23.09.2014 Aufrufe

PUNKT UND KREIS Michaeli 2014 -- Initiativ werden!

Zeitschrift für anthroposophische Heilpädagogik, individuelle Entwicklung und Sozialkunst Heft Nr. 37, Michaeli 2014; Schwerpunktthema: Initiativ werden!

Zeitschrift für anthroposophische Heilpädagogik, individuelle Entwicklung und Sozialkunst
Heft Nr. 37, Michaeli 2014; Schwerpunktthema: Initiativ werden!

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

THEMA<br />

<strong>PUNKT</strong> und <strong>KREIS</strong><br />

Wärme verwandelt in Mitgefühl<br />

Von Johannes Denger<br />

Das ist der Anfang, der Anfang dieses Beitrags über <strong>Initiativ</strong>e. Nichts geschieht ohne Anfang, alles geschieht<br />

zwischen Anfang und Ende. Wie aber kommt es zu einem Anfang? Wie kommt Neues in die<br />

Welt? Durch Ideen, die von Menschen intuitiv erfasst und hervorgebracht <strong>werden</strong>. Nicht alle Menschen<br />

sind gleich begabt darin, Neues zu denken. Nicht jeder, der einen guten Einfall hat, ist auch fähig, diesen<br />

in die Tat umzusetzen. Wir sind unterschiedlich begabt und brauchen einander, damit wir uns ergänzen<br />

können.<br />

Der Mensch braucht für sein Handeln ein Motiv,<br />

einen Beweg-Grund. Ein Motiv, das am Anfang vieler<br />

Gründungen von Gemeinschaften, von Einrichtungen im<br />

anthroposophischen Sozialwesen stand, ist das Soziale.<br />

Was ist sozial? Man kann sozial definieren als «… die<br />

Not des Mitmenschen zum Motiv des eigenen Handelns<br />

(zu) machen.» 1 Und tatsächlich stand am Beginn von<br />

Gründungs initiativen der anthroposophischen Heilpädagogik<br />

oft ein Kind oder ein erwachsener Mensch mit Behinderung,<br />

der durch sein Sosein und seine Bedürfnisse<br />

andere Menschen intuitionsfähig machte und so als der<br />

oder die eigentliche GründerIn angesehen <strong>werden</strong> kann!<br />

Nehmen wir ein Beispiel: Karl König, der Begründer der<br />

Camphill-Bewegung, kam als junger Arzt in den Sonnenhof<br />

nach Arlesheim zu Besuch und nahm am sogenannten «Adventsgärtchen»<br />

teil, einem aus Tannengrün spiral förmig gelegten<br />

Weg zu einer großen Kerze in der Mitte des Raumes,<br />

zu der jedes Kind geht, um die eigene Kerze zu entzünden.<br />

Als König ein schwerbehindertes Kind mit Unterstützung<br />

seine Kerze entzünden sah, wurde ihm an diesem Urbild<br />

schlagartig intuitiv sein Motiv bewusst, sinngemäß etwa:<br />

Ich will diesen Kindern dabei helfen, dass sie ihr eigenes<br />

Licht leuchten lassen können!<br />

In seiner Philosophie der Freiheit unterscheidet Rudolf<br />

Steiner drei Stufen zur Verwirklichung von <strong>Initiativ</strong>e. 2<br />

Die erste ist die Fähigkeit, etwas aus der Ideenwelt aufzufassen,<br />

er nennt sie moralische Intuition. Diese Wahrnehmung<br />

ist zunächst rein geistiger Natur. Will ich die<br />

Intuition selber verstehen und mit anderen teilen können,<br />

so muss ich sie durch moralische Phantasie in eine – auch<br />

sprachlich kommunizierbare – Vorstellung umsetzen.<br />

Moralische Technik ist es drittens, was es braucht, um die<br />

intuitiv erfahrene und dann in eine Vorstellung gefasste<br />

Idee so in die Wirklichkeit zu führen, dass sie darin wirksam<br />

<strong>werden</strong> kann.<br />

Es gibt, wie gesagt, Menschen, die geeignet sind, neue<br />

Ideen zu haben, andere, die eher die Fähigkeit haben, sie<br />

umzusetzen. Hier wird Zusammenarbeit notwendig und<br />

fruchtbar. Natürlich spielt auch die Zeit eine Rolle, in der<br />

<strong>Initiativ</strong>en verwirklicht <strong>werden</strong>. In der Pionierphase der<br />

anthroposophisch-heilpädagogischen Bewegung waren die<br />

<strong>Initiativ</strong>trägerInnen wohl oft starke Einzelpersönlichkeiten,<br />

die dann Gemeinschaftsbildung angeregt haben. Heute<br />

scheint es mehr um vernetzte Gruppierungen zu gehen, die<br />

wirksam <strong>werden</strong>. Aber auch heute geht die Idee durch das<br />

Individuum, findet der Einzelne zu seiner Motivbildung.<br />

Es gibt Menschen, die geeignet<br />

sind, neue Ideen zu haben, andere,<br />

die eher die Fähigkeit haben,<br />

sie umzusetzen.<br />

Die Verwirklichung von Ideen ist allerdings nicht nur<br />

eine moralisch-technische Aufgabe, sondern vordringlich<br />

ein Problem des Willens. Rudolf Steiner beschreibt in<br />

seiner Michael-Imagination das Eisen im Blut als den Träger<br />

der <strong>Initiativ</strong>kraft und die Wirkung des Eisens im Blut<br />

als eine mikrokosmische Entsprechung zu einem makrokosmischen<br />

Vorgang in der Spätsommer-/Herbstzeit: «Die<br />

Vorgänge, die sich in jedem Blutkörperchen abspielen,<br />

wenn die Eisenverbindung hineinschießt, die ist menschlich,<br />

im ganz Kleinen, minuziös dasselbe, was sich abspielt,<br />

wenn der Meteorstein leuchtend, strahlend durch die Luft<br />

8 | michaeli <strong>2014</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!