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Das Altarkreuz - Sankt Kastulus Moosburg

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<strong>Das</strong> <strong>Altarkreuz</strong> –<br />

„innere Ostung“ und gemeinsame Orientierung<br />

Im Dezember 2007 erklärte der damals noch neue päpstliche<br />

Zeremoniar Prälat Guido Marini in der Vatikanzeitung „Osservatore<br />

Romano“, Papst Benedikt XVI. wünsche, daß das Kruzifix wieder<br />

auf den Hauptaltar von St. Peter gestellt werde, und nicht mehr, wie<br />

unter dem früheren Zeremonienmeister Erzbischof Piero Marini<br />

üblich, nur neben den Altar. Begründet wurde dies in besagtem<br />

Interview damit, daß das Kreuz ja das Zentrum der Meßfeier bilde<br />

und uns daran erinnere: „Wir schauen uns nicht gegenseitig an,<br />

sondern auf den einen, der für uns geboren, gestorben und auferstanden<br />

ist.“<br />

Im weiteren Verlauf des Interviews erwähnt der neue Zeremoniar<br />

auch das im Jahr 2000 erschienene Buch von Joseph Ratzinger<br />

„Vom Geist der Liturgie“, in dem der damalige Kardinal schreibt,<br />

das Kreuz auf dem Altar symbolisiere ein „inneres Osten“ des<br />

Glaubens, stehe doch von Anfang an der Osten und die dort aufgehende<br />

Sonne für den auferstandenen, erhöhten und wiederkehrenden<br />

Christus, dem sich bei der Feier des eucharistischen<br />

Opfers der Zelebrant zusammen mit der feiernden Gemeinde<br />

zuwende.<br />

In der Tat schreibt unser heutiger Papst in seinem damals schon<br />

vielbeachteten Werk im Kapitel über den Altar und die Gebetsrichtung<br />

in der Liturgie: „Die Gebetsrichtung nach Osten ist<br />

Tradition vom Anfang her und grundlegender Ausdruck der<br />

christlichen Synthese von Kosmos und Geschichte… Die gemeinsame<br />

Wendung nach Osten war nicht „Zelebration zur Wand“,<br />

bedeutete nicht, daß der Priester „dem Volk den Rücken zeigt“: So<br />

wichtig wurde er gar nicht genommen. Denn wie man in der<br />

Synagoge gemeinsam nach Jerusalem blickte, so hier gemeinsam<br />

„zum Herrn hin“. Es handelte sich vielmehr um Gleichrichtung von<br />

Priester und Volk, die sich gemeinsam in der Prozession zum Herrn<br />

hin wußten. Sie schließen sich nicht zum Kreis, sondern sind als<br />

wanderndes Gottesvolk im Aufbruch zum Oriens, zum<br />

kommenden Christus, der uns entgegengeht.“<br />

Ausdrücklich weist der damalige Kurienkardinal darauf hin, daß es<br />

sicher verfehlt wäre, die neuen Gestaltungen, d.h. die Zelebration<br />

„versus populum“ (zum Volk hin) in Bausch und Bogen zu<br />

verwerfen. Ebenso spricht er davon, wie berechtigt es war, den oft<br />

allzu weit von den Gläubigen entfernten Altar wieder an das Volk<br />

heranzurücken und den Ort des Wortgottesdienstes wieder deutlich<br />

vom eigentlichen eucharistischen Gottesdienst abzuheben, „denn<br />

hier geht es tatsächlich um Anrede und Antwort, und so ist ein<br />

Gegenüber von Verkündern und Hörern sinnvoll, die im Psalm das<br />

Gehörte verarbeiten, in sich aufnehmen und in Gebet umwandeln,<br />

so daß es Antwort wird.“ Doch dann sagt er klar und mit<br />

nachdrücklichen und unmißverständlichen Worten: „Wesentlich<br />

bleibt dagegen die gemeinsame Wendung nach Osten beim Hochgebet.<br />

Hier geht es nicht um Zufälliges, sondern um Wesentliches.<br />

Nicht der Blick auf den Priester ist wichtig, sondern der<br />

gemeinsame Blick auf den Herrn, nicht um Dialog geht es nun,<br />

sondern um gemeinsame Anbetung, um den Aufbruch zum<br />

Kommenden hin. Nicht der geschlossene Kreis entspricht dem<br />

Wesen des Geschehens, sondern gemeinsamer Aufbruch, der sich<br />

in gemeinsamer Richtung ausdrückt.“<br />

Unser heutiger Papst umschreibt damit in seinem Beitrag damals<br />

einerseits eine doch nicht unerhebliche Problematik der gegenwärtigen<br />

Zelebrationspraxis, die sich in wenigen Jahren fast weltweit<br />

durchgesetzt hat, warnt aber zugleich davor, „nun wieder alles<br />

umzustellen“. Dann kommt er zur eigentlichen Schlußfolgerung<br />

seiner Überlegungen, die mit einer konkreten Anregung und einem<br />

entsprechenden praktischen Vorschlag verbunden ist: „Ich sehe<br />

einen Ausweg… Die Richtung Osten wurde mit dem ‚Zeichen des<br />

Menschensohnes’ in Verbindung gebracht, mit dem Kreuz, das die<br />

Wiederkunft des Herrn ankündigt. So wurde der Osten sehr früh


mit dem Kreuzzeichen verbunden. Wo die direkte gemeinsame Zuwendung<br />

zum Osten nicht möglich ist, kann das Kreuz als der<br />

innere Osten des Glaubens dienen. Es sollte in der Mitte des<br />

Altares stehen und der gemeinsame Blickpunkt für den Priester<br />

und die betende Gemeinde sein. So folgen wir dem alten<br />

Gebetsruf, der an der Schwelle der Eucharistie stand: ‚Conversi ad<br />

Dominum’ – Wendet euch zum Herrn hin.“<br />

<strong>Das</strong> besagte Kapitel seines Buches abschließend schreibt Kardinal<br />

Ratzinger über die Art des Kreuzes dann folgendes: Es kann sich<br />

„sowohl um ein Passionskreuz handeln, das den Leidenden vergegenwärtigt,<br />

der seine Seite für uns durchbohren ließ, aus der Blut<br />

und Wasser – Eucharistie und Taufe – strömen, wie es sich um ein<br />

Triumphkreuz handeln kann, das den Gedanken der Wiederkunft<br />

ausdrückt und den Blick auf sie lenkt. Denn immer ist es der eine<br />

Herr: ‚Christus, gestern, heute und in Ewigkeit’. (Hebr 13,8).“<br />

Im <strong>Moosburg</strong>er <strong>Kastulus</strong>münster ist es an den Hochfesten im<br />

Kirchenjahr schon seit einigen Jahren so, daß auf dem Zelebrationsaltar<br />

ein großes und wertvolles (wohl ursprünglich aus dem Kloster<br />

Andechs stammendes und im Zuge der Säkularisierung nach<br />

<strong>Moosburg</strong> verbrachtes) goldenes barockes Prachtkreuz aufgestellt<br />

wird, um die „innere Ostung“ und damit die Gebetsorientierung<br />

anzuzeigen, von der der damalige Kardinal Joseph Ratzinger spricht.<br />

Sehr schön wird so an den hohen Festtagen deutlich, daß Christus,<br />

der auferstandene und erhöhte Herr, gemeinsamer Bezugspunkt des<br />

zelebrierenden Priesters und der betenden Gemeinde ist. Durch<br />

Christus im Heiligen Geist zum Vater - diese innere Dynamik der<br />

Eucharistiefeier kommt damit sinnenfällig zum Ausdruck und öffnet<br />

den Kreis der Betenden nach „vorne“ und zugleich nach „oben“.<br />

Bei den Meßfeiern an den normalen Sonn- und Werktagen befand<br />

sich dagegen bisher lediglich ein flaches, liegendes kleineres<br />

Bronzekreuz auf dem Altar, das zwar der dort stehende Priester als<br />

„innere Orientierung“ (oriens = Osten) in den Blick nehmen konnte,<br />

das jedoch für die Gläubigen nicht sichtbar war und somit als<br />

gemeinsame Gebetsorientierung von Priester und Volk nicht in<br />

Erscheinung trat. Trotz interessierter Suche war es schwer, ein<br />

auch nur halbwegs ausreichend hohes, genügend großes und dazu<br />

künstlerisch auch ansprechend gestaltetes Kreuz zu finden, daß<br />

adäquat die Bedeutung einer „inneren Ostung des Gebetes“<br />

wahrzunehmen vermochte.<br />

Nachdem jetzt jedoch ein dem „croce pastorale“ (Pastoralkreuz)<br />

Papst Pauls VI. nachempfundenes <strong>Altarkreuz</strong> erhältlich war,<br />

das in künstlerisch ansprechender Art und Weise diese Bedeutung<br />

wahrnehmen kann, soll fortan dieses aussagekräftige Kreuz als der<br />

„innere Osten“ in der Mitte des Altares stehen, um so der<br />

gemeinsame Blick- und Bezugspunkt für den Priester und die<br />

betende Gemeinde zu sein. Wünschenswert wäre dieses Kreuz im<br />

Sinne des Papstes eigentlich in einer größeren, höheren Ausführung,<br />

die jedoch nur unter einem deutlich höheren finanziellen<br />

Aufwand zu beschaffen wäre. Im Hinblick auf die laufenden<br />

Renovierungs- und Restaurierungsarbeiten im Münster erschien<br />

jedoch derzeit das jetzt im Kunsthandel erhältliche Kreuz auch<br />

schon in seiner vorhandenen Größe gut sichtbar und auch von den<br />

hinteren Bankreihen aus klar genug als solches erkennbar zu sein.<br />

<strong>Das</strong> neue <strong>Altarkreuz</strong> des <strong>Kastulus</strong>münsters ist in Bronze gefertigt<br />

und dem Kreuz des von Papst Paul VI. im Jahr 1963 in Auftrag<br />

gegebenen Hirtenstabes nachempfunden. Dieser als „Papstkreuz“<br />

weltbekannte Hirtenstab wurde von dem neapolitanischen Künstler<br />

Lello Scorzelli (1921-1997) geschaffen und erstmals bei der<br />

Abschlußfeier des Zweiten Vatikanischen Konzils am 8. Dezember<br />

1965 benutzt. Paul VI. selbst bezeichnete das Werk damals als<br />

„kraftvoll und ausdrucksstark“. Auch seine Nachfolger Johannes<br />

Paul I. und Johannes Paul II. übernahmen diesen neuen Kreuzesstab,<br />

ebenso zunächst Papst Benedikt XVI., der jedoch seit Palmsonntag<br />

2008 statt dessen einen goldenen Stab in Kreuzesform<br />

benutzt, der bereits von seinem Vorgänger Pius IX. im 19. Jahr-


hundert verwendet wurde und somit der älteren römischen Tradition<br />

der „Ferula“, dem päpstlichen Kreuz vorhergehender Jahrhunderte,<br />

entspricht.<br />

<strong>Das</strong> neue, dem Papstkreuz Lello Scorzellis nachempfundene <strong>Altarkreuz</strong><br />

stellt ausdrucksstark das „Es ist vollbracht“ des Gekreuzigten<br />

dar; es hält gleichsam den Augenblick fest, in dem Er sein Leben<br />

aushaucht und sich hingibt für das Heil der Welt. Es erinnert daran,<br />

daß die Lebenshingabe Jesu Christi am Kreuz in der Feier des<br />

eucharistischen Opfers fortdauert durch die Jahrhunderte und immer<br />

neu für uns gegenwärtig und an uns wirksam wird, sooft wir am<br />

Altar das Geheimnis unserer Erlösung feiern.<br />

Neben den Kirchen in unserer Pfarrei, in denen die ursprüngliche<br />

Zelebrationsrichtung „versus orientem“ (nach Osten) sinnvollerweise<br />

auch heute weiterhin bewahrt und gepflegt wird, möge so im<br />

<strong>Moosburg</strong>er <strong>Kastulus</strong>münster (und dann in absehbarer Zeit auch in<br />

