THEATERjournal - Theater Osnabrück
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Dienstag, 26. Februar 2013 3<br />
„WAS IST ÜBERHAUPT GEMEINT, WENN VON MIR DIE REDE IST?“<br />
Elfriede Jelineks Winterreise ab 5. April im emma-theater<br />
Franz Schuberts Liederzyklus<br />
„Winterreise“ aus dem Jahr<br />
1827 fängt die Stimmung einer<br />
tiefen Einsamkeit ein, losgelöst<br />
von allen gesellschaftlichen<br />
Banden, die ihre Zuhörer bis<br />
heute irritiert und berührt. Ausgehend<br />
von Wilhelm Müllers<br />
Gedichten schuf Schubert in einer<br />
Phase frustrierender politischer<br />
Restauration nach dem<br />
Wiener Kongress von 1815 eine<br />
Musik im Spannungsfeld der<br />
einsetzenden Romantik. Die österreichische<br />
Literaturnobelpreisträgerin<br />
Elfriede Jelinek erschreibt<br />
auf der Folie des Liederzyklus’<br />
fast 200 Jahre später<br />
eine heutige Welt tiefer Verunsicherung<br />
und hat damit 2011<br />
ihren bisher persönlichsten<br />
<strong>Theater</strong>text vorgelegt.<br />
„Ich“ – was immer das bedeuten<br />
mag – versuche, mich in Bezug<br />
zu der Zeit zu setzen, in der<br />
ich lebe. Jelinek nutzt Bilder, die<br />
extrem überformt sind: die Gier<br />
nach dem Geld zu Zeiten der<br />
Finanzkrise, den öffentlichen<br />
Umgang mit Gewalt am Beispiel<br />
des Entführungsfalls der<br />
Natascha Kampusch, die Suche<br />
nach Liebe im allumfassenden<br />
Internet. Schließlich zieht alles<br />
Suchen des „Ich“ sich zusammen<br />
auf die Figur eines alten,<br />
demenzkranken Mannes – Jelinek<br />
gibt ihrem Vater eine Stimme.<br />
Ein „Ich“ befindet sich in<br />
der Auflösung, von seiner Erlösung<br />
weit entfernt: „Vorhin war<br />
noch Morgen, jetzt ist Abend,<br />
vorhin war Sommer, jetzt ist<br />
Reif als weißer Schein mir übers<br />
Haupt gestreut, ich weiß es<br />
nicht mehr.“<br />
WINTERREISE<br />
Von Elfriede Jelinek<br />
PREMIERE:<br />
INSZENIERUNG:<br />
BÜHNE/KOSTÜME:<br />
DRAMATURGIE:<br />
MIT:<br />
Winterreise findet Sprache und<br />
Bilder für das Unheimliche in<br />
unserer Gesellschaft. Ob dies<br />
Ängste vor der eigenen Unwichtigkeit<br />
sind, vor dem drohenden<br />
Persönlichkeitsverlust im Alter,<br />
vor der Einsamkeit, die sich<br />
trotz aller Glücksversprechen<br />
durch unser Menschsein zieht:<br />
Jelinek setzt an den neuralgischen<br />
Punkten unserer Zeit an<br />
und dreht die Schrauben fester.<br />
Die Auseinandersetzung mit<br />
Schuberts Musik zieht sich<br />
durch große Teile ihres umfangreichen<br />
Werks; Jelinek<br />
selbst studierte Klavier, Orgel<br />
und Komposition am Wiener<br />
Freitag, 5. April 2013, 19.30 Uhr,<br />
emma-theater<br />
Alexander Charim<br />
Ivan Bazak<br />
Maria Schneider<br />
Magdalena Helmig, Monika Vivell;<br />
Patrick Berg, Thomas Kienast<br />
Elfriede Jelinek, 2004<br />
Konservatorium, bevor sie Ende<br />
der 60er Jahre ihre schriftstellerische<br />
Arbeit begann.<br />
2011 wurde Winterreise in der<br />
Kritikerumfrage der Fachzeitschrift<br />
„<strong>Theater</strong> heute“ zum<br />
Stück des Jahres gewählt, in den<br />
letzten beiden Spielzeiten wurde<br />
es an zahlreichen deutschsprachigen<br />
Bühnen aufgeführt. Am<br />
<strong>Theater</strong> <strong>Osnabrück</strong> ist Winterreise<br />
die erste Inszenierung des<br />
Regisseurs Alexander Charim,<br />
der u. a. 2011 „Il barbiere di Siviglia“<br />
und 2012 „Cosí fan tutte“<br />
an der Staatsoper Hannover<br />
inszenierte. Die Produktion<br />
wird übrigens neben Jelineks<br />
Übersetzungen von Oscar Wildes<br />
„Bunbury“ und Georges<br />
Feydeaus „Der Floh im Ohr“<br />
erst die zweite Inszenierung eines<br />
genuinen Stücktexts von Elfriede<br />
Jelinek am <strong>Theater</strong> <strong>Osnabrück</strong><br />
sein – zuletzt war Was geschah,<br />
nachdem Nora ihren<br />
Mann verlassen hatte … 2006 zu<br />
sehen.<br />
(MS)<br />
EXTRA: 2. LIEDERABEND<br />
Als Extra zu Jelineks Winterreise<br />
findet am 8. April 2013,<br />
20 Uhr, im Oberen Foyer des<br />
<strong>Theater</strong>s am Domhof der 2.<br />
Liederabend dieser Spielzeit<br />
statt. Jan Friedrich Eggers<br />
singt Schuberts „Winterreise“,<br />
begleitet von Adrian Pavlov<br />
am Klavier.<br />
sec, <strong>Osnabrück</strong><br />
Spielraum für Besonderes<br />
Modernität und Tradition verbinden sich im <strong>Theater</strong> <strong>Osnabrück</strong> – nicht nur auf der Bühne: Mit dem<br />
umgebauten <strong>Theater</strong>foyer, nach einem Entwurf der Architekten Brüning Rein, wird moderne Baukunst harmonisch<br />
an die traditionelle Jugendstilfassade des Altbaus angepasst. »Original Wasserstrich Backstein Klinker« in der<br />
Sonderfarbe »arundo hedera« ermöglichen diese optische Verbindung. Und schaffen so einen Spielraum für Besonderes.<br />
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