Den Untergang erst mal abgesagt - Softfair
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Geld&Börse<br />
<strong>Den</strong> <strong>Untergang</strong><br />
<strong>erst</strong> <strong>mal</strong> <strong>abgesagt</strong><br />
LEBENSVERSICHERUNG | Viele Policen sind besser als ihr Ruf. Weil längst nicht alle gleich<br />
gut mit den Niedrigzinsen klarkommen, geht die Schere zwischen starken und<br />
schwachen Versicherern aber immer weiter auseinander. Bei wem Sie auch in Zukunft<br />
gut aufgehoben sind, zeigt unser Check von 74 Lebensversicherern.<br />
Früher stand die Lebensversicherung<br />
bei den Deutschen auf<br />
einer Stufe mit Miele-Waschmaschine,<br />
Volkswagen und Eigenheim:<br />
grundsolide, verlässlich,<br />
planbar, Geborgenheit vermittelnd. Heute<br />
gilt sie als Kostenfalle, Abzocke und Auslaufmodell.<br />
Gern zitieren Versicherungskritiker<br />
ein altes Urteil des Landgerichts<br />
Hamburg, das es erlaubt, Lebensversicherungen<br />
als „legalen Betrug“ zu bezeichnen.<br />
Google listet dazu 7000 Treffer auf.<br />
Ist Deutschland ein Land der Betrogenen?<br />
Immerhin haben wir gut 89 Millionen<br />
Lebens- und Rentenversicherungen abgeschlossen.<br />
Vorsorgesparer sind verunsichert.<br />
Versicherungsvermittler reagieren<br />
mit Zynismus. „Da ist es wieder, das gern<br />
genommene Lebensversicherungs-Bashing“,<br />
kommentiert ein Makler jede neue<br />
Titelgeschichte zur Lage der Lebensversicherer.<br />
Scheinbar unversöhnlich stehen<br />
sich Fronten gegenüber – Verbraucherschützer<br />
und Journalisten auf der einen,<br />
Versicherer und Vermittler auf der anderen<br />
Seite.<br />
DAS ÜBLICHE DREHBUCH<br />
Eine übliche Magazingeschichte zur Lebensversicherung<br />
braucht folgende Zutaten:<br />
einen Kunden, der sich betrogen fühlt,<br />
weil er zum Vertragsende weniger bekommt,<br />
als ihm beim Abschluss in Aussicht<br />
gestellt wurde. Einen Vermittler, der<br />
dem Kunden eine schlechte Police angedreht<br />
und dafür üppige Provisionen kassiert<br />
hat. Einen Versicherer, der mit seinen<br />
Anlagen kaum noch Rendite für die Kunden<br />
erzielt. Und einen Verbraucherschützer,<br />
der vor dem Abschluss einer Lebensversicherung<br />
warnt. Dabei ist die Lage vieler<br />
Kunden deutlich besser als die Stimmung.<br />
Langjährig Versicherte bekommen<br />
zum Vertragsende bislang meist noch eine<br />
Rendite, die sich im Niedrigzinsumfeld sehen<br />
lassen kann.<br />
Probleme gibt es in der Lebens- und<br />
Rentenversicherung dennoch zuhauf, und<br />
sie werden zunehmen. Deshalb gilt: Nur<br />
wer bei einem finanzstarken Anbieter abschließt,<br />
darf bei neuen Verträgen noch auf<br />
eine akzeptable Verzinsung hoffen. Das<br />
Rating der WirtschaftsWoche hilft dabei,<br />
diese vorbildlichen Versicherer aufzuspüren.<br />
Der Wiener Finanzwissenschaftler<br />
Jörg Finsinger und das Analysehaus <strong>Softfair</strong><br />
haben dazu 74 Lebensversicherer aus<br />
Kundensicht analysiert (siehe Rating und<br />
Methodik Seite 88). Wagen wir also eine<br />
konstruktive Analyse: Welche Stärken und<br />
Schwächen hat die Lebensversicherung?<br />
Was bietet sie noch? Soll ich neu abschließen,<br />
dabeibleiben oder kündigen?<br />
Lebensversicherung<br />
86 Neuabschluss Was Kunden vor<br />
der Unterschrift wissen sollten<br />
88 Rating-Tabellen Die besten von 74<br />
Anbietern können auch morgen<br />
noch gute Renditen erwirtschaften<br />
92 Kapitalanlage Allianz-Manager<br />
Karl Happe setzt auf Infrastruktur<br />
94 Kündigung Meistens verlieren<br />
Kunden viel Geld, welche Alternativen<br />
es gibt<br />
96 Verkauf Auf dem Zweitmarkt für<br />
Policen herrschen raue Sitten<br />
„Leider habe ich nur Kunden, die mit<br />
ihrer Lebensversicherung unzufrieden<br />
sind“, sagt Stefanie Kühn, Honorarberaterin<br />
aus Grafing. Wer zufrieden ist, so<br />
könnte man meinen, braucht keinen<br />
Berater, weil er alles laufen lässt. Hier,<br />
in einer Doppelhaushälfte bei Berlin,<br />
lebt ein solcher zufriedener Versicherter.<br />
67 Jahre alt ist der Ruheständler,<br />
Vater von drei Kindern. Schon mit 30<br />
Jahren hat er seine <strong>erst</strong>e Lebensversicherung<br />
bei der Thuringia abgeschlossen,<br />
die später im Generali Versicherungskonzern<br />
aufging. Der garantierte<br />
Zins auf den Sparanteil, also nach<br />
Abzug der Kosten, lag da<strong>mal</strong>s bei drei<br />
Prozent. Rund 270 Mark Monatsbeitrag<br />
zahlte er zu Beginn, Ende der Siebzigerjahre.<br />
Kurz vor der Auszahlung 2008<br />
war der Monatsbeitrag auf rund 900<br />
Euro gestiegen. Der Vertrag enthielt eine<br />
Dynamik, sodass die Beiträge Jahr für<br />
Jahr um wenigstens fünf Prozent<br />
stiegen. Bei Berufsunfähigkeit wäre er<br />
außerdem beitragsfrei fortgeführt worden.<br />
„Schon vor 30 Jahren haben Experten<br />
von solchen Policen mit Dynamik<br />
und integrierter Risikokomponente<br />
abgeraten“, berichtet der Mann. „Aber<br />
darauf habe ich nicht viel gegeben.“<br />
Als er vor fünf Jahren rund 260000<br />
Euro Ablaufleistung bekam, war er froh<br />
darüber. Steuern musste er nicht zahlen.<br />
Das Geld konnten er und seine Frau<br />
gut für die Tilgung des laufenden Immobilienkredits<br />
gebrauchen. Nachgerechnet<br />
hat er nie, wie viel Rendite ihm seine<br />
Police gebracht hat. Dabei wirkt die<br />
trotz des integrierten Risikoschutzes im<br />
aktuellen Niedrigzinsumfeld gar<br />
»<br />
ILLUSTRATION: OLAF HAJEK<br />
84 Nr. 40 30.9.2013 WirtschaftsWoche<br />
© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.
