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»Rein theoretisch«, 10 erwiderte Ponder. »Aber das wäre sehr, äh, unratsam, denn unsere bisherigen<br />
Forschungsergebnisse deuten auf Folgendes hin: Die Beobachtung allein würde dazu fuhren, dass<br />
die Wellenform im Phasenraum kollabiert.«<br />
Nicht ein Muskel rührte sich im Gesicht des Patriziers.<br />
»Entschuldige bitte, aber ich bin nicht mehr ganz auf dem Laufenden mit dem Fakultätskram«,<br />
sagte er. »Bist du derjenige, der die getrockneten Froschpillen nehmen muss?«<br />
»Nein, Herr«, antwortete Ponder. »Du meinst den Quästor, Herr. Er braucht die Pillen, weil er<br />
verrückt ist.«<br />
»Ah«, sagte Lord Vetinari, und jetzt zeigte sich etwas in seinem Gesicht: der Gesichtsausdruck<br />
eines Mannes, der auf keinen Fall sagen wollte, was ihm durch den Kopf ging.<br />
»Was Ponder Stibbons meint, Euer Exzellenz«, sagte der Erzkanzler, »ist dies: Es gibt viele<br />
Milliarden von Zukünften, die, äh, in gewisser Weise existieren, verstehst du? Es sind mögliche<br />
Formen der Zukunft. Aber die erste, die man betrachtet, wird zur Zukunft. Und vielleicht ist es<br />
nicht unbedingt eine, die einem gefällt. Offenbar liegt das alles am Unsicherheitsprinzip.«<br />
»Ach? Und was hat es damit auf sich?«<br />
»Ich weiß es nicht genau. Stibbons kennt sich mit diesen Dingen aus.«<br />
Ein Orang-Utan wankte vorbei, mit ziemlich vielen Büchern unter jedem Arm. Lord Vetinaris<br />
Blick fiel auf die Schläuche, die schlangenartig vom Omniskop ausgingen, durch die Tür reichten<br />
und über den Rasen hinweg zum - wie hieß es noch? - Forschungstrakt für hochenergetische<br />
Magie verliefen.<br />
Er erinnerte sich an die alte Zeit, als Zauberer hager, nervös und voller Tücke gewesen waren.<br />
Solche Zauberer wären nicht bereit gewesen, ein Unsicherheitsprinzip längere Zeit zu dulden.<br />
Wenn man nicht sicher ist, hätten sie gesagt, was hat man dann falsch gemacht?<br />
Das Omniskop flackerte und zeigte eine von Schnee bedeckte Landschaft. In der Ferne ragten<br />
Berge auf.<br />
Der Zauberer namens Ponder Stibbons schien sehr zufrieden zu sein.<br />
»Hast du nicht gesagt, dass ihr ihn mit diesem Apparat finden könnt?«, wandte sich Lord Vetinari<br />
an den Erzkanzler.<br />
Ponder Stibbons sah auf.<br />
»Haben wir etwas, das ihm gehört hat?«, fragte er. »Irgendein persönliches Objekt? Wir könnten<br />
es in den morphischen Resonator legen und ihn dann mit dem Omniskop verbinden. Dadurch<br />
sollte er sich eigentlich anpeilen lassen.«<br />
»Was ist mit den magischen Kreisen und tropfenden Kerzen passiert?«, fragte Lord Vetinari.<br />
»Oh, die verwenden wir, wenn wir es nicht eilig haben, Herr«, erwiderte Ponder.<br />
»Ich fürchte, <strong>Cohen</strong> der Barbar neigt nicht dazu, irgendwelche Dinge zurückzulassen«, sagte der<br />
Patrizier. »Abgesehen von Leichen. Wir wissen nur, dass er nach Cori Celesti unterwegs ist.«<br />
»Zum Berg in der Mitte der Welt, Herr? Warum?«<br />
»Ich hatte gehofft, die Antwort auf diese Frage von dir zu hören, Stibbons. Deshalb bin ich hier.«<br />
Erneut wankte der Bibliothekar vorbei, mit einer weiteren Ladung Bücher. Auch das war eine<br />
typische Reaktion der Zauberer: Wenn sie mit einer neuen und einzigartigen Situation<br />
konfrontiert wurden, gingen sie die Bibliothek durch, um festzustellen, ob sich so etwas schon<br />
einmal zugetragen hatte. Lord Vetinari sah darin ein Verhalten, das sich gut zum Überleben<br />
eignete: In gefährlichen Zeiten verbrachte man den Tag damit, ganz still in einem Gebäude mit<br />
sehr dicken Mauern zu sitzen.<br />
Erneut blickte er auf den Zettel in seiner Hand. Warum waren die Leute so dumm?<br />
Ein Satz weckte seine Aufmerksamkeit. »Er meinte, der letzte Held sollte zurückbringen, was der<br />
erste Held gestohlen hat.«<br />
Und natürlich wusste jeder, was der erste Held gestohlen hatte.