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Im Bereich der Mitte trieben sich immer Räuber herum. Es gab Beute in einsamen Tälern<br />
und verbotenen Tempeln, auch bei den weniger gut vorbereiteten Abenteurern. Bei der Auflistung<br />
von Gefahren, die die Suche nach verlorenen Schätzen oder uralter Weisheit mit sich<br />
brachte, vergaßen zu viele Leute, ganz oben hinzuschreiben: »der Mann, der vor mir eingetroffen<br />
ist«.<br />
Eine solche Gruppe patrouillierte in ihrem Lieblingsgebiet und entdeckte... Nun, zuerst sah<br />
sie ein gut ausgerüstetes Kriegsross, festgebunden an einem eisverkrusteten Baum. Dann sah<br />
sie ein Feuer, das in einer windgeschützten Mulde brannte, daneben einen kleinen,<br />
blubbernden Topf. Schließlich sah sie die Frau.<br />
Sie war attraktiv. Besser gesagt: Vor etwa dreißig Jahren war sie auf die herkömmliche Art<br />
attraktiv gewesen. Jetzt sah sie aus wie die Lehrerin, die man sich im ersten Schuljahr<br />
wünschte, weil sie mit Verständnis auf die kleinen Zwischenfälle des Lebens reagierte, wie<br />
zum Beispiel eine nasse Hose.<br />
Sie hatte sich eine Decke um die Schultern geschlungen, um die Kälte fern zu halten. Und sie<br />
strickte. Neben ihr im Schnee steckte das größte Schwert, das die Räuber je gesehen hatten.<br />
Intelligente Räuber hätten damit begonnen, die Unstimmigkeiten zu zählen.<br />
Doch diese Räuber gehörten zu der anderen Sorte, für die man die Evolution erfunden hatte.<br />
Die Frau sah auf, nickte ihnen zu und strickte weiter.<br />
»Na, was haben wir denn hier?«, fragte der Anführer. »Bist du...«<br />
»Halt das hier«, sagte die Frau und stand auf. »Über die Daumen junger Mann. Es dauert<br />
nicht lange, ein neues Knäuel aufzurollen. Ich habe gehofft, dass jemand kommt.«<br />
Sie hob einen Strang Wolle. Der Räuber nahm ihn unsicher entgegen und bemerkte, wie seine<br />
Männer grinsten. Trotzdem streckte er die Arme und schnitt dabei eine angemessene Sieahnt-ja-nicht-was-ihr-blüht-Miene.<br />
»So ist es richtig«, sagte die alte Frau. Dann trat sie ihm auf ebenso wirkungsvolle wie<br />
undamenhafte Weise zwischen die Beine, bückte sich, als er fiel, griff nach dem Kessel, warf<br />
ihn ins Gesicht des nächsten Räubers und hob ihr Strickzeug, bevor dieser fiel.<br />
Die beiden noch stehenden Räuber hatten gar nicht genug Zeit gehabt, sich zu bewegen.<br />
Einer von ihnen erwachte aus seiner Starre und sprang zu dem Schwert. Er taumelte unter<br />
dem Gewicht, aber die Klinge war lang und beruhigend.<br />
»Aha!«, sagte er und schnaufte, als er das Schwert hob. »Meine Güte, wie bringst du es<br />
fertig, so etwas zu tragen, Alte?«<br />
»Es ist nicht mein Schwert«, sagte sie. »Es gehörte dem Mann dort drüben.«<br />
Der Räuber riskierte einen Blick zur Seite. Zwei Füße in gepanzerten Sandalen ragten hinter<br />
einem Felsen hervor. Sie waren ziemlich groß. Aber ich bin bewaffnet, dachte er. Und dann<br />
fügte er in Gedanken hinzu: Aber er war es ebenfalls. Die alte Frau seufzte und zog zwei<br />
Stricknadeln aus dem Wollknäuel - sie glitzerten im Licht. Und dann rutschte die Decke von<br />
ihren Schultern und fiel in den Schnee. »Nun, meine Herren?«, fragte die Frau.<br />
<strong>Cohen</strong> zog den Knebel aus dem Mund des Bänkelsängers. Der Mann starrte ihn entsetzt an.<br />
»Wie heißt du, Sohn?«, fragte <strong>Cohen</strong>.<br />
»Du hast mich entführt! Ich ging über die Straße, und du...«<br />
»Wie viel?«, fragte <strong>Cohen</strong>.<br />
»Was?«<br />
»Wie viel verlangst du für eine Saga?«