Gemeindebrief der evangelischen ... - meinekirche.info
Gemeindebrief der evangelischen ... - meinekirche.info
Gemeindebrief der evangelischen ... - meinekirche.info
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
An(ge)dacht<br />
Wie tröstet eine Mutter?<br />
Kin<strong>der</strong> reden ohne Punkt und<br />
Komma, wie es ihnen ums Herz ist.<br />
Die Mutter unterbricht nicht, hört einfach<br />
zu. Sie ist nicht sofort mit klugen<br />
Ratschlägen dabei, son<strong>der</strong>n nimmt<br />
ihr Kind in den Arm. Wer tröstet, gibt<br />
dem an<strong>der</strong>en Zeit um sich ausweinen<br />
zu können. Nicht nur ein Kind braucht<br />
das Gefühl: Meine Mutter versteht<br />
mich nicht nur, son<strong>der</strong>n sie steht auch<br />
bedingungslos zu mir.<br />
Wie tröstet aber Gott?<br />
Der unbekannte Prophet (später<br />
<strong>der</strong> „Dritte Jesaja“ genannt) lebt unter<br />
den Rückkehrern aus dem babylonischen<br />
Exil. In Jerusalem wurde <strong>der</strong><br />
Tempel wie<strong>der</strong> aufgebaut. Der Prophet<br />
kritisiert den Tempelbau. Die Rückkehrer<br />
hatten im Exil Gott an<strong>der</strong>s verehrt.<br />
In Babylon - einen Tempel gab es<br />
nicht - waren Synagogen entstanden.<br />
Notgedrungen hatte das Volk statt Opferkult<br />
im Tempel, in <strong>der</strong> Synagoge das<br />
Lesen und gemeinsame Hören aus <strong>der</strong><br />
Thora gepflegt. Und die in Jerusalem<br />
Gebliebenen freuten sich über den<br />
Wie<strong>der</strong>aufbau des Tempels. Die Heimkehrer<br />
wurden von ihnen nicht mit offenen<br />
Armen empfangen.<br />
Hatten sich die<br />
Rückkehrer nicht mit<br />
<strong>der</strong> babylonischen Urbevölkerung<br />
eingelassen?<br />
Hatten sie darum<br />
nicht auch den Glauben<br />
mit heidnischer Religion<br />
vermischt? Und<br />
in diese verfahrene Situation<br />
sagt Gott durch<br />
den unbekannten Propheten:<br />
„Ich will Euch<br />
trösten wie einen seine Mutter tröstet.“<br />
Wie macht Gott das?<br />
In den Büchern Esra und Nehemia<br />
wird die Geschichte <strong>der</strong> Rückkehrzeit<br />
beschrieben. Es gibt in Nehemia<br />
8 eine Schil<strong>der</strong>ung, wie das Volk<br />
nach den ganzen Strapazen <strong>der</strong> Exilzeit<br />
zum ersten Mal wie<strong>der</strong> aus dem<br />
Gesetz des Mose hören will. Und <strong>der</strong><br />
Priester Esra liest einen ganzen Tag<br />
lang vor. Die Leviten helfen, das Wort<br />
Gottes auszulegen, damit das Volk es<br />
besser versteht. Bis heute gibt es unter<br />
uns das geflügelte Wort „einem die Leviten<br />
lesen!“ Die Hörer des Gotteswortes<br />
fingen an zu weinen, weil ihnen klar<br />
wird, was sie alles – auch Gott gegenüber<br />
- falsch gemacht haben.<br />
Gott tröstet durch sein Wort. Das<br />
Volk begreift in den Ruinen Jerusalems,<br />
wir gehören wie<strong>der</strong> zu Gott. Und Gott<br />
sagt: „Ihr dürft bei mir sein. Ich bin<br />
Euch gut. Ich habe Euch lieb.“ Was<br />
baut die Zuhörer des Wortes auf?<br />
• Gott steht uns in <strong>der</strong> Not bei, vor<br />
allem findet er Wege aus <strong>der</strong> Not.<br />
• Gott tröstet durch die Gewissheit,<br />
dass sein Gericht kommt, dass alle<br />
Ungerechtigkeit nicht bestehen bleiben<br />
wird.<br />
• Gott tröstet durch seine Vergebung.<br />
Im biblischen Wort hören sie, wie Gott<br />
mit den Fehlern und Sünden umgeht.<br />
„Siehe, um Trost war mir sehr bange. Du<br />
hast dich meiner Seele herzlich angenommen,<br />
dass sie nicht verdürbe; denn<br />
du wirfst alle meine Sünden hinter dich<br />
zurück.“(Jesaja 38. 17) Die Erfahrung<br />
des „Ersten Jesaja“ dürfen die Rückkehrer<br />
jetzt auch selbst machen!<br />
Wie können wir trösten?<br />
Kann ich das überhaupt? Die<br />
Frage stellt sich nicht, denn es ist an<br />
erster Stelle keine Frage des Könnens!<br />
Wer von Gott getröstet ist, <strong>der</strong> kann,<br />
<strong>der</strong> wird auch an<strong>der</strong>e trösten. Es gilt<br />
aber auch <strong>der</strong> umgekehrte Weg: Wer<br />
an<strong>der</strong>en Halt gibt, fühlt in sich selber<br />
gehalten. Wer Trost spendet, lebt selbst<br />
getröstet. Beides ist nicht zu trennen.<br />
Wer Heil wirkt, dem offenbart sich das<br />
Heil. Wenn wir trösten, haben wir immer<br />
auch selber etwas davon.<br />
Wir können trösten durch Zuwendung<br />
und durch Zuspruch. Dabei<br />
brauchen wir vor allem Geduld zum<br />
Zuhören, dieses Geduldigsein kann<br />
ich lernen. Schwierig ist es, wenn <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>e gar nichts sagt, es fällt nicht<br />
leicht, dann einfach mitzuschweigen.<br />
Aber auch das kann ich lernen. Was<br />
ich aber nicht im Voraus lernen o<strong>der</strong><br />
üben kann: das richtige Wort zur richtigen<br />
Zeit zu finden. Das kommt von<br />
allein, so wie eine Mutter die tröstenden<br />
Worte für ihr Kind findet.<br />
Ich wünsche uns allen, dass Gott<br />
uns tröstet, wenn wir es brauchen und<br />
dass er uns in die Lage versetzt auch<br />
an<strong>der</strong>e zu trösten!<br />
Rainer Schling<br />
3