PUNKT UND KREIS Michaeli 2014 -- Initiativ werden!
Zeitschrift für anthroposophische Heilpädagogik, individuelle Entwicklung und Sozialkunst Heft Nr. 37, Michaeli 2014; Schwerpunktthema: Initiativ werden!
Zeitschrift für anthroposophische Heilpädagogik, individuelle Entwicklung und Sozialkunst
Heft Nr. 37, Michaeli 2014; Schwerpunktthema: Initiativ werden!
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<strong>PUNKT</strong> und <strong>KREIS</strong><br />
THEMA<br />
sich direkt die Anschlussfrage: Was ist denn die Aufgabe<br />
der Realwirtschaft? Also was ist Sinn und Zweck jeder<br />
unter nehmerischen Tätigkeit? Nach dem Verständnis der<br />
GLS Bank hat jedes Unternehmen, jede Unternehmung die<br />
Verantwortung, die Bedürfnisse des Menschen zu decken.<br />
Von diesem Ideal und dem Ursprung des Bankwesens<br />
ist die heutige Zeit jedoch weit entfernt. Mittlerweile ist<br />
es so weit gekommen, dass der Finanzbereich nicht mehr<br />
der Realwirtschaft dient. Dieses Phänomen zieht sich durch<br />
die ganze Gesellschaft, wenn es um wirtschaftliche Fragen<br />
geht. Die Vorstellung, die erste Maxime jeden wirtschaftlichen<br />
Handelns müsse das Erreichen von hohen Gewinnen<br />
sein, ist in den Köpfen vorherrschend. Wenn es um die<br />
Folgen unternehmerischen Handelns geht, ist es oftmals<br />
höchstens noch akzeptiert, die Schaffung von Arbeitsplätzen<br />
in die Überlegungen einzubeziehen.<br />
Viele Geldinstitute arbeiten so, dass ihre KundInnen nicht<br />
mehr nachvollziehen können, wohin Geld investiert wird.<br />
Sie können nicht wissen, ob ihr Geld der Realwirtschaft<br />
zugutekommt oder in komplizierten Anlagekonstrukten<br />
verschwindet. Um verantwortlich mit dem eigenen Geld<br />
handeln zu können, muss aber jedeR Einzelne wissen, was<br />
mit dem Geld passiert. Man muss nachvollziehen können,<br />
was die Bank tatsächlich mit dem Geld macht. Sonst gibt<br />
man letztendlich zusammen mit dem Geld auch seine Verantwortung<br />
am Bankschalter ab. Diese Fehlentwicklung<br />
im Finanzsektor war 1974 der Impuls von Wilhelm-Ernst<br />
Barkhoff zur Gründung der GLS Bank. Barkhoff war ein<br />
Rechtsanwalt und Notar, der sehr stark engagiert war im<br />
sozialen Bereich. Die GLS Bank hatte von Anfang an<br />
das Geschäftsprinzip der vollkommenen Transparenz.<br />
Jeder vergebene Kredit wird auf der Webseite oder in der<br />
Kunden zeitschrift Bankspiegel veröffentlicht. Dies ist eine<br />
Voraussetzung, die auf dem Finanzmarkt gebraucht wird:<br />
Transparenz darüber, was mit dem Geld gemacht wird.<br />
So können die KundInnen selbst überprüfen und nachvollziehen,<br />
ob die GLS Bank ihr Versprechen einlöst,<br />
sich mit ihren Finanzierungen in den wesentlichen Bereichen<br />
der Gesellschaft zu engagieren. Konkret bedeutet<br />
dieses Versprechen, dass nur solche Unternehmen und<br />
Projekte finanziert <strong>werden</strong>, die Entwicklungschancen für<br />
jetzige und zukünftige Generationen erhalten oder schaffen.<br />
Den Schwerpunkt legt die GLS Bank dabei auf die Bereiche<br />
Energie, Wohnen, Bildung, Ernährung, Soziales<br />
und Gesundheit. Sie decken die wesentlichen Bedürfnisse<br />
des Menschen ab. Seit ihrer Gründung versucht die GLS<br />
Bank – zusammen mit ihren KundInnen – über die üblichen<br />
Kreditformen hinausgehende, individuelle und sozial relevante<br />
Finanzierungsmöglichkeiten zu entwickeln und anzubieten.<br />
Kreditformen, die ganz nah und konkret mit den<br />
beteiligten Menschen und ihren Vorhaben und Projekten<br />
verbunden sind. Eine besondere Stellung dabei nehmen<br />
die Leih- und Schenkgemeinschaften ein. Diese ermöglichen<br />
gemeinnützigen Einrichtungen, größere Projekte auf<br />
Kreditbasis zu finanzieren. Eine solche Gemeinschaft ist<br />
eine Gruppe von bis zu 30 UnterstützerInnen, von denen<br />
sich jedeR persönlich verpflichtet hat, in Monats raten von<br />
maximal 50 Euro – maximal fünf Jahre lang – an der Rückzahlung<br />
des Kredits mitzuwirken.<br />
Dieses Jahr finanziert die GLS Bank seit genau 40 Jahren<br />
Unternehmen, Projekte und <strong>Initiativ</strong>en im sozialen und<br />
gemeinnützigen wie im kulturellen Bereich und konnte<br />
damit bereits zahlreiche Projekte bei ihrer Entstehung<br />
begleiten. Seit 1974 flossen 1 Mrd. Euro der vergebenen<br />
Kredite in diesen Bereich, zu denen neben Einrichtungen<br />
für Menschen mit Behinderungen, Freien Schulen und<br />
Kinder gärten auch generationenübergreifende Wohnprojekte,<br />
Gesundheit und Kultur gehören.<br />
Ein konkretes Projektbeispiel ist der nördlich von Hamburg<br />
im Dorf Hasenmoor gelegene Hof Ehlers. Hier finden<br />
Menschen mit Behinderungen einen Ort zum Leben und<br />
Arbeiten. Als Teilhabende und Mitwirkende in der ökologischen<br />
Landwirtschaft <strong>werden</strong> sie in den gesellschaftlichen<br />
Prozess integriert. Ihren Fähigkeiten ent sprechend, können<br />
sie sich in den Arbeitsprozess hineinstellen, Verantwortung<br />
übernehmen und den Willen zum Mit-Tun entwickeln. Feste<br />
Beziehungen, Gemeinsamkeiten und persönliche Aktivität<br />
tragen das Leben und fördern die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit<br />
der BewohnerInnen. Damit steht der Hof Ehlers<br />
sinnbildlich für viele Projekte der GLS Bank, die den<br />
Menschen in den Mittelpunkt stellen und Geld als soziales,<br />
gesellschaftliches Gestaltungsmittel nutzen.<br />
Laura Gögelein-Schindler<br />
arbeitet seit 2005 in der Abteilung Presseund<br />
Öffentlichkeitsarbeit der GLS Bank.<br />
michaeli <strong>2014</strong> | 17