1 PDF - Kölner Appell gegen Rassismus
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Leben im Flüchtlingsheim Gutenbergstraße<br />
In einem ehemaligen Verwaltungsgebäude<br />
Ecke Innere Kanal-Straße<br />
/ Subbelrather Straße war jahrelang<br />
ein Flüchtlingsheim, überwiegend<br />
bewohnt mit Menschen aus dem<br />
ehemaligen Jugoslawien, die vor dem<br />
Krieg in die Bundesrepublik geflüchtet<br />
waren. Heute steht an dieser Stelle<br />
ein supermodernes Bürogebäude<br />
und nichts erinnert mehr daran, dass<br />
hier über viele Jahre Hunderte von<br />
Flüchtlingen eine Zuflucht in Ehrenfeld<br />
fanden.<br />
So ähnlich könnte es auch mit dem<br />
Flüchtlingsheim in der Gutenbergstraße<br />
laufen, das sich in einem Hinterhofgebäude<br />
befindet und Ende<br />
Dezember geschlossen werden soll.<br />
Da das Leben von Flüchtlingen in<br />
Heimen mitten unter uns in Ehrenfeld<br />
den meisten Menschen völlig<br />
unbekannt ist, haben wir von<br />
der Zeitungs-AG des Kölner <strong>Appell</strong><br />
<strong>gegen</strong> <strong>Rassismus</strong> einen politischen<br />
Flüchtling über das Leben dort interviewt.<br />
Shilan: Warum sind Sie nach<br />
Deutschland gekommen?<br />
Abdi: Ich musste meine Heimat Iran<br />
aus politischen Gründen verlassen.<br />
Um nicht ins Gefängnis zu kommen,<br />
bin ich nach Deutschland geflüchtet.<br />
Meine Frau und mein Kind musste<br />
ich zurücklassen.<br />
Abdi: Es ist unerwartet. Ich habe<br />
sehr darunter gelitten, dass es in<br />
den Gemeinschaftstoiletten und im<br />
Bad, das viele andere auch benutzen,<br />
so schmutzig war. Bevor ich nach<br />
Köln gekommen bin, war ich zwei<br />
Jahre in einer Sammelunterkunft in<br />
Ostdeutschland. Dort war es noch<br />
schlimmer. Hier ist es etwas vernünftiger.<br />
Shilan: Mussten Sie ein Zimmer mit<br />
anderen teilen oder hatten Sie ein<br />
Zimmer für sich allein?<br />
Abdi: Am Anfang hatte ich ein Zimmer<br />
mit vier anderen jungen Männern.<br />
Zwei kamen aus arabischen<br />
Ländern und zwei kamen aus der<br />
Türkei.<br />
Shilan: Gab es manchmal Streit zwischen<br />
Ihnen?<br />
Abdi: Bei mir nicht, aber bei den<br />
anderen. Da gab es Streit wegen<br />
dem Fernsehen oder wegen dem<br />
Kühlschrank. Wir hatten nur einen<br />
Kühlschrank für fünf Leute. Wenn<br />
von einem das Essen weg kam, gab<br />
es immer Streit: wer hat mein Essen<br />
gegessen, wer war das? Oder beim<br />
Fernsehen, die einen wollten bis<br />
nach Mitternacht fernsehen, die anderen<br />
wollten schlafen. Einige haben<br />
im Zimmer geraucht, andere wollten<br />
nicht, dass da geraucht wird.<br />
Shilan: War das Leben schwer in dem<br />
Flüchtlingsheim?<br />
Abdi: Ja, es war so, wie ich es nie gedacht<br />
hatte. Manchmal war ich verzweifelt<br />
und dann habe ich gedacht,<br />
vielleicht wäre es in der Heimat im<br />
Gefängnis besser, als hier im Flüchtlingsheim.<br />
Man kann das nicht akzeptieren.<br />
Man lebt in Europa, aber<br />
unter ganz schlimmen Umständen.<br />
eine eigene Wohnung suchen.<br />
Shilan: Wie fühlen Sie sich jetzt in<br />