der Kirche St. Pius in der Neustadt) durch dieses Kreuz in der Mitte<br />

des Altares – für Priester und Gemeinde gleichermaßen – der angezeigt<br />

werden, der seine Seite für uns durchbohren ließ, damit<br />

daraus die Sakramente der Kirche entspringen, die uns Anteil geben<br />

an seinem Triumph über Sünde und Tod und Teilhabe an seinem<br />

göttlichen Leben.<br />

Geradezu wie eine Zusammenfassung des Gesagten liest sich das,<br />

was Papst Benedikt vor kurzem im Vorwort des ersten veröffentlichen<br />

Bandes seiner elfbändigen „Gesammelten Werke“ schreibt:<br />

„Der Gedanke, daß Priester und Volk sich beim Gebet gegenseitig<br />

anschauen sollten, ist erst in der Moderne entstanden und der alten<br />

Christenheit völlig fremd. Priester und Volk beteten ja nicht zueinander,<br />

sondern zum einen Herrn hin. Deshalb schauen sie beim<br />

Gebet in dieselbe Richtung, entweder nach Osten als kosmisches<br />

Symbol für den kommenden Herrn oder, wo dies nicht möglich war,<br />

auf ein Apsisbild Christi, auf ein Kreuz oder einfach gemeinsam<br />

nach oben.“ Die besagte, im Jubiläumsjahr 2000 noch als Kardinal<br />

gemachte praktische Anregung aufgreifend, schreibt dann der<br />

Papst: „Inzwischen setzt sich erfreulicherweise immer mehr der<br />

Vorschlag durch, … nicht neue Umbauten zu machen, sondern<br />

einfach das Kreuz in die Mitte des Altares zu stellen, auf das<br />

Priester und Gläubige gemeinsam hinschauen, um sich so auf<br />

den Herrn hinführen zu lassen, zu dem wir alle miteinander<br />

beten.“<br />

Gewiß wird nicht jedem Gottesdienstbesucher und Priester die<br />

Bedeutsamkeit dieser äußeren Zeichenhaftigkeit und inneren Sinngebung<br />

restlos einleuchten bzw. ganz verständlich und nachvollziehbar<br />

sein. Selbst von liturgischen Fachleuten läßt es sich ja zum<br />

jetzigen Zeitpunkt schwer abschätzen, ob sich in den kommenden<br />

Jahren und Jahrzehnten dieser Vorschlag einmal in der Weltkirche<br />

durchsetzen und dann auch wirklich in seiner Zeichenhaftigkeit im<br />

Bewußtsein von Priestern und Gläubigen wirksam und prägend<br />

wird oder aber lediglich nur als liturgiegeschichtliche Randepisode<br />

enden wird.<br />

Im Vertrauen auf die pastorale Umsicht und theologische Weitsicht<br />

unseres Heiligen Vaters Papst Benedikt XVI. soll jedoch in der<br />

<strong>Moosburg</strong>er Münsterpfarrei seine Anregung aufgegriffen und<br />

umgesetzt werden, um damit der würdigen und ansprechenden<br />

Feier des eucharistischen Opfers zu dienen, die unserem Papst nach<br />

seinen eigenen Worten so sehr am Herzen liegt, damit der „innere<br />

theologische Gehalt“ und die „äußere liturgische Gestalt“ der<br />

heiligen Messe sich voll und ganz entsprechen. Dieses großes<br />

Anliegen des „bayerischen Papstes“ möge für uns auch ansonsten<br />

Verpflichtung und Ansporn sein, die heilige Messe in aller Würde<br />

und Schönheit zu feiern „zur Ehre Gottes und zum Heil der<br />

Menschen“, „zum Lob und Ruhme seines Namens und zum Segen<br />

für uns und seine ganze heilige Kirche.“<br />

Hans-Georg Platschek<br />

Stadtpfarrer und Dekan

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