Predigt zu Apk. (Offenbarung) 21, 1-7 am ... - St. Stephan
Predigt zu Apk. (Offenbarung) 21, 1-7 am ... - St. Stephan
Predigt zu Apk. (Offenbarung) 21, 1-7 am ... - St. Stephan
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Predigt</strong> <strong>zu</strong> <strong>Apk</strong>. <strong>21</strong>,1-7 <strong>am</strong> Ewigkeitssonntag 2010<br />
in Würzburg <strong>St</strong>. <strong>St</strong>ephan von Pfarrer Jürgen Dolling<br />
Liebe Gemeinde,<br />
Herr, unser kleines Leben – ein Inzwischen,<br />
Durch das wir aus dem Nichts ins Nichts enteilen.<br />
Und unsre Jahre: Spuren, die verwischen,<br />
Und unser ganzes Sein: nur ein Einstweilen.<br />
Was weißt du, Blinder, von der <strong>St</strong>ummen Leiden!<br />
<strong>St</strong>eckt nicht ein König oft in Bettlerschuhen?<br />
Wer sind wir denn, um richtend <strong>zu</strong> entscheiden?<br />
Uns war bestimmt, <strong>zu</strong> glauben und <strong>zu</strong> tun.<br />
Lass du uns wissen, ohne viel <strong>zu</strong> fragen.<br />
Lehr uns in Demut schuldlos <strong>zu</strong> verzeihn.<br />
Gib uns die Kraft, dies alles <strong>zu</strong> ertragen,<br />
Und lass uns eins<strong>am</strong>, nicht verlassen sein.<br />
.<br />
Worte der jüdischen Dichterin Mascha Kaléko. Manchen von uns<br />
werden sie aus der Seele sprechen. Wir leben nur auf Zeit und nur<br />
einstweilen. Das wissen wir alle. Aber wenn wir’s erleben, daß ein<br />
Mensch geht, den wir gekannt und geliebt haben, dann ist das doch<br />
noch einmal anders als dieses bloße Wissen. Dann sind die<br />
Grenzen auf einmal Realität. Dann steht man <strong>am</strong> Grab und fragt<br />
sich, was dann kommt, auch für einen selber. Dann spürt man die<br />
Lücke, die ein Mensch hinterläßt. Trauer und Eins<strong>am</strong>keitsgefühle<br />
machen einen sensibler als sonst. Und auch jetzt sind diese Gefühle<br />
da, wenn man hier in der Kirche sitzt und den N<strong>am</strong>en hört von dem<br />
Menschen, der vor Wochen oder Monaten heimgegangen ist <strong>zu</strong> Gott<br />
dem Herrn. Mascha Kaléko bittet: Herr, Gott, lass uns eins<strong>am</strong>, nicht<br />
verlassen sein. Sie selber hat diese Zeilen mit „Gebet“<br />
überschrieben. Ursprünglich lebte sie in Berlin, 1938 mußte sie<br />
auswandern nach Amerika, um der Verfolgung <strong>zu</strong> entgehen. Dort<br />
1
eschäftigte sie sich intensiv mit den Wurzeln ihrer Religion. Ihre<br />
Gedichte wurden trauriger und ernster. So wie dieses. Sie hat es<br />
einfach aus der Seele gesprochen. Aber mir ist das nicht genug. Ich<br />
will trotz mancher Trauer in meinem Leben nicht eins<strong>am</strong><br />
<strong>zu</strong>rückbleiben. Und es wäre mir <strong>zu</strong>wenig, wenn wir im Leben nur<br />
vom Nichts ins Nichts enteilen. Da will ich weiter fragen und nach<br />
Antworten suchen, Antworten für mich, die mich tragen angesichts<br />
des Todes und der Endlichkeit. Eine Pauschal-Antwort dafür gibt es<br />
nicht. Man kann nur ganz persönliche Glaubenszeugnisse und<br />
Glaubensbekenntnisse formulieren. Und vielleicht gehen wir dann<br />
anders um mit dem <strong>St</strong>erben und mit unseren Gestorbenen. Und wir<br />
gehen anders um mit unserem Leben, mit seinem Sinn und seinem<br />
Ziel. Vielleicht sind dann solche ernsten Gedanken auch manchmal<br />
eine Konsequenz. Vielleicht müssen wir auch manchmal durch<br />
Trauerphasen hindurch und Eins<strong>am</strong>keitsgefühle ertragen. Das<br />
