Berner Kulturagenda 2009 N°12
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19. bis 25. März <strong>2009</strong> /// Ein unabhängiges Engagement des Vereins <strong>Berner</strong> <strong>Kulturagenda</strong> /// www.kulturagenda.be /// 3 Anzeiger Region Bern 27<br />
Smalltalk<br />
mit Andreas Schertenleib, Autor und Schauspieler<br />
Endlich mit Band<br />
Herr Schertenleib, Sie führen «FrauMann –<br />
Ein Stück über zwei, die zusammenbleiben»<br />
im Rahmen der Veranstaltungsreihe «Im<br />
Irrgarten der Liebe» der kirchlichen Beratungsstelle<br />
Ehe, Partnerschaft, Familie auf.<br />
Ein Missionierungsversuch?<br />
Eher das Gegenprogramm, denn das<br />
Stück hat kein Happy-End. Es geht um<br />
zwei, die in der Beziehungsmühle stecken;<br />
es ist zwar ernüchternd, man<br />
kann aber trotzdem darüber lachen.<br />
Ein Pfarrer, der auch Paare berät, hat<br />
das Stück gesehen und wollte es in den<br />
Therapien auf Video zeigen. Ich schlug<br />
vor, das Stück live aufzuführen.<br />
Sie sind Autor des Stücks und spielen mit<br />
Katharina Schneebeli die Hauptrolle. Wie<br />
viel Persönliches steckt darin?<br />
Ich habe aus meiner eigenen Erfahrung<br />
als Familienvater geschöpft und<br />
meine Frau sowie Katharina Schneebeli<br />
als «Fachfrauen» beigezogen, um<br />
mich in die Frauenfigur hineinfühlen<br />
zu können. Wir erzählen keine Geschichte;<br />
es sind Momentaufnahmen<br />
eines Paares – sehr sprachspielerisch<br />
und auf mehreren Ebenen erzählt.<br />
In der Schweiz wird rund jede zweite Ehe<br />
geschieden. Was muss man tun, damit der<br />
Liebesgarten nicht zum Irrgarten wird?<br />
Der Realität in die Augen schauen,<br />
Dis tanz nehmen und die eigenen Muster<br />
erkennen. Mir persönlich macht es<br />
Spass, das Paarverhalten zu entlarven,<br />
und mein Publikum fühlt sich teilweise<br />
ertappt – jemand hat mich einmal<br />
gefragt, ob ich sein Wohnzimmer verwanzt<br />
hätte.<br />
Wir sind pausenlos am Kommunizieren –<br />
warum können wir trotzdem nicht richtig<br />
miteinander reden?<br />
Wir schaffen es oft nicht, bei den Geschehnissen<br />
zu verweilen; so bleibt<br />
vieles an der Oberfläche stecken …<br />
beim «Smalltalk» … (lacht).<br />
Experten raten Katzenhaltern, sich eine<br />
halbe Stunde mit ihren Vierbeinern zu beschäftigen,<br />
damit sie nicht davonlaufen.<br />
Gibt es für Paare auch eine Faustregel?<br />
(Lacht.) Ich schaue in meinem Stück ja<br />
dahin, wo es nicht funktioniert. Aber<br />
privat merke ich, dass die wertvollsten<br />
Zeiten jene sind, die man ohne speziellen<br />
Event miteinander verbringt. Beispielsweise<br />
wenn man einfach zusammen<br />
am Tisch sitzen bleibt.<br />
In Ihrem Stück wird auch musiziert und getanzt.<br />
Geht es ohne Worte doch am besten?<br />
Im Stück sind die Tänze die versöhnlichsten<br />
Momente. Aber als Theatermensch<br />
glaube ich natürlich an das<br />
Wort. Es ist sehr tröstlich, dass man<br />
sich im Leben auf einer differenzierten<br />
sprachlichen Ebene finden kann.<br />
<br />
Nadine Guldimann<br />
\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\<br />
Zentrum Bürenpark, Bern<br />
Di., 24.3., 14 Uhr<br />
www.refbejuso.ch<br />
Andreas Schertenleib und Katharina Schneebeli stecken in der Beziehungsmühle.<br />
ZVG<br />
Der junge <strong>Berner</strong> Nils Althaus ist nicht<br />
nur als Schauspieler, sondern auch als<br />
Musiker erfolgreich. So sehr, dass er<br />
sich endlich eine richtige Begleitband<br />
leisten kann. Ab nächstem Donnerstag<br />
stellt er auf der Cappella-Bühne sein<br />
brandneues Programm, «Ändlech», vor.<br />
Ein Musiker ganz allein im Lichtkegel<br />
des Scheinwerfers, die Gitarre auf den<br />
Knien, eine im Dreivierteltakt gezupfte<br />
Begleitung und berndeutsche Chansons:<br />
Bis vor Kurzem verband man mit<br />
