Franz Schandl inspiziert Fassaden * Ernst Lohoff ... - Streifzüge
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PETER SAMOL,EIN-EURO-JOBS 13<br />
Aktiv-Gruppe“ oder noch schlichter<br />
„Gemeinnützige GmbH“.Auch hier gilt,<br />
dass nur öffentliche und soziale Einrichtungen<br />
als Auftraggeber in Frage kommen,<br />
um keine Arbeitsplätze in der freien<br />
Wirtschaft zu gefährden. Solche „Ein-<br />
Euro-Zentralen“ stellen den Arbeitslosen<br />
am Ende der Maßnahme ein Zertifikat<br />
über die erworbenen „Basisqualifikationen“<br />
aus. Dass ein solches Papier in der<br />
Praxis nichts wert ist,dürfte klar sein.Faktisch<br />
stellt es vor allem ein weiteres Mittel<br />
dar, um auf die Zwangsverpflichteten<br />
Druck auszuüben.<br />
Für nichtstaatliche gemeinnützige Einrichtungen<br />
gibt es einen zusätzlichen Anreiz.Sie<br />
erhalten eine Fallkostenpauschale<br />
von 400 Euro pro Ein-Euro-Beschäftigten.<br />
Davon werden nur ca. 100 Euro an<br />
den Ein-Euro-Jobber weitergereicht,den<br />
Rest kann der „Arbeitgeber“ behalten.<br />
Die Caritas,das Deutsche Rote Kreuz,der<br />
Paritätische Wohlfahrtsverband und die<br />
Arbeiterwohlfahrt (AWO) nutzen die Billigarbeitskräfte;selbst<br />
linke Kulturzentren<br />
bemühen sich um Ein-Euro-Kräfte.Bei all<br />
diesen Stellen dürften künftig normal bezahlte<br />
Mitarbeiter gekündigt und deren<br />
Stellen mit Ein-Euro-Jobbern neu besetzt<br />
werden.Auf diese Weise werden in absehbarer<br />
Zeit ganze Berufsgruppen wie Erzieher<br />
oder Altenpfleger nach und nach<br />
außer Wert gesetzt.<br />
Auch die private Wirtschaft ist längst<br />
von der Ein-Euro-Konkurrenz betroffen.<br />
Öffentliche Aufträge werden immer häufiger<br />
von Ein-Euro-Jobbern verrichtet.<br />
Schließlich befinden sich unter den Langzeitarbeitslosen<br />
auch Legionen von Malern,<br />
Elektrikern, Maurern, Fliesenlegern<br />
etc.Noch nie sind die Arbeitslosen so qualifiziert<br />
gewesen wie heute.Und die zu erwartende<br />
Pleitewelle bei den Handwerkerbetrieben<br />
dürfte das qualifizierte Ein-<br />
Euro-Personal noch einmal sprunghaft<br />
ansteigen lassen.Was für die Zwangsverpflichteten<br />
laut offizieller Propaganda<br />
„eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt“<br />
sein soll,ist faktisch eine gewaltige Abrissbirne<br />
für reguläre Beschäftigungsverhältnisse.Auf<br />
diese Weise tragen die Ein-Euro-<br />
Jobs dazu bei,die Arbeitsgesellschaft noch<br />
weiter ins Straucheln zu bringen.<br />
Ein-Euro-Jobs als Zwangstherapie …<br />
Willkommen in der Zukunft<br />
Der Einfall des hessischen Justizministers<br />
Christean Wagner (CDU),<br />
Langzeitarbeitslosen Fußfesseln anzulegen,klingt<br />
wie ein schlechter Scherz,<br />
doch die allerorten zunehmende Beliebtheit<br />
dieses Werkzeugs zeigt, dass<br />
wir zumindest auf dem „richtigen“<br />
Weg dorthin sind: Schon jetzt werden<br />
im deutschen Bundesland des besagten<br />
Ministers unter Bewährung stehende<br />
Verurteilte mit der Fußfessel elektronisch<br />
überwacht und so eine „regelmäßige,<br />
sinnvolle und straffreie Lebensführung<br />
trainiert“,wie es im Neusprech<br />
des hessischen Justizministeriums<br />
heißt. Der brandenburgische<br />
Innenminister Jörg Schönbohm kam<br />
kürzlich ernsthaft auf die Idee, damit<br />
irgendwann zuvor einmal straffällig gewordene,<br />
nun durch häufiges Schule-<br />
Schwänzen in den Augen des Innenministers<br />
eine potentielle Gefahr darstellende<br />
Jugendliche zu überwachen.<br />
Und in den USA wurde dieses Jahr<br />
vom „Department of Homeland Security“<br />
ein Pilotprojekt gestartet,bei dem<br />
Im Allgemeinen gelten erwachsene Menschen<br />
ohne Arbeit als defizitär. Ihre Arbeitslosigkeit,so<br />
unterstellt man,resultiere<br />
daraus,dass sie es nicht schaffen,sich selbst<br />
auf die Anforderungen der Arbeitsgesellschaft<br />
