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Hospiz Stern - Hospiz an der Lutter

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fachbeiträge<br />

Phänomen des Schmerzes<br />

Das Erlebnis von Schmerz gehört zu den Phänomenen, von dem je<strong>der</strong> von uns schon<br />

einmal betroffen war, auch immer einmal wie<strong>der</strong> betroffen sein wird. Unsere Sprache<br />

beschreibt diesen Zust<strong>an</strong>d sehr deutlich, wir sagen ja nicht: ich schmerze, son<strong>der</strong>n<br />

ich habe einen Schmerz, etwas also, was ich besitze und das von mir Besitz ergreift.<br />

Die leidvolle Realität, die <strong>der</strong> Schmerz schafft, gehört zur<br />

menschlichen Existenz von früher Kindheit <strong>an</strong>. Wir lernen<br />

laufen, wir fallen hin, es tut weh, wir weinen. So zieht es<br />

sich durch unser Leben, immer einmal wie<strong>der</strong> fallen wir<br />

hin, stoßen uns, stoßen <strong>an</strong>, inwendig und äußerlich – es ist<br />

schmerzlich. So ist es nur zu verständlich, dass wir nicht<br />

sofort gewillt sind, uns mit dem Schmerz <strong>an</strong>zufreunden,<br />

dass wir ihn eher mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln<br />

zu vermeiden suchen.<br />

Da <strong>der</strong> Schmerz uns nicht nur körperlich erfasst, son<strong>der</strong>n<br />

auch seelisch/geistig überfällt, bewegen wir uns in einem<br />

riesigen, fast oze<strong>an</strong>ischen Gebiet, denn <strong>der</strong> Schmerz ist<br />

elementar wie Feuer und Eis. Er gehört zu den menschlichen<br />

Grun<strong>der</strong>fahrungen, ein Signal, welches uns hinweist auf<br />

Verletzungen jedwe<strong>der</strong> Art -wie immer diese auch aussehen,<br />

die uns jedoch erstarren lassen, uns sprachlos und<br />

einsam machen können. Wir sprechen von Schmerzattacken<br />

und Schmerzbekämpfung, verweisen mit diesen Begriffen<br />

auf einen inneren Kriegsschauplatz und drücken damit<br />

auch aus, wie feindlich das Terrain ist, wo <strong>der</strong> Schmerz sich<br />

<strong>an</strong>gesiedelt hat, nämlich dort, wo Trennungen entschieden,<br />

Abschiede endgültig werden, das Leben aufhört, sich<br />

unseren Wünschen zu fügen. Das ist meist mehr als eine<br />

Katastrophe für eine kleine Weile.<br />

12<br />

In <strong>der</strong> heutigen Zeit ist das Bewusstsein stark gewachsen,<br />

dass <strong>der</strong> Schmerz mehr ist als ein elektrischer Impuls,<br />

<strong>der</strong> die Nervenbahnen entl<strong>an</strong>grast und er wird nicht mehr<br />

allein als medizinisches Problem <strong>der</strong> Weiterleitung von<br />

Nerven-impulsen verst<strong>an</strong>den, son<strong>der</strong>n als Ausdruck von<br />

Empfindungen und Erlebnissen, Gefühlen und g<strong>an</strong>z persönlichen<br />

Lebenserfahrungen. Egal aber, wie er uns befällt,<br />

ob körperlich o<strong>der</strong> seelisch/geistig, akut o<strong>der</strong> chronisch,<br />

egal wie er sich <strong>an</strong>fühlt – ob: stechend, gesp<strong>an</strong>nt, mahlend,<br />

bohrend, brennend, wund o<strong>der</strong> einfach nur grässlich –<br />

gemeinsam bleibt die leidvolle Wirklichkeit die er schafft,<br />

es ist und bleibt eine g<strong>an</strong>z persönliche und nicht vergleichbare<br />

Erfahrung.<br />

Schmerzäußerungen sollten immer ernst genommen werden,<br />

gerade weil Schmerzzustände sehr persönlich erlebt<br />

werden, ähnlich unseren Zuständen von Angst und Freude,<br />

die auch schwer messbar sind in ihrer emotionalen Stärke<br />

und sich bei verschiedenen Menschen auf unterschiedliche<br />

Weise zeigen. Da z.B. <strong>der</strong> Schmerz, <strong>der</strong> körperlich verursacht<br />

ist, immer auch den seelisch/geistigen Bereich befällt, k<strong>an</strong>n<br />

es zur Schmerzlin<strong>der</strong>ung hilfreich sein, sich nicht nur auf<br />

die medikamentöse Beh<strong>an</strong>dlung zu beschränken. Ebenso<br />

wichtig k<strong>an</strong>n die emotionale Begleitung, die unmittelbar<br />

menschliche Zuwendung sein – wenn diese gewünscht wird.<br />

Damit k<strong>an</strong>n Betroffenen die Möglichkeit gegeben werden,<br />

sich nicht mit ihrem Schmerz verkriechen zu müssen.<br />

Über den Zusammenh<strong>an</strong>g von körperlich und seelischen<br />

Schmerzen ist viel nachgedacht worden, doch weniger<br />

gegenwärtig ist das Phänomen des geistigen Schmerzes,<br />

wo quälende Ged<strong>an</strong>ken unser Gefühlsleben durchdringen<br />

und in <strong>der</strong> Folge sich z.B. die Reue, das schlechte Gewissen<br />

und Schamgefühle ausbreiten, all das Nichtgeäußerte und<br />

bewusst Verborgene im menschlichen Zusammenleben.<br />

Es scheint die dunkle Seite unserer Existenz zu sein,<br />

die das Licht scheut, denn dieser Schmerz offenbart einen<br />

Riß in unserem Leben und beschädigt das Selbstbild, das wir<br />

nach außen zeigen und vermitteln. In <strong>der</strong> Folge tragen und<br />

ertragen wir meist zuviel und werden so nachtragend, ein<br />

Zust<strong>an</strong>d, <strong>der</strong> unsere Lebensenergie blockieren k<strong>an</strong>n, uns teilweise<br />

sogar den Schlaf raubt und wir müssen sehr achtsam<br />

sein, damit wir nicht Schuldige suchen, auf die wir diese Last<br />

abwälzen können.

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