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Orientierungssatz: Tatbestand:

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Finanzgericht Münster, 1-K-5087/06-G<br />

Urteil vom 17.06.2008<br />

5007169<br />

Anwaltliche Betreuertätigkeit als gewerbliche Tätigkeit - Abfärbetheorie nach § 15 Abs. 3 Nr.<br />

1 EStG<br />

<strong>Orientierungssatz</strong>:<br />

1. Ein Berufsbetreuer ist gewerblich tätig.<br />

2. Sind einzelne Mitunternehmer einer Personengesellschaft auch gewerblich tätig, so<br />

erzielt die gesamte Mitunternehmerschaft gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gewerbliche<br />

Einkünfte.<br />

<strong>Tatbestand</strong>:<br />

Streitig ist, ob die von den Gesellschaftern ausgeübte berufsmäßige Betreuungstätigkeit zu<br />

gewerblichen Einkünften der Anwaltssozietät im Streitjahr 2001 führt.<br />

Die Klägerin, eine Sozietät von Anwälten, besteht seit dem 1.1.1996. Für den Zeitraum 2001<br />

bis 2003 führte der Beklagte eine Betriebsprüfung durch. Im Rahmen dieser Betriebsprüfung<br />

wurde ein Honoraraufkommen von ca. 80% ermittelt, welches aus der Tätigkeit der Anwälte<br />

für die Übernahme von Betreuungen nach dem Betreuungsgesetz vereinnahmt wurde. Diese<br />

Tätigkeit wurde vom Beklagten als gewerblich eingestuft. Ausgehend von der sog.<br />

"Abfärbetheorie" aus § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG qualifizierte der Beklagte sämtliche Einkünfte<br />

aus der Tätigkeit der Anwaltssozietät als gewerblich.<br />

Der Beklagte erließ am 28.6.2006 einen Gewerbesteuermessbescheid für das Streitjahr. Die<br />

Klägerin legte hiergegen am 12.7.2006 Einspruch ein, der durch Einspruchsentscheidung vom<br />

3.11.2006 als unbegründet zurückgewiesen worden ist. Am 1.12.2006 hat die Klägerin Klage<br />

eingereicht.<br />

Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihre Tätigkeit aus der Übernahme von Betreuungen nach<br />

dem Betreuungsgesetz als freiberuflich zu qualifizieren sei. Dies ergebe sich schon daraus,<br />

dass auch die Betreuungstätigkeit als anwaltliche Tätigkeit möglich und erlaubt sei. Die<br />

Beauftragung der Anwälte erfolge in der Regel gerade deshalb, um im Zusammenhang mit<br />

der Betreuung eine qualifizierte rechtliche Beratung der Betreuten zu ermöglichen. Dies gelte<br />

beispielsweise in Rentenprüfungs- und Rentenwiderspruchsverfahren. Weitere<br />

Tätigkeitsschwerpunkte im Rahmen der Betreuung seien arbeits- und mietrechtliche<br />

Streitigkeiten sowie rechtliche Probleme im Zusammenhang mit Grundstücksgeschäften und<br />

Heimbetreuungen. Insoweit unterscheide sich diese Art der Betreuung von der Tätigkeit<br />

anderer sog. Berufsbetreuer. Die Tätigkeit des anwaltlichen Betreuers sei deshalb auch nicht<br />

mit der eher verwaltenden Tätigkeit eines Insolvenzverwalters vergleichbar. Vielmehr komme<br />

es hier auf den persönlichen Einsatz der Anwälte an. Diese erbrächten anwaltstypische<br />

Leistungen. Die Vormundschaftsgerichte bestellten Anwälte auch deshalb, um so<br />

kostensparend eine umfassende Betreuung und Beratung sicherzustellen. Aus Sicht der<br />

Klägerin sei die Berufsbetreuung lediglich ein Teilaspekt der anwaltlichen Tätigkeit und nicht<br />

isoliert von der üblichen anwaltlichen Tätigkeit zu sehen.