Rendite drückt Garantiezins...<br />
Entwicklung des Garantiezinses in der Lebensversicherung und<br />
der Rendite zehnjähriger Bundesanleihen (in Prozent)<br />
...und den Ertrag der Kunden<br />
Entwicklung von Anlagerendite der Versicherer und Beitragsrendite<br />
der Kunden zum Vertragsende (in Prozent)<br />
10 6 Nettorendite des Versicherers1<br />
Rendite der Bundesanleihe<br />
5<br />
Beitragsrendite der Kunden2<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
Garantiezins<br />
0 0<br />
1990<br />
2000 2010 2013 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 20133<br />
Nettoerträge (inklusive Abschreibungen) im Verhältnis zu den Kapitalanlagen; ausgezahlte Rendite (inklusive aller Überschüsse) auf den Kundenbeitrag bei 1200 Euro Jahresbeitrag<br />
und 20 Jahren Laufzeit; die Beitragsrendite wirdzuJahresanfang festgelegt, die Nettorendite <strong>erst</strong> zum Jahresende; Quelle: GDV, Map-Report<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
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Geld&Börse<br />
TIPPS<br />
Die richtige<br />
Police finden<br />
Worauf Sie beim Abschluss einer<br />
Lebensversicherung achten sollten.<br />
BEITRAG JÄHRLICH ZAHLEN<br />
Versicherte zahlen Beiträge oft monatlich.<br />
Dafür fallen Zuschläge an. Wer pro<br />
Jahr zahlt, profitiert. Auf 20 Jahre bringt<br />
das schnell 1000 Euro mehr.<br />
DYNAMIK SELTEN SINNVOLL<br />
Automatische jährliche Beitragssteigerungen<br />
sollen die Inflation abfedern.<br />
Nachteil: Es fallen jedes Jahr neue<br />
Abschlusskosten an. Kunden können<br />
die Dynamik aussetzen. Sinnvoll ist der<br />
Automatismus höchstens bei integriertem<br />
Risikoschutz und bei steuerfreien<br />
Policen von vor 2005, da die alten<br />
Vorteile (früherer Gesundheitszustand,<br />
alte Steuerregeln) dank Dynamik auch<br />
für höhere Leistungen gelten.<br />
RISIKOSCHUTZ SEPARAT<br />
Anlage und Risikoschutz mit separaten<br />
Policen abdecken. Versicherte können<br />
die Lebenspolice sonst kaum kündigen<br />
oder beitragsfrei stellen, da der Risikoschutz<br />
gefährdet wäre.<br />
FÖRDERUNG BRINGT WENIG<br />
Staatliche Förderung, etwa Riesteroder<br />
Rürup-Policen, beschert meist<br />
kein geschenktes Geld – trotz anderslautender<br />
Werbung. Das liegt vor allem<br />
an Steuereffekten. Vorteile gibt es meist<br />
nur, wenn die Steuersätze im Alter<br />
viel niedriger als vorher sind.<br />
RENTENZAHLUNG VORZIEHEN<br />
Bei Neuabschluss sind für die reine<br />
Sparanlage, also bei Policen mit Ein<strong>mal</strong>auszahlung,<br />
allenfalls Top-Versicherer<br />
interessant. Immerhin bestehen hier<br />
selbst bei neuen Verträgen noch kleinere<br />
Steuervorteile. Für die Altersvorsorge<br />
hingegen ist die Auszahlung als monatliche<br />
Rente besser. Versicherer setzen<br />
allerdings teils über 100 Jahre Lebenserwartung<br />
an. Entsprechend niedrig<br />
sind die Renten. Die Rentenpolicen sind<br />
nur Absicherung, kein Renditebringer.<br />
niklas.hoyer@wiwo.de<br />
»<br />
nicht übel: Rund fünf Prozent<br />
Rendite pro Jahr auf den gezahlten<br />
Beitrag hat er kassiert. Eine weitere,<br />
kleinere Police über 20 Jahre, die schon<br />
2001 auslief und knapp 15000 Euro<br />
brachte, bescherte ihm sogar 5,6<br />
Prozent Rendite pro Jahr – steuerfrei.<br />
„Da habe ich ja wirklich einen Grund<br />
zufrieden zu sein“, zeigt sich der Mann<br />
über das Ergebnis erfreut.<br />
Dass alte Policen teilweise noch ordentliche<br />
Renditen brächten, liege eigentlich<br />
nur an der Steuerfreiheit, sagt Niels Nauhauser<br />
von der Verbraucherzentrale<br />
Baden-Württemberg. Gibt es heute also<br />
keinen guten Grund mehr, einen Vertrag<br />
abzuschließen? Barbara Rojahn, unabhängige<br />
Finanzberaterin aus Stuttgart, sieht<br />
das anders. Zwar hält auch sie die klassische<br />
Lebensversicherung, bei der mit Anfang<br />
oder Mitte 60 auf einen Schlag eine<br />
größere Summe ausgezahlt wird, wegen<br />
ihrer Renditeschwäche nicht mehr für eine<br />
sinnvolle Altersvorsorge. Anders sehe das<br />
bei Rentenversicherungen aus. Hier legen<br />
die Versicherer das Geld der Kunden zwar<br />
genauso an, vor allem zu festen Zinsen<br />
(siehe Grafik), zahlen später aber eine<br />
lebenslange Rente.<br />
„Der Grundbedarf für Miete, Kleidung,<br />
Lebensmittel, Medikamente und andere<br />
laufende Kosten sollte mit lebenslangen<br />
Renten abgedeckt sein“, sagt Rojahn. Viele<br />
Kunden würden es schätzen, später bis ans<br />
Lebensende die Rente zu bekommen. Sie<br />
wollten sich nicht selbst um größere Geldbeträge<br />
kümmern: „Das ist ihnen zu anstrengend<br />
und zu risikoreich.“ So gesehen<br />
wären die relativ niedrigen Renditen der<br />
Lebens- und Rentenversicherung der Preis<br />
für Bequemlichkeit. Außerdem würden die<br />
festen Verträge disziplinieren, sagt Rojahn:<br />
„Der abgebuchte Beitrag kann nicht verkonsumiert<br />
werden.“<br />
Dass viele Kunden trotzdem unzufrieden<br />
sind, haben die Versicherer sich selbst<br />
zuzuschreiben – weil sie in fetten Jahren<br />
viel zu hohe Erträge versprochen haben.<br />
Die Kunden „beobachten die Renditen von<br />
Jahr zu Jahr und sehen alles dahinschmelzen“,<br />
sagt Honorarberaterin Kühn. Selbst<br />
solche mit auslaufenden Verträgen kämen<br />
zwar auf drei oder vier Prozent Rendite.<br />
Eigentlich nicht schlecht. „Sie ärgern sich<br />
aber trotzdem, weil sie die sieben Prozent<br />
im Kopf haben, mit denen sie geködert<br />
wurden.“ Andreas Böker, Vermögensverwalter<br />
aus Montabaur, stimmt zu: „Ich kenne<br />
keinen zufriedenen Versicherungssparer,<br />
denn alle Verträge haben ihre<br />
ursprünglich prognostizierten Werte nicht<br />
erreicht.“<br />
Prognostiziert – das ist das Stichwort.<br />
Sicher und planbar sind in der Lebensversicherung<br />
nur die garantierten Werte. Bis<br />
Mitte 1986 lag der Garantiezins für Neukunden<br />
bei drei Prozent. In der Spitze, von<br />
Juli 1994 bis Juni 2000 betrug er vier Prozent.<br />
Dann fiel er immer weiter. Seit Anfang<br />
2012 bekommen Kunden für neu abgeschlossene<br />
Policen nur noch 1,75 Prozent<br />
pro Jahr garantiert (siehe Grafik Seite 85).<br />
Im Lauf des kommenden Jahres könnte<br />
der Zins für Neukunden erneut abgesenkt<br />
werden müssen, deutete jüngst Jörg von<br />
Fürstenwerth an, der Hauptgeschäftsführer<br />
des Branchenverbands GDV. Über alle<br />
Verträge hinweg haben Versicherer ihren<br />
Kunden im Schnitt gut drei Prozent Zins<br />
garantiert. Gezahlt wird diese Mindestrendite<br />
aber nur auf den Sparanteil – also auf<br />
das, was bleibt, wenn der Versicherer vom<br />
Beitrag Kosten für Vertrieb und Verwaltung<br />
und Beiträge für den Todesfallschutz abgezogen<br />
hat.<br />
ALTER NOTSTANDSPARAGRAF<br />
Kritiker setzen selbst hinter die Garantien<br />
Fragezeichen. Kunden sollten sich bei ihrer<br />
Entscheidung nicht davon leiten lassen, rät<br />
Verbraucherschützer Nauhauser. Logischerweise<br />
bringt die Garantie dem Kunden<br />
nur etwas, wenn der tatsächliche Zins<br />
langfristig unter dem garantierten Zins<br />
liegt. „In einem solchen Szenario aber ist<br />
die Garantie nicht sehr lange werthaltig,<br />
weil die Unternehmen nicht endlos für<br />
Verluste geradestehen können.“<br />
Am Zinstropf<br />
Investitionender Lebensversicherer<br />
Immobilien<br />
Aktien und<br />
Beteiligungen<br />
Sonstige*<br />
Hypotheken<br />
Bankkredite<br />
8,9<br />
6,3<br />
Staatsanleihen<br />
und -darlehen<br />
12,5<br />
3,8 3,7 Rentenfonds<br />
5,2<br />
%<br />
14,2<br />
23,6<br />
21,8<br />
*zum Beispiel Genussrechte, Tagesgelder,<br />
Nachränge; 100 Prozent =787 Mrd. Euro;<br />
Stand: Juni 2013; Quelle: GDV, Bundesbank<br />
Unternehmensanleihen<br />
und -darlehen<br />
Pfandbriefe<br />
von Banken<br />
Zinsanlagen<br />
86 Nr. 40 30.9.2013 WirtschaftsWoche<br />
© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.