Deutschland?<br />
Abdi: Ich freue mich, dass ich in Sicherheit<br />
bin. Aber ich bin noch ein<br />
Fremder hier. Ich darf zum Beispiel<br />
nicht arbeiten.<br />
Shilan: Möchten Sie manchmal wieder<br />
zurück in den Iran?<br />
Abdi: Selbstverständlich, das ist meine<br />
Kindheit, meine Vergangenheit,<br />
meine Familie, meine Freunde, sie<br />
alle sind noch da. Wenn da alles wieder<br />
in Ordnung kommt, will ich gerne<br />
nach Iran zurück.<br />
Shilan: Kriegen Sie hier in Deutschland<br />
auch Hilfe?<br />
Abdi: Ich bekomme eine Asylleistungshilfe.<br />
Ich bin noch nicht als<br />
Flüchtling anerkannt. Ich darf nicht<br />
arbeiten, ich darf auch nicht studieren,<br />
einen Deutschkurs kann ich nur<br />
besuchen, wenn ich ihn selbst bezahle.<br />
Micha: Waren Sie in der Schule?<br />
Abdi: Ich habe im Iran zwölf Jahre<br />
die Schule besucht und ich habe sechs<br />
Jahre an der Universität studiert.<br />
Micha: Wie war denn das in der Gutenbergstraße<br />
im Heim, wenn Sie<br />
duschen wollten?<br />
Abdi: Das war ein großes Problem.<br />
Dort ist nur eine allgemeine Dusche.<br />
In der dritten und der vierten Etage<br />
in dem Heim wohnten nur ledige<br />
Männer. Einige beachteten nicht<br />
die Sauberkeit, weder in der Dusche<br />
noch in der Küche. Es war ein Chaos<br />
und sehr unsauber. Wenn es ging,<br />
habe ich es vermieden, dort zu duschen<br />
und bin zu Bekannten gegangen.<br />
Es gibt auch keine Schlüssel für<br />
die Duschräume.<br />
Wir hatten da einmal drei Monate<br />
keinen Hausmeister und es gab nur<br />
einen Wachmann, der sich dafür<br />
nicht interessierte. Er sagte mir, ich<br />
sei der einzige, der sich beschwert.<br />
Micha: Jetzt, wo Sie eine Wohnung<br />
haben, sind Sie jetzt zufrieden da?<br />
Abdi: Ja, wenn man eine eigene Wohnung<br />
hat und eine eigene Dusche,<br />
dann kann man merken, wie schön<br />
das Leben manchmal ist.<br />
Micha: Ich habe auch meine Mutter<br />
seit drei Jahren nicht gesehen.<br />
Abdi: Mein Sohn ist jetzt fünfeinhalb<br />
Jahre alt, er kann sich an mich nicht<br />
mehr erinnern. Ab und zu kann ich<br />
mit ihm telefonieren. Aber dadurch<br />
kennen wir nur unsere Stimmen.<br />
Ich finde es nicht gut,dass ich hier<br />
lebe und meine Frau und mein Kind<br />
dort.<br />
Shilan: Haben Sie schon versucht,<br />
ihre Familie zu holen?<br />
Abdi: Ein Bundestagsabgeordneter<br />
wollte sie einladen, aber es hat leider<br />
nicht geklappt. Aber jetzt warte ich<br />
auf die Entscheidung des Gerichts<br />
über meine Anerkennung. Wenn ich<br />
als Flüchtling anerkannt bin, kann<br />
ich meine Familie legal nachkommen<br />
lassen.<br />
Shilan: Haben Sie jetzt eine eigene<br />
Micha: Haben Sie Kontakt mit ihrer<br />
Shilan: Wie ist das Leben im Flüchtlingsheim<br />
gewesen?<br />
Wohnung?<br />
Familie?<br />
Abdi: Ja, weil ich schon länger als 3 Micha: Wie viel ist zwei und zwei?<br />
Abdi: Leider nur telefonisch.<br />
½ Jahren hier bin, konnte ich mir<br />
Abdi: Eine schwere Frage, bei uns ist<br />
das fünf.<br />
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