Zu beachten sei zumindest für das Streitjahr aber auch der Grundsatz von Treu und Glauben.<br />

Der Beklagte habe trotz Kenntnis der Art der Tätigkeit der Anwaltssozietät keine<br />

Gewerbesteuererklärung angefordert und auch keine vorsorgliche Gewerbesteuerfestsetzung<br />

durchgeführt. Die Einzelheiten über den Umfang habe er erst 2006 erfragt.<br />

Die Klägerin beantragt,<br />

den Gewerbesteuermessbescheid für 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom<br />

3.11.2006 ersatzlos aufzuheben.<br />

Der Beklagte beantragt,<br />

die Klage abzuweisen.<br />

Der Beklagte verweist auf die finanzgerichtliche Rechtsprechung, wonach die<br />

Berufsbetreuung gewerblich sei. Dies gelte auch für den Fall, dass Anwälte als Berufsbetreuer<br />

tätig würden. Insoweit handele es sich gerade nicht um eine berufstypische, sondern allein um<br />

eine mit dem Beruf des Anwaltes vereinbare Tätigkeit. Ein Fall der Verwirkung liege nicht<br />

vor. Eine Zusage hinsichtlich der Qualifizierung der Einkünfte sei nicht gemacht worden.<br />

Die Sach- und Rechtslage wurde vom Berichterstatter mit den Beteiligten am 24.8.2007<br />

erörtert. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die<br />

beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.<br />

Gründe:<br />

Die Klage ist unbegründet.<br />

Die Betreuertätigkeiten der Anwälte in der Sozietät der Klägerin sind gewerblich und führen<br />

gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG dazu, dass im Streitfall alle Einkünfte aus der Sozietät der<br />

Klägerin als Einkünfte aus Gewerbebetrieb einheitlich und gesondert festzustellen sind. Dies<br />

erfolgte seitens des Beklagten zu Recht. Vertrauensschutzaspekte sind nicht erkennbar.<br />

Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, dass die Tätigkeit von Berufsbetreuern<br />

gewerblich ist. Wie bereits im Urteil vom 12.5.2004 (1 K 842/03 G, EFG 2004, 1459)<br />

ausgeführt, führt eine Tätigkeit als Berufsbetreuer weder zu einer freiberuflichen Tätigkeit<br />

i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG noch zu einer sonstigen selbständigen Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs.<br />

1 Nr. 3 EStG sondern zu einer gewerblichen Tätigkeit i.S.d. § 15 EStG. Die Tätigkeit eines<br />

Berufsbetreuers ist schon deshalb keine einem Katalogberuf i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG<br />

ähnliche Tätigkeit, weil für diese Tätigkeit selbst keine einem solchen Beruf vergleichbare<br />

Ausbildung nötig ist. Hinsichtlich der Breite und Tiefe der Kenntnisse ist es gerade nicht<br />

ersichtlich, dass diese etwa der eines Rechtsanwaltes oder Notars entsprechen muss (so auch<br />

schon FG Düsseldorf, Urteil vom 23. September 2003, 9 K 7943/00 F, AO, EFG 2004, 36).<br />

Dieser Ansicht hat sich auch der BFH in seinem Urteil vom 4.11.2004 (IV R 26/03, BStBl II<br />

2005, 288) angeschlossen, der ausdrücklich auf den Beruf des Betreuers i.S.d. §§ 1896ff.<br />

BGB abstellt. Auch das BVerwG qualifiziert eine Tätigkeit i.S.d. § 1896ff. BGB als<br />

gewerblich (BVerwG-Beschluss vom 11.3.2008 6 B 2/08 - juris).<br />

Etwas anderes kann sich nach Ansicht des Senats nicht deshalb ergeben, weil hier<br />

Rechtsanwälte als Betreuer i.S.d. §§ 1896ff. BGB bestellt worden sind. Entscheidend für die<br />

Beurteilung, ob eine freiberufliche Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG vorliegt, ist die


konkret ausgeübte Berufstätigkeit und nicht etwa nur die Berufsbezeichnung der diese<br />

Tätigkeit Ausübenden. Andernfalls wäre die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebende steuerliche<br />

Belastungsgleichheit verletzt. Es ist gerade sachlich nicht zu rechtfertigen, dass<br />

Steuerpflichtige, die ihren Tätigkeitsschwerpunkt in einem Bereich ansiedeln, der als<br />

gewerblich zu qualifizieren ist, nur deshalb besser gestellt werden, weil sie ein Studium<br />

absolviert haben, dass zu einer in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Berufsbezeichnung<br />

berechtigt (so auch BFH-Urteil vom 18.10.2006 XI R 10/06, BFH/NV 2007, 601, welches die<br />

Rechtsprechung des Senats im Fall eines gewerblich tätigen Architekten (FG Münster, Urteil<br />

vom 30.11.2005, 1 K 6112/02 G, EFG 2006, 585) bestätigte). Steuerlich nicht relevant sind<br />

deshalb ggf. erfolgte Veränderungen im standesrechtlichen oder tatsächlichen Bereich der<br />

Berufsbilder der Katalogberufe (so ausdrücklich auch BFH-Urteil vom 18.10.2006 XI R<br />

10/06, BFH/NV 2007, 601).<br />

Die Tätigkeit eines Berufsbetreuers erstreckt sich auch nicht nur auf vermögensverwaltende<br />

Tätigkeiten i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG (BFH-Urteil vom 4.11.2004 IV R 26/03, BStBl II<br />

2005, 288). Dies gilt erst recht für Rechtsanwälte als Berufsbetreuer, wenn diese, wie von<br />

Klägerseite vorgetragen, auch rechtliche Beratung und Prozessführung vornehmen.<br />

Die Klägerin hat, da sie nicht ausschließlich Tätigkeiten i.S.d. § 18 EStG ausübt, insgesamt<br />

gewerbliche Tätigkeiten gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG. Gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ist<br />

eine Personengesellschaft, die teils gewerblich und teils freiberuflich tätig ist, in vollem<br />

Umfang gewerblich tätig (BFH-Urteil vom 18.10.2006 XI R 9/06, BStBl II 2007, 266). Diese<br />

Regelung ist verfassungsgemäß (BVerfG-Beschluss vom 15.1.2008 1 BvL 2/04, DB 2008,<br />

1243). Unstreitig ist die GbR aufgrund der Anwaltstätigkeit zu ca. 80% als Berufsbetreuer<br />

und damit gewerblich tätig, so dass die GbR insgesamt eine gewerbliche Tätigkeit ausübt.<br />

Gründe, hier aus Vertrauensschutzaspekten von einer Gewerblichkeit der Einkünfte für das<br />

Streitjahr 2001 Abstand zu nehmen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere sind die<br />

Überlegungen des Niedersächsischen Finanzgerichts aus dem Beschluss vom 21.8.2006 (5 V<br />

10096/06, EFG 2006, 1923) hier nicht weiterführend, da das Streitjahr erstmalig im Rahmen<br />

einer steuerlichen Außenprüfung geprüft worden ist. Unbeachtlich ist aus Sicht des Senats<br />

auch, ob hinsichtlich der steuerlichen Problematik eine Kenntnis des Beklagten schon in<br />

Vorjahren begründet worden ist oder nicht. Gerade im Hinblick auf die Art und den Umfang<br />

einer Tätigkeit kann er sich vorbehalten, diese im Rahmen einer späteren steuerlichen<br />

Außenprüfung abschließend zu beurteilen.<br />

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 AO.<br />

Gründe, die Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, sind nicht gegeben.<br />

Normen:<br />

EStG:15/3/1 EStG:18 BGB:1896 EStG:15/2

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