ILLUSTRATION: OLAF HAJEK<br />
Illustration<br />
121 x 118<br />
In den Vordergrund rückt da eine Art<br />
Notstandsparagraf im Versicherungsaufsichtsgesetz,<br />
nach dem die garantierten<br />
Leistungen bei finanzieller Schieflage des<br />
Versicherers gekürzt werden dürfen. So<br />
kann die Aufsichtsbehörde BaFin bei Insolvenzgefahr<br />
anordnen, dass Leistungen<br />
heruntergesetzt werden. Kommt es zur<br />
Insolvenz, werden Kunden von der Auffanggesellschaft<br />
Protektor übernommen.<br />
Dann sind ebenfalls Kürzungen möglich.<br />
„Das bedeutet, dass nicht ein<strong>mal</strong> die Versicherungssumme<br />
und die Garantieverzinsung<br />
wirklich sicher sind“, sagt Anlegeranwalt<br />
André Tittel, für ihn „eine staatlich<br />
gebilligte Enteignung“.<br />
Kurz nach Ausbruch der Finanzkrise hatten<br />
<strong>Untergang</strong>spropheten in Internet-<br />
Foren behauptet, der Notstandsparagraf<br />
sei kürzlich geändert worden, Versicherte<br />
müssten sich auf das Schlimmste gefasst<br />
machen. Tatsächlich gibt es ihn laut Bundesfinanzministerium<br />
seit Urzeiten. Versicherte<br />
sollten das Risiko kennen, sich aber<br />
nicht verrückt machen lassen.<br />
Die meisten haben ohnehin nicht wegen<br />
der eher niedrigen Garantien unterschrieben,<br />
sondern weil sie mit überzogenen<br />
Prognosen gelockt wurden. Die Werbe-<br />
Rechnungen seien simpel gewesen,<br />
berichtet ein Aussteiger, der in den Achtzigerjahren<br />
nebenberuflich Versicherungen<br />
vertickte: „100 Mark Monatsbeitrag bringen<br />
rund 100 Prozent Gewinn in 27 Jahren.<br />
So haben wir die Kunden gelockt.“ Aus eingezahlten<br />
32 400 Mark sollten 60 000 Mark<br />
werden. Dafür waren aber 4,3 Prozent Rendite<br />
pro Jahr nötig, nach Kosten und viel<br />
mehr als garantiert. Zu hohe Versprechungen<br />
aber provozieren Enttäuschung.<br />
„Es gibt jedes Jahr weniger, weniger,<br />
weniger“, klagt ein 47-jähriger Mann<br />
aus Mannheim über seine jährlichen<br />
Briefe von der Allianz. Versicherungs-<br />
»Kunden ärgern<br />
sich, weil sie die<br />
alten Prognosen<br />
im Kopf haben«<br />
Stefanie Kühn, Honorarberaterin<br />
berater Stefan Albers rechnete für ihn<br />
nach: Gut 22 Jahre lang lief der Vertrag.<br />
1991 hatte die Allianz ihm 30 Jahre lang<br />
3,5 Prozent Zins auf den Sparanteil<br />
garantiert. Und bisher hatte der Mann<br />
gut 91500 Euro überwiesen.<br />
In Briefen prognostizierte die Allianz<br />
per Anfang August bei vorzeitiger<br />
Kündigung eine Auszahlung von<br />
120000 Euro – das entspricht Albers<br />
Berechnungen zufolge 2,4 Prozent<br />
Rendite auf den Beitrag. Bekommt der<br />
Kunde noch Bewertungsreserven ausgezahlt,<br />
kommen gut 11000 Euro drauf,<br />
die Rendite erhöhte sich auf über drei<br />
Prozent. Die Reserven entstehen, wenn<br />
der aktuelle Marktwert der Geldanlagen<br />
über dem Wert liegt, zu dem sie in<br />
den Büchern des Versicherers stehen.<br />
Wer kündigt, hat Anspruch auf die Hälfte<br />
davon. Versicherer wollen das Geld<br />
nicht mehr ausschütten, laufen Sturm<br />
bei Berlins Politikern. Der Mannheimer<br />
will seinen Vertrag daher kündigen,<br />
bevor die Regel sich doch noch ändert.<br />
Er sieht bessere Anlagechancen: Mit<br />
dem Geld will er ein teures Immobiliendarlehen<br />
ablösen, sein Haus anschließend<br />
mit Niedrigzinsen beleihen und<br />
dann eine Eigentumswohnung kaufen.<br />
„Meine Altersvorsorge habe ich mir<br />
lukrativer vorgestellt“, sagt er.<br />
Während alle Welt über die Krise der<br />
Lebensversicherung redet, sitzen die Lebensversicherer<br />
noch auf gigantischen<br />
Bewertungsreserven. Ende 2012 waren dies<br />
gut 100 Milliarden Euro – 13 Prozent der<br />
Kapitalanlagen. Wie passen diese Reserven<br />
zu den Klagen über niedrige Zinsen?<br />
Die Lösung ist ein Treppenwitz der<br />
Finanzmathematik, sozusagen: Wenn die<br />
Zinsen allgemein sinken, werden ältere,<br />
höher verzinste Anleihen im Bestand der<br />
Lebensversicherer mehr wert. So legt der<br />
Kurs einer Anleihe mit 20 Jahren Restlaufzeit<br />
um 15 Prozent zu, wenn ihre jährliche<br />
Rendite von vier auf drei Prozent fällt. In<br />
den Büchern der Lebensversicherer stehen<br />
die Anleihen jedoch nicht zum höheren<br />
Marktwert, sondern meist zu 100 Prozent.<br />
Die Differenz ist eine stille Reserve. Steigen<br />
Kunden aus, müssen Versicherer sie daran<br />
zur Hälfte beteiligen. Allein beim Marktführer<br />
Allianz sind diese Reserven bis Ende<br />
2012 auf fast 30 Milliarden Euro gestiegen,<br />
knapp 14 Milliarden mehr als ein Jahr zuvor<br />
(siehe Tabelle Seite 88).<br />
Die Versicherer kämpfen gegen die<br />
Beteiligung der Kunden an den Reser-<br />
»<br />
WirtschaftsWoche 30.9.2013 Nr. 40 87<br />
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Geld&Börse<br />
Die leistungsstärksten Lebensversicherer<br />
Lebensversicherer<br />
Debeka<br />
Huk-Coburg<br />
LVM<br />
Hannoversche<br />
Europa<br />
Cosmos Direkt<br />
Mecklenburgische<br />
Allianz<br />
Süddeutsche<br />
R+V AG<br />
WGV<br />
Öff. LV-Anstalt Oldenburg<br />
Neckermann<br />
Oeco Capital<br />
Neue Leben<br />
VHV<br />
Concordia<br />
