Statement Brigitte Overbeck-Schulte - Frauenselbsthilfe nach Krebs ev
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Pressekonferenz<br />
der <strong>Frauenselbsthilfe</strong> <strong>nach</strong> <strong>Krebs</strong><br />
27. August 2010, Maritim-Hotel Magdeburg<br />
<strong>Statement</strong> <strong>Brigitte</strong> <strong>Overbeck</strong>-<strong>Schulte</strong><br />
Bundesvorsitzender der <strong>Frauenselbsthilfe</strong> <strong>nach</strong> <strong>Krebs</strong><br />
„Zwischen allen Stühlen“, so haben wir in der Startphase das Projekt zur Gründung<br />
des Netzwerks für Männer mit Brustkrebs genannt. In den Monaten, die wir uns jetzt<br />
mit diesem Thema beschäftigen, ist uns klar geworden, wie passend diese Worte<br />
gewählt sind. Ob in der Früherkennung, der stationären oder ambulanten Versorgung,<br />
der Nachsorge - Männer mit Brustkrebs scheinen nur selten am richtigen Ort zu<br />
sein und nur selten den richtigen Ansprechpartner zu haben. Für sie werden, wie<br />
meist bei kleinen Patientengruppen, kaum Bemühungen in die Forschung und die<br />
Verbesserung der Versorgung investiert.<br />
Hinsichtlich des L<strong>ev</strong>els der Akzeptanz dieser Frauenkrankheit bei Männern befinden<br />
wir uns sowohl in Bezug auf die Gruppe der Betroffenen als auch auf die Gesellschaft<br />
auf dem Stand der 70er Jahre: Brustkrebs beim Mann ist ein Tabu-Thema!<br />
Der Aufbau eines Netzwerkes für Männer mit Brustkrebs ist ein erster wichtiger<br />
Schritt, damit Betroffene von der psychosozialen und interessenpolitischen Unterstützung<br />
der Selbsthilfe profitieren, wie das Frauen mit dieser Diagnose seit 34 Jahren<br />
tun. Auf der Bundestagung bieten wir den Männern eine eigene Plattform, auf der sie<br />
gemeinsam die notwendigen Strukturen entwickeln können. Dafür stellen wir ihnen<br />
unseren reichen Erfahrungsschatz und unsere ausgeprägte Infrastruktur, unser Wissen<br />
und unsere Erkenntnisse über Gruppengründungen und Gruppenarbeit sowie<br />
über Information und Kommunikation zur Verfügung.<br />
Die <strong>Frauenselbsthilfe</strong> <strong>nach</strong> <strong>Krebs</strong> (FSH) vertritt seit vielen Jahren die Interessen<br />
<strong>Krebs</strong>betroffener – gegenüber der Ärzteschaft, den medizinischen Fachgesellschaften,<br />
den Krankenkassen, der Pharmaindustrie und der Gesundheitspolitik. Wir nehmen<br />
überall dort Einfluss, wo Weichenstellungen für krebskranke Menschen vorgenommen,<br />
Versorgungskonzepte entwickelt und Kostenbudgetierungen festgelegt<br />
werden. Für Frauen mit Brustkrebs hat sich unser jahrelanger Einsatz bereits bewährt.<br />
Das zeigen die Fortschritte in der medizinischen und pflegerischen Versorgung.<br />
Doch auch hier gibt es noch viel zu tun. Und in mancher Hinsicht sind in letzter<br />
Zeit sogar Rückschritte feststellbar.<br />
� Durch die Bildung von Brustzentren müssten heute rein theoretisch Frauen überall<br />
in Deutschland gemäß der sogenannten S3-Leitlinie behandelt werden, d.h.<br />
dem jeweiligen Stand ihrer Erkrankung angemessen und wissenschaftlich begründet.<br />
Wir stellen jedoch immer noch fest, dass die Umsetzung dieser Leitlinie<br />
in den Brustzentren oft mangelhaft ist, es grobe Fälle von Übertherapien und Unterversorgung<br />
sowie eine große Behandlungsvarianz gibt.<br />
� Die Versorgung der Patientinnen soll in Brustzentren gemäß dem Gebot der<br />
Ganzheitlichkeit erfolgen. Das umfasst neben der Akut-Behandlung die psychoonkologische<br />
Versorgung und die Einbindung der Selbsthilfe mit deren psychosozialen<br />
Unterstützungsangeboten. Angesichts der immer kürzer werdenden Liegezeiten<br />
– im Extremfall nur noch 24 Stunden <strong>nach</strong> OP - kann in Brustzentren die<br />
psychoonkologische Betreuung selbst bei gutem Willen kaum mehr stattfinden.<br />
Gleiches gilt für die Einbindung der Selbsthilfegruppen.<br />
� Ein Ziel aller Akteure im Gesundheitswesen sollte es sein, <strong>Krebs</strong>patientinnen und<br />
-patienten in die Lage zu versetzen, mit ihrem Arzt eine gemeinsame Entscheidung<br />
im Sinne des Shared Decision Making zu treffen. Sie sollen selbstbewusste<br />
und aufgeklärte Partner der professionellen Helfer sein und aktiv ihren Gesun-
dungsprozess mitgestalten. Im Medizinalltag ist die Beteiligung der Patientin bei<br />
Therapieentscheidungen und Behandlungsablauf in den meisten Fällen noch<br />
nicht eingekehrt. Hier besteht aus Sicht der FSH <strong>nach</strong> wie vor dringender Handlungsbedarf.<br />
� Die Bildung von neuen, zertifizierten onkologischen Versorgungsstrukturen hat zu<br />
einer Verbesserung der Akutbehandlung geführt. Sie kann jedoch nur dann wirklich<br />
erfolgreich sein, wenn der Weg in die ambulante Versorgung mit begleitet<br />
und unterstützt wird. Die Verbesserung der Vernetzung zwischen dem stationären<br />
und ambulanten Sektor ist also dringend erforderlich. Hier dürfen keine Brüche<br />
auftreten, sondern Durchgängigkeit muss während der gesamten Behandlungs-<br />
und Nachsorgekette gewährleistet sein.<br />
� Da die modernen systemischen Therapien über viele Jahre gehen und eine langfristige<br />
Betreuung und Begleitung erfordern, spielt die Zeit der Nachsorge im<br />
Krankheitsmanagement eine immer zentralere Rolle. Aus Patientensicht fehlen -<br />
trotz aller positiven Entwicklungen - <strong>nach</strong> wie vor aussagekräftige Informationen<br />
zu Art, Umfang und Zeitpunkt einzelner Nachsorgemaßnahmen. Auch die Frage<br />
der Zuständigkeit - Brustzentrum, niedergelassener Gynäkologe, niedergelassener<br />
Onkologe - ist nicht ausreichend geklärt.<br />
� Besonders negativ fällt auf, dass die psychoonkologische Versorgung im Bereich<br />
der Nachsorge aufgrund mangelnder Ressourcen nicht ausreichend verankert<br />
ist. Hier könnte an manchen Stellen die psychosoziale Betreuung der<br />
Selbsthilfe greifen. Doch einer stärkeren Einbindung steht die <strong>nach</strong> wie vor fehlende<br />
Akzeptanz von Selbsthilfe-Organisationen bei den niedergelassenen Ärzten<br />
im Weg.<br />
Fazit<br />
Mit der Entwicklung von <strong>ev</strong>idenzbasierten Leitlinien zur Behandlung von <strong>Krebs</strong>erkrankungen,<br />
der Bildung von <strong>Krebs</strong>zentren und deren Zertifizierung wurden gute Voraussetzungen<br />
für eine qualitätsgesicherte Versorgung geschaffen. Ökonomische<br />
Zwänge, die mangelhafte Durchgängigkeit der Sektoren sowie an vielen Stellen mangelnde<br />
Patientenorientierung und -beteiligung führen jedoch <strong>nach</strong> wie vor zu einer<br />
schlechten Umsetzung im System – zum Schaden der einzelnen Patientin und des<br />
einzelnen Patienten.