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RATUBS 4/2013<br />
Rechtliche Methodik: Die Auslegungsregeln<br />
und konstantem Normtext nur mit der teleologischen Auslegung überbrückt<br />
werden. Verändert sich die Realität, so wandelt sich der Norminhalt. Oftmals<br />
führt das zu keiner grundlegenden Inhaltsveränderung, sondern nur zu einer<br />
weiteren oder engeren Auslegung oder zu einer begrenzten Verschiebung des<br />
Anwendungsbereichs. 114 Sofortiges legislatives Tätigwerden bei nachträglichem<br />
Wandel in den Realverhältnissen einer Rechtsnorm ist wegen der permanenten<br />
Überlastung der Parlamente nicht zu erwarten. 115<br />
Schwierigkeiten bei der teleologischen Auslegung ergeben sich dadurch, dass<br />
mit einer Norm oftmals nicht nur ein einziges Ziel verfolgt wird, sondern gleich<br />
mehrere Zwecke transportiert werden sollen. 116<br />
Sofern der Normzweck nicht ausdrücklich bestimmt wird – wie das in der modernen<br />
Umweltschutzgesetzgebung dagegen häufig der Fall ist –, müssen die<br />
von der Norm erfassten Interessen identifiziert werden. Dazu ist der gesellschaftliche<br />
Interessenkonflikt zu rekonstruieren, den der Gesetzgeber vor Augen<br />
hatte, und die gesellschaftlichen Interessen und Machtlagen, die ihn bestimmt<br />
haben, einen bestimmten Interessenausgleich anzustreben. 117 Ein Zweck des<br />
Gesetzes wird dann dadurch festgestellt, dass unter den wahrscheinlichen Folgen<br />
verschiedener Interpretationsmöglichkeiten im Rahmen des Wortsinns eine<br />
oder mehrere sich als erstrebenswert ausgezeichnet haben und so zum Zweck<br />
des Gesetzes befördert werden. 118 Dies stellt einen Optimierungsvorgang dar,<br />
ohne dass dafür eine übergeordnete Zielsetzung vorgezeichnet ist. 119<br />
Daneben besteht eine weitere Voraussetzung für eine korrekte teleologische<br />
Interpretationsbegründung: In der Interpretation kann nicht ohne weiteres vom<br />
Gebotensein der Zweckvorstellung eines Normgebers auf das Gebotensein der<br />
zur Verwirklichung der Zwecke notwendigen Mittel geschlossen werden. Ein<br />
solcher Kurzschluss würde zu rechtsstaatlichen Friktionen führen, da beispielsweise<br />
der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz missachtet würde. 120 Aus dem ermittelten<br />
Normzweck lassen sich demnach nur vorsichtige Folgerungen ableiten.<br />
Trotz der angedeuteten Schwierigkeiten kommt der teleologischen Auslegung<br />
demnach eine eigenständige Bedeutung zu. 121<br />
114<br />
SCHMALZ, Rz. 284.<br />
115<br />
BRUGGER, AöR 1995, 1, 19.<br />
116<br />
BRANDT, S. 23 ff.; LARENZ, S. 314; MÖLLERS, § 3 Rz. 25.<br />
117<br />
HECK, S. 95 f.; COING, S. 31; FIKENTSCHER, S. 677.<br />
118<br />
Ähnlich LARENZ/CANARIS, S. 154; KOCH, EuGRZ 1986, 345, 358.<br />
119<br />
LARENZ/CANARIS, S. 149; KOCH, EuGRZ 1986, 345, 358.<br />
120<br />
KOCH, EuGRZ 1986, 345, 358.<br />
121<br />
BYDLINSKY, S. 437; aA MÜLLER/CHRISTENSEN, S. 377.<br />
21