Gutachten als PDF-Download - Borderline Europe
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Durch die Gespräche mit dem Personal und dem, was wir vor Ort an diesem Tag erlebt haben [und<br />
immer wieder bei Besuchen gesagt bekommen, Anmerk. der Gutachterin], wird deutlich, dass hier<br />
nicht die mindesten Standardbedingungen zum normalen Leben herrschen. Der Betreiber versucht<br />
bei allem zu sparen, auch bei den Gehältern der eigenen Angestellten (die sich nicht selten an die<br />
Gewerkschaft wenden, um ihre Rechte durchzusetzen). Es gibt keine Mensa, wo alle essen<br />
könnten, auch ein Ort zur Ausübung der religiösen Riten ist nur Utopie.<br />
(…) Die Asylsuchenden beklagen auch das Fehlen angemessener Bekleidung, sie zeigen uns<br />
verschlissene Kleidungsstücke und Schuhe und berichten, dass die Kleider selten und oftm<strong>als</strong><br />
schon in schlechtem Zustand ankommen.<br />
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Mangel an medizinischer Versorgung. Ein Bewohner zeigt uns<br />
seinen mit Stichen/Ausschlag übersäten Rücken und sagt uns, dass der Arzt des Heims ihm<br />
weiterhin nichts verschreibt. Nur durch unsere Anwesenheit und durch unser Insistieren lösen sie<br />
endlich dieses Problem einer einfachen Hautentzündung. (…) Asylsuchende, die eigentlich eine<br />
Physiotherapie oder andere Behandlungen bekommen müssten werden nicht angehört, wenn sie<br />
nachfragen, warum sie sie nicht erhalten. (…) „Schlafen und essen, essen und schlafen“, ist das<br />
was uns alle Bewohner des Aufnahmezentrums verbittert wiederholen, <strong>als</strong> wir sie über die<br />
Lebensqualität in Salinagrande befragen. Uns schien es, dass selbst diese Grundbedürfnisse nur<br />
unter Schwierigkeiten eingeräumt wurden.“<br />
In diesem Besuchsbericht werden die oben geschilderten Eindrücke des CARAs von Salinagrande<br />
von den Delegationsmitgliedern bestätigt:<br />
“Salinagrande ist die Hölle. Die EU-Delegation ist schockiert über das Aufnahmezentrum in<br />
Trapani. Zerrissene Kleidung, keine ärztliche Versorgung, eiskalte Duschen und kaputte Bäder. So<br />
leben die Asylsuchenden, auch Frauen und Kinder, in einer Einrichtung, die vom Innenministerium<br />
<strong>als</strong> Vorzeigeheim gepriesen wird. Der Bericht von Rosario Crocetta und Rita Borsellino, die die<br />
Einrichtung <strong>als</strong> Europarlamentarier für die LIBE-Kommission besucht haben.“ 96<br />
b) VARESE: Hotel Monte Marzio<br />
So nennt sich die Übergangseinrichtung für DUBLIN-Rückkehrer, die nach Mailand-Malpensa<br />
abgeschoben werden. Da die so genannten Dublin-Fälle, die in Malpensa ankommen, unter die<br />
Zuständigkeit der Kommune Varese fallen, hatte diese einen Vertrag mit einer Einrichtung der<br />
Caritas im Ort zur Unterbringung der Rückkehrer geschlossen. Bezahlt wurden die Plätze von der<br />
Präfektur. Seit Ende 2010 werden (besonders schutzbedürftige) DUBLIN-Rückkehrer jedoch in<br />
einem Hotel in der Ortschaft Valganna ca. 15 km oberhalb von Varese in den Bergen untergebracht.<br />
Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt 20-30 Tage, bis ein Platz in einem CARA oder einem<br />
SPRAR gefunden werden kann (oder kein Platz gefunden wird). Ob ein Platz gefunden wird hängt<br />
an der Disponibilität von Plätzen. 97 Der ASGI kritisiert die Wahl dieses Ortes, es scheine, so ASGI,<br />
dass die Qualität der Betreuung und des Empfangs sich möglicherweise verschlechtert habe. 98<br />
borderline-europe kann aufgrund von Zeugenaussagen und internen Dokumenten bestätigen, dass<br />
auch vulnerable Personen (in diesem Falle eine sechsköpfige Familie) in diesem Hotel<br />
untergebracht wurden. Nach langer Anreise (Überstellung aus Deutschland) erhielt die Familie am<br />
Abend nach der Ankunft trotz Nachfrage keinerlei Versorgung durch Essen und Getränken mehr.<br />
Trotz Nachfragen des Vaters, einen Arzt für die fiebernden Kinder zu holen, wurde dies mit der<br />
Begründung, der Arzt sei zu weit entfernt, von den diensthabenden Personen im Hotel abgelehnt.<br />
Die hier Untergebrachten mussten das Hotel morgens verlassen und konnten sich tagsüber nur im<br />
umgebenden Wald aufhalten, bis man sie am späten Nachmittag wieder eingelassen hatte.<br />
96<br />
Pipitone, Giuseppe: “Salinagrande è un inferno”. Delegazione Ue scioccata dal centro di accoglienza<br />
trapanese” Il Fatto quotidiano, 27.11.2011 http://www.ilfattoquotidiano.it/2011/11/27/salinagrande-infernodelegazione-scioccata-centro-accoglienza-trapanese/173417/.<br />
97<br />
In einem CARA werden laut Aussagen des Servizio Centrale eher Plätze für vulnerable Personen gefunden,<br />
die aber schon auf der Warteliste für einen SPRAR – Platz stehen und im CARA nur darauf warten, dass<br />
dieser Platz frei wird. Es kann nie mit Sicherheit gesagt werden, wie lange die Suche dauert. Da auf der<br />
Warteliste des SPRAR im Juni 2012 knapp 7.000 Personen eingetragen waren (siehe Frage 7d) muss davon<br />
ausgegangen werden, dass insbesondere für nicht-vulnerable Personen keine Plätze gefunden werden.<br />
98<br />
ASGI: “Il diritto alla protezione”, S. 170.