Öffentl. Braunschweig<br />
Bayern-Versicherung (VKB)<br />
Öff. Leben Sachsen-Anhalt<br />
Ergo Direkt<br />
Inter<br />
Alte Leipziger<br />
Itzehoer<br />
Nürnberger Beamten<br />
InterRisk<br />
Victoria<br />
Volkswohl-Bund<br />
Landeslebenshilfe<br />
Provinzial Hannover<br />
SV Versicherung<br />
Lebensversicherung von 1871<br />
Stuttgarter<br />
Provinzial Rheinland<br />
Vergleichsmaßstab 9 (Benchmark)<br />
HanseMerkur<br />
DEVK Allgemeine<br />
Saarland<br />
Generali<br />
Öffentl. Berlin Brandenburg<br />
Realistischer<br />
Zins auf<br />
Kapitalanlagen 1, 2<br />
3,7<br />
3,5<br />
3,6<br />
3,6<br />
3,6<br />
3,2<br />
3,9<br />
3,9<br />
3,5<br />
3,7<br />
3,5<br />
3,5<br />
4,2<br />
3,5<br />
3,6<br />
4,1<br />
3,6<br />
3,6<br />
3,6<br />
3,6<br />
3,5<br />
3,5<br />
3,7<br />
3,7<br />
3,4<br />
3,5<br />
3,6<br />
3,5<br />
3,9<br />
3,6<br />
3,6<br />
3,5<br />
3,8<br />
3,4<br />
3,5<br />
3,4<br />
3,5<br />
3,6<br />
3,4<br />
3,4<br />
Zum Vergleich:<br />
Historischer Zins auf<br />
Kapitalanlagen 1, 3<br />
5,0<br />
4,3<br />
4,3<br />
4,3<br />
4,5<br />
4,1<br />
3,2<br />
4,6<br />
4,6<br />
4,5<br />
4,6<br />
4,2<br />
4,4<br />
4,3<br />
4,5<br />
4,1<br />
4,1<br />
4,5<br />
4,4<br />
4,4<br />
4,1<br />
4,1<br />
4,9<br />
4,1<br />
3,4<br />
4,6<br />
3,9<br />
4,6<br />
3,3<br />
4,2<br />
4,3<br />
4,3<br />
4,6<br />
3,8<br />
4,4<br />
4,0<br />
4,5<br />
4,2<br />
3,7<br />
4,1<br />
Abschlusskostenquote<br />
1, 4<br />
3,3<br />
3,0<br />
3,1<br />
3,6<br />
3,7<br />
2,7<br />
4,2<br />
4,2<br />
3,3<br />
4,2<br />
3,7<br />
4,2<br />
5,0<br />
3,6<br />
4,5<br />
5,7<br />
4,3<br />
4,3<br />
4,6<br />
4,8<br />
4,0<br />
3,5<br />
4,8<br />
4,6<br />
4,2<br />
3,5<br />
4,6<br />
4,9<br />
5,5<br />
5,5<br />
5,1<br />
4,9<br />
5,7<br />
4,9<br />
5,0<br />
4,4<br />
5,4<br />
5,4<br />
4,7<br />
5,0<br />
Verwaltungskostenquote<br />
1, 5<br />
1,3<br />
1,6<br />
1,9<br />
1,2<br />
0,8<br />
0,8<br />
2,4<br />
1,1<br />
2,4<br />
1,6<br />
1,7<br />
1,8<br />
1,9<br />
3,0<br />
1,1<br />
3,4<br />
2,8<br />
2,1<br />
1,7<br />
1,6<br />
2,1<br />
3,9<br />
2,2<br />
1,2<br />
2,0<br />
5,2<br />
3,7<br />
2,0<br />
2,8<br />
1,9<br />
2,1<br />
2,5<br />
2,3<br />
1,7<br />
2,3<br />
2,6<br />
2,0<br />
2,1<br />
2,8<br />
2,2<br />
Ausschüttungsquote<br />
1, 6<br />
87,7<br />
93,1<br />
90,8<br />
92,5<br />
91,6<br />
90,8<br />
88,3<br />
80,6<br />
83,9<br />
84,3<br />
87,9<br />
95,4<br />
67,9<br />
91,4<br />
83,1<br />
100,0<br />
86,7<br />
80,2<br />
83,0<br />
86,2<br />
78,9<br />
83,2<br />
82,7<br />
69,3<br />
84,7<br />
83,7<br />
89,4<br />
91,6<br />
86,0<br />
93,3<br />
83,6<br />
90,6<br />
90,1<br />
85,2<br />
86,2<br />
80,4<br />
90,4<br />
88,0<br />
90,0<br />
92,5<br />
Leistungsfähigkeit<br />
für den Kunden 1, 7<br />
+123,7<br />
+119,4<br />
+117,2<br />
+113,3<br />
+108,2<br />
+95,2<br />
+87,1<br />
+86,6<br />
+76,2<br />
+66,3<br />
+65,8<br />
+59,6<br />
+58,2<br />
+56,6<br />
+45,4<br />
+45,4<br />
+40,1<br />
+39,0<br />
+36,2<br />
+35,8<br />
+31,8<br />
+30,0<br />
+28,3<br />
+25,9<br />
+16,8<br />
+15,2<br />
+13,8<br />
+12,7<br />
+11,5<br />
+7,6<br />
+7,2<br />
+5,2<br />
+4,3<br />
+0,8<br />
–1,7<br />
–5,6<br />
–7,2<br />
–7,4<br />
–8,3<br />
Sterne 8<br />
HHHHH<br />
HHHHH<br />
HHHHH<br />
HHHHH<br />
HHHHH<br />
HHHHH<br />
HHHHH<br />
HHHHH<br />
HHHHH<br />
HHHHH<br />
HHHHH<br />
HHHHH<br />
HHHHH<br />
HHHHH<br />
HHHHH<br />
HHHHH<br />
HHHHH<br />
HHHHH<br />
HHHHH<br />
HHHHH<br />
HHHH<br />
HHHH<br />
HHHH<br />
HHHH<br />
HHHH<br />
HHHH<br />
HHHH<br />
HHHH<br />
HHHH<br />
HHHH<br />
HHHH<br />
HHHH<br />
HHHH<br />
HHHH<br />
HHH<br />
HHH<br />
HHH<br />
HHH<br />
HHH<br />
METHODIK<br />
Freies Kapital<br />
Bei welchen Lebensversicherern<br />
Kunden die besten Chancen auf<br />
hohe Renditen haben.<br />
Seit 17 Jahren ermittelt die Wirtschafts-<br />
Woche, welche Lebensversicherer<br />
künftig die höchsten Überschüsse auszahlen<br />
können. Die Methodik hat der<br />
Wiener Finanzwissenschaftler Jörg Finsinger<br />
entwickelt. Das Analysehaus <strong>Softfair</strong><br />
wertet dazu die Geschäftsberichte der<br />
Lebensversicherer aus und <strong>erst</strong>ellt gemeinsam<br />
mit Finsinger die Prognosen. Anders<br />
als Autoren anderer Vergleiche schauen<br />
Finsinger und <strong>Softfair</strong> nicht auf vergangene<br />
Erfolge, sondern berechnen, welche Verzinsung<br />
Versicherer mit ihren Kapitalanlagen<br />
künftig erzielen können (realistischer Zins<br />
auf Kapitalanlagen, Spalte 2). Die Angabe<br />
der bisherigen Verzinsung nach dem strengen<br />
Nied<strong>erst</strong>wertprinzip (historischer Zins,<br />
Spalte 3) dient nur als Vergleichswert.<br />
GEBUNDENES KAPITAL BREMST<br />
Da die zukünftige Kapitalverzinsung jedes<br />
einzelnen Versicherers unbekannt ist, wird<br />
sie im Ranking mithilfe eines Modells prognostiziert.<br />
Dazu ermittelt <strong>Softfair</strong> für jeden<br />
Versicherer das frei verfügbare Kapital, das<br />
dieser nicht unmittelbar braucht, um<br />
88 Nr. 40 30.9.2013 WirtschaftsWoche<br />
© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.