gehört da<strong>zu</strong>, wenn man das Thema nicht verdrängen will.<br />
Aber ich glaube, daß man dann auch bewußter lebt, mit mehr<br />
Tiefgang, mit mehr Ehrlichkeit. Und man hört die Worte der Bibel<br />
noch einmal anders, die einen über das hinausführen können, was<br />
Mascha Kaléko formuliert hat.<br />
In einer großen Vision stellt uns der Seher Johannes Bilder vor<br />
Augen, die ungewohnt und manchmal auch wirklich<br />
gewöhnungsbedürftig sind. Aber oft sind sie schön. Und vielleicht<br />
kennen Sie diese Worte von der Beerdigung, die sie erlebt haben,<br />
denn oft werden sie <strong>am</strong> Ende als Auferstehungswort gelesen:<br />
Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der<br />
erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist<br />
nicht mehr. Und ich sah die heilige <strong>St</strong>adt, das neue Jerusalem, von<br />
Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine<br />
geschmückte Braut für ihren Mann. Und ich hörte eine große<br />
<strong>St</strong>imme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes<br />
bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden<br />
2
sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und<br />
Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird<br />
nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr<br />
sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß,<br />
sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn<br />
diese Worte sind wahrhaftig und gewiß! Und er sprach <strong>zu</strong> mir: Es ist<br />
geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich<br />
will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers<br />
umsonst. Wer überwindet, der wird es alles ererben, und ich werde<br />
sein Gott sein, und er wird mein Sohn sein.<br />
Ich weiß nicht, wie es Ihnen mit dieser Vision in alter Sprache geht.<br />
Aber mich tröstet sie. Denn sie sagt mir: Der Tod ist zwar da, das<br />
Leben endet, es ist oft verbunden mit Leid und Geschrei und mit<br />
Schmerzen. Aber das ist nur vorläufig. Es gibt eine Zeit, wo der Tod<br />
nicht mehr ist. Es gibt eine Zeit, wo Gott die Tränen abwischt von<br />
unseren Augen. Es gibt eine Zeit, wo er alles neu macht. Denn die<br />
Macht hat letzten Endes nicht der Tod, sondern die Macht hat Jesus<br />
Christus, der auf dem Thron sitzt und unseren Durst stillt aus der<br />
Quelle lebendigen Wassers.<br />
Eine großartige Vision. Aber woher nimmt Johannes die Gewißheit,<br />
daß es wirklich so ist? Diese Frage muß man sich stellen. Genauso<br />
wie der Frage, warum Menschen manchmal soviel durchmachen<br />
müssen. Der Sohn einer der Frauen, die auf unserer Liste stehen,<br />
hat mir geschrieben, daß er wegen des weiten Weges heute nicht<br />
kommen kann. Er wird <strong>zu</strong>hause daran denken. Und im Grunde ist er<br />
froh, daß die Mutter jetzt <strong>zu</strong>hause ist. Es war doch mühs<strong>am</strong> und<br />
beschwerlich. Und sie hätte es selber nicht gewollt, daß dieser<br />
Zustand länger andauert. Da war der Tod ab<strong>zu</strong>sehen, und er war<br />
eine Erlösung. Für andere unter uns k<strong>am</strong> er plötzlich. Da trinkt man<br />
morgens noch einen Kaffee miteinander, und abends ist es schon<br />
vorbei und alles anders. Wie finde ich da wieder Tritt? Wie kann ich<br />
glauben, wenn mir doch soviel genommen wurde? Was läßt mich<br />
3
hoffen, daß es außer der Finsternis des Todes noch etwas anderes<br />
gibt? Wenn wir anfangen, so <strong>zu</strong> fragen, dann haben wir schon den<br />
ersten und den wichtigsten Schritt gemacht. Und der zweite Schritt<br />
ist, es hinein<strong>zu</strong>legen in ein Gebet. Denn niemand von uns kann sich<br />
diese Gewißheit angesichts des Todes selber geben. Sie muß<br />
einem geschenkt werden. So wie einem der Glaube auch geschenkt<br />
werden muß. Aber das tut Gott, wenn wir mit offenen Händen <strong>zu</strong> ihm<br />
kommen. Der Seher Johannes hat das auch erlebt, auf seiner Insel<br />
Patmos im Mittelmeer. Für ihn war die Nähe Gottes real. Und auch<br />
im Tod und auch <strong>am</strong> Ende aller Zeiten kann es nicht anders sein, als<br />
daß Gott da ist und nichts sonst. Denn dafür ist Jesus Christus<br />
gestorben und auferstanden, daß er über Lebende und Tote Herr<br />
sei – so sagt es der Apostel Paulus. Und das ist die Grundlage für<br />
die Gewißheit und den Glauben: Jesus Christus selbst, der<br />
lebendige Gott, von dem Johannes hier in all diesen Bildern erzählt.<br />
Er macht den neuen Himmel und die neue Erde und das Jerusalem,<br />
wo er – Jesus Christus – <strong>am</strong> Kreuz starb. D<strong>am</strong>als ein Ort der Gewalt<br />
und des Todes. Jetzt ein Ort, wo man wohnen kann, wo der Tod<br />
keinen Platz mehr hat, wo man nicht mehr weint oder schreit,<br />
sondern wo Gott einem die Tränen abwischt. Für mich ist dieses<br />
Bildwort eines der schönsten, die unsere große<br />
Auferstehungshoffnung ausdrücken. Eigentlich müßte das über<br />
jedem Grab stehen: „Gott wird abwischen alle Tränen.“ Ich habe<br />
diesen Satz unter die N<strong>am</strong>ensliste hier vorne geschrieben. Und<br />
wenn Sie nach dem Gottesdienst eines dieser Lichter auf dem<br />
Taufbecken anzünden, dann können Sie innerlich Ja sagen da<strong>zu</strong>.<br />
Ja, Gott wird abwischen alle Tränen, das ist mein Glaube, das<br />
tröstet mich. Und d<strong>am</strong>it kann man weiterleben. D<strong>am</strong>it sind die<br />
schwierigen Lebenserfahrungen, das Leid und der Tod, nicht<br />
ausgekl<strong>am</strong>mert. Im Gegenteil, wir nehmen sie mit hinein in unseren<br />
Glauben, selbst wenn es keine einfachen Erfahrungen sind. „Wer<br />
überwindet“, sagt Johannes <strong>am</strong> Schluß. Und es kostet auch immer<br />
wieder Überwindung, wenn es einen persönlich betrifft, oder wenn<br />
4
man wieder <strong>am</strong> Grab steht und einen die Trauer überkommt. Aber<br />
wer überwindet, sagt Johannes, der wird alles ererben, und ich<br />
werde sein Gott sein und er wird mein Sohn sein. Und dann gibt es<br />
nichts, was zwischen mir und Gott steht.<br />
Und auch dafür hat Mascha Kaléko Worte gefunden – für mich<br />
gehören sie <strong>zu</strong> den schönsten ihrer Texte und sind auch Ausdruck<br />
unserer Auferstehungshoffnung, für das, was dann sein wird:<br />
Ich tat die Augen auf und sah das Helle,<br />
mein Leid verklang wie ein gehauchtes Wort. –<br />
Ein Meer von Licht drang flutend in die Zelle,<br />
Das trug wie eine Welle mich hinfort.<br />
Und Licht ergoss sich über jede <strong>St</strong>elle,<br />
Durchwachte Sorgen gingen leis <strong>zu</strong>r Ruh. –<br />
Ich tat die Augen auf und sah das Helle,<br />
Nun schließ ich sie so bald nicht wieder <strong>zu</strong>.<br />
Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere menschliche<br />
Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.<br />
Amen.<br />
5