[DVRW 2013] - Georg-August-Universität Göttingen
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Forschung bezogen, die sie zur eigenen Theoriebildung verwenden muss, um ihre<br />
eigene Relativierung zu einem lediglich historisch interessanten Paradigma zu<br />
verhindern. Die Beiträge des Panels wollen sich aus verschiedenen Perspektiven<br />
genau diesem Wechselbezug von empirischer Religionsforschung und zeitgenössischer<br />
Religionstheorie widmen.<br />
Jens Schlieter: Natürlich übernatürlich? Die Unterscheidung<br />
Immanenz/Transzendenz in empirischer Religionsforschung und Religionstheorie<br />
In dem Vortrag soll die Frage erörtert werden, ob eine Definition von Religion<br />
ohne Verwendung des Schemas von Transzendenz/Immanenz möglich und sinnvoll<br />
ist. Dazu wird eine Analyse der kognitiven Metaphern für „Transzendenz“<br />
(und ihre Äquivalente) in theologischen, philosophischen, religionswissenschaftlichen<br />
und religionssoziologischen Entwürfen vorgenommen. Sie soll aufzeigen,<br />
inwieweit diese Metaphern eine aus bestimmten religiösen und philosophischen<br />
Referenztraditionen geläufige Schematisierung vornehmen, die auf strikt duale<br />
räumliche und zeitliche Differenzen baut: zum Beispiel „hier/dort“ (räumlich:<br />
sichtbar/unsichtbar, diese/jene Welt); „jetzt/später“ (zeitlich: Leben/Tod);<br />
„unsicher/sicher“ bzw. „ungewiss/gewiss“ (epistemologisch und emotional:<br />
Unsicherheit/Kontingenz bzw. Sicherheit/Gewissheit); „gefangen/befreit“<br />
(individuelles wie auch kollektives Heil oder Unheil, entweder jetzt/hier oder<br />
dort/später). Zuletzt wird an Beispielen der empirischen Religionsforschung<br />
diskutiert, ob diese emischen wie etischen Schematisierungen aller Empirie<br />
vorausgehen dürfen bzw., ob sie durch andere ergänzt oder ersetzt werden<br />
sollten.<br />
70<br />
Jens Kreinath: Das ‚Sichtbare‘ und das ‚Unsichtbare‘: Theoretische Rahmen und<br />
empirische Daten in der Formation ‚moderner‘ Religions- und Religiositätsbegriffe<br />
Eines der zentralen Paradigmen in der Formation von dezidiert ‚modernen‘<br />
Religionsbegriffen ist die methodologische und theoretische Dominanz des<br />
‚Sichtbaren‘ (oder ‚Visuellen‘/‘Materiellen‘) gegenüber dem ‚Unsichtbaren‘ (oder<br />
‚Auditiven‘/‘Immateriellen‘). Wie wissenschaftsgeschichtliche Studien zur Gegenstandsbestimmung<br />
in der formativen Phase der Religionswissenschaft gezeigt<br />
haben (Gladigow 1987, Kippenberg 1997), hat dieses Paradigma der Moderne<br />
weitreichende Konsequenzen für die Bestimmung des Gegenstandes religionswissenschaftlicher<br />
Forschung. Ziel dieses Vortrages ist, die für moderne Religionsbegriffe<br />
entscheidende Unterscheidung ‚sichtbar‘/‚unsichtbar’ diskursanalytisch<br />
zu problematisieren und als theoretischen Rahmen mit meinen Daten zur<br />
individualreligiösen Form der Heiligenverehrung in der Türkei in Beziehung zu<br />
setzen. Ausgehend von einer kritischen Analyse des Religionsbegriffes von Emile<br />
Durkheim und dessen empirischer Grundlage soll zuerst der Einfluss von<br />
Durkheims Ansatz auf ein an der Visualität orientiertes Konzept des religiösen<br />
Phänomens aufgezeigt werden. Dabei geht es darum, methodologische Fragen<br />
nach der Definition des Religionsbegriffes und deren pragmatischen Nutzen für<br />
die Bestimmung des Forschungsfeldes oder Gegenstandsbereiches der<br />
Religionswissenschaft aufzuwerfen. Anhand des ethnographischen Materials