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Programmheft - 4. Sinfoniekonzert - Theater Nordhausen

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ment des Sängers. „Die ersten Tacte, Mephisto betritt mit Faust ein Wirtshaus,<br />

1848 und schloss ihn 1864 in seiner Zeit dem am Ende, nach dem unerbittlichen<br />

6 in dem eine bäuerliche Hochzeit<br />

im italienischen Kloster Madonna del Cantus firmus der Posaunen der Absturz<br />

feierliche Harfen-Arpeggios, lassen<br />

uns den königlichen Sänger inmitten mit Gesang und Tanz gefeiert wird. Me-<br />

Rosario schließlich ab.<br />

folgt“ (Barbara Meier). Liszt schuf mit<br />

7<br />

der Natur und ihrer Bewohner erschauen<br />

und die Kraft des Tones suchen“<br />

schrieb Felix Draeseke 1858 in seiner<br />

Abhandlung über Liszts „Orpheus“. „Er<br />

hat gesiegt der göttliche Klang, gerührt<br />

und erweicht horchen Steine, Pflanzen<br />

und Thiere dem Verkünder der heiligen<br />

Kunst, der mit milder Hoheit jetzt einherschreitet,<br />

seine Bahn zu erweitern.“<br />

In den Celli und Hörnern ist das lyrische<br />

Hauptthema zu vernehmen. Den Mittelteil<br />

beherrschen Soli in den Streichern<br />

mit einer klagenden, zwischen Dur und<br />

Moll wechselnden Melodie. Ob Orpheus<br />

hier, wie Draeseke vermutet, den Verlust<br />

seiner Eurydike beweint? Das Werk<br />

schließt völlig entrückt immer leiser<br />

werdend in chromatisch aufsteigenden<br />

Akkorden bis zum reinen C-Dur. Hier<br />

mag Orpheus’ Entschwinden zum Ausdruck<br />

gebracht sein, der es fortan den<br />

Menschen überlässt, seine Lehren ohne<br />

ihn zu verbreiten. Ganz im Sinne des<br />

Philosophen und Schriftstellers Pierre-<br />

Simon Ballanche, von dessen „Orpheé“<br />

(1829) sich Liszts Orpheus-Bild ableitete.<br />

In eine gänzlich andere Welt, ins Diabolische,<br />

Wilde und Ungebändigte, führen<br />

der Mephisto-Walzer Nr. 1 und der „Totentanz“.<br />

In Weimar schrieb Liszt neben<br />

seinen Symphonischen Dichtungen zwei<br />

Sinfonien und kleinere Orchesterwerke,<br />

darunter 1857–1861 „Zwei Episoden aus<br />

Lenaus Faust“. Daraus bearbeitete er<br />

den „Tanz in der Dorfschenke“ für Klavier<br />

(Mephisto-Walzer Nr. 1). Faust faszinierte<br />

Liszt, in seiner „Faust-Sinfonie“<br />

war es der Faust Goethes. Nikolaus<br />

Lenau (1802–1850) griff Aspekte der<br />

phisto nimmt dem Geiger sein Instrument<br />

aus der Hand, um eine Musik „voll<br />

Blut und Brand“ anzustimmen, wie es<br />

in Lenaus Faust-Dichtung heißt, diabolisch<br />

und zügellos. Chromatische Vorschlagsnoten<br />

nehmen das Diabolische<br />

vorweg, in den leeren Quinten des Klaviers<br />

tönen die leeren Saiten der Geige.<br />

Weicher klingt das Thema Fausts. „In<br />

atemberaubendem Tempo wirbelt das<br />

Thema durch alle Lagen (…). Aus dem<br />

‚bacchantischen Kreisen‘ entfernt sich<br />

Faust mit seiner Tänzerin, wie die intime<br />

Themenvariante mit den verführerischen<br />

Trillern der Nachtigall zeigt – eine<br />

trügerische Szene, der ein wilder Presto-<br />

Schluss ein Ende setzt.“ (Barbara Meier)<br />

Den „Totentanz. Paraphrase über Dies<br />

irae“ für Klavier und Orchester komponierte<br />

Liszt in mehreren Phasen, immer<br />

wieder etwas daran verändernd seit<br />

Liszt griff hier ein altes Thema auf, das<br />

zunächst über viele Jahrhunderte hinweg<br />

diverse bildliche Darstellungen erfuhr:<br />

