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Gutachten als PDF-Download - Borderline Europe

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34<br />

sie hin sollen, sie können dort nicht weg, weil sie keinen Ort haben, an dem sie eine Integration<br />

beginnen könnten, damit sind auch wir hier täglich konfrontiert.“ 119<br />

Das bedeutet, dass Asylsuchende in Italien mit einer paradoxen Situation konfrontiert sind:<br />

Einerseits müssen viele das CARA nach sechs Monaten Aufenthalt verlassen, wie es der UNHCR<br />

kritisierte. Andererseits leben viele Asylsuchende aufgrund des noch nicht beendeten<br />

Asylverfahrens deutlich länger in einem CARA. Für eine Verlängerung nach sechs Monaten gibt es<br />

jedoch keinerlei Garantie. Eine Umverteilung von der Erstunterkunft CARA in eine so genannte<br />

Zweitunterkunft mit Integrationsangebot des SPRAR-Systems ist nur in Ausnahmefällen möglich, da<br />

dort nicht genug Plätze zur Verfügung stehen.<br />

Die Uneinheitlichkeit der Unterbringungszeiten zeigen sich auch in Fällen, die der Gutachterin von<br />

der Asylverfahrensberatung in Gießen sowie von den Rechtsanwälten des ASGI geschildert<br />

wurden: Zum Teil mussten auch Familien nach sechs Monaten bzw. nach Abschluss des<br />

Verfahrens das CARA verlassen 120 und wurden auf die Straße gesetzt. Ihre Aufenthaltspapiere<br />

erhielten sie ‚vor den Toren‘ des CARAS, das sie verlassen mussten. Andere wiederum konnten<br />

über viele Monate bis zum und auch nach Erhalt eines Schutztitels im CARA verbleiben. 121<br />

Fazit: Lange Wartezeiten sind durchaus üblich, auch wenn der Aufenthalt in einem CARA laut<br />

UNHCR nur für sechs Monate garantiert ist und eine Verlängerung nur bei Verfügbarkeit der Plätze<br />

erfolgt und eher <strong>als</strong> willkürlich einzustufen ist. Das bedeutet einerseits lange Aufenthaltszeiten, aber<br />

keinerlei Garantie des Verbleiben-Könnens nach sechs Monaten, auch wenn das Asylerfahren noch<br />

nicht abgeschlossen ist.<br />

Bei den vom Gericht angefragten ‚mehreren Jahren‘ handelt es sich sicher um Ausnahmen, aber 18<br />

Monate und mehr sind durchaus nicht unüblich, wenn die Kapazität der Unterkunft es zulässt. Der<br />

Büroleiter des Managements des Zivilschutzes in Sizilien sagte dazu in einem Interview im Oktober<br />

2012, dass es sehr lange Wartezeiten für die Verfahren gebe. Seit Mai, Juni 2011 würden die<br />

Flüchtlinge nun schon auf eine Entscheidung ihres Asylverfahrens warten. 122 Auch der Italienische<br />

Flüchtlingsrat bestätigt lange Aufenthaltszeiten von 18-24 Monaten in den CARAs und den Zentren<br />

des Zivilschutzes. Statt einer schnelleren Bearbeitung wurden Asylsuchende aus ganz Italien sogar<br />

aus dem schon vorhandenen Kontext gerissen und in das Großzentrum Mineo verlegt, wo sie das<br />

Asylverfahren nun vor der neuen zuständigen Kommission führen mussten. Verlängerte<br />

Aufenthaltszeiten in einem CARA über sechs Monate hinaus sind <strong>als</strong>o nicht garantiert, aber<br />

durchaus üblich. Kurz: Es gibt kein einheitliches, funktionales System.<br />

5) Wie wird in der Praxis bei obdach- und/oder mittellosen Asylsuchenden verfahren, ist<br />

insbesondere sichergestellt, dass sie für italienische Behörden/Gerichte erreichbar sind,<br />

Entscheidungen erhalten und Rechtsmittel einlegen können?<br />

5.1 Keine spezifischen Maßnahmen<br />

Gianfranco Schiavone vom ASGI erklärt die Rechtslage:<br />

„Es gibt keine spezifischen Maßnahmen der Behörden zur Erreichbarkeit der<br />

Asylsuchenden, die nicht in Einrichtungen untergebracht sind. Laut Artikel 11 (2,3,4) des<br />

gesetzvertretenden Dekrets D.Lgs 25/08 ist der Asylsuchende verpflichtet, die Behörden von jeder<br />

Änderung des Wohnsitzes oder des Aufenthalts zu informieren. Sollte er das nicht tun, so geht die<br />

Post an die letzte bekannte Meldeadresse. Es muss aber auch dazu gesagt werden, dass die<br />

Anhörung vor der Kommission nach Art. 12 (1) desselben Gesetzes ein Recht des Asylsuchenden<br />

ist. Dort steht unter (5), dass Asylsuchende, die zeitweise nicht erreichbar waren, dann aber wieder<br />

zu erreichen sind, das Anrecht auf die Anhörung nicht verlieren. Das bedeutet, dass Asylsuchende,<br />

119<br />

Interview mit Muhammad Abdulfatah, Koordinator der Poliklinik von EMERGENCY Palermo, 09.11.2012,<br />

Palermo.<br />

120<br />

Siehe Anhang, Fall der somalischen Familie.<br />

121<br />

Aus der Beratungspraxis der Asylverfahrensberatung des Ev. Dekanats Gießen, Maria Bethke an<br />

borderline-europe per E-Mail, 14.11.2012 und aus dem Interview ASGI, RAe Salvatore Fachile/Loredana Leo,<br />

24.10.2012, Rom.<br />

122<br />

Interview borderline-europe mit dem Zuständigen des Zivilschutzes Sizilien, Raffaele Lupo, am 03.10.2012.<br />

Er äußerte sich zu einem Heim in Gerarci Sicula, Sizilien.

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