diesem Bild unweigerlich die <strong>Berner</strong><br />
Troubadours. Bis Nils Althaus kam.<br />
Der junge <strong>Berner</strong> Barde mischt seit einigen<br />
Jahren die Kleinkunst szene auf<br />
und sorgt im Genre des <strong>Berner</strong> Chansons<br />
für frischen Wind, sind doch die<br />
legendären <strong>Berner</strong> Troubadours allesamt<br />
im oder nahe am Pensionsalter.<br />
Dass er immer wieder in die Nähe der<br />
Überväter des Mundartchansons gerückt<br />
wird, stört Althaus nicht weiter:<br />
«Ich will mich weder zwanghaft von<br />
ihnen abheben, noch gleiche ich mich<br />
ihnen krankhaft an. Eine gewisse Nähe<br />
ergibt sich von allein. Und das eine oder<br />
andere meiner Chansons könnte durchaus<br />
auch von einem der Troubadours<br />
stammen.» Wenn er ein grosser Gitarrist<br />
wäre, hätte er vielleicht von Anfang<br />
an andere Lieder geschrieben, vermutet<br />
der Musiker. «Der gezupfte Dreivierteltakt<br />
ist halt das einfachste, was man<br />
auf der Gitarre spielen kann», fügt er<br />
schmunzelnd hinzu. Aber das war bei<br />
Mani Matter schliesslich auch nicht anders:<br />
Gemäss einer Anekdote soll er einmal,<br />
in der Absicht sein Gitarrenspiel<br />
zu verbessern, ein Heft erstanden haben<br />
mit dem Titel «Sehr leichte Stücke<br />
für Anfänger» – nachdem er immerhin<br />
schon seit Jahren auf der Bühne gestanden<br />
hatte.<br />
Erfolgreicher Schauspieler<br />
Nils Althaus ist aber nicht nur Musiker.<br />
Vor zwei Jahren mimte er im Film<br />
«Breakout» den bösen Jungen und zeigte,<br />
dass er auch schauspielerisch etwas<br />
drauf hat. An jenen Erfolg knüpfte er<br />
jüngst an: Für die Rolle des Taxifahrers<br />
im Film «Happy New Year» wurde er für<br />
Christoph Hoigné<br />
Bis zur Premiere verrät Nils Althaus nichts über sein neues Programm. Gewiss ist: alleine wird er<br />
(vorerst) nicht mehr auf der Bühne stehen.<br />
den Schweizer Filmpreis nominiert. Althaus<br />
fühlt sich in beiden Welten wohl.<br />
Als Chansonschreiber schätzt er die<br />
Unabhängigkeit. Gleichzeitig sei es aber<br />
auch ein einsames Geschäft: «Wenn ich<br />
zu lange allein mit Gitarre und Koffer<br />
im Zug von einem Auftritt zum nächsten<br />
unterwegs bin, dann habe ich richtig<br />
Lust, wieder einen Film zu drehen. Es<br />
ist eine extrem intensive und spannende<br />
Arbeit mit all den verschiedenen Leuten<br />
auf dem Filmset», erklärt Althaus seine<br />
Liebe zur Schauspielerei.<br />
Zwei Jahre geübt<br />
Der Erfolg als Schauspieler und Musiker<br />
hat dazu geführt, dass er sich für<br />
sein neues Programm endlich eine<br />
richtige Begleitband leisten kann. Auf<br />
der Cappella-Bühne wird er dem Publikum<br />
das Programm «Ändlech» vor-<br />
stellen; zusammen mit dem Bassisten<br />
André Pousaz, Jürg Luchsinger am Akkordeon<br />
und Daniel Hildebrand an der<br />
Mundharmonika. Althaus selbst greift<br />
vermehrt zur Westerngitarre. «Es wird<br />
rhythmischer», verspricht der Sänger –<br />
und musikalischer: «Ich hatte jetzt zwei<br />
Jahre Zeit zum Üben. Hoffentlich hört<br />
man das auch.»<br />
Alle sechs Konzerte werden für die geplante<br />
Live-CD des neuen Programms<br />
aufgezeichnet. Das letzte davon bestreitet<br />
Althaus dann wieder ohne Band:<br />
Allein im Lichtkegel des Scheinwerfers,<br />
die Gitarre auf den Knien. So wie man<br />
sich einen Chansonsänger halt vorstellt.<br />
<br />
David Loher<br />
\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \<br />
La Cappella, Bern.<br />
Do., 19.3., bis Sa., 21.3., 19.30 Uhr<br />
www.la-cappella.ch<br />
Verlosung<br />
Ewiger Wahnsinn im Land der verbotenen Handys<br />
Die Formation Fax an Max und ihr Regisseur Manuel Bürgin nähern sich in «Kim Jong<br />
Il – der ewige Sohn» mit theatralen und musikalischen Mitteln einem Land an, aus<br />
dem nur schemenhafte Bilder zu uns dringen: Nordkorea.<br />