die Gewalt des Todes über das<br />

Menschenleben. Berühmt wurde der<br />

Holzschnitt von Hans Holbein dem Jüngeren;<br />

auf über 30 Bildern zeigte der<br />

Künstler in seinem „Totentanz“ nicht<br />

nur, dass der Tod kein Alter und Stand<br />

verschont, sondern völlig unerwartet<br />

mitten hinein ins Leben treten kann.<br />

Holbeins Holzschnitt inspirierte Liszt<br />

ebenso wie ein Fresko aus Pisa „Trionfo<br />

della Morte“ (13. Jahrhundert). Die Sequenz<br />

„Dies irae“ („Tag des Zorns“) aus<br />

der Totenmesse kehrt in Variationen immer<br />

wieder und ist musikalische Grundlage<br />

für eine aufreibende Musik, die<br />

einen düsteren Blick auf die Menschheit<br />

und deren Schicksal wirft.<br />

Unheilvoll ist der Anfang. Dissonante<br />

und hart stampfende Akkorde aus Sekunden<br />

und dem Teufelsintervall Tritonus<br />

(„Diabolus in musicae“) im Klavier<br />

leiten das Werk ein. Dazu entfaltet sich<br />

das Dies-irae-Thema in ruhiger Bewegung<br />

in den tiefen Streichern, Blechund<br />

Holzbläsern. Kühne harmonische<br />

Verbindungen, peitschende Klavierklänge<br />

und wie Hohngelächter anmutende<br />

hohe Triller und Glissandi beherrschen<br />

das Klangbild im weiteren Verlauf. Nur<br />

an wenigen Stellen kehrt etwa Ruhe ein.<br />

Marschartig erscheinen Variation eins<br />

und zwei. Im „Fugato“ (Variation V) löst<br />

sich die zunächst streng anmutende<br />

Schreibweise nach und nach auf in<br />

wilde Akkordjagd und tosende Läufe.<br />

Im gesamten Klavierpart „von geradezu<br />

expressiver Virtuosität ist die diabolische<br />

dem „Totentanz“ ein klanglich weit in<br />

das 20. Jahrhundert vorausweisendes<br />

Werk.<br />

„DIE EINE WEINT, DIE ANDRE LACHT“ –<br />

BRAHMS’ OUVERTÜREN<br />

von Harald Hodeige<br />

Dass in der Brahms-Literatur die „Akademische<br />

Festouvertüre“ c-Moll op. 80<br />

und die „Tragische Ouvertüre“ d-Moll<br />

op. 81 als zwei zusammengehörige Werke<br />

behandelt werden, hat mehrere gute<br />

Gründe: Beide Stücke entstanden in enger<br />

zeitlicher Abfolge im Sommer 1880<br />

in Bad Ischl, erschienen zusammen im<br />

Druck und wurden von Brahms selbst in<br />

Konzerten gemeinsam aufgeführt.<br />

Die „Akademische Festouvertüre“<br />

schrieb Brahms für die Promotionsfeier<br />

anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde<br />

durch die Universität Breslau.<br />

Inwieweit die „Tragische Ouvertüre“ im<br />

Zusammenhang mit einer geplanten<br />

Aufführung von Goethes „Faust“ am<br />

Wiener Burgtheater entstanden ist, wie<br />

der Brahms-Biograf Max Kalbeck vermutete,<br />

lässt sich heute nicht mehr<br />

klären. Neben diesen eher äußerlichen<br />

Bezugspunkten stehen die Stücke in<br />

einem engen inhaltlichen Zusammenhang,<br />

da sie ein für Brahms’ Schaffen<br />

typisches komplementäres Werkpaar<br />

bilden: „Die eine weint, die andre<br />

lacht“, schrieb der Komponist lapidar<br />

an den Komponisten, Pianisten<br />

und Dirigenten Carl Reinecke. Am 6.<br />

September 1880 schrieb der Komponist<br />

mit der ihm eigenen Ironie an seinen<br />

Lust zu spüren, mit welcher der Verleger Simrock: „Ich habe nicht umhin<br />

Faust-Sage auf, die Goethe nicht berücksichtigt<br />

hatte.<br />

„Totentanz“ (um 1525)<br />

Tanz über dem Abgrund vorgeführt wird, können, eine sehr lustige<br />

Ausschnitt aus Hans Holbeins Holzschnitt<br />

Akademische

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