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Untitled - Schweizerischer Werkbund

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«Neue Formen, die als künstlerisch empfunden werden,<br />

entstehen nirgends aus dem reinen Verantwortungsbewusstsein<br />

gegenüber dem späteren Benützer, sondern aus<br />

einem universellen Bedürfnis nach Formung.»<br />

«Der Eiffelturm ist ein glänzendes Beispiel für äussere<br />

Materialausnützung und ein Wahrzeichen für das<br />

technische Zeitalter, für die rationelle Materialverwendung<br />

und für den Beginn eines neuen Schönheitsideals.<br />

Diese Verbindung von ingenieurmässigem Rationalismus<br />

und konstruktiver Schönheit, wie Henry van de Velde es<br />

seinerzeit im Begriff ‚Vernunftmässige Schönheit’ zusammengefasst<br />

hat, das ist das Signum, unter dem wir die<br />

Produktion von heute und morgen betrachten müssen.»<br />

«Es ist nicht unwichtig festzustellen, dass die Ingenieurform<br />

sich ebenfalls wandelt, nicht nur aus Funktionsveränderungen<br />

heraus, sondern ebenfalls aus einem ästhetischen<br />

Bedürfnis, und dass dadurch gerade die Zeugen für<br />

eine Schönheit aus der Funktion gleichzeitig Zeugen für<br />

eine Schönheit als Funktion werden.<br />

«Die Produktion von Massenkonsumgütern soll derart<br />

gestaltet werden, dass nicht nur eine relative Schönheit<br />

aus ihren Funktionen heraus entsteht, sondern, dass diese<br />

Schönheit selbst zur Funktion wird. Die Massenkonsumgüter<br />

werden in Zukunft der Massstab sein für das<br />

kulturelle Niveau eines Landes.»<br />

Einige Zitate aus Bills „Schönheit aus Funktion und als<br />

Funktion»<br />

zeigt Bill beispielsweise in seiner als kapitalistisch verschrienen<br />

Luxuslimousine (einem Bentley), gibt ihm aber auch<br />

ausführlich das Wort zu vorgängig vereinbarten Fragen. 53 Und<br />

Bill referiert 22 Antworten lang biedere Thesen zum „Behagen<br />

im Kleinstaat“. Die 68er Generation hat nur schallendes<br />

Gelächter übrig für seine sorgfältig vorbereiteten, professoral<br />

formulierten Stellungnahmen. Die Aura, die Max Bill in Kulturkreisen<br />

zunehmend umgeben hat, erlischt schlagartig.<br />

Design ist unsichtbar<br />

An Kunstgewerbeschulen und Architekturabteilungen bleibt<br />

im Zuge der 68er Revolte der Zeichenstift liegen, während<br />

die Studierenden Tag und Nacht theoretisieren, lesen, schreiben<br />

und bisher Fachfremdes wie Soziologie, Politik, Philosophie<br />

und Ökonomie studieren. Man interessiert sich für<br />

spontan oder zufällig entstandene Formgebungen, schwärmt<br />

für „Architektur ohne Architekten“. So auch an der Eidgenössischen<br />

Technischen Hochschule Zürich, wo Lucius<br />

Burckhardt 1961 bis 1972 in der Architekturabteilung als<br />

Lehrbeauftragter die Stelle des neu geschaffenen Faches Soziologie<br />

betreut. Der in der Schweiz (und später in Deutschland<br />

als Erster Vorsitzender) aktive Werkbündler, der 1967<br />

zusammen mit der Basler Ortsgruppe geholfen hat, die „Die<br />

gute Form“-Aktivitäten zu besiegen und den <strong>Werkbund</strong>blick<br />

auf die gesellschaftlichen Zusammenhänge zu weiten: Lucius<br />

Burckhardt wird seine Kritik an der Guten Form Jahre später<br />

erst (1980) auf den Punkt bringen, indem er ein neues Verständnis<br />

von Design und von dessen Arbeitsfeld propagiert. 54<br />

Design ist unsichtbar! Nicht nur der Titel provoziert. Burckhardt<br />

fordert die Gestalterkolleginnen und -kollegen auf, nicht<br />

nur gebannt auf ihr gut geformtes Produkt zu starren, sondern<br />

„die Wirkungen des Designs auf die Lebensweise und<br />

die Gesellschaft zu studieren“ 55 .<br />

Unbarmherzig führt er der idealistischen Gilde der Gestalter<br />

vor Augen, dass die Gute Form zur Farce wird, wenn die Umstände<br />

des Gebrauchs nicht „gut“ sind: Wiewohl „die Umstände“<br />

konstituierend sind für die Qualität der Gegenstände,<br />

sind sie nicht sichtbar. Ein simples Beispiel: „Ob ein Autobus<br />

nützlich ist, hängt nicht von seiner schnittigen Gestalt ab,<br />

sondern vom Fahrplan, vom Tarif und der Lokalisierung der<br />

Haltestellen.“ 56<br />

Als unsichtbare Komponente des Design bezeichnet Burckhardt<br />

die gesellschaftlichen Bedingungen, die einen Gegenstand<br />

der Gestaltung ausmachen, ihm Sinn geben können<br />

oder aber seine Gute Form der Lächerlichkeit preisgeben. Er<br />

skizziert somit einen erweiterