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Siegerland: Von der Vorkriegs- bis zur Nachkriegszeit, Teil 1 _____________________________________

Im ersten Teil der Magazinreihe von buch-juwel.de geht es um die Nachkriegszeit des 1. Weltkriegs, also nach 1918 und damit zugleich um die Vorkriegszeit zum 2. Weltkrieg. Das deutsche Reich hat mit hohen Reparationen zu kämpfen. Es gibt Inflationen, die Vermögen verzehren. Auf dem Land mit Eigenversorgung lebt es sich besser. In Siegen gab es schon das Siegerlandmuseum, Straßenbahn, Cafés und vieles andere. Neben vielen weiteren Firmen und Ämtern gaben Gruben und Hütten wie die Charlottenhütte, Hammerwerke und andere Metallbetriebe Arbeit. Drastische Einschnitte brachte die Weltwirtschaftskrise. Man musste zusehen, das tägliche Brot zu sichern und irgendwo arbeiten zu können. Anfang der 1930er-Jahre gab es im Reich über sechs Millionen Arbeitlose - eine für damals sehr hohe Zahl. Die politischen Verhältnisse ändern sich drastisch in dieser Zeit. Im Magazin wird zum großen Teil auf Berichte von Zeitzeugen zurückgegriffen.

Im ersten Teil der Magazinreihe von buch-juwel.de geht es um die Nachkriegszeit des 1. Weltkriegs, also nach 1918 und damit zugleich um die Vorkriegszeit zum 2. Weltkrieg. Das deutsche Reich hat mit hohen Reparationen zu kämpfen. Es gibt Inflationen, die Vermögen verzehren. Auf dem Land mit Eigenversorgung lebt es sich besser. In Siegen gab es schon das Siegerlandmuseum, Straßenbahn, Cafés und vieles andere. Neben vielen weiteren Firmen und Ämtern gaben Gruben und Hütten wie die Charlottenhütte, Hammerwerke und andere Metallbetriebe Arbeit. Drastische Einschnitte brachte die Weltwirtschaftskrise. Man musste zusehen, das tägliche Brot zu sichern und irgendwo arbeiten zu können. Anfang der 1930er-Jahre gab es im Reich über sechs Millionen Arbeitlose - eine für damals sehr hohe Zahl. Die politischen Verhältnisse ändern sich drastisch in dieser Zeit. Im Magazin wird zum großen Teil auf Berichte von Zeitzeugen zurückgegriffen.

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<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Vorkriegs</strong>- <strong>bis</strong> <strong>zur</strong> <strong>Nachkriegszeit</strong><br />

_____________________________________<br />

<strong>Teil</strong> 1 Ausgabe 09/2014 Verlag Buch-Juwel 1920er- und 30er-Jahre<br />

Durchkommen in den 1920er-Jahren<br />

Der Erste Weltkrieg hinterlässt seine tiefen Spuren<br />

Es ist die Zeit nach <strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>twende 1900/2000, in <strong>der</strong> die Menschen<br />

im damals Deutschen Kaiserreich und eben auch im <strong>Siegerland</strong><br />

hofften, dass es weiter aufwärts geht. Aber das hielt nur <strong>bis</strong> 1914.<br />

Nach dem tödlichen Attentat auf den österreichischen Thronfolger Erzherzog<br />

Franz Ferdinand Ende Juni 1914 in Sarajevo erklärte rund einen Monat<br />

später Österreich-Ungarn dem Königreich Serbien den Krieg, wie viele<br />

noch aus dem Geschichtsunterricht wissen.<br />

Deutschland stieg bald ein, ebenso<br />

wie an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong>. Ein „Flächenbrand“<br />

entstand. Er hat Abermillionen<br />

Menschen das Leben gekostet,<br />

viele verwundet und große Zerstörungen<br />

angerichtet. Auch im <strong>Siegerland</strong><br />

kamen viele entwe<strong>der</strong> gar nicht o<strong>der</strong><br />

verwundet aus dem Krieg <strong>zur</strong>ück.<br />

Die Allierten hatten nach 1918 Gebiete<br />

annektiert und Deutschland mit<br />

sehr hohen Reparationen belegt. Eine<br />

fatale Situation.<br />

In Deutschland bildete sich eine Demokratie,<br />

die uns als „Weimarer Republik“<br />

bekannt ist. In Siegen wurde<br />

Alfred Fißmer Bürgermeister. Lange<br />

nach dem Krieg, 1923, besetzten<br />

französische und belgische Truppen<br />

das Ruhrgebiet. Die Zeiten blieben<br />

sehr schwierig, weil die hohen Reparationen<br />

kaum gezahlt werden konnten.<br />

In Deutschland wurde wegen <strong>der</strong><br />

wachsenden Inflation 1923 die<br />

Rentenmark eingeführt. Die Eltern<br />

berichten, dass die Zeiten für die<br />

Großeltern und Familien nicht einfach<br />

waren. Das war in den 20ern<br />

aber noch nicht das Ende <strong>der</strong> Fahnenstange.<br />

Gruben und Hütten<br />

Im <strong>Siegerland</strong> drehte sich noch<br />

vieles ums Eisenerz. Deshalb gab<br />

es Anfang <strong>der</strong> 1900er-Jahre noch<br />

zahlreiche Gruben und Hütten sowie<br />

Firmen <strong>zur</strong> Eisenver- und -bearbeitung,<br />

von Hammer- <strong>bis</strong> zu<br />

Walzwerken. Sie boten Arbeit wie<br />

zum Beispiel die Charlottenhütte<br />

in Nie<strong>der</strong>schel<strong>der</strong>hütte, die vor 150<br />

Jahren ihren Anfang nahm. Auf <strong>der</strong><br />

Siegbrücke in Siegen standen bereits<br />

seit 1904 die lebensgroßen<br />

Skulpturen von Henner und Frie-<br />

Erinnerungen bleiben. Ein<br />

Geschenk für Soldaten, hier<br />

für den Tambour Gustav,<br />

zeugen von <strong>der</strong> Zeit.<br />

<strong>der</strong>, von Berg- und Hüttenmann,<br />

geschaffen vom<br />

Bildhauer Friedrich Reusch.<br />

Im ländlichen Bereich wurde<br />

die Landwirtschaft, oft<br />

im Nebenerwerb, gepflegt.<br />

Darin eingeschlossen die<br />

Haubergs- und Wiesenwirtschaft.<br />

Bereits viele Jahre<br />

bestand die Wiesenbauschule,<br />

die weit über die<br />

Grenzen hinaus bekannt<br />

war.<br />

______________________________________________________________________________________<br />

Die Texte, Berichte, Zitate stammen aus Erzählungen und Nachfragen bei Augenzeugen, die diese Zeiten<br />

miterlebt haben. Sie sind hier mit und ohne wörtliche Rede zum jeweiligen Ereignis zusammengefasst. Dargestellt<br />

sind somit die Empfindungen und Eindrücke Betroffener, die nicht unbedingt den ganz genauen<br />

Zeitpunkt wie<strong>der</strong>geben müssen o<strong>der</strong> dem Eindruck Dritter entsprechen. Das gilt auch für unsere eigenen<br />

Ausführungen. Für tatsächlich zutreffende Daten, Zeiten und ihre Ereignisse wird daher keinerlei Gewähr<br />

übernommen. Wenige Daten zu manchen bestimmten o<strong>der</strong> bestimmenden Ereignissen sind darüber hinaus<br />

allgemein zugänglichen Quellen entnommen. Alle Fotos und Abbildungen sind privat - © presseweller - ,<br />

Ursprung teils über 70 Jahre <strong>zur</strong>ück. Wichtig ist allein, einen - allerdings sehr gerafften - Überblick zu den<br />

Zeiten im <strong>Siegerland</strong> zu geben. Bitte beachten: Es dürfen keine Bil<strong>der</strong> extrahiert und/o<strong>der</strong> ohne unsere ausdrückliche<br />

Zustimmung in welcher papiernen, elektronischen o<strong>der</strong> digitalen Form auch immer verwendet<br />

o<strong>der</strong> gar veröffentlicht werden! Zum persönlichen Lesen ist ein Ausdruck <strong>der</strong> Seiten möglich.


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Vorkriegs</strong>- <strong>bis</strong> <strong>zur</strong> <strong>Nachkriegszeit</strong><br />

_____________________________________<br />

<strong>Teil</strong> 1 Ausgabe 09/2014 S. 2 Verlag Buch-Juwel / 1920er- und 30er-Jahre<br />

Nun gab es in diesen Zeiten, die<br />

als „Goldene Zwanziger“ beschrieben<br />

werden, auch Lebenslust pur.<br />

Da wurde Charleston getanzt,<br />

fröhlich gefeiert und Geld mit<br />

vollen Händen ausgegeben, wie<br />

wir es aus alten Filmen, zum Beispiel<br />

aus Berlin, kennen. Für die<br />

Normalbevölkerung war es größtenteils<br />

an<strong>der</strong>s. Wer auf dem Land<br />

lebte, hatte Vorteile. In <strong>der</strong> Stadt<br />

Auf dem Land geht’s besser<br />

Geld ohne Wert<br />

sah es da schon schlechter aus.<br />

Hat das Geld immer weniger<br />

Wert, braucht man mehr und<br />

mehr, zum Beispiel Millionen,<br />

um Lebensmittel zu kaufen. Die<br />

„eigene Scholle“ war schon gut.<br />

Der Krieg hatte Lücken hinterlassen,<br />

aber mit Kin<strong>der</strong>n gab es<br />

überall neues Leben. Sie wuchsen<br />

im Rahmen <strong>der</strong> Möglichkeiten<br />

gut auf. Die Mütter<br />

sorgten für das leibliche Wohl<br />

und die Betreuung. Im <strong>Siegerland</strong><br />

gab es den Backes, wo Brot<br />

und Kuchen gebacken wurde,<br />

<strong>der</strong> Hauberg lieferte Holz für<br />

den Herd und Getreide und<br />

diente auch den Kühen als Weide.<br />

Es gab Milch und Fleisch.<br />

Natürlich ging man auch in den 1920er-Jahren<br />

<strong>zur</strong> Schule,wie das Zeugnis aus dem Nachbarkreis<br />

zeigt. Lange Zeit gab es die bewährte<br />

achtjährige Volksschule, die vielen so viel<br />

Wissen, Rechnen, Rechtschreibung, Heimat-,<br />

Erdkunde und Geschichte vermittelt hat, dass<br />

man eine Lehre beginnen konnte und im Leben<br />

<strong>zur</strong>echt kam. Viele schafften damit den<br />

beruflichen Aufstieg. Inzwischen gibt es so<br />

viele Schulformen, dass man schon einmal<br />

den Überblick verliert.<br />

Dabei war es für die Kin<strong>der</strong> nicht immer einfach,<br />

weil sie auf dem Land zu manchen<br />

Zeiten auch bei Ernte und an<strong>der</strong>em mithelfen<br />

mussten. Ebenfalls war es im Ländlichen nicht<br />

leicht, nach <strong>der</strong> Schule eine Lehrstelle zu finden,<br />

beson<strong>der</strong>s so kurz nach dem Ende des<br />

Krieges. Manche lernten dennoch ein Handwerk<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>es o<strong>der</strong> ließen sich für Tätigkeiten<br />

anlernen, damit sie Beschäftigung und<br />

Lohn hatten.<br />

Das Zeugnis links kann sich<br />

sehen lassen: prima Noten. So<br />

genannte Kopfnoten gab es<br />

ebenfalls noch lange.<br />

IMPRESSUM: Als Online-Magazin im Verlag Buch-Juwel, D-57074 Siegen, Lessingstr.8, erschienen.<br />

© 9/2014 by Buch-Juwel. Alle Rechte auf Konzeption, Inhalt, Texte, Fotos vorbehalten. Verantwortlich für den<br />

Inhalt: Jürgen Weller. Gerichtsstand und Erfüllungsort D-Siegen, in 1. Instanz stets das Amtsgericht.


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Vorkriegs</strong>- <strong>bis</strong> <strong>zur</strong> <strong>Nachkriegszeit</strong><br />

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<strong>Teil</strong> 1 Ausgabe 09/2014 S. 3 Verlag Buch-Juwel / 1920er- und 30er-Jahre<br />

In Arbeit kommen<br />

Arbeit war und ist immer wichtig, um Einkommen<br />

zu erzielen. Gratis gibt es nichts. In den 1920er-<strong>bis</strong><br />

Anfang <strong>der</strong> 30er-Jahre musste man daher sehen, ob<br />

man irgendwo eine Beschäftigung fand, wenn man<br />

noch keine Arbeitsstelle hatte o<strong>der</strong>, wie viele Anfang<br />

<strong>der</strong> 1930er, arbeitslos war. Die Zeiten mit hohen<br />

Reparationsfor<strong>der</strong>ungen, knappem Geld in <strong>der</strong><br />

Staatskasse und Inflation waren alles an<strong>der</strong>e als gut.<br />

Also versuchte man, hier und da unterzukommen.<br />

Ewald verdingte sich auf <strong>der</strong> Charlottenhütte in Nie<strong>der</strong>schel<strong>der</strong>hütte.<br />

Ganz, ganz schnell entschloss er<br />

sich, sofort wie<strong>der</strong> zu kündigen, weil es Arbeit war,<br />

die ihm gar nicht lag: „Nach einem Tag war Sense“,<br />

erzählte er. Lieber dann zu Hause mit Korbflechten<br />

und Co. sowie Geschichten für die Zeitung beschäftigen<br />

und nur ein paar Reichsmark für den Haushalt<br />

beitragen. Auch das Wenige war damals schon für<br />

viele Menschen eine große Hilfe.<br />

_______________________________________<br />

Rund ums Eisen<br />

Korbflechten und an<strong>der</strong>es half, die Zeit zu vertreiben<br />

und etwas dazu zu verdienen. Der Glaube gehörte<br />

auch in schwerer Zeit dazu.<br />

Mit Gruben, Hütten und Verarbeitungswerken<br />

dreht sich auch in den 1920er- und 1930er-Jahren<br />

im „Eisenland an <strong>der</strong> Sieg“ vieles um den begehrten<br />

Rohstoff. So mancher fand Arbeit.<br />

In <strong>der</strong> Erz- und Eisenregion fanden viele Arbeit, wenn sich auch nach <strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise die Situation<br />

verschlecherte. Die Fotos sind aus neuerer Zeit, links die Charlottenhütte, die 2014 Jubiläum feiert,<br />

rechts alter Stolleneingang in Müsen und För<strong>der</strong>turm auf <strong>der</strong> Eremitage mit Museum und „Schachtblick“.


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Vorkriegs</strong>- <strong>bis</strong> <strong>zur</strong> <strong>Nachkriegszeit</strong><br />

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<strong>Teil</strong> 1 Ausgabe 09/2014 S. 4 Verlag Buch-Juwel / 1920er- und 30er-Jahre<br />

Selbstversorgung<br />

Das Leben ging nach dem Krieg in den 1920er- und nach <strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise<br />

auch in den späten 30er-Jahren weiter. Da sorgte wie hier<br />

im Freudenberger Land ein Motorrad für Freude und Mobilität.<br />

In den Dörfern mit den meist<br />

kleinteiligen Bauernhöfen<br />

gab es nach 1918 den Vorteil,<br />

dass man sich zu einem gewissen<br />

<strong>Teil</strong> selbst versorgen<br />

konnte: Brot, Gemüse, Obst<br />

und Fleisch. „Zu essen hatten<br />

wir auch nach 1929,“ erzählen<br />

Zeitzeugen vom Land.<br />

Der Vater einer Zeitzeugin<br />

arbeitete in Gosenbach in <strong>der</strong><br />

Grube „Storch und Schöneberg“.<br />

Einfach war das nicht.<br />

Gegen 5 Uhr morgens ging es<br />

aus dem Heuslingtal zu Fuß<br />

nach Gosenbach und nach<br />

<strong>der</strong> Schicht wie<strong>der</strong> <strong>zur</strong>ück.<br />

Dann noch Arbeit in <strong>der</strong> kleinen<br />

Landwirtschaft. Der immer<br />

sorgende Vater und<br />

Großvater starb später an <strong>der</strong><br />

„Bergmannskrankheit“,<br />

Staublunge.<br />

Hatte man mit <strong>der</strong><br />

Weimarer Republik<br />

nach dem Ersten<br />

Weltkrieg eine Demokratie<br />

mit vielen Parteien<br />

geschaffen, war<br />

man aber nicht gefeit<br />

vor den verschiedenen<br />

Einflüssen.<br />

Auf den ersten Reichspräsidenten<br />

Friedrich<br />

Ebert folgte 1925 Hindenburg<br />

(<strong>bis</strong> 1934), wie<br />

wir es aus dem Geschichtsunterricht<br />

wissen.<br />

Die hohen<br />

Reparationen for<strong>der</strong>ten<br />

Ihren Preis. Für die<br />

Weimarer Republik geht dem Ende zu<br />

Die Zeiten und mehr än<strong>der</strong>n sich<br />

normalen Bürger war auch im <strong>Siegerland</strong> die<br />

Zeit kein Zuckerschlecken. Aber man lebte. Die<br />

Straßenbahn sorgte mit für Mobilität. Mancher<br />

wird sich noch an die Holzbänke und das Rumpeln<br />

erinnern. In Siegen gab es in diesen Zeiten<br />

Geschäfte unterschiedlichster Art und Einkehrmöglichkeiten.<br />

Im Oberen Schloss konnte man<br />

ins <strong>Siegerland</strong>museum gehen. Alfred Fißmer<br />

blieb Bürgermeister und später Oberbürgermeister<br />

<strong>der</strong> Stadt <strong>bis</strong> zum Jahre 1945. Daran wird man<br />

unter an<strong>der</strong>em erinnert, wenn man in <strong>der</strong> Oberstadt<br />

neben Rathaus und Nikolaikirche in die<br />

„Fißmer-Anlage“ geht.<br />

Auf <strong>der</strong> Sucht nach immer höheren Gewinnen<br />

platzte in den USA 1929 die Riesen-Börsenblase.<br />

Geldvernichtung, auch<br />

für den kleinen Mann,<br />

<strong>der</strong> sich etwas erspart<br />

hatte. „Vieles verloren“,<br />

erzählten die<br />

Großeltern. Die Arbeitslosenzahlen<br />

stiegen<br />

schnell an.<br />

Wie im <strong>Siegerland</strong> waren<br />

überall Firmen betroffen.<br />

Der Absatz<br />

stockte, und so manche<br />

Unternehmen mussten<br />

schließen, auch Erzgruben<br />

wie zum Beispiel<br />

in Müsen die Anlage<br />

„Stahlberg“ 1931 (Quelle<br />

dazu : h-bensberg.de).


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Vorkriegs</strong>- <strong>bis</strong> <strong>zur</strong> <strong>Nachkriegszeit</strong><br />

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<strong>Teil</strong> 1 Ausgabe 09/2014 S. 5 Verlag Buch-Juwel / 1920er- und 30er-Jahre<br />

Schule und körperliche Ertüchtigung<br />

<strong>Teil</strong> des Schulalltags / Sportfeste sind keine Erfindung <strong>der</strong> Neuzeit<br />

Wie schon vor mit<br />

dem Zeugnis dokumentiert,<br />

lief <strong>der</strong><br />

Schulalltag in den<br />

1920- und 1930er-<br />

Jahren natürlich<br />

weitestgehend weiter.<br />

Leibesübungen,<br />

körperliche Ertüchtigung,<br />

<strong>bis</strong> hin zu<br />

Sportfesten, bei denen<br />

man sich messen<br />

konnte, gehören<br />

dazu, wie hier „auf<br />

dem Land“, im<br />

Dorf.<br />

Eine grundlegende Bildung junger<br />

Menschen ist immer wichtig. Das<br />

Stichwort dazu heißt Schule. Der<br />

Schulbesuch, Beginn zwischen<br />

fünf und sieben Jahren, ist schon<br />

lange verpflichtend. Das war auch<br />

in den 1920er- und 1930er-Jahren<br />

so. Wann immer es in Kriegs- und<br />

wirtschaftlich sehr schweren<br />

Zeiten ging, wurde <strong>der</strong> Schulbetrieb<br />

aufrecht erhalten, egal, ob in<br />

<strong>der</strong> Stadt o<strong>der</strong> auf dem Land.<br />

Die achtjährige Schulzeit reichte<br />

früher, um den Kin<strong>der</strong>n ein gutes<br />

Basiswissen zu vermitteln. Hier<br />

und da gibt es heute ja schon einmal<br />

Zweifel, ob selbst in zehn Jahren<br />

Schulzeit o<strong>der</strong> darüber hinaus<br />

Grundlegendes und Wichtiges so<br />

vermittelt wurde, dass die Schüler<br />

damit fit in den verschiedenen Fächern<br />

sind. Ob es am Didaktischen,<br />

also an <strong>der</strong> Vermittlung des Wissens,<br />

liegt, o<strong>der</strong> bei den Schülern<br />

selbst, sei einmal dahingestellt.<br />

Die „körperliche Ertüchtigung“,<br />

auch so genannte Leibesübungen,<br />

war schon immer ein Thema. Viel<br />

früher hatte das auch schon „Turnvater“<br />

Jahn verkündet. Sport: laufen,<br />

springen, werfen und teils<br />

auch Gymnastik. Und damit junge<br />

Leute sich messen können, gab es<br />

nicht nur Sportfeste, son<strong>der</strong>n auch<br />

Wettbewerbe. Die Sieger hatten<br />

sich den „Lorbeerkranz“, einen<br />

„Eichenkranz“, verdient. „Das hat<br />

mir und meinen Schwestern und<br />

Freundinnen immer Spaß gemacht“,<br />

erzählt Emmy, „und oft<br />

holten wir das Kränzchen“.<br />

Viele werden sich auch noch an die<br />

viel späteren „Bundesjugendspiele“<br />

erinnern.<br />

____________________________<br />

Hinweis: Bei allgemeinen Personendarstellungen<br />

verwenden wir<br />

nicht -innen, also Schüler“innen“.


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Vorkriegs</strong>- <strong>bis</strong> <strong>zur</strong> <strong>Nachkriegszeit</strong><br />

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<strong>Teil</strong> 1 Ausgabe 09/2014 S. 6 Verlag Buch-Juwel / 1920er- und 30er-Jahre<br />

„Dienstverpflichtet“ am Siegener<br />

Stadtkrankenhaus, Blick zum<br />

Krönchen.<br />

In den 1930er-Jahren<br />

Große Verän<strong>der</strong>ungen stehen an<br />

Bis <strong>zur</strong> Weltwirtschaftskrise<br />

1929 gab es eine gewisse Stabilisierung.<br />

Danach ging es<br />

schleppend <strong>bis</strong> um 1932 voran.<br />

Hält sich <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Arbeitlosen<br />

noch in gewissen Grenzen,<br />

steigt sie dann doch schnell<br />

und ständig. Allgemein zugänglichen<br />

Zahlen nach wird Anfang<br />

<strong>der</strong> 30er von über sechs<br />

Millionen gesprochen.<br />

Hier und da hält man sich mit<br />

wechselnden Arbeitsstellen<br />

über Wasser. Es ist überhaupt<br />

keine Frage, dass die Menschen<br />

beunruhigt und unsicher sind.<br />

Schließlich geht es um ihren<br />

Lebensunterhalt, das tägliche<br />

„Überleben“ . „Zum Glück haben<br />

wir als Kin<strong>der</strong> auf dem<br />

Land nicht so viel davon mitbekommen“,<br />

erzählt Emmy.<br />

„Heilsversprecher“ haben es in<br />

solchen Zeiten einfacher. Nach<br />

und nach hören sich das immer<br />

mehr an, weil sie „auf Besserung<br />

hoffen, wenn … “. Das ist<br />

Anfang <strong>der</strong> 1930er-Jahre im<br />

<strong>Siegerland</strong> nicht an<strong>der</strong>s, als<br />

überall in Deutschland. Nach<br />

zuvor noch geringen Prozenten<br />

holt die Nazi-Partei 1933<br />

schließlich viele Stimmen. Das<br />

bringt große Verän<strong>der</strong>ungen.<br />

In <strong>der</strong> Politik gibt es einen massiven Umbruch<br />

Arbeitsbeschaffung und Verfolgung<br />

In <strong>der</strong> Weimarer Zeit half sich<br />

<strong>der</strong> Reichspräsident mit „Notverordnungen“.<br />

Bereits Anfang<br />

<strong>der</strong> 1930er setzt man auf „Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen“.<br />

Politisch kommt man schließlich<br />

an <strong>der</strong> stärksten Partei nicht vorbei.<br />

War <strong>der</strong> Stimmenanteil bei<br />

früheren Wahlen noch gering,<br />

än<strong>der</strong>te sich das: 1932 und auch<br />

1933 erstarkte die NSDAP, „ohne“<br />

ging nicht mehr. Im <strong>Siegerland</strong><br />

zeigte sich diese<br />

Entwicklung ebenfalls deutlich.<br />

Reichspräsident Hindenburg hatte<br />

Hitler bereits Anfang 1933<br />

zum Reichskanzler ernannt.<br />

Mit <strong>der</strong> neuen Regierung nach<br />

den Reichtagswahlen Ende 1933<br />

än<strong>der</strong>te sich einiges. Mit Arbeitsbeschaffungen<br />

kamen wie<strong>der</strong><br />

mehr Menschen in Arbeit. Es<br />

gab „Reichsarbeitsdienst“,<br />

„Dienstverpflichtungen“,<br />

„Pflichtjahr“ und an<strong>der</strong>es. So<br />

konnte es jungen Frauen passieren,<br />

dass sie aus ihrer Heimat,<br />

über 500 Kilometer weit weg,<br />

auf einmal in Siegen landeten.<br />

„Man hat sich daran gewöhnt“,<br />

erzählt Martha, „ich hatte es<br />

ganz gut da.“ Günstig war, dass<br />

einige ihrer Verwandten bereits<br />

im <strong>Siegerland</strong> waren.<br />

Überall wurden Straßen und<br />

auch Autobahnen, gebaut. Dafür<br />

war damals noch die Arbeit vieler<br />

Menschen gefragt. „Ich musste<br />

mal gucken, was mir liegt“,<br />

erzählt Ewald. Er hatte schon im<br />

Steinbruch gearbeitet und auf<br />

dem Bau, bei <strong>der</strong> früher bekannten<br />

Firma Falkenhahn in<br />

Kreuztal. Nach und nach fand er<br />

schließlich etwas Passendes.<br />

Schlimme Auswirkungen<br />

Der Antisemitismus <strong>der</strong> neuen<br />

Machthaber drang immer mehr<br />

durch, <strong>bis</strong> später zu den Pogromen.<br />

Am 10. November 1938<br />

brannte am Obergraben in Siegen<br />

die Synagoge. „Am nächsten<br />

Morgen erfuhren wir davon und<br />

waren ganz erschrocken und erschüttert,“<br />

erzählt Emmy. Im<br />

<strong>Siegerland</strong> gibt es noch einige<br />

jüdische Friedhöfe.<br />

Im nächsten Magazin geht es<br />

um die 1940er- und 50er.

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