Den Untergang erst mal abgesagt - Softfair
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ILLUSTRATION: OLAF HAJEK<br />
jahren hatten die Anlagemanager kein<br />
glückliches Händchen. 2011 mussten sie<br />
16,7 Millionen Euro auf griechische Staatsanleihen<br />
abschreiben. 2012 bescherten<br />
ihnen die nun abgestoßenen Hellenen-<br />
Bonds 6,4 Millionen Euro Verlust, was<br />
immerhin 1,5 Prozent der Kapitalanlagen<br />
zum Jahresende entspricht. In der Gesamtbewertung<br />
rutschte die Hamburger Leben<br />
von vier Sternen auf nur noch einen Stern.<br />
Kein Wunder, dass die Stornoquote mit 8,2<br />
Prozent besonders hoch war.<br />
Andreas Hinsenkamp hat seiner Lebensversicherung<br />
den Rücken gekehrt –<br />
obwohl die erfolgreicher wirtschaftet.<br />
Hinsenkamp ist Chefgrafiker einer Werbeagentur<br />
aus Düsseldorf, Mitte 30. Vor<br />
zehn Jahren hatte er mit seiner Altersvorsorge<br />
begonnen, einen Deka-Fondssparplan<br />
und zwei Lebenspolicen bei<br />
der Allianz abgeschlossen, die ihm sein<br />
Bankberater empfohlen hatte. Etwa 350<br />
Euro im Monat zahlte er insgesamt ein.<br />
Vor drei Monaten wurde Hinsenkamp<br />
Vater eines Sohnes. Er und seine Frau<br />
träumen von der eigenen Immobilie.<br />
„Irgendwie passten die starren Policen<br />
überhaupt nicht zu meiner Lebenssituation,<br />
zu Elternzeit und einer eventuellen<br />
Job-Auszeit“, sagt Hinsenkamp. Er<br />
machte mit Thomas Lau, einem Honorarberater<br />
aus Aachen, einen großen<br />
Finanzcheck. Schnell war für ihn klar,<br />
dass er die Policen kündigen würde.<br />
„Die garantierten Auszahlungen lagen<br />
kaum über der Ansparsumme“, sagt<br />
Hinsenkamp. „Vor allem die hohen<br />
Abschlusskosten waren ärgerlich.“<br />
Er entschied sich dennoch für einen<br />
klaren Schnitt. „Lieber jetzt 4000 Euro<br />
Kündigungsverlust hinnehmen, aber<br />
dafür eine flexible Altersvorsorge<br />
bekommen.“ Statt der Lebenspolicen<br />
entschied er sich für Fondspolicen mit<br />
kostengünstigen Indexfonds (ETFs).<br />
Über den Honorarberater bekam er die<br />
ohne Provision, musste nur direkt für<br />
die Beratung zahlen. So kann er die<br />
Raten problemlos anpassen, ohne sich<br />
über die berechneten Kosten Gedanken<br />
machen zu müssen.<br />
Auf eigene Faust sparen wollte<br />
Hinsenkamp nicht, obwohl er für seine<br />
sonstige Geldanlage auch gerne Aktien<br />
kauft. „Die spätere Auszahlung als<br />
Rente war mir wichtig. Bei der Altersvorsorge<br />
geht es mir nicht um viel<br />
Gewinn, sondern um eine lebenslange<br />
Grundversorgung.“<br />
Während langjährige Versicherte sich eine<br />
Kündigung gut überlegen sollten (siehe<br />
Seite 94), fällt der Ausstieg aus der Lebensversicherung<br />
jüngeren Versicherten wie<br />
Hinsenkamp deutlich leichter. Potenzielle<br />
Neukunden hinterfragen ohnehin, ob sich<br />
die langlaufenden Policen alten Stils für sie<br />
noch rechnen. Das Neugeschäft der<br />
Lebensversicherer lahmt entsprechend.<br />
2012 konnten sie nur noch sechs Millionen<br />
neue Policen verkaufen, 40 Prozent weniger<br />
als etwa vor zehn Jahren. Nur wenn eine<br />
