PDF-Format 2,3 MB - Pfarre Krim
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Blick über den Zaun<br />
4<br />
Leb wohl, Pater Isidor!<br />
Ein Nachruf auf eine Legende von Paul W. Herzog.<br />
m Ende hattest du dich schon<br />
A an die „Legende“ gewöhnt,<br />
den Ausdruck, den ich dir zu deinem<br />
85er verpasst hatte. Und wie<br />
immer verstandest du es, dieses<br />
Attribut in deiner unvergleichlichen<br />
Art humorvoll umzusetzen und<br />
mich mit meinen eigenen Waffen<br />
zu schlagen: mein Respekt sei dir<br />
willkommen, schließlich „bin ich ja<br />
`ne Legende!“.<br />
Freilich hatte sich mein Respekt,<br />
den ich noch als kleiner Ministrant<br />
vor dir hatte, in den letzten Jahren<br />
in jene Art Respekt entwickelt, wie<br />
man ihn auch einem älteren, nahen<br />
Verwandten entgegenbringt:<br />
die natürliche Achtung, gepaart<br />
aber mit dem Gefühl der Nähe<br />
und Vertrautheit. In diesem Sinn<br />
waren unsere Begegnungen für<br />
mich stets für Herz und Seele<br />
wohltuende Erlebnisse – und sehr<br />
oft auch für das Zwerchfell!<br />
Alle - bis auf unsere letzte, als du<br />
auf der Intensivstation der Barmherzigen<br />
Brüder lagst, unfähig zu<br />
sprechen, aber doch noch voller<br />
Kraft, voller Ungeduld! Du hast<br />
deine rechte, freie Hand zu Faust<br />
geballt und immer wieder auf das<br />
Kissen getrommelt, so als ob du<br />
sagen wolltest, komm doch mal<br />
zum Punkt! Und ich hab dir erzählt,<br />
viel Banales dabei, vieles,<br />
was mich bewegt hat, ich hab mit<br />
dir gebetet - manchmal hast du<br />
wieder meine Hand gehalten,<br />
wenn ich dir von meiner Braut erzählt<br />
habe, die du noch mit mir<br />
trauen wolltest - und ich hab versucht,<br />
in dich hinein zu hören, am<br />
Flackern deiner Augen eine Reaktion<br />
zu erkennen. Und ich habe gehofft,<br />
dass diese Begegnung nicht<br />
die letzte sein sollte - so gern würd<br />
ich dich noch einmal lachen hören!<br />
Dein Lachen war ja so etwas wie<br />
dein Markenzeichen. Ich denk da<br />
an den Sonntag vor deinem 85er,<br />
als Pater Alois in der Sakristei seinen<br />
Konzelebranten fragte: „Du<br />
Isidor, magst du die beiden Witze<br />
bringen, die du uns beim Frühstück<br />
erzählt hast?“ Und ob du<br />
wolltest - und so lernten die Messbesucher<br />
und ich, wie man, wie<br />
Alois es tat, anhand zweier Witze<br />
eine wunderbare Predigt gestalten<br />
kann.<br />
Und mir fällt jene legendäre Geburtstagsmesse<br />
ein - ich glaub zu<br />
deinem 80er war es -, in der zu<br />
deiner Freude und zum Gaudium<br />
der Gratulantenschar jede Gruppierung<br />
einen Witz zum Besten<br />
bringen musste und so große Teile<br />
der Messe hindurch eigentlich fast<br />
nur gelacht wurde.<br />
Ja, wir haben viel gelacht, auch<br />
schon in deiner ersten <strong>Krim</strong>-Ära.<br />
Nicht nur von den Ministranten<br />
kann ich das sagen, auch von den<br />
Familienrunden, die du ebenso<br />
aufgebaut hast. Meine Eltern waren<br />
dabei in einer deiner Runden,<br />
und ich kleiner Bub wollte unbedingt<br />
mitkriegen, was da so besprochen<br />
wird. Und so platzte ich<br />
immer wieder in die Gespräche<br />
hinein, in denen, wie könnt es bei<br />
dir anders sein, auch viel und<br />
herzlich gelacht wurde. Den Sinn<br />
des Ganzen hab ich erst viel später<br />
begriffen - aber gewusst hab<br />
ich, da ist jemand, der meine Eltern<br />
und deren Freunde ernst<br />
nimmt, ihnen zuhört, mit ihnen<br />
redet - und mit ihnen lacht! Und<br />
das war mir das Wichtigste!<br />
Ja, du hast in deinem Leben sicher<br />
viele, unendlich viele Gespräche<br />
geführt. Als Priester, und vor<br />
allem als Mensch. Wieder fällt mir<br />
ein, wie du einmal gesagt hast, es<br />
kann nicht die Aufgabe eines<br />
Priesters sein, „sein Gegenüber<br />
einzulullen, und auf einmal ist er<br />
katholisch und weiß nicht wieso“.<br />
Nein, du bist immer klar zu deiner<br />
Überzeugung gestanden, und du<br />
hast es aber auch respektiert,<br />
wenn jemand - aus welchen Gründen<br />
auch immer - eine andere<br />
Meinung als du vertreten hat. Du<br />
hast in jedem zunächst den Menschen<br />
gesehen, in seinem ehrlichen<br />
Bemühen, und hast versucht<br />
ihm zu helfen, selbst den Glauben<br />
zu finden.<br />
P. Isidor Fecher osfs, 1924 - 2009<br />
Es tut mir leid, dass unsere letzte<br />
Begegnung kein beidseitiges Gespräch<br />
mehr zuließ. So gern hätte<br />
ich deine Antworten gehört, und<br />
so gern hätte ich dir Danke gesagt<br />
für all dein segensreiches Tun und<br />
Wirken! Lass es mich jetzt nachholen<br />
- ich weiß, von irgendwo da<br />
oben schaust du mir auf die Finger<br />
- und dir danken, dass du mit deinem<br />
Humor, deinem Witz, deiner<br />
Lebensfreude, deiner inneren Jugendlichkeit,<br />
deiner Liebe zur <strong>Krim</strong><br />
(also zu uns allen) und deinem<br />
großen und verständnisvollen Herzen<br />
so lange - und doch viel zu<br />
kurz - in unserer Mitte warst!<br />
Und sei dir gewiss: in unseren<br />
Herzen auch weiterhin bleibst! In<br />
diesem Sinne: Leb wohl, Pater Isidor!<br />
Foto: Kleibel