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Predigt von Pfr. Dr. Hans-Joachim Petsch zum ... - St. Stephan

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„Menschen bilden Menschen“Gottesdienst für Hochschule und Gemeinde am 3.7.2011<strong>von</strong> <strong>Pfr</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Hans</strong>-<strong>Joachim</strong> <strong>Petsch</strong>Da sitzen sie beisammen, alle, die in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft etwas zusagen haben. „Zukunftsfähiges Deutschland –zukunftsfähige Menschen!“ So lautetdie Tagesordnung. Wir hören ein bisschen zu. Wie sollen die Menschen sein? „Aufalle Fälle flexibel sollen sie sein“, meint einer. „So, dass sie ohne Zögern sowohl inWuppertal oder in Würzburg als auch in Shanghai, in Hamburg oder in Riad eingesetztwerden können, wenn die Firma das braucht.“„Jawohl“, nickt eine Frau in der Runde, „supermobile Singles brauchen wir – derenLebensziel nicht darin besteht, irgendwo in einem spießigen Reihenhaus abzuhängen.Und zugleich sollen unsere Leute natürlich auch voll kreativ sein.“ BeifälligesNicken am Tisch. „Genau“, stimmt ein Teilnehmer zu, „wir brauchen innovative Leute,mit frischen Ideen, die uns Wettbewerbsvorteile sichern.“ „Aber bitte keine Überflieger“,gibt ein Politiker zu bedenken. „Nicht diese hochnäsigen Intellektuellen-Typen,die an allem bloß rumkritisieren!“ „Na ja“, meint eine hochkarätige Bildungspolitikerinlächelnd, „die sterben eh langsam aus, seit wir auf Bachelor umgestellt haben! Damuss stramm und zielorientiert studiert werden, um die Credit-Points zu bekommen. “„Hoffentlich, hoffentlich“, meint ein smarter Wirtschaftsvertreter. Und fügt hinzu: „Wirbrauchen keine Eigenbrötler, sondern Teamplayer. Menschen, die sich ins größereGanze einordnen, die sich verantwortungsbewusst mit den Unternehmenszielenidentifizieren. Aus der Sicht der Wirtschaft“, meint er bedeutungsschwer, „ist BildungInvestition in Humankapital!“ „Klar, das sehen wir doch auch so“, meinen dazu dieanwesenden Bildungspolitiker unisono.„Also dann ans Werk meine Damen und Herren, lassen Sie uns das zukunftsfähigeDeutschland mit zukunftsfähigen Menschen schaffen“, sagt die Vorsitzende undschließt die Sitzung mit gewohnt fröhlichem Lachen.Diese kleine Szene ist natürlich frei erfunden. Aber realitätsfern ist sie nicht. Wir kennensie, die schönen Parolen. Sie rufen die Bildungs-, Lern- und Wissensgesellschaftaus. Sie schärfen uns ein, den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Deutschlandzu erhalten. Heißt konkret: Wer sich nicht selbst ins soziale Abseits stellen will, hatdie Pflicht, lebenslang zu lernen. Wer sich nicht weiter bildet, bildet sich zurück! So1


einfach ist das. „Zukunft Bildung“ heißt das Programm. Das Spektrum reicht <strong>von</strong> diversenBildungsgipfeln und Bildungsoffensiven bis hin zu Bildungsgutscheinen.Das alles ist, wohlgemerkt, nicht schlecht. Aber zugleich kriege ich den Verdachtnicht los, dass es hier um maßgeschneiderte, bedarfsgerechte Menschenbildungjust in time und on demand geht, um eine Bildung, die ökonomischen Zwecken untergeordnetwird. Nach dem Motto: Lasst uns Menschen machen, die reibungslos indiese globalisierte Welt passen, systemkonforme Menschen, die sich keine überflüssigenGedanken über Gott und die Welt machen. Menschen, die funktionieren. Dafürdürfen sie kostengünstig konsumieren und sich köstlich amüsieren.Lasst uns Menschen schaffen, lasst uns Menschen machen – das klingt nach Bibel:„Lasset uns Menschen machen ...“, heißt es in der Schöpfungsgeschichte, die dannso fortfährt: „Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, <strong>zum</strong> Bilde Gottesschuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.“ Viele Fragen, viele Spekulationengelten der Frage, was das genau bedeutet: der Mensch – Ebenbild Gottes. Vielleichtschlicht dies: es ist etwas ganz Besonderes um den Menschen, ein letztes, unauflöslichesGeheimnis, das auf Gott verweist, auf etwas Göttliches im Menschen. Dasverleiht ihm eine einzigartige Würde, die ihm <strong>von</strong> Anfang an zukommt, die er nichterst erwerben und verdienen muss. Psalm 8 spricht das das so aus: „Was ist derMensch, dass du seiner gedenkst ... Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott!“Ganz groß wird hier vom Menschen gedacht: was für ein Anspruch und Zuspruchzugleich. Und wir heute? Wollen wir uns wirklich freiwillig aufs Klein-Klein-Format<strong>von</strong> Leistungsträgern runter brechen lassen?Der Mensch – Gottes Ebenbild! Unser traditionsreiches Wort „Bildung“ hat hier seineWurzel. Bei Meister Eckhart im Mittelalter meinte Bildung den Weg zu Gott. Und amEnde des 18. Jhdts. schreibt Wilhelm <strong>von</strong> Humboldt: „Der wahre Zweck des Menschen(nicht der, welchen die wechselnde Neigung, sondern welchen die ewig unveränderlicheVernunft ihm vorschreibt) ist die höchste und proportionierlichste Bildungseiner Kräfte zu einem Ganzen.“Wozu sind wir da? Was ist unser Zweck hier auf Erden? Humboldt antwortet daraufso: Damit wir alles, was in uns steckt, zu einem stimmigen Ganzen heranbilden können.Alle Gaben und Talente, die in uns stecken, sollen gleichrangig <strong>zum</strong> Zugekommen. Es macht deshalb Sinn, zwischen Ausbildung und Bildung zu unterscheiden.Denn: Ausgebildet wird man, aber bilden kann man nur sich selbst.2