Absenkung des Garantiezinses droht,<br />
wie zuletzt zum Jahreswechsel 2011/12 von<br />
2,25 auf 1,75 Prozent, greifen Kunden in<br />
einer Art Schlussverkauf noch <strong>mal</strong> zu, um<br />
sich den höheren Zins zu sichern.<br />
Versicherer suchen Auswege. Ein<br />
Ansatz: Neue Policen ohne garantierte<br />
Mindestverzinsung, die nur den eingezahlten<br />
Beitrag garantieren, sollen Versicherern<br />
mehr Spielraum bei der Kapitalanlage<br />
geben und den Kunden mehr Ertrag bescheren.<br />
Für dieses Jahr beziffert etwa die<br />
Allianz den Kundenvorteil, der sich aus der<br />
freieren Kapitalanlage ergibt, auf 0,3 Prozentpunkte.<br />
So viel mehr Zins sollen die<br />
Kunden im neuen Produkt „Perspektive“<br />
gutgeschrieben bekommen. Dauerhaft garantiert<br />
ist das Renditeplus natürlich nicht.<br />
AM ENDE WIRD NEU GERECHNET<br />
Zwar bieten Versicherer vor<strong>erst</strong> weiter die<br />
alten Policen mit Garantiezins an, aber sie<br />
lotsen Kunden stärker in die neuen Verträge.<br />
Deren Vorteile sind allerdings keinesfalls<br />
ausgemacht. Beispiel Allianz: Das<br />
neue Produkt ist eine Rentenpolice – der<br />
Kunde zahlt ein und bekommt im Alter<br />
eine monatliche Rente. Nor<strong>mal</strong>erweise<br />
legen Versicherer bei Rentenpolicen zu<br />
Beginn fest, wie sie die spätere Rente<br />
berechnen werden. Verlängert sich die<br />
Lebenserwartung der Kunden bis Rentenbeginn<br />
stärker als geplant, trägt der Versicherer<br />
das Risiko.<br />
Nicht so die Allianz mit ihrer „Perspektive“:<br />
Laut einem Vertragsangebot wird die<br />
Höhe der Rente zum Rentenbeginn<br />
berechnet – und zwar „auf Basis der zu diesem<br />
Zeitpunkt maßgebenden Rechnungsgrundlagen“.<br />
Der Vorstandsvorsitzende<br />
des Bundes der Versicherten, Axel Kleinlein,<br />
sieht darin einen Trick: Die Allianz<br />
dürfe den zum Rentenbeginn bei ihr üblichen<br />
Zins sowie die dann gültige Lebenserwartung<br />
ansetzen. Ist die unerwartet<br />
gestiegen, „wird die gesamte Rente neu<br />
berechnet. Da kann es sein, dass der Kunde<br />
trotz zugeteilter Überschüsse keinen einzigen<br />
Renten-Euro mehr bekommt, als ihm<br />
ursprünglich garantiert worden ist“, sagt<br />
Kleinlein – und garantiert wäre nur die<br />
Rente aus dem eingezahlten Kapital. Kunden<br />
bekämen weniger als aus Policen mit<br />
Garantiezins.<br />
Die neuen Produkte sind teuer. Läuft ein<br />
Vertrag 30 Jahre, zieht die Allianz von 100<br />
Euro Monatsbeitrag im Schnitt 16 Euro ab;<br />
tatsächlich angelegt werden also nur 84<br />
Euro. Mit Zins und Zinseszins braucht die<br />
Allianz voraussichtlich zehn Jahre, um allein<br />
die Kosten wieder reinzuholen.<br />
Für Versicherer ist all das prima: <strong>Den</strong>n<br />
das Risiko, ob und wie viel Rendite am<br />
Ende hängen bleibt, trägt bei Verträgen ohne<br />
Garantiezins allein der Kunde.<br />
Nicht alle Versicherer sind von der<br />
Bedeutungslosigkeit der Garantien überzeugt.<br />
Der Direktversicherer Cosmos Direkt<br />
etwa hält an der Mindestzusage fest, will<br />
»<br />
WirtschaftsWoche 30.9.2013 Nr. 40 91<br />
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