Die sozialistische Industrialisierung – toter Hund ... - von Helga Schultz
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negativ war. 66 Aber Autarkiepolitik war eben ein Wesensmerkmal der <strong>sozialistische</strong>n<br />
<strong>Industrialisierung</strong>, eng verknüpft mit der Überakkumulation. Das Investitionsmuster der<br />
<strong>sozialistische</strong>n <strong>Industrialisierung</strong> führte ungewollt und unaufhaltsam das Land in den<br />
Ruin.<br />
Gefangene des sowjetischen Modells<br />
Aber ließ sich das Verhängnis nicht aufhalten, das Steuer nicht herum reißen? War eine<br />
Richtungsänderung so unmöglich, wie Kuroń es meinte? Sehr früh regten sich Zweifel<br />
und Kritik am Eisernen Weg. In der DDR begannen die Debatten im Sommer 1953, als<br />
nach dem Aufstand vom 17. Juni die Pläne der Schwerindustrie erheblich gekürzt wurden.<br />
Im Februar 1954 schrieb der einflußreiche Fred Oelßner, Moskauer Emigrant, Mitglied<br />
des Politbüros und einer der Gründerväter der Wirtschaftswissenschaften in der<br />
DDR, zur Frage des Vorrangs der Produktionsmittelindustrie:<br />
Irrtümer und Fehler in dieser Festsetzung haben bekanntlich in der Entwicklung der<br />
Deutschen Demokratischen Republik große Schwierigkeiten hervorgerufen. <strong>Die</strong> einseitig<br />
forcierte Entwicklung der Schwerindustrie, also der Erzeugung <strong>von</strong> Produktionsmitteln<br />
für die Produktionsmittelindustrie, hatte zur Folge, daß erstens der für den individuellen<br />
Konsum bestimmte Teil des Nationaleinkommens eingeschränkt wurde, wodurch<br />
große Schwierigkeiten in der Versorgung entstanden, und zweitens die Erzeugung<br />
<strong>von</strong> Produktionsmitteln für die Konsumgüterindustrie in unzulässiger Weise vernachlässigt<br />
wurde. 67<br />
<strong>Die</strong>sen Ball nahm Hans Hessel auf. Der junge Dozent für Planmethodik an der Hochschule<br />
für Ökonomie und promovierte Mathematiker wies detailliert nach, daß es<br />
durchaus möglich ist, daß die Gesellschaft erweitert reproduziert und trotzdem Abteilung<br />
II schneller wächst als Abteilung I. 68 Auf der nachfolgenden Theoretischen Konferenz<br />
ging Oelßner selbst äußerst rüde gegen die antimarxistischen Thesen Hessels vor<br />
und drohte mit disziplinarischen Maßnahmen, um so mehr, als diese Theorie nicht nur<br />
<strong>von</strong> Hessel vertreten, sondern <strong>von</strong> vielen andern lange Zeit verteidigt wurde. Da muß<br />
man also Ordnung schaffen... 69 <strong>Die</strong> Redaktion der Zeitschrift, in der Hessels Artikel<br />
erschienen war, hatte inzwischen Selbstkritik geübt und einen sowjetischen Beitrag gedruckt,<br />
der mit den Revisionisten des eisernen Weges abrechnete:<br />
66 Ebenda, 34/35.<br />
67 F. Oelßner, Bemerkungen zur Reproduktionstheorie, in: Wirtschaftswissenschaft, 2, 1954/2, 145-153,<br />
hier 152.<br />
68 H. Hessel, Zur Frage des Wachstumstempos der beiden großen Abteilungen der gesellschaftlichen Produktion,<br />
in: Wirtschaftswissenschaft, 2, 1954/6, 643-655, hier: 649.<br />
69 F. Oelßner, Zu einigen ökonomischen Problemen der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus<br />
in der Deutschen Demokratischen Republik, in: Wirtschaftswissenschaft, 3, 1955/3, 299-320,<br />
hier 314.<br />
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