Von den ersten Seiten der Bibel bis heute zieht sich diese Grundlinie: dass diemenschliche Würde darin besteht, nicht Mittel für fremde Zwecke, sondern Selbstzweckzu sein. Deshalb steht es uns zu, dass wir uns selbst bilden – entwickeln undentfalten – können.Humboldt war ein Schüler <strong>von</strong> Immanuel Kant. Und der schrieb: „Handle so, dass dudie Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen jederzeitzugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“ Das steht für mich ineiner Linie mit dem Menschen als Ebenbild Gottes. Ich darf, heißt das, andere Menschennicht als Mittel für meine Zwecke missbrauchen, darf sie nicht wie Schachfigurenmissbrauchen, um meine Ansprüche und Ziele zu erfüllen. Und das gilt nicht nurin den zwischenmenschlichen Beziehungen, sondern auch für das gesellschaftlicheZusammenleben insgesamt.Da stellt sich die Frage: sollen wir es hinnehmen, nur noch formbare Knetmasse inden Händen anderer zu sein, die uns nach ihrem Bild formen möchten, damit wirnach den Bedürfnissen der Wirtschaft funktionieren. Und noch viel mehr gilt das fürdas Unwort vom Humankapital. Jeder Mensch ist <strong>von</strong> Haus aus wertvoll, aber dochnicht als Kapitalanlage, als lohnende Investitionschance. Der Würzburger ErziehungswissenschaftlerAndreas Dörpinghaus formuliert das so: „Die geheime Logik,die hinter dem großen Wunsch nach Ausbildung und Anwendbarkeit <strong>von</strong> Bildung undWissen steht, ist die Verwertbarkeit und der Rückfluss <strong>von</strong> Humankapital. Die Nutzbarmachung<strong>von</strong> Bildung und ihre Unterordnung unter das ökonomische Gesetz desProfits befördern Bildung aber nicht – im Gegenteil. Bildung und der Mensch sindSelbstzweck, dürfen also nicht als Mittel missbraucht werden. Der Mensch geht inseinem Menschsein nicht darin auf, Humankapital und Mittel für beliebige Zwecke zusein.“Wir brauchen eine gute Ausbildung, die wir durch permanente Weiterbildung auf demLaufenden halten. Wir bemühen uns darum, an unserem Platz irgendwie nützlicheMitglieder der Gesellschaft zu sein. Alles zugegeben! Aber zugleich sind wir als GottesEbenbild dazu da, uns selbst in aller Freiheit zu bilden: die Gaben und Talente,die in uns stecken, zu entfalten. Das zu tun, was uns innerlich weiterbringt, was unsmenschlich bereichert, was unsere Träume und Visionen sind, was uns Spaß macht,auch wenn es keinen großen Nutzen zu haben scheint. Bildung – als eigensinnigeSelbstgestaltung meines Lebens! Bildung als lebenslange Suchbewegung.3


Anders gesagt: Es gibt Bildungsziele und Bildungsgüter, die sich weder in Qualifikationennoch in Zertifikate umsetzen lassen, deren Wert nicht in einem Zugewinn anKarrierechancen und Gehaltssteigerungen besteht. Die also keinen messbaren Nutzenhaben und dennoch wertvoll sind.Bildung ist dann wie jener Schatz im Acker, <strong>von</strong> dem Jesus in seinem Gleichnisspricht. Eine kostbare Perle, um deretwillen es sich lohnt, aufzubrechen, alles anderesausen zu lassen, um diesen Schatz zu erwerben, alle Güter zu verkaufen, ohne etwaszurückzubehalten, um ihn erwerben. Bildung als Suche nach dem wahren, demwirklich wertvollen Schatz macht uns skeptisch gegenüber allen falschen Perlen, dieuns die Illusion <strong>von</strong> Lebenschancen vorgaukeln, die sich aber nur als heiße Luft herausstellen.Bildung als lebenslange Schatzsuche macht uns kritisch gegenüber allen,die uns nach ihrem Bild formen möchten, die uns vor den Karren ihrer Interessenund Zwecke spannen wollen. Dem können wir etwas ganz Großes entgegensetzen:Nein danke, wir sind schon gebildet - als Gottes Ebenbild.Prof.<strong>Dr</strong>. Hajo <strong>Petsch</strong>, Dipl.-Päd.4

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