Allein die Fakten über Nordkorea lesen<br />
sich wie die skurrile Inszenierung eines<br />
Alptraums. Nordkorea ist das einzige<br />
Land, in dem das System des Stalinismus<br />
in Reinkultur erhalten wird. An<br />
der Spitze des Landes steht mit Kim Il-<br />
Sung offiziell ein Toter. Er wurde nach<br />
seinem Ableben von der Regierung<br />
zum «ewigen Präsidenten» gewählt.<br />
Faktisch hat die Macht jedoch sein Sohn<br />
Kim Jong Il übernommen. Kritik an<br />
der Führung wird streng bestraft. Die<br />
Medien sind vollständig vom Staat kontrolliert.<br />
Das Verlassen des Landes und<br />
Mobiltelefone sind verboten. Nach China<br />
geflüchtete Nordkoreaner, die zurück<br />
ins Land abgeschoben wurden, sollen in<br />
der Öffentlichkeit hingerichtet worden<br />
sein. Nordkorea zählt zu den Ländern,<br />
in denen die Menschenrechte am wenigsten<br />
geachtet werden. Besucher aus<br />
dem Ausland dürfen sich nur in Begleitung<br />
von staatlich bestellten Kontrolleuren<br />
bewegen.<br />
Geschenke für Diktatoren<br />
Fast kein Ausländer kommt in Nordkorea<br />
um das groteske Freundschaftsmuseum<br />
herum, auch das Theaterstück<br />
nicht. Kim Jong Il liess sich 1996 – auf<br />
dem Höhepunkt der Hungerkrise, die<br />
etwa zwei Millionen Opfer forderte –<br />
einen riesigen Tempel mit dem Namen<br />
«Freundschaftsmuseum» bauen,<br />
eine Mischung aus Andachtsstätte und<br />
Schatzkammer. Hier sind Geschenke<br />
ausgestellt, die die «geliebten Führer»<br />
Lydia Lymbourides<br />
ZVG<br />
Schauspielerin Cathrin Störmer als Journalistin Dodo auf der Suche nach Kim Jong Il.<br />
aus aller Welt erhielten: ein Leopardenfell<br />
von Mao zum Beispiel oder einen<br />
Gruss von der Schweizer Uhrenfirma<br />
Omega. Auf einer elektronischen Anzeigetafel<br />
erscheint die aktuelle Anzahl<br />
der Geschenke: 67 831 für Kim Il Sung<br />
aus 155 Ländern und 22 386 aus 138<br />
Ländern für Kim Jong Il.<br />
Wie begegnet man einer absurden Realität<br />
mit den Mitteln der Kunst? Regisseur<br />
Manuel Bürgin und Dramaturg<br />
Dominique Müller haben Auszüge<br />
aus Reisereportagen, Originalzitate<br />
von Kim Jong Il, eigene Texten sowie<br />
Auszüge aus Werken von Rainald Goetz,<br />
Franz Kafka, Eugène Ionesco und<br />
Thomas Bernhard zu einem Theaterstück<br />
verwoben. Darin begibt sich die<br />
Journalistin Dodo auf eine Reise nach<br />
Nordkorea, um dem «geliebten Führer<br />
und ewigen Sohn» Kim zu begegnen,<br />
der in verschiedenen Versionen auftritt<br />
und ihr das Land zeigt. Während dieser<br />
Reise verstrickt sie sich in einen Kampf<br />
um persönliche und politische Macht,<br />
die die westlichen Demokratievorstellungen<br />
von Dodo auf die Probe stellen.<br />
Flüchtling als Inspiration<br />
Cathrin Störmer, Samuel Streiff und<br />
der Musiker Sandro Corbat spielen abwechselnd<br />
den Part von Kim. Eigentlich<br />
heissen hier sowieso alle Kim, sei es<br />
der Reiseführer oder der Chauffeur, der<br />
Dodo am Flughafen abholt. Corbat spielt<br />
dazu auch Songs und Sounds live auf<br />
der Bühne ein. Inspiriert zu dem Stück<br />
wurde Manuel Bürgin 2004, während<br />
er am Nationaltheater Mannheim arbeitete.<br />
Gleich neben dem Theater gab es<br />
eine Kneipe, die ein Nord koreaner betrieb,<br />
dem in den 70er-Jahren die Flucht<br />
geglückt war. Im Verlauf zahlreicher<br />
Gespräche mit dem Wirt wuchs Bürgins<br />
Interesse an Nordkorea. Es mündete in<br />
der ersten Produktion der von ihm mit<br />
Sandro Corbat und der Bühnenbildnerin<br />
Kathrine Hellermann gegründeten<br />
Gruppe. Übrigens: auch der Wirt hiess<br />
Kim. <br />
Nina Heinzel<br />
\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \<br />
Schlachthaus Theater, Bern.<br />
Do., 19.3., und Sa., 21.3., je 20.30 Uhr,<br />
So., 22.3., 19 Uhr<br />
www.schlachthaus.ch