reich, der größten damaligen<br />

Industrie Nation, hatte eine der größten Armee an seiner Seite und wurde<br />

von seinem begeisterten Volk unterstützt. Er war für seinen neuen Job<br />

sprichwörtlich mit Feuer und Flamme bei der Sache. Wilhelm II fühlte sich<br />

als Cäsar, als Triumphator und als absoluter Herrscher aller Deutschen, die<br />

Bewohner der Kolonien wurden auch gleichzeitig mit eingeschlossen. Nur<br />

demokratische Entwicklungen passten nicht so ganz in sein Weltbild.<br />

Wer war dieser Kaiser Wilhelm?<br />

Wilhelm kam im Januar 1859 in Berlin auf die Welt. Leider mit einem Geburtsfehler.<br />

Sein linker Arm war gelähmt. Seine Großmutter, die Königin<br />

Victoria von England, soll ihn in den Arm genommen haben und meinte:<br />

„Willi, -so sein Spitzname-, du wirst uns noch viel Sorgen bereiten.“ Seinen<br />

Cousin, den späteren König Edward schrieb er: „Ich bin der alleinige Herr<br />

der deutschen Politik und mein Land muss mir folgen, wo ich auch immer<br />

hingehe.“ Nach dem Abitur in Kassel trat er den Militärdienst an, den er<br />

als Hauptmann beendete. Danach folgte das Studium in Bonn, wo er auf<br />

Wunsch seiner Eltern nicht als schlagendes Mitglied der Burschenschaft<br />

Borussia wurde. Sein Weg wurde, wie bei allen Prinzen, von den Eltern vorgegeben.<br />

Nur es war ein anderer Weg, kein militärisches - und kein diplomatisches<br />

Studium folgte, was sich auch eindeutig als Manko für seinen weiteren<br />

Weg herausstellte. Vater Friedrich hatte die Vorstellung er würde sein<br />

Amt als repräsentativer Monarch übernehmen. Wilhelm versuchte durch<br />

große Auftritte mit viel Glanz und Gloria und durch schneidige Reden seine<br />

Behinderung zu kompensieren. Schon 1919 wurde die Kriegsschuld Wilhelms<br />

Krankheit als alleinige Ursache angelastet. So die Titel der Veröffentlichungen:<br />

„Wilhelm als Krüppel und Psychopath oder die Geisteskrankheit<br />

von Wilhelm II, vielleicht ganz krass: die Überzüchtung der Hohenzollern.“<br />

Wir würden es uns zu einfach machen, wenn wir Wilhelm aufgrund seiner<br />

Behinderung eine Hauptschuld für den 1. Weltkrieg zu sprechen würden.<br />

Diese Freud’sche Paradigmen entstanden nicht nur in den zwanziger Jahren<br />

als Erklärung für die vielen Fehlentwicklungen der Gesellschaft, in den<br />

siebziger Jahren wurde die unterdrückte Homosexualität hervorgekramt, in<br />

den Achtzigern die Neurologie und heute hat die Eugenik die Schuld am<br />

Elend unser Gesellschaft.<br />

1888 wurde Wilhelm zum Kaiser gekrönt und Bismarck musste 1890 gehen.<br />

Der Lotse verlässt das sinkende Schiff. Als Bismarck von der politischen<br />

Bildfläche verschwand, wurde die sogenannte wilhelminische Epoche eingeläutet.<br />

In der Innen- und Außenpolitik übernahm Wilhelm das persönliche<br />

Regiment, au s Rechtsstaat wurde ein Normenstaat, aus Gewaltenteilung<br />

wurde ein Maßnahme Staat. Im Grunde genommen war die Politik eine<br />

rückwärtsgewandte Politik der Aristokratie, aber er musste sich doch letztendlich<br />

bemühen, mit der Nationalversammlung einen gemeinsamen Weg<br />

gehen. Wilhelm wollte in der Kunst und in der Architektur auch die Richtung<br />

angeben. Bei 188 Bauvorhaben hat er seinen Stempel aufgedrückt. So<br />

auch bei der Marineschule in Flensburg, wo der Architekt Kelm federführend<br />

war. Kelm berichtete, dass Wilhelm alles immer besser wusste und die<br />

Papiere unterzeichnete mit: „Wilhelm, Architekt“, was Kelm sehr verärgerte.<br />

Uns stellt sich die Frage: „War Wilhelm II wirklich bedingungslos intolerant<br />

gegenüber andern Kunstrichtungen?“ Ich denke nur bedingt. Ein Beispiel<br />

ist Auguste Victoria. Jeden Sommer kam sie mit der kaiserlichen Jacht in<br />

die Förde, wohnte in Augustenburg und ließ sich und ihrer Tochter Malunterricht<br />

von den impressionistischen und naturalistischen Malern von<br />

der Malerkolonie Ekensund geben und liebte diese Kunst.<br />

Teil 1 - Fortsetzung folgt<br />

Gerd Hanke<br />

Reinigung von Photovoltaik-Anlagen

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