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Die sozialistische Industrialisierung – toter Hund ... - von Helga Schultz

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nung mit dem Markt, bei Erhalt des <strong>sozialistische</strong>n Staatseigentums. 74 Hätte dieser Weg<br />

zu einer Art Neuauflage der NEP führen können, wie sie in Ungarn schließlich relativ<br />

erfolgreich war?<br />

Gegen die NEP hatte ja Preobrashenski einst seine Theorie der <strong>sozialistische</strong>n Transformation<br />

durch <strong>Industrialisierung</strong> entwickelt. Um aber einen ganzen Erdteil auf einen<br />

Weg zu bringen, der sich letztlich als Sackgasse erweisen sollte, war nicht nur eine<br />

schlüssige Theorie, sondern ein ganzes Bündel historischer Bedingungen notwendig.<br />

Ebensowenig reichte die Kritik der Theorie zum Verlassen des Weges. Man mußte ans<br />

Ende der Sackgasse kommen. Denn der zweite Grund ist die oben beschriebene Pfadabhängigkeit<br />

der <strong>Industrialisierung</strong>spolitik, der unheilvolle Selbstlauf, in dem die Investitionspolitik<br />

nicht zum Heilmittel taugte, weil sie die Krankheit war.<br />

Einen dritten Grund liefert meines Erachtens das Autarkiestreben der <strong>sozialistische</strong>n<br />

Staaten. Oskar Lange sah schon in der Mitte der fünfziger Jahre im Autonomiestreben<br />

eines der unnötigen Hemmnisse wirtschaftlicher Entwicklung. 75 Alle weitergehenden<br />

Kooperationsprogramme des RGW waren zum Scheitern verurteilt, und der Handel innerhalb<br />

des RGW schrumpfte seit den siebziger Jahren. 76 <strong>Die</strong> <strong>sozialistische</strong> <strong>Industrialisierung</strong><br />

hat Autarkie offenbar zwangsläufig aus sich selbst heraus produziert. <strong>Die</strong> Ursachen<br />

sind sicher nicht nur in der weltpolitischen Situation des Kalten Krieges mit der<br />

westlichen Embargopolitik zu suchen. <strong>Die</strong> mangelnde Verflechtung im RGW ist auch<br />

nicht nur in der wirtschaftlichen Schwäche fast aller Mitgliedstaaten begründet. Ich<br />

würde sie eher in der ungeheuren wirtschaftlichen und politischen Machtkonzentration<br />

auf nationalstaatlicher Ebene suchen, die nicht zuletzt durch die <strong>sozialistische</strong> <strong>Industrialisierung</strong><br />

zustande kam. <strong>Die</strong> nationalen Führungen geboten mit dem Staatseigentum<br />

über eine wirtschaftliche Machtfülle, wie sie in der Geschichte nie zuvor existierte. Ist<br />

es denkbar, daß sie die Entscheidungen über die Allokation der Ressourcen nicht zentralisierten?<br />

Kann man erwarten, daß diese Ressourcen nicht im Sinne der militärischen<br />

Stärke geplant wurden, zumal unter den Bedingungen des Wettrüstens und des Kalten<br />

Krieges? Mit János Kornai möchte ich sagen, daß <strong>sozialistische</strong> <strong>Industrialisierung</strong> (in<br />

seinen Worten: forciertes Wachstum) in den genetischen Code des <strong>sozialistische</strong>n Systems<br />

eingeschrieben war. 77<br />

Fazit<br />

<strong>Die</strong> <strong>sozialistische</strong> <strong>Industrialisierung</strong> ist Bestandteil der Transformation zum Sozialismus,<br />

wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg in allen Ländern des sowjetischen Einflußbe-<br />

74 Ota Šik, Plan und Markt im Sozialismus, Wien/München/Zürich: Verlag Fritz Molden, 1967; auf den<br />

Punkt gebracht in: ders. , Fakten der tschechoslowakischen Wirtschaft, Wien/München/Zürich: Verlag<br />

Fritz Molden 1969, 16-21.<br />

75 O. Lange, Über einige Probleme, wie Anm. 23, 19.<br />

76 G. Neumann, Außenhandel, in: Handbuch Wirtschaftsgeschichte, Berlin: VEB Deutscher Verlag der<br />

Wissenschaften, 1981, 884/885; Länderbericht RGW-Staaten 1985, wie Anm. 61, 92.<br />

77 Vgl. J. Kornai, wie Anm. 54, 401-406, 421-423.<br />

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