Die sozialistische Industrialisierung – toter Hund ... - von Helga Schultz
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für die Zukunft, die die arbeitende Bevölkerung erbrachte, und diese Anstrengungen<br />
wurden durch die irrsinnige <strong>Industrialisierung</strong>spolitik verpulvert.<br />
Überakkumulation und sinkende Effizienz der Investitionen<br />
Das politökonomische Axiom vom vorrangigen Wachstum der Produktionsmittelindustrie,<br />
das sich unter Stalin in das Axiom vom Vorrang der Schwerindustrie verwandelt<br />
hatte, enthielt immerhin die Aussicht, daß sich eines Tages auf diesem Wege das<br />
Wachstum der Konsumgüterproduktion mittels der bereitgestellten Produktionsmittel<br />
beschleunigen und so dem Wachstum der Abteilung I angleichen würde. Das geschah<br />
bis zum Zusammenbruch des Systems nicht.<br />
Mochten die Ziele der <strong>sozialistische</strong>n <strong>Industrialisierung</strong> in den siebziger und achtziger<br />
Jahren in der DDR auch nicht mehr Eisenwalzwerke und neue Werften sein, sondern<br />
Multispektralkameras und Vier-Megabyte-Ships, so blieb doch der Vorrang der Produktionsmittelerzeugung<br />
im <strong>Die</strong>nste der <strong>sozialistische</strong>n <strong>Industrialisierung</strong> ungebrochen.<br />
Autarkiepolitik und Rüstungsinteresse waren auch bei der Verlagerung auf modernere<br />
Industrien vorrangig. Alle anderen Bereiche wurden vernachlässigt: die Infrastruktur,<br />
die Konsumgüterindustrie, die Landwirtschaft und die <strong>Die</strong>nstleistungen. Und das galt<br />
nicht nur für den Investitionsmeister DDR oder für die relativ stabile Tschechoslowakei,<br />
sondern auch für die krisengeschüttelte polnische Wirtschaft, wie Abbildung 9 zeigt.<br />
Der Anteil der Produktionsmittelindustrie wurde auch in den krisenhaften späten siebziger<br />
Jahren noch auf hohem Niveau gehalten. Einzig in Ungarn sank er kontinuierlich<br />
seit den sechziger Jahren mit dem Einsetzen der Reformpolitik und ermöglichte die<br />
Ausweitung der Konsumtion. Irrsinnige Kontinuität weist die rumänische Entwicklung<br />
auf. Während in Rumänien vor dem Krieg nur 45 Prozent der industriellen Produktion<br />
aus der Abteilung I kamen, waren es im Jahre 1980 schließlich 75 Prozent. <strong>Die</strong> rumänische<br />
Produktionsgüterindustrie wuchs bis 1983 unaufhaltsam mehr als dreimal so<br />
schnell wie die Konsumgüterproduktion, auf mehr als das Siebenundsechzigfache des<br />
Standes <strong>von</strong> 1950. 61<br />
<strong>Die</strong> als Quell künftigen Überflusses konzipierte Konzentration der Investitionen auf den<br />
Kern der Produktionsmittelindustrie entpuppte sich letztendlich als Wachstumsbremse.<br />
Gerade die Schwerindustrie, die Grundstoffindustrie und andere rüstungsrelevante<br />
Zweige. erforderten hohe Investitionen bei langen Verwertungszeiten und großer Distanz<br />
zur Konsumgüterproduktion. Sie banden Arbeitskräfte, Bauleistungen, Energie,<br />
Rohstoffe und Importe.<br />
<strong>Die</strong> Entwicklung des polnischen Bergbaus verbrauchte zum Beispiel einen erheblichen<br />
Teil der Erzeugnisse des Hüttenwesens, der Energiewirtschaft und des Schwermaschinenbaus<br />
des Landes und führte so in unfruchtbare Kreisläufe. Bergbau, Hüttenwesen<br />
und Schwerindustrie verbrauchten zwei Drittel der polnischen Energieerzeugung, liefer-<br />
61 N. N. Constantinescu, wie Anm. 32, 27; Länderbericht RGW-Staaten 1985, hg. v. Statistischen Bun-<br />
desamt Wiesbaden, 75.<br />
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