zuzurichten.Bevor sich die Betreffenden<br />
in diesem Zustand einrichten,<br />
sehen sich die offiziellen Stellen dazu gezwungen,<br />
Maßnahmen zu ergreifen.Wer<br />
unter dem Verdacht steht,den Zwang sich<br />
jederzeit und unter allen Umständen zu<br />
verkaufen, nicht verinnerlicht zu haben,<br />
dem muss er eben notfalls in speziellen<br />
Anstalten eingetrichtert werden.<br />
Auf diese Aufgabe haben sich die Sammel-<br />
und Verleihzentralen für Ein-Euro-<br />
Jobber, eben jene Einrichtungen mit den<br />
inhaltsleeren Phantasienamen wie „Projekt<br />
Aktiv“ oder „Gemeinnützige<br />
GmbH“,spezialisiert.Deren Personal besteht<br />
zu einem großen Teil aus Pädagogen,<br />
Sozialarbeitern und verwandten Berufsgruppen.<br />
Unter ihrer Ägide kommt die<br />
übergriffige Fremdbestimmung vorzugsweise<br />
im therapeutischen Gewand daher.<br />
Die zur Arbeit Gezwungenen sollen dort<br />
„lernen ihr Schicksal selbst in die Hand zu<br />
nehmen“, morgens aufzustehen, eine Arbeit<br />
zu beenden sowie pünktlich und „teamfähig“<br />
zu sein.All das bezeichnet man<br />
als „Schlüsselqualifikationen“.Die Sozialpädagogensprache<br />
wird hier problemlos<br />
mit dem Idioten-Vokabular der neoliberalen<br />
Wirtschaftsgurus vermengt.Mit den<br />
Floskeln,die aus dieser Begriffspanscherei<br />
erwachsen,schwingt sich das Betreuungspersonal<br />
über die ihm zugewiesenen<br />
Menschen auf und behauptet zu wissen,<br />
was gut für sie sei.Was nichts anderes als<br />
eine Dressurmaßnahme für ein Leben ist,<br />
das ganz auf abstrakte Arbeit und universelle<br />
Konkurrenz ausgerichtet zu sein hat,<br />
wird dabei mit der unerschütterlichen<br />
Gewissheit vermittelt, den Menschen<br />
etwas Gutes zu tun:„Das ist wie eine Rekonvaleszenz<br />
nach langer Krankheit“ und<br />
„wichtig für das Selbstwertgefühl“, beteuern<br />
die sich fürsorglich gebenden<br />
Menschenwärter gern. Diese pseudotherapeutische<br />
Grundhaltung dient vor allem<br />
dazu, den Zwangscharakter der ganzen<br />
Veranstaltung zu verschleiern.Das alles ereignet<br />
sich wohlgemerkt vor der ständigen<br />
Drohkulisse einer Streichung der letzten<br />
Existenzgrundlage. Es ist ein verlogener<br />
pädagogischer Idealismus der sozialen<br />
Kontrolle, bei dem die Betroffenen freiwillig<br />
wollen sollen, was ihnen aufgezwungen<br />
wird.Wehe ihnen, wenn nicht!<br />
Ob sich die vorgesetzten Zwangsbetreuer,<br />
die heute die „Gewöhnung an einen normalen<br />
Tagesablauf“ propagieren, wohl<br />
noch daran erinnern,dass noch vor wenigen<br />
Jahren die Pseudokritik am unflexiblen<br />
Normalarbeitsverhältnis als hip galt?<br />
Dass die Formen dauernd wechseln,in die<br />
2000 Zeichen<br />
mehr als 1700 Immigranten eine Fußfessel<br />
angelegt wurde, sodass bei abgewiesenem<br />
Aufenthaltsantrag keine<br />
Chance mehr besteht,der Abschiebung<br />
zu entgehen.<br />
Dabei macht der technologische<br />
Fortschritt vor Überwachungstechnologien<br />
nicht halt, vor allem die Miniaturisierung<br />
bringt gute Aussichten für<br />
die Überwacher:Winzige,in den Körper<br />
implantierte und somit nur noch<br />
operativ entfernbare Funkchips würden,<br />
in Verbindung mit der satellitengestützten<br />
Positionsbestimmung<br />
(GPS), eine lückenlose Überwachung<br />
ermöglichen. Der Prototyp eines derartigen<br />
Funkchips wurde bereits von<br />
der Firma „Applied Digital Solutions“<br />
getestet und das Patent – unter dem<br />
Namen „Digital Angel“ – angemeldet.<br />
Die Überwachung der Leute, die aus<br />
der „planetaren Arbeitsmaschine“<br />
(P.M.) herausfallen oder gar nicht erst<br />
hinein dürfen (z.B.abgewiesene Immigranten),<br />
könnte so zu einem lukrativen<br />
Geschäft einer sich mit immer weiter<br />
reichenden Mitteln abschottenden<br />
Minderheit werden. Ch.L.<br />
abwärts<br />
Streifzüge Nr. 34/Juli 2005