Lebensversicherer mit hohen Erträgen und niedrigen Kosten bieten Kunden Aussicht<br />
auf eine überdurchschnittliche Rendite.<br />
Lebensversicherer<br />
Universa<br />
DEVK V.a.G.<br />
SV Sachsen<br />
Provinzial Nord-West<br />
Delta Direkt Leben<br />
Neue Bayerische („die Bayerische“)<br />
Condor<br />
Continentale Leben<br />
Rheinland<br />
Familienfürsorge<br />
AachenMünchener<br />
Asstel<br />
Barmenia Leben<br />
Iduna Vereinigte<br />
Swiss Life<br />
Ergo<br />
Helvetia<br />
Deutsche Ärzteversicherung<br />
WWK Leben<br />
Basler (Deutscher Ring)<br />
Heidelberger<br />
Axa<br />
Münchener Verein<br />
Zurich Deutscher Herold<br />
Ideal<br />
Württembergische<br />
Gothaer<br />
Uelzener<br />
Nürnberger<br />
Hamburger Leben<br />
Arag<br />
HDI Gerling<br />
VPV<br />
Delta Lloyd<br />
Direkte Leben<br />
Realistischer<br />
Zins auf<br />
Kapitalanlagen 1, 2<br />
3,5<br />
3,6<br />
3,5<br />
3,5<br />
3,8<br />
3,4<br />
3,7<br />
3,6<br />
3,4<br />
3,4<br />
3,3<br />
3,3<br />
3,4<br />
3,5<br />
3,4<br />
3,6<br />
3,5<br />
3,4<br />
3,4<br />
3,6<br />
4,9<br />
3,4<br />
3,4<br />
3,5<br />
3,5<br />
3,3<br />
3,2<br />
3,3<br />
3,5<br />
3,4<br />
3,4<br />
3,5<br />
3,5<br />
3,4<br />
3,8<br />
Zum Vergleich:<br />
Historischer Zins auf<br />
Kapitalanlagen 1, 3<br />
4,1<br />
4,7<br />
4,3<br />
4,1<br />
4,0<br />
4,5<br />
4,3<br />
4,7<br />
4,1<br />
4,1<br />
4,4<br />
4,3<br />
4,0<br />
4,3<br />
4,6<br />
4,3<br />
4,0<br />
4,2<br />
5,0<br />
4,2<br />
8,1<br />
3,7<br />
3,9<br />
4,6<br />
4,4<br />
4,2<br />
4,2<br />
4,3<br />
4,3<br />
3,2<br />
4,0<br />
4,4<br />
4,0<br />
3,2<br />
4,1<br />
Abschlusskostenquote<br />
1, 4<br />
4,7<br />
5,5<br />
5,6<br />
5,6<br />
6,6<br />
5,2<br />
5,6<br />
5,9<br />
4,4<br />
5,4<br />
5,0<br />
5,3<br />
5,2<br />
5,3<br />
5,5<br />
6,0<br />
5,8<br />
5,4<br />
5,5<br />
6,2<br />
6,9<br />
5,7<br />
5,7<br />
6,4<br />
5,7<br />
5,9<br />
5,7<br />
5,7<br />
6,2<br />
6,2<br />
6,1<br />
6,7<br />
7,1<br />
7,1<br />
10,2<br />
Verwaltungskostenquote<br />
1, 5<br />
1 in Prozent, gerundet; 2 prognostizierte Rendite auf die Kapitalanlagen des Versicherers, unter realistischen Annahmen nach einem mathematischen Modell, Versicherte erhalten wegen<br />
der berechneten Kosten weniger; 3 bisherige Verzinsung der Kapitalanlagen des Versicherers, nach dem strengen Nied<strong>erst</strong>wertprinzip (stille Lasten werden berücksichtigt, stille Reserven<br />
nicht), nur zum Vergleich, fließt nicht ins Rating ein, Mittelwert 2006 bis 2012; 4 Kosten, die beim Vertragsabschluss zum Beispiel für Provisionen an den Vermittler anfallen, als Anteil an<br />
den Gesamtbeiträgen aller neuen Verträge, Mittelwert 2010 bis 2012; 5 jährliche Verwaltungskosten, als Anteil an den Versicherungsbeiträgen (Bruttobeiträge), Mittelwert 2010 bis 2012;<br />
6 Anteil der Gesamtüberschüsse, den der Versicherer an Kunden ausschüttet, Mittelwert 2006 bis 2012; 7 Leistungsfähigkeit im Vergleich zum Benchmark-Versicherer (Durchschnittswert<br />
aus 25 besonders wachstumsstarken Versicherern), je höher der Wert, desto leistungsfähiger ist der Versicherer; 8 Ranking der Leistungsfähigkeit, von stark überdurchschnittlich<br />
(HHHHH) bis stark unterdurchschnittlich (H); 9 Durchschnitt der 25 wachstumsstärksten unter den 50 größten Versicherern; Quelle: <strong>Softfair</strong> Analyse, Professor Jörg Finsinger<br />
4,1<br />
2,8<br />
1,7<br />
2,3<br />
1,6<br />
2,7<br />
3,7<br />
2,5<br />
4,8<br />
2,7<br />
2,7<br />
2,0<br />
3,9<br />
3,7<br />
2,3<br />
2,8<br />
2,9<br />
3,3<br />
3,4<br />
3,3<br />
9,1<br />
3,2<br />
3,4<br />
2,5<br />
4,9<br />
2,8<br />
2,5<br />
3,8<br />
3,6<br />
3,0<br />
3,8<br />
2,9<br />
3,2<br />
3,4<br />
2,4<br />
Ausschüttungsquote<br />
1, 6<br />
91,3<br />
85,5<br />
91,0<br />
91,0<br />
90,0<br />
90,9<br />
87,5<br />
91,3<br />
78,8<br />
84,3<br />
81,8<br />
85,5<br />
88,6<br />
84,2<br />
82,6<br />
83,2<br />
82,8<br />
80,3<br />
92,7<br />
90,1<br />
40,5<br />
75,2<br />
82,3<br />
78,9<br />
92,3<br />
82,0<br />
80,8<br />
77,0<br />
84,2<br />
65,2<br />
81,5<br />
79,8<br />
87,2<br />
61,7<br />
82,8<br />
Leistungsfähigkeit<br />
für den Kunden 1, 7<br />
–12,0<br />
–13,2<br />
–17,9<br />
–21,3<br />
–21,8<br />
–23,5<br />
–28,3<br />
–32,8<br />
–34,4<br />
–36,1<br />
–36,4<br />
–37,3<br />
–43,5<br />
–44,8<br />
–44,8<br />
–51,5<br />
–53,1<br />
–54,0<br />
–56,8<br />
–60,0<br />
–61,5<br />
–65,0<br />
–70,3<br />
–73,9<br />
–74,7<br />
–75,7<br />
–76,0<br />
–80,9<br />
–82,7<br />
–89,7<br />
–96,2<br />
–96,5<br />
–117,5<br />
–121,2<br />
–201,6<br />
Sterne 8<br />
HHH<br />
HHH<br />
HHH<br />
HHH<br />
HHH<br />
HHH<br />
HHH<br />
HHH<br />
HH<br />
HH<br />
HH<br />
HH<br />
HH<br />
HH<br />
HH<br />
HH<br />
HH<br />
HH<br />
HH<br />
HH<br />
HH<br />
HH<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
Ansprüche von Kunden zu befriedigen.<br />
Dieses freie Kapital kann der Versicherer<br />
riskanter anlegen und so mehr Rendite erwirtschaften<br />
als mit dem Kapital, das er<br />
bald für Kunden braucht. Je höher der<br />
Anteil des freien Kapitals ausfällt, desto<br />
höher ist daher die prognostizierte Rendite.<br />
Wegen der Niedrigzinsen wurden die<br />
Langfrist-Renditen für sichere Anlagen mit<br />
drei und für riskantere Anlagen mit sechs<br />
Prozent angesetzt.<br />
WAS KUNDEN BEKOMMEN<br />
Zusätzlich wird im Ranking ermittelt,<br />
welchen Beitragsanteil Vertreter und<br />
Verwaltung erhalten (Kostenquoten, Spalten<br />
4 und 5) und wie stark die Versicherer<br />
ihre Kunden an Erträgen beteiligen<br />
(Ausschüttungsquote, Spalte 6).<br />
Auf Basis dieser Werte (realistischer<br />
Zins auf Kapitalanlagen, Kosten,<br />
Ausschüttungsquote) wird ermittelt,<br />
wie leistungsfähig der Versicherer<br />
aus Kundensicht ist (Spalte 7). Die Kennzahl<br />
orientiert sich am Durchschnitt 25<br />
wachstumsstarker Versicherer (Benchmark).<br />
Ist der Versicherer besser als der<br />
Branchenschnitt, ist die Kennzahl positiv.<br />
Liegt er mit seiner erwarteten<br />
Leistung unter der Benchmark, ist<br />
sie negativ. Lebensversicherer mit<br />
hoher Kennzahl bieten Kunden<br />
die besten Anlagechancen.<br />
niklas.hoyer@wiwo.de<br />
»<br />
WirtschaftsWoche 30.9.2013 Nr. 40 89<br />
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Geld&Börse<br />
»<br />
dass ihre Pläne gefährlich werden könnten,<br />
wenn sie den Versicherern den nötigen<br />
Spielraum nehmen, um noch ausreichend<br />
Erträge zur Finanzierung der langfristigen<br />
Garantiezusagen zu erwirtschaften. Nun<br />
geht es darum, die Branche zu entlasten,<br />
ohne die Sicherheit der Policen durch zu<br />
laxe Kapitalanforderungen zu gefährden.<br />
Die europäische Versicherungsaufsicht<br />
Eiopa hat berechnet, dass die Branche<br />
nach neueren Vorschlägen 200 Milliarden<br />
Euro pro Jahr weniger Kapital zurücklegen<br />
muss als ursprünglich geplant. Der grüne<br />
Europaabgeordnete Sven Giegold kritisiert<br />
daran die bei der Regulierung angenommene<br />
hohe Langfrist-Rendite auf sichere<br />
Anlagen: „Man muss schon sehr optimistisch<br />
sein, um mit einem Zinssatz von 4,2<br />
Prozent zu arbeiten“, sagt Giegold. Verhandlungsteilnehmer<br />
monieren außerdem,<br />
dass die EU-Mitgliedstaaten, allen<br />
voran Frankreich und Italien, ungeniert die<br />
Interessen ihrer jeweiligen Versicherungskonzerne<br />
verfolgen.<br />
Die Interessen der Staaten verfolgen alle.<br />
Bereits jetzt steht fest, dass Euro-Staatsanven.<br />
Für sie sind diese Scheingewinne.<br />
<strong>Den</strong>n halten sie die Anleihen bis zum Ende<br />
der Laufzeit, lösen sich die Reserven wieder<br />
auf. Zum Schluss bekommen die Versicherer<br />
schließlich nur 100 Prozent zurückgezahlt.<br />
Aus ihrer Sicht benachteiligt die<br />
Ausschüttung daher alle übrigen, nicht<br />
aussteigenden Versicherten.<br />
RENDITE BRAUCHT FREIHEIT<br />
Hat ein Versicherer besonders viele Altkunden<br />
mit hohen Zinszusagen im Bestand<br />
und erwirtschaftet nicht ausreichend<br />
Rendite, trübt das die Ertragsaussichten<br />
der übrigen Kunden ein. Schließlich bleibt<br />
für sie dann weniger vom ohnehin knappen<br />
Überschuss – eine Zweiklassengesellschaft<br />
unter den Kunden wäre die Folge.<br />
Besonders viele Kunden mit vier Prozent<br />
Garantiezins haben laut Analysehaus Assekurata<br />
die Heidelberger, Hannoversche<br />
und HDI Lebensversicherung (jeweils über<br />
40 Prozent). Der Anteil von Kunden mit 3,5<br />
oder 4,0 Prozent Garantiezins liegt bei HDI,<br />
Hannoversche und Barmenia mit rund<br />
zwei Dritteln am höchsten.<br />
Ein Ausweg aus dem Niedrigzinsdilemma<br />
wäre es, wenn Versicherer stärker in riskantere,<br />
aber dafür potenziell chancenreichere<br />
Anlagen investieren dürften. Doch<br />
dafür, sagen Aufsicht und Politik, müssen<br />
sie mehr Kapital in der Hinterhand haben.<br />
Die europäische Regulierung Solvency II<br />
schreibt je nach Anlageklasse bestimmte<br />
Kapitalpuffer vor, durch die Risiken abgefedert<br />
werden sollen. In Brüssel wird erwartet,<br />
dass die neuen Regeln von 2016 an gelten.<br />
Mittlerweile merken die Politiker aber,<br />
Noch gibt es dicke Polster<br />
Die zehn größten Lebensversicherer im Bilanzcheck<br />
Lebensversicherer<br />
Allianz<br />
Bayern-Versicherung<br />
R+V AG<br />
Debeka<br />
Ergo<br />
Nürnberger<br />
Zurich Deutscher Herold<br />
AachenMünchener<br />
Cosmos Direkt<br />
Generali<br />
Bewertungsreserven<br />
Wie hoch die stillen Reserven<br />
sind (in Mrd. Euro) 1<br />
29,5<br />
3,1<br />
5,8<br />
5,0<br />
5,2<br />
1,6<br />
3,6<br />
2,0<br />
0,6<br />
3,1<br />
»Die starren<br />
Policen passten<br />
nicht zu meiner<br />
Lebensplanung«<br />
Andreas Hinsenkamp, Ex-Lebensversicherter<br />
in Prozent<br />
aller Kapitalanlagen<br />
19,7<br />
14,6<br />
14,6<br />
13,3<br />
13,2<br />
12,3<br />
12,1<br />
1 Um wie viel der aktuelle Marktwert der Kapitalanlagen über dem Buchwert steht; 2 theoretische Betrachtung, die zeigt,<br />
wie lange der Bilanzpuffer (freie Rückstellung für Beitragsrück<strong>erst</strong>attung) reicht, wenn keine Erträge mehr erzielt würden<br />
und allein aus diesem Topf die aktuelle Überschussbeteiligung auch in Zukunft gezahlt werden soll; Stand: Ende 2012;<br />
Quelle: Professor Hermann Weinmann (Hochschule Ludwigshafen), eigene Berechnung<br />
9,4<br />
8,3<br />
8,2<br />
Bilanzpuffer<br />
Wie lange der Bilanzpuffer im<br />
Extremfall reicht (in Jahren) 2<br />
2,6<br />
3,1<br />
2,4<br />
1,3<br />
1,3<br />
3,2<br />
0,8<br />
0,9<br />
2,1<br />
1,0<br />
leihen weiterhin als risikofrei eingestuft<br />
bleiben (siehe Interview Seite 92). Versicherer<br />
müssen für diese Anleihen also kein<br />
Kapital vorhalten, um damit mögliche Verluste<br />
ausgleichen zu können. Bei den Banken<br />
gilt dieses Prinzip ebenfalls – obwohl<br />
der griechische Schuldenschnitt längst das<br />
Risiko gezeigt hat. Doch die EU-Mitgliedstaaten<br />
haben jegliche Debatte über eine<br />
Risikobewertung von Staatsanleihen strikt<br />
abgelehnt. „Da läuft man bei denen gegen<br />
eine Wand“, sagt ein Verhandlungsteilnehmer.<br />
DIE SCHERE GEHT AUSEINANDER<br />
Die immer strengeren Kapitalvorschriften<br />
werden die Unterschiede in der Branche<br />
noch vergrößern. Nur bei Versicherern mit<br />
ausreichenden Rücklagen können die Anlagemanager<br />
etwas freier investieren und<br />
so mehr Rendite für die Kunden herausholen.<br />
Im großen Lebensversicherungs-<br />
Rating der WirtschaftsWoche spielen die<br />
Kapitalpolster der Lebensversicherer deshalb<br />
eine besonders wichtige Rolle. Das<br />
freie Kapital macht beim Testsieger Debeka<br />
über zwölf Prozent der Kapitalanlagen<br />
aus. Die Debeka schafft daher mit ihren<br />
Kapitalanlagen prognostizierte 3,7 Prozent<br />
Zins in den kommenden Jahren. Da die<br />
Debeka den Kunden außerdem relativ wenig<br />
Kosten in Rechnung stellt und einen<br />
großen Anteil ihrer Überschüsse weiterreicht,<br />
sind die Ertragsaussichten für die<br />
Versicherten besonders gut.<br />
In der Vergangenheit hat die Debeka<br />
bereits bewiesen, dass sie vom Spielraum<br />
bei der Kapitalanlage profitiert. Ihr Finanzvorstand<br />
Rolf Florian nutzte die Polster vor<br />
allem, um Geld mit entsprechend höherem<br />
Ertrag langfristig anzulegen. So holte<br />
die Debeka zwischen 2006 und 2012 mit<br />
ihren Kapitalanlagen im Durchschnitt<br />
sogar fünf Prozent Nettorendite herein.<br />
Testsiegerin Debeka und die zweitplatzierte<br />
Huk-Coburg haben die LVM, die das<br />
Rating fünf Jahre lang angeführt hat, von<br />
der Spitze vertrieben. Dabei haben sich die<br />
Kennzahlen der LVM nicht verschlechtert.<br />
Da das Rating die Überschusskraft im Verhältnis<br />
zum Branchenschnitt misst, rutschte<br />
die LVM trotzdem ab. Während sich die<br />
Branche insgesamt leicht verbessert hat,<br />
blieben die Werte der LVM nur stabil.<br />
Regelrecht abgestürzt ist die Hamburger<br />
Leben. Mitte 2010 hatte sie ihr Neugeschäft<br />
eingestellt. Die Policen von Altkunden laufen<br />
unter dem Namen des alten Versicherers<br />
in der Delta-Lloyd-Gruppe weiter –<br />
mehr schlecht als recht. Schon in den Vor-<br />
90 Nr. 40 30.9.2013 WirtschaftsWoche<br />
© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.
ILLUSTRATION: OLAF HAJEK<br />
jahren hatten die Anlagemanager kein<br />
glückliches Händchen. 2011 mussten sie<br />
16,7 Millionen Euro auf griechische Staatsanleihen<br />
abschreiben. 2012 bescherten<br />
ihnen die nun abgestoßenen Hellenen-<br />
Bonds 6,4 Millionen Euro Verlust, was<br />
immerhin 1,5 Prozent der Kapitalanlagen<br />
zum Jahresende entspricht. In der Gesamtbewertung<br />
rutschte die Hamburger Leben<br />
von vier Sternen auf nur noch einen Stern.<br />
Kein Wunder, dass die Stornoquote mit 8,2<br />
Prozent besonders hoch war.<br />
Andreas Hinsenkamp hat seiner Lebensversicherung<br />
den Rücken gekehrt –<br />
obwohl die erfolgreicher wirtschaftet.<br />
Hinsenkamp ist Chefgrafiker einer Werbeagentur<br />
aus Düsseldorf, Mitte 30. Vor<br />
zehn Jahren hatte er mit seiner Altersvorsorge<br />
begonnen, einen Deka-Fondssparplan<br />
und zwei Lebenspolicen bei<br />
der Allianz abgeschlossen, die ihm sein<br />
Bankberater empfohlen hatte. Etwa 350<br />
Euro im Monat zahlte er insgesamt ein.<br />
Vor drei Monaten wurde Hinsenkamp<br />
Vater eines Sohnes. Er und seine Frau<br />
träumen von der eigenen Immobilie.<br />
„Irgendwie passten die starren Policen<br />
überhaupt nicht zu meiner Lebenssituation,<br />
zu Elternzeit und einer eventuellen<br />
Job-Auszeit“, sagt Hinsenkamp. Er<br />
machte mit Thomas Lau, einem Honorarberater<br />
aus Aachen, einen großen<br />
Finanzcheck. Schnell war für ihn klar,<br />
dass er die Policen kündigen würde.<br />
„Die garantierten Auszahlungen lagen<br />
kaum über der Ansparsumme“, sagt<br />
Hinsenkamp. „Vor allem die hohen<br />
Abschlusskosten waren ärgerlich.“<br />
Er entschied sich dennoch für einen<br />
klaren Schnitt. „Lieber jetzt 4000 Euro<br />
Kündigungsverlust hinnehmen, aber<br />
dafür eine flexible Altersvorsorge<br />
bekommen.“ Statt der Lebenspolicen<br />
entschied er sich für Fondspolicen mit<br />
kostengünstigen Indexfonds (ETFs).<br />
Über den Honorarberater bekam er die<br />
ohne Provision, musste nur direkt für<br />
die Beratung zahlen. So kann er die<br />
Raten problemlos anpassen, ohne sich<br />
über die berechneten Kosten Gedanken<br />
machen zu müssen.<br />
Auf eigene Faust sparen wollte<br />
Hinsenkamp nicht, obwohl er für seine<br />
sonstige Geldanlage auch gerne Aktien<br />
kauft. „Die spätere Auszahlung als<br />
Rente war mir wichtig. Bei der Altersvorsorge<br />
geht es mir nicht um viel<br />
Gewinn, sondern um eine lebenslange<br />
Grundversorgung.“<br />
Während langjährige Versicherte sich eine<br />
Kündigung gut überlegen sollten (siehe<br />
Seite 94), fällt der Ausstieg aus der Lebensversicherung<br />
jüngeren Versicherten wie<br />
Hinsenkamp deutlich leichter. Potenzielle<br />
Neukunden hinterfragen ohnehin, ob sich<br />
die langlaufenden Policen alten Stils für sie<br />
noch rechnen. Das Neugeschäft der<br />
Lebensversicherer lahmt entsprechend.<br />
2012 konnten sie nur noch sechs Millionen<br />
neue Policen verkaufen, 40 Prozent weniger<br />
als etwa vor zehn Jahren. Nur wenn eine<br />
Absenkung des Garantiezinses droht,<br />
wie zuletzt zum Jahreswechsel 2011/12 von<br />
2,25 auf 1,75 Prozent, greifen Kunden in<br />
einer Art Schlussverkauf noch <strong>mal</strong> zu, um<br />
sich den höheren Zins zu sichern.<br />
Versicherer suchen Auswege. Ein<br />
Ansatz: Neue Policen ohne garantierte<br />
Mindestverzinsung, die nur den eingezahlten<br />
Beitrag garantieren, sollen Versicherern<br />
mehr Spielraum bei der Kapitalanlage<br />
geben und den Kunden mehr Ertrag bescheren.<br />
Für dieses Jahr beziffert etwa die<br />
Allianz den Kundenvorteil, der sich aus der<br />
freieren Kapitalanlage ergibt, auf 0,3 Prozentpunkte.<br />
So viel mehr Zins sollen die<br />
Kunden im neuen Produkt „Perspektive“<br />
gutgeschrieben bekommen. Dauerhaft garantiert<br />
ist das Renditeplus natürlich nicht.<br />
AM ENDE WIRD NEU GERECHNET<br />
Zwar bieten Versicherer vor<strong>erst</strong> weiter die<br />
alten Policen mit Garantiezins an, aber sie<br />
lotsen Kunden stärker in die neuen Verträge.<br />
Deren Vorteile sind allerdings keinesfalls<br />
ausgemacht. Beispiel Allianz: Das<br />
neue Produkt ist eine Rentenpolice – der<br />
Kunde zahlt ein und bekommt im Alter<br />
eine monatliche Rente. Nor<strong>mal</strong>erweise<br />
legen Versicherer bei Rentenpolicen zu<br />
Beginn fest, wie sie die spätere Rente<br />
berechnen werden. Verlängert sich die<br />
Lebenserwartung der Kunden bis Rentenbeginn<br />
stärker als geplant, trägt der Versicherer<br />
das Risiko.<br />
Nicht so die Allianz mit ihrer „Perspektive“:<br />
Laut einem Vertragsangebot wird die<br />
Höhe der Rente zum Rentenbeginn<br />
berechnet – und zwar „auf Basis der zu diesem<br />
Zeitpunkt maßgebenden Rechnungsgrundlagen“.<br />
Der Vorstandsvorsitzende<br />
des Bundes der Versicherten, Axel Kleinlein,<br />
sieht darin einen Trick: Die Allianz<br />
dürfe den zum Rentenbeginn bei ihr üblichen<br />
Zins sowie die dann gültige Lebenserwartung<br />
ansetzen. Ist die unerwartet<br />
gestiegen, „wird die gesamte Rente neu<br />
berechnet. Da kann es sein, dass der Kunde<br />
trotz zugeteilter Überschüsse keinen einzigen<br />
Renten-Euro mehr bekommt, als ihm<br />
ursprünglich garantiert worden ist“, sagt<br />
Kleinlein – und garantiert wäre nur die<br />
Rente aus dem eingezahlten Kapital. Kunden<br />
bekämen weniger als aus Policen mit<br />
Garantiezins.<br />
Die neuen Produkte sind teuer. Läuft ein<br />
Vertrag 30 Jahre, zieht die Allianz von 100<br />
Euro Monatsbeitrag im Schnitt 16 Euro ab;<br />
tatsächlich angelegt werden also nur 84<br />
Euro. Mit Zins und Zinseszins braucht die<br />
Allianz voraussichtlich zehn Jahre, um allein<br />
die Kosten wieder reinzuholen.<br />
Für Versicherer ist all das prima: <strong>Den</strong>n<br />
das Risiko, ob und wie viel Rendite am<br />
Ende hängen bleibt, trägt bei Verträgen ohne<br />
Garantiezins allein der Kunde.<br />
Nicht alle Versicherer sind von der<br />
Bedeutungslosigkeit der Garantien überzeugt.<br />
Der Direktversicherer Cosmos Direkt<br />
etwa hält an der Mindestzusage fest, will<br />
»<br />
WirtschaftsWoche 30.9.2013 Nr. 40 91<br />
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Geld&Börse<br />
»<br />
dafür aber mehr Flexibilität bieten. In<br />
einer neuen Police „Rente Plus“ können<br />
Kunden Beiträge jederzeit anpassen. Bei<br />
Kündigung erhalten sie wenigstens die<br />
gezahlten Beiträge zurück, bei Auslaufen<br />
des Vertrags die zugesagte Rendite.<br />
Abschluss und Beitragsänderungen sind<br />
nur online möglich, sodass die bei Direktversicherern<br />
meist schon niedrigen Kosten<br />
noch weiter sinken. Ein 40-jähriger Musterkunde<br />
würde ab dem 67. Lebensjahr<br />
so 3,2 Prozent mehr Rente bekommen als<br />
in der bisherigen Police des Direktversicherers.<br />
Angesichts der niedrigen Zinsen haben<br />
auch klassische Versicherer, die nicht nur<br />
über Internet und Telefon Policen anbieten,<br />
die Bedeutung niedriger Kosten<br />
erkannt. Die erwirtschafteten Kapitalerträge<br />
sind schlichtweg zu niedrig, um die<br />
Kosten abzudecken. So diskutierte der<br />
Branchenverband GDV Pläne, die Politik<br />
zu einer Deckelung von Vertriebsprovisionen<br />
zu bewegen. Ähnlich wie schon in der<br />
privaten Krankenversicherung könnte der<br />
Gesetzgeber dann Obergrenzen vorgeben,<br />
»Selbst der<br />
Garantiezins<br />
ist nicht<br />
wirklich sicher«<br />
André Tittel, Anlegeranwalt<br />
um Provisionsexzesse und entsprechende<br />
Nachteile für die Kunden zu vermeiden.<br />
Als die Diskussion publik wurde, schrien<br />
Versicherungsvermittler jedoch auf. Dabei<br />
würde die angedachte Beschränkung der<br />
Vermittlerprovision auf vier Prozent der<br />
Beiträge über die gesamte Vertragslaufzeit<br />
ihnen immer noch ein gutes Auskommen<br />
ermöglichen. Es tat sich dennoch <strong>erst</strong> <strong>mal</strong>:<br />
nichts.<br />
Eins macht diese Reaktion jedenfalls<br />
klar: Noch ist die Lage nicht so schlecht,<br />
dass die Branche zu grundlegenden Reformen<br />
bereit wäre, welche die Lebensversicherung<br />
generell attraktiver machen. Je<br />
länger die Zinsen unten bleiben, desto<br />
schneller dürfte sich das ändern.<br />
n<br />
niklas.hoyer@wiwo.de,<br />
annina reimann | Frankfurt, silke wettach | Brüssel<br />
Lesen Sie weiter auf Seite 94 »<br />
INTERVIEW Karl Happe<br />
»Ära der Repression«<br />
Wie der Manager von Allianz Global Investors<br />
die Milliarden der Lebensversicherten anlegt.<br />
DER RENDITEBRINGER<br />
Happe, 44, managt als<br />
Chefanleger Versicherungen<br />
bei Allianz Global<br />
Investors rund 116 Milliarden<br />
Euro. Bevor er<br />
2004 zur Allianz kam, arbeitete<br />
er unter anderem<br />
für die Investmentbank<br />
Morgan Stanley und als<br />
Berater bei McKinsey.<br />
Herr Happe, wie kommen<br />
Sie mit den niedrigen<br />
Zinsen klar?<br />
Unter denen leiden alle Anleger,<br />
vor allem aber kleinere,<br />
die nicht breit streuen<br />
können. Für große Anbieter<br />
gibt es mehr Gelegenheiten<br />
zur profitablen Geldanlage.<br />
Wo?<br />
In Geschäften, aus denen<br />
Banken sich zurückziehen,<br />
wie Kredite für Infrastrukturprojekte.<br />
Finanzierungen<br />
bringen hier vier bis fünf<br />
Prozent Rendite. Das sind<br />
sehr langfristige Investitionen,<br />
die durch staatliche<br />
Stellen abgesichert werden.<br />
Zum Beispiel?<br />
In Spanien haben wir Gasspeicher<br />
finanziert, in Frankreich eine<br />
Konzerthalle. Wir investieren auch in<br />
Autobahnen, Bahntrassen, Pipelines und<br />
Stromleitungen. Gefängnisse sind auch<br />
interessant, aber wir haben noch keins.<br />
Wäre das Geschäft wirklich so attraktiv,<br />
würden Banken es doch nicht abstoßen.<br />
Banken und Versicherungen unterscheiden<br />
sich hier. Für Banken sind solche<br />
Deals teuer. Wenn sie für sehr viele Jahre<br />
Kredite vergeben, müssen sie dafür Risikokapital<br />
hinterlegen. Eine Versicherung<br />
muss sich nicht kurzfristig gegenfinanzieren,<br />
sie denkt in sehr langen Zeiträumen<br />
– manche Policen muss sie <strong>erst</strong> in 70<br />
Jahren auszahlen. Da ist eine Anlage mit<br />
20 Jahren Laufzeit eine hervorragende<br />
Investition, weil sie das Zinsrisiko senkt.<br />
Wie riskant sind Infrastrukturkredite?<br />
Sie fallen seltener aus als unbesicherte<br />
Firmenkredite. Und wenn sie notleidend<br />
werden, sind die Verluste geringer, denn<br />
der Investor hat Sicherheiten. Er kann<br />
dann etwa die Pipeline neu vermieten.<br />
Die Allianz hat 90 Prozent in Anleihen.<br />
Mit der Nische Infrastruktur werden Sie<br />
die Niedrigzinsen kaum ausgleichen...<br />
Das ist ja <strong>erst</strong> der Anfang. Die Allianz will<br />
in den nächsten Jahren einen einstelligen<br />
Prozentsatz des Anlagekapitals in Infrastruktur<br />
stecken. Bei 500<br />
Milliarden Euro Anlagekapital<br />
sprechen wir über sehr<br />
hohe Summen. Ein Versicherungsportfolio<br />
ist sehr<br />
träge, das ändert sich nicht<br />
über Nacht. Jedes Jahr werden<br />
nur etwa zehn Prozent<br />
des Geldes neu angelegt.<br />
Und deshalb müssen Versicherte<br />
darben.<br />
Solange die Zinsen niedrig<br />
sind, bleibt die Überschussbeteiligung<br />
in der Lebensversicherung<br />
unter Druck.<br />
Wann steigen die Zinsen?<br />
Die Talsohle der extremen<br />
Niedrigzinsen liegt hinter<br />
uns. In den nächsten drei bis<br />
fünf Jahren rechne ich mit<br />
leicht steigenden Zinsen.<br />
Aber: Wir sind in einer Ära der finanziellen<br />
Repression. Staaten werden versuchen,<br />
ihre Verschuldung durch negative<br />
reale Zinsen, also Zinsen unterhalb der<br />
Inflationsrate, zu entwerten...<br />
...auf Kosten der Lebensversicherten.<br />
Das ist leider so. Anleger, die von Anfang<br />
an zu wenig Risikokapital haben, sind in<br />
einem Teufelskreis. Wer keine Reserven<br />
hat, ist gezwungen, noch mehr in niedrig<br />
verzinste Staatsanleihen zu gehen.<br />
Das ist ja politisch gewollt.<br />
Leider. Das geplante neue Regelwerk<br />
Solvency II sagt, dass Versicherer Risikokapital<br />
für den Fall aufbauen müssen,<br />
dass eine Geldanlage ausfällt. Für Staatsanleihen<br />
– Griechen-Pleite hin oder her<br />
– müssen Sie das nicht. Die Staaten<br />
schaffen also ein Regelwerk, das Investoren<br />
nötigt, zu unrealistischen Preisen in<br />
ihre Staatsanleihen zu investieren. Wenn<br />
sie die freie Wahl hätten, würden Versicherer<br />
anders anlegen.<br />
Zum Beispiel in Aktien, oder?<br />
Als Privatmensch bin ich überwiegend<br />
in Aktien investiert. Wenn eine Bundesanleihe<br />
weniger als zwei Prozent Rendite<br />
bringt, sind vier Prozent Dividendenrendite<br />
schon sehr attraktiv.<br />
annina.reimann@wiwo.de, hauke reimer | Frankfurt<br />
FOTO: PR, ILLUSTRATION: OLAF HAJEK<br />
92 Nr. 40 30.9.2013 WirtschaftsWoche<br />
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