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P.T. MAGAZIN 06/2009

Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

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Politik 7<br />

(Foto: Wikimedia Commons/Aleph/CC)<br />

als Stärke betrachtet. Sozusagen die<br />

Befürworter eines Lebens mehr in<br />

Eigenregie. Die Dialektik funktioniert<br />

wie folgt: Der starke Staat wird<br />

immer dann gerufen, wenn man<br />

den Menschen selbst nichts zutraut.<br />

Die Kraft des Individualismus wird<br />

dann geweckt, wenn man dem<br />

Staat nichts mehr zutraut oder besser<br />

gesagt, ihm nicht mehr über den<br />

Weg traut.<br />

NN: Wie stark ist das Sicherheitsbedürfnis<br />

der Deutschen, alles regeln zu<br />

wollen, die Augen vor notwendigen<br />

Veränderungen zu verschließen und<br />

sich ängstlich ins Schneckenhaus des<br />

Spießbürgers zurückzuziehen?<br />

Felixberger: Die meisten Menschen<br />

sind nicht veränderungsbereit. Vor<br />

allem die 40- bis 60-Jährigen. Sie<br />

wollen überwiegend, dass alles so<br />

bleibt, wie es ist. Im Klartext, ihren<br />

Wohlstand und ihre Lebensqualität<br />

sichern. Das Motto: Wir retten uns<br />

bis zur Rente, um dann Ruhe vor<br />

dem turbulenten Leben zu haben.<br />

Kein Wunder, dass der Staat sie auf<br />

diesem Weg beschützen soll.<br />

Die Jüngeren haben aber längst<br />

begriffen, dass ihr Leben riskant,<br />

bunt schillernd, unscharf und ständigen<br />

Veränderungen unterworfen<br />

ist. Das Schicksal selbst in die Hand<br />

zu nehmen, ist das Mantra dieser<br />

Generation.<br />

Sie haben wenig Erwartungen an<br />

die Politik, warten aber nicht mehr<br />

länger, dass etwas passiert. Sie tun<br />

was, auch wenn der materielle<br />

Wohlstand auf der Strecke bleibt.<br />

Sie übernehmen Verantwortung für<br />

sich selbst und die Gesellschaft. Hier<br />

reifen die wirklich starken Jahrgänge<br />

heran.<br />

Typ Öko-Apokalyptiker? Laut Felixberger wohl, denn: „Sie reden mit erhobenem<br />

Zeigefinger über Klimakatastrophe, Umweltzerstörung und der Vernichtung<br />

natürlicher Lebensgrundlagen. Eine Rettung ist für sie nur in Sicht, wenn wir uns<br />

ihrem Diktum unterwerfen.“<br />

NN: Einen wirklichen Wandel zur<br />

Stärkung der Freiheit sieht der Soziologe<br />

Wolfgang Sofsky auch nach dem<br />

Sieg des schwarz-gelben Lagers nicht.<br />

Freiheitsgewinn hieße generell: Abbau<br />

von Zwängen, Regeln, Ämtern und<br />

Behörden, nicht zuletzt Räume ohne<br />

Gebote und Verbote. Das sei auch<br />

unter Schwarz-Gelb nicht zu erwarten.<br />

Geht es um konkrete Politik wie beim<br />

Glühbirnen- oder Rauchverbot, tendieren<br />

wir dazu, der Gesellschaft Vorschriften<br />

zu machen und sie in eine<br />

Ordnung zu zwängen, die angeblich<br />

zu ihrem Besten ist.<br />

Frischer Wind sieht anders aus, oder<br />

was denken Sie?<br />

Felixberger: Die FDP verwechselt<br />

die Freiheit jedes Einzelnen mit<br />

wirtschaftlicher Freiheit. Letztere<br />

basiert unter anderem auf der wirtschaftlichen<br />

Allmachtsfantasie,<br />

eine prosperierende Wirtschaft<br />

ziehe eine selbige Gesellschaft nach<br />

sich. Tut sie aber nicht, wie wir<br />

gerade auch in China eindrucksvoll<br />

beobachten können.<br />

Und sie tut es auch in Deutschland<br />

nicht, wo wirtschaftliche Freiheit zu<br />

volksverdummenden Massenmärkten<br />

geführt hat, in der den Konsumschafen<br />

das Immergleiche und<br />

Überflüssige aufgezwängt wird.<br />

Die Freiheit des Einzelnen führt hingegen<br />

zu kreativer Vielfalt an Ideen<br />

und Produkten, in denen der Gegensatz<br />

von Konsument und Produzent<br />

aufgelöst wird. Frischer Wind sind<br />

mündige Bürger und Konsumenten,<br />

die der heutigen sozialistischen Einheitswirtschaft<br />

etwa bei Lidl, Aldi &<br />

Co. eine Absage erteilen können. Ich<br />

sage bewusst „können“, weil viele<br />

aus materiellen Gründen noch auf<br />

Discounter angewiesen sind.<br />

NN: In einem Namensbeitrag für das<br />

Buch „Die kreative Revolution“ von<br />

Wolf Lotter formulieren Sie, dass Wirtschaft<br />

und Gesellschaft vom abweichenden<br />

Verhalten ihrer Akteure<br />

abhängig sind. Abweichler und<br />

Spinner seien die perfekten Dekonstruktivisten<br />

und idealen Türöffner in<br />

künftige Massenmärk te. Sie seien die<br />

kreativen Zerstörer der industriellen<br />

Ökonomie. Ohne diese bunten Hunde<br />

finde Ökonomie gar nicht mehr statt.<br />

Gibt es Beispiele für Persönlichkeiten,<br />

die diesen mentalen Wandel einleiten<br />

und die die antiquierten Eliten aus<br />

den guten alten Tagen des Industriekapitalismus<br />

in Rente schicken?<br />

Felixberger: Die beiden amerikanischen<br />

Zukunftsforscher Ryan<br />

Mathews und Watts Wacker haben<br />

hierzu wegweisende Forschungen<br />

vorgelegt.<br />

Ihre These: Die Abweichler und<br />

Spinner sind in Zukunft die Motoren<br />

erfolgreicher Unternehmen. Sie<br />

machen sich den schnellen Wandel<br />

und die Auflösung alter Kontexte<br />

zunutze. Die ungezähmten Ideen an<br />

der Peripherie sind der Rohstoff, aus<br />

dem morgen glänzende Markterfolge<br />

erwachsen. Sie bestimmen,<br />

wie der Mainstream aussieht. Egal,<br />

wie abwegig sie sind.<br />

P.T. <strong>MAGAZIN</strong> 6/<strong>2009</strong>

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