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Werte stiften - Magazin für Stifter, Stiftungen und engagierte Menschen

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Portraits<br />

Vor ihm die Freiheit, vor ihm die Frage<br />

nach dem „<strong>und</strong> dann?“<br />

Die Zentralstelle für Strafentlassenenhilfe in Nürnberg<br />

bietet Hilfe für Inhaftierte <strong>und</strong> Haftentlassene<br />

von Michael Kniess<br />

„Meine endgültige Verelendung wäre vorprogrammiert gewesen“,<br />

sagt Peter L.. Als sich das Eisentor der Justizvollzugsanstalt<br />

im Frühherbst des vergangenen Jahres hinter dem 45-jährigen<br />

Nürnberger geschlossen hatte, seien dies seine ersten Gedanken<br />

gewesen. Vor ihm die Freiheit. Vor ihm aber auch die Unsicherheit<br />

<strong>und</strong> die Frage nach dem „<strong>und</strong> dann“.<br />

„Dass ich auf diese Einrichtung gestoßen bin, ist das Beste,<br />

was mir je passiert ist“, sagt er. Sein Anker: Die Nürnberger Zentralstelle<br />

für Strafentlassenenhilfe (ZfS), getragen von der Caritas,<br />

dem Bayerischen Landesverband für Gefangenenfürsorge<br />

<strong>und</strong> Bewährungshilfe, der JVA Nürnberg, der Stadtmission <strong>und</strong><br />

dem AWO Kreisverband Nürnberg. Im vergangenen Herbst feierte<br />

diese ihren 40. Geburtstag. Seit Oktober 1972 hilft die Beratungsstelle<br />

für Haftentlassene <strong>und</strong> Inhaftierte <strong>Menschen</strong> wie<br />

Peter L.. Der gelernte Bäcker kommt aus familiären Verhältnissen,<br />

die „nicht die besten Voraussetzungen für einen geraden<br />

Lebensweg boten“, wie er selbst sagt. Peter L. pflegt zwei<br />

Jahre seine bettlägerige Mutter <strong>und</strong> schließlich auch seinen<br />

Vater, der zudem an Alzheimer erkrankt.<br />

Dazu kommen finanzielle Probleme. Sein Bruder plündert<br />

die Konten der Familie. Es bleiben Schulden. Zuviel für Peter L..<br />

„Der ständige Druck, die ganzen Rechnungen, die Situation<br />

war für mich nicht mehr zu lösen“, sagt er. Peter L. bricht zusammen.<br />

„Ich habe versucht, all das Erlebte mit Alkohol <strong>und</strong><br />

Tabletten zu kompensieren.“ Er rutscht in die Abhängigkeit.<br />

Sein Leben entgleitet ihm zunehmend. Statt vom Lohn als Bäcker<br />

lebt er fortan von Hartz-IV. Er gerät ins Drogenmilieu <strong>und</strong> an<br />

falsche Fre<strong>und</strong>e.<br />

Wer draußen niemanden hat,<br />

steht vor dem Nichts<br />

Es sind <strong>Menschen</strong> mit Brüchen in ihren Lebensläufen, die<br />

in der Zentralstelle ihre letzte Chance sehen. „Wir haben es<br />

mit <strong>Menschen</strong> zu tun, die in einem gewissen Milieu aufgewachsen<br />

sind <strong>und</strong> den Absprung nicht geschafft haben oder<br />

abstürzen, weil ihnen ihr geregeltes Leben wegbricht“, sagt<br />

Susanne Rüd. Die Diplom-Pädagogin gehört seit r<strong>und</strong> drei Jahren<br />

zum fünfköpfigen Team der Zentralstelle, das im Jahr 2011<br />

mehr als 700 aus der Haft entlassene <strong>Menschen</strong> beraten hat.<br />

„Unsere Klienten haben kein kompetentes soziales Umfeld,<br />

das sie auffängt, wenn sie in die Freiheit entlassen werden.“<br />

Auch das ins Straucheln geratene<br />

Leben von Peter L. mündet schließlich<br />

in der Kriminalität. Er missbraucht<br />

Substitutionsmittel <strong>und</strong> wird<br />

mehrmals beim Diebstahl von Lebensmitteln<br />

erwischt. Er muss für<br />

mehrere Monate ins Gefängnis.<br />

Vermeintlich geringe Straftaten, die<br />

in der Summe aber auch zu einer Gefängnisstrafe<br />

führen, sind für Susanne<br />

Rüd keine Seltenheit. „Wir<br />

haben es sehr oft mit Delikten zu<br />

tun, die bei einem einmaligen Vergehen<br />

nur zu einer Verwarnung, einer<br />

Geldstrafe oder zu Sozialst<strong>und</strong>en<br />

führen. Was die Pädagogin immer<br />

wieder erlebt: Wenn am Ende des<br />

Geldes noch zu viel vom Monat übrig<br />

14 ❚ <strong>Werte</strong> <strong>stiften</strong>

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