Mallorca Erlebnis in zehn Porträts - Mallorca Zeitung
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6 ITB 2012 SPEISEKARTE<br />
<strong>Mallorca</strong> <strong>Zeitung</strong> – 8. März 2012<br />
Die Gaumen-Guerilleras<br />
Vor kurzem besuchte Maria Solivellas<br />
(41) mal wieder Barcelona.<br />
Nach e<strong>in</strong>em Tag Großstadtstress<br />
war sie dann heilfroh, nach <strong>Mallorca</strong><br />
zurückkehren zu dürfen.<br />
„Be<strong>in</strong>ahe hätte ich wegen e<strong>in</strong>er<br />
Demo me<strong>in</strong> Flugzeug verpasst.<br />
Ich dachte mir, wie wunderbar<br />
es ist, <strong>in</strong> Caimari zu leben.“<br />
Caimari, ihr Dorf am Fuß des<br />
Tramuntana-Gebirges, <strong>in</strong> dem<br />
sie zusammen mit ihrer Schwester<br />
Teresa (44) das Restaurant<br />
Ca Na Toneta führt. Solivellas<br />
schätzt die Beschaulichkeit umso<br />
mehr, als sie die moderne, globalisierte<br />
Welt sehr gut kennt.<br />
Jahrelang wohnte sie <strong>in</strong> Barcelona<br />
und Madrid und tourte als<br />
Theater- und Musicalproduzent<strong>in</strong><br />
durch die Lande. Als sie drauf<br />
und dran war, <strong>Mallorca</strong> def<strong>in</strong>itiv<br />
den Rücken zu kehren, kam der<br />
11. September 2001.<br />
„E<strong>in</strong>en Tag vorher hatte ich<br />
per Mail e<strong>in</strong>er Produktion <strong>in</strong> New<br />
York zugesagt, doch das Attentat<br />
nahm ich als F<strong>in</strong>gerzeig.“<br />
Solivellas befand sich gerade<br />
auf Heimaturlaub. Und blieb.<br />
Sie schaute ihrer Mutter, die vier<br />
Jahre zuvor mit Marias Schwester<br />
Teresa das Restaurant eröffnet<br />
hatte, <strong>in</strong> die Kochtöpfe. „Ich<br />
hatte sowieso nach etwas Kreativem<br />
gesucht, aber nie gedacht,<br />
es wäre das Kochen.“<br />
Doch genau das war es. Bald<br />
löste sie ihre Mutter, die sowieso<br />
nicht mehr wollte, am Herd ab.<br />
Die Selfmade-Köch<strong>in</strong> vertraute<br />
auf ihre Intuition, entsann sich<br />
Das echte <strong>Mallorca</strong> auf dem Teller. So könnte man Maria Solivellas‘<br />
Koch-Philosophie beschreiben. Mit ihrer Schwester Teresa betreibt<br />
die Showbus<strong>in</strong>ess-Aussteiger<strong>in</strong> und Slow-Food-Aktivist<strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />
Restaurant, das die authentische Inselküche zelebriert<br />
Urlauber wollen auf <strong>Mallorca</strong><br />
oft Tapas oder Paella essen.<br />
Beides steht auf den Speisekarten,<br />
doch weder das e<strong>in</strong>e<br />
noch das andere ist typisch für<br />
die Inselküche. Tatsächlich<br />
bieten zwar viele Restaurants<br />
VON DER TAPA ZUM FRITO<br />
spanisches Essen, aber die<br />
traditionelle, regionale Hausmannskost<br />
muss man gezielt<br />
suchen. Und wenn es sie gibt,<br />
wie zum Beispiel <strong>in</strong> den urigen<br />
Kellerlokalen (cellers), dann<br />
s<strong>in</strong>d es vor allem schwere<br />
Kaliber wie der Innereien-<br />
Mix frito mallorquín oder<br />
lechona (Spanferkel). Zum<br />
Speiseplan zählen aber auch<br />
leckere, leichte Gemüsegerichte<br />
wie sopa mallorqu<strong>in</strong>a<br />
oder tumbet.<br />
der Gerichte ihrer K<strong>in</strong>dheit („In<br />
unserer Familie wurde Essen<br />
und langes Tafeln immer sehr<br />
geschätzt“) und verschlang<br />
Bücher über alte Rezepte und<br />
die Geschichte der Ernährung.<br />
Solivellas suchte nach den<br />
kul<strong>in</strong>arischen Wurzeln der Insel<br />
– zu e<strong>in</strong>er Zeit, <strong>in</strong> der die Fusionsküche,<br />
Sushi und teure Austern<br />
en vogue waren. Mit Freunden<br />
gründete sie die Slow-Food-<br />
Gruppe <strong>Mallorca</strong>s und entdeckte<br />
im Aussterben begriffene heimische<br />
Obst- und Gemüsesorten.<br />
„Ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Produkt-Taliban“,<br />
sagt sie. Solivellas will genau<br />
wissen, woher ihre Zutaten kommen,<br />
und fast alles ist ökologisch.<br />
„Den Fisch kaufe ich nur<br />
bei Fischern aus Port d‘Alcúdia,<br />
die traditionelle, schonende<br />
Fangmethoden e<strong>in</strong>setzen, oder<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Fischgeschäft me<strong>in</strong>es<br />
Vertrauens <strong>in</strong> Inca.“<br />
Das Fleisch kommt von Bauern<br />
der Gegend und das Obst<br />
und Gemüse großteils aus dem<br />
eigenen Garten. Auf den Teller<br />
kommt, was gerade wächst.<br />
Und viel davon. „Die Mallorqu<strong>in</strong>er<br />
waren früher fast Vegetarier.<br />
Das Klischee vom fetthaltigen,<br />
schweren Essen stimmt nicht.“<br />
Marias aktuelle Leidenschaft<br />
s<strong>in</strong>d wild wachsende Kräuter<br />
und Wurzeln, die sie mit Hilfe<br />
e<strong>in</strong>es Botanikbuchs <strong>in</strong> der freien<br />
Natur sucht. In ihrem Restaurant<br />
kommt def<strong>in</strong>itiv <strong>Mallorca</strong> auf<br />
den Teller.<br />
Silke Droll