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Ayşe – Die deutsche Frau

Zum Einkaufen ging ich zu Aldi, das lag direkt nebenan. Die Frauen bei Aldi schaute ich mir genau an. Waren sie die deutschen Frauen, von denen Ayşe eine sein wollte. Verschieden waren sie schon alle. Ich versuchte eine Quer­summe zu bilden. Aber nein, das war bestimmt nicht die deutsche Frau, die Ayşe vorschwebte. Meine Kommilitoninnen etwa, waren das die deutschen Frauen? Gemeinsam war ihnen allerdings nur, dass sie studierten und das Ab­itur hatten. Abitur und studieren, dann war man eine deutsche Frau? So auch nicht. Vielleicht waren es die Weiber, die die Narren ihr Leben lang nicht ge­liebt hatten. Die deutschen Männer waren alle Narren, und die Weiber waren ausgestorben. Aber Wein und Gesang gab's ja immer noch. Nein es waren die deutschen Frauen mit der deutschen Treue, die in der Welt ihren alten schönen Klang behalten sollten, wie Hoffmann von Fallersleben gesungen hatte. Aber die Strophe war ja jetzt verboten. Es waren die Frauen im Bundestag. Wo soll­te eine Frau mehr deutsche Frau sein, als wenn sie Mitglied des deutschen Bundestages wäre. Angela Merkel, wäre das ein Idealbild der deutschen Frau für Ayşe? So lieb hatte ich sie schon gewonnen, dass ich Ayşe so etwas nicht zumuten wollte.

Zum Einkaufen ging ich zu Aldi, das lag direkt nebenan. Die Frauen bei Aldi schaute ich mir genau an. Waren sie die deutschen Frauen, von denen Ayşe eine sein wollte. Verschieden waren sie schon alle. Ich versuchte eine Quer­summe zu bilden. Aber nein, das war bestimmt nicht die deutsche Frau, die Ayşe vorschwebte. Meine Kommilitoninnen etwa, waren das die deutschen Frauen? Gemeinsam war ihnen allerdings nur, dass sie studierten und das Ab­itur hatten. Abitur und studieren, dann war man eine deutsche Frau? So auch nicht. Vielleicht waren es die Weiber, die die Narren ihr Leben lang nicht ge­liebt hatten. Die deutschen Männer waren alle Narren, und die Weiber waren ausgestorben. Aber Wein und Gesang gab's ja immer noch. Nein es waren die deutschen Frauen mit der deutschen Treue, die in der Welt ihren alten schönen Klang behalten sollten, wie Hoffmann von Fallersleben gesungen hatte. Aber die Strophe war ja jetzt verboten. Es waren die Frauen im Bundestag. Wo soll­te eine Frau mehr deutsche Frau sein, als wenn sie Mitglied des deutschen Bundestages wäre. Angela Merkel, wäre das ein Idealbild der deutschen Frau für Ayşe? So lieb hatte ich sie schon gewonnen, dass ich Ayşe so etwas nicht zumuten wollte.

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sie es näher erläutern musste. „Deutsche <strong>Frau</strong>en in meinem Alter arbeiten in<br />

der Fabrik, oder im Büro oder studieren. Ich darf das alles nicht, brauche überall<br />

Zeugnisse, Unterlagen, Belege, und die habe ich nicht. Meine Eltern haben<br />

mich als kleines Kind zu meinen Großeltern in die Türkei gegeben. Natürlich<br />

bin ich da zur Schule gegangen, aber das wird nicht anerkannt. Nichts wert,<br />

mein Zeugnis. Hier bin ich wie eine, die überhaupt nicht zur Schule gegangen<br />

ist. Wie soll ich dann wohl im Bistro die Kasse machen können. Aber außer Bedienung<br />

hier, gibt es nichts. Vielleicht ginge auch noch Putzfrau oder Müllarbeiterin,<br />

aber sonst brauchst du für alles immer Zeugnisse, Unterlagen, Belege.“<br />

beklagte sich Ayşe. Jetzt tat sie mir leid. Ich kannte Ayşe ja überhaupt nicht,<br />

und ich kann auch den Grund gar nicht genau benennen, aber dass sie eine<br />

kluge, intelligente junge <strong>Frau</strong> sein musste, stand für mich fest. Eine <strong>Frau</strong>? Das<br />

war Ayşe eigentlich gar nicht. Selbstverständlich war sie eine <strong>Frau</strong>, aber sie<br />

passte nicht zu denen, die für mich als <strong>Frau</strong>en galten. Nur bei Brigitta war es ja<br />

nicht anders, die sah ich auch nicht als <strong>Frau</strong> an und meine Mutter, ich meine,<br />

meine neue Mutter, erst recht nicht. Bei Nati, meiner neuen jüngeren Schwester<br />

war es genauso. Sie war ja auch noch jung, aber wenn ich später trotz allem<br />

mal eine <strong>Frau</strong> heiraten sollte, könnte es nur Nati, die Natalie hieß, sein.<br />

Lebhaft, lebendig? Schale Wörter für Nati. Nati war das Leben selbst. Bei kleinen<br />

Kindern ist es noch so, sie leben auch voll sich selbst, bis ihnen Erwachsene<br />

im Laufe der Zeit klar machen, wie sie zu leben hätten. Bei Nati war es offensichtlich<br />

wirkungslos geblieben, oder sie hatte sich von Kind an schon geweigert.<br />

„Probleme gibt es eigentlich nicht. Wenn du merkst, dass Nati voll von<br />

etwas überzeugt ist, kommst du gar nicht auf die Idee, es ihr ausreden zu wollen.“<br />

sagte ihre Mutter. Meine 'neue' Mutter nannte ich sie, auch wenn wir<br />

schon über zwei Jahre zusammenlebten. <strong>Die</strong>ses Wort mit den ganzen Stiefverwandten<br />

fand ich so hässlich, dass ich mich weigerte es auszusprechen. Obwohl<br />

ich viel mehr wusste und konnte als Nati, kam ich mir immer unterlegen<br />

vor. Sie füllte den ganzen Raum. Wenn du mit ihr verheiratest wärst, würde sie<br />

dir wahrscheinlich ihr Leben vorführen, und du könntest dich entscheiden, ob<br />

du mitmachen wolltest. Nein, dominant oder dominierend war Nati keineswegs,<br />

sie war einfach echt und direkt. Darin hatte sie schon Ähnlichkeiten mit Ayşe,<br />

obwohl beide überhaupt nicht zu vergleichen waren. „Als türkische <strong>Frau</strong> ließe<br />

man dich genauso wenig leben. Wenn du in der Türkei studieren wolltest,<br />

brauchtest du genauso gut Zeugnisse und Belege. Du könntest auch nicht einfach<br />

in Ankara zur Universität gehen und sagen: „Hallo, ich bin die Ayşe, ich<br />

will studieren.““ erklärte ich. „Hast du auch nicht gesagt, nicht wahr? „Hallo,<br />

ich bin der Philipp, ich will studieren.“? Du hast wahrscheinlich gesagt: „Meine<br />

sehr verehrten Damen und Herren, mein Name ist Philip Trallala, genannt der<br />

Schöne. Ich wende mich heute mit einem Anliegen an sie ...“ Weiter kam Ayşe<br />

nicht, platzte los, umfing mich und erklärte noch lachend: „Du bist ein bisschen<br />

gaga, nicht wahr?“ <strong>Die</strong>jenige, die Lust daran hatte, gaga zu spielen, war eher<br />

Ayşe. Deutsche <strong>Frau</strong>? Ayşe verhielt sich, als ob sie nie anderswo gelebt hätte<br />

als hier. Ich konnte das alles nicht verstehen. „Ich werde jetzt mal gehen,<br />

Ayşe.“ erklärte ich. „Warum das? Du kannst hier warten, solange du möchtest.“<br />

Ayşe dazu. „Ich muss noch etwas einkaufen, und ich brauche auch mal<br />

Bewegung.“ erklärte ich. „Ja, das ist richtig. <strong>Die</strong> Sesselchen hier sind Foltergeräte<br />

für den Körper.“ stellte Ayşe es dar. „Wieso das denn?“ wollte ich erstaunt<br />

Ayşe <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>deutsche</strong> <strong>Frau</strong> <strong>–</strong> Seite 6 von 37

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