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Franz Schandl inspiziert Fassaden * Ernst Lohoff ... - Streifzüge

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18 FRANZ NAHRADA,NEW WORK<br />

Alter Wein in neue Schläuche?<br />

NEW WORK,WERTKRITIK UND OEKONUX – EIN GESPRÄCH MIT FRANZ NAHRADA<br />

„New Work“ heißt das Konzept, mit<br />

dem Frithjof Bergmann der Krise der<br />

Arbeitsgesellschaft beikommen will.Weltweit<br />

stoßen Bergmanns Ideen auf große<br />

Resonanz, die ihren Niederschlag auch in<br />

praktischen Projekten gefunden hat. <strong>Franz</strong><br />

Nahrada hat dieser Tage in Wien eine Veranstaltung<br />

mit dem Philosophen des New<br />

Work organisiert.Anlass genug, um uns<br />

mit ihm über das Verhältnis von New<br />

Work zur Wert- und Arbeitskritik zu<br />

unterhalten und über die Chancen, damit<br />

Wege aus dem Kapitalismus zu eröffnen.<br />

Andreas Exner:Wie würdest du die Eckpfeiler<br />

der New-Work-Idee beschreiben?<br />

<strong>Franz</strong> Nahrada: Im Grunde führt<br />

Frithjof Bergmann Gedanken weiter, die<br />

in ähnlicher Form von Alvin Toffler und<br />

Marshall McLuhan geäußert wurden:dass<br />

nämlich die Epoche der industriellen Produktion<br />

durch die Ausbreitung der<br />

Mikroelektronik und der Informationstechnologie<br />

nicht nur von der Produktionsseite<br />

ihre Grundlagen untergräbt,<br />

sondern auch von der Produktseite. Die<br />

Produkte industrieller Produktion werden<br />

durch die Implementation von Chips und<br />

Kybernetik selbst zu Produktionsmitteln.<br />

Die Veränderung der Produktion und der<br />

Produkte geschieht simultan.<br />

Toffler nannte das die „Dritte Welle“<br />

oder das „Prosumenten-Zeitalter“,<br />

McLuhan spricht vom radikalen Gegensatz<br />

zwischen dem zentralisierenden Industriekonzept<br />

und dem dezentralisierenden<br />

Automationskonzept. In zahllosen<br />

Beispielen beschreiben sie, wie Arbeit<br />

auch auf der Produktseite an den Konsumenten<br />

„ausgelagert“ wird: eigener<br />

Schwangerschaftstest, eigene Textmaschine,<br />

eigene Druckerei… Unser Alltag<br />

ist eigentlich voller Dinge, die uns in die<br />

Lage versetzen,selber zu tun,wofür früher<br />

eine spezialisierte Funktion notwendig<br />

war.<br />

Frithjof Bergmanns originäre Leistung<br />

ist es, diese simultane Veränderung – Arbeitsplätze<br />

werden wegrationalisiert und<br />

die Produkte werden immer intelligenter<br />

– zusammengeschlossen zu haben. Die<br />

Lohnarbeit geht zurück und die Technologie<br />

der Eigenproduktion wird immer<br />

mächtiger: Man muss nur eins und eins<br />

zusammenzählen können, um zu sehen,<br />

welche Konsequenzen das haben könnte:<br />

Produzenten, die zunehmend weniger<br />

„Arbeitgeber“ brauchen,weil sie eben direkteren<br />

Zugriff auf produktive Potenzen<br />

haben, können ihren Eigenarbeitsraum<br />

schaffen.<br />

Im Gegensatz zu Toffler, der sich eine<br />

nicht marktförmige Lösung überhaupt<br />

nicht vorstellen konnte und kann,spricht<br />

Frithjof von der Notwendigkeit der zumindest<br />

parziellen Demonetarisierung –<br />

das versteht er unter „gemeinschaftlicher<br />

Eigenarbeit“.Aber das ist nur die Spitze<br />

eines Eisbergs: Mit der massenhaften Zunahme<br />

kopierender und realisierender<br />

Technologie wird die Qualifikationsstruktur<br />

der gesamten Arbeitswelt epochal<br />

umgewälzt.Auch innerhalb der Wirtschaft<br />

kommt es nicht mehr auf das Vollziehen<br />

von vorgegebenen Kommandos an, sondern<br />

auf die ständig steigende Eigentätigkeit.Diese<br />

steht natürlich unter dem Diktat<br />

von absurden betriebswirtschaftlichen<br />

Vorgaben.<br />

Spannend ist nun, dass diese beiden<br />

Spielarten der „Eigenmacht“ – jene im<br />

System und jene außerhalb davon – beginnen<br />

miteinander Kontakt aufzunehmen.Das<br />

ist in großem Stil erstmals in der<br />

Open-Source-Bewegung geschehen. Für<br />

mich ist das New-Work-Konzept, wenn<br />

du so willst,der „ideologische Ausdruck“<br />

dieses Prozesses, wobei richtiges und falsches<br />

Bewusstsein munter durcheinandergehen.Auf<br />

jeden Fall entsteht durch diese<br />

„Koalition“ etwas völlig Neues. Hardt/<br />

Negri beschreiben das phänomenologisch,ohne<br />

es auf den Begriff zu bringen.<br />

Ich habe es die drei Eckpfeiler „Selbstversorgung“,<br />

„Selbstentfaltung“ und<br />

„Selbständigkeit“ genannt.Die stecken das<br />

New-Work-Konzept relativ gut ab, ohne<br />

dass wir die Resultate dieses Prozesses im<br />

Einzelnen schon kennen würden. Dennoch<br />

können wir diesen Prozess so besser<br />

verstehen und vor allem: mitgestalten!<br />

Andreas Exner: Was brachte dich dazu,<br />

dich für dieses Konzept einzusetzen? Wo siehst<br />

du seine Chancen, wo liegen deiner Meinung<br />

nach die Defizite?<br />

<strong>Franz</strong> Nahrada: Ich traf Frithjof<br />

Bergmann an der TU Wien und hörte mir<br />

an,was er über „Self Providing Villages“ in<br />

Südafrika sprach. Er war in Begleitung<br />

eines ANC-Abgeordneten, und ich sah<br />

staunend, dass da mein Konzept eines<br />

„Globalen Dorfes“ besprochen wurde.<br />

Wir sind dann bis Mitternacht im Café gesessen<br />

und haben beschlossen uns zusammenzutun.<br />

Also in Südafrika hat in der ANC-Regierung<br />

oder zumindest bei einigen Ministern<br />

der Zweifel an der Globalisierung<br />

zu historisch vielleicht bedeutsamen<br />

Ideen geführt. Der Nettoeffekt der Zurichtung<br />

von Land und Leuten als Produktionsstandort<br />

globaler Konzerne ist<br />

katastrophal. Die Idee, auf Eigenproduktion<br />

zu setzen,ist ähnlich revolutionär wie<br />

die Vertreibung der Bauern von der<br />

Scholle am Beginn der kapitalistischen<br />

Dynamik.<br />

Gegenüber Frithjof hab ich nur eine<br />

Akzentsetzung vorgenommen, aber gemerkt,<br />

dass ihm die ganz recht war. Ich<br />

wies darauf hin, dass sich die Eigenarbeit<br />

in unbeschränkt großen Netzwerken des<br />

Informationsaustausches zu vernetzen imstande<br />

ist. Keine New-Work-Bewegung<br />

ohne Open Source. Das heißt aber: Je<br />

mehr eigenproduzierende Dörfer es auf<br />

der Welt gibt, umso stärker ist ihre Produktivkraft,<br />

Bandbreite, Ingenuität und<br />

letztlich – ihre politische Macht.<br />

Zweitens betone ich immer auch den<br />

ökologischen Gesichtspunkt.Das gesamte<br />

Techniksystem ist auf der Basis einer enormen<br />

Blindheit gegen die allgemeinen<br />

Produktionsvoraussetzungen aufgebaut.<br />

Ich meine, dass ein selbstbestimmtes<br />

menschliches Produktionssystem zum<br />

Beispiel dem Automobil nicht denselben<br />

Stellenwert einräumen kann wie ein von<br />

Kapital- und Absatzschlachten dominiertes.Umgekehrt<br />

sind wir heute in der Lage,<br />

stoffliche Kreislaufsysteme zu komponieren,die<br />

wie natürliche Biotope sich quasi<br />

automatisch selbst regenerieren.Diese Akzentsetzungen<br />

reichen weit über das<br />

New-Work-Konzept hinaus, können es<br />

aber nicht unberührt lassen.<br />

Andreas Exner:Was ist das Neue an New<br />

Work? Bergmann plädiert zwar für eine radikale<br />

Selbstverwirklichung in Gemeinschaft,<br />

Streifzüge Nr. 34/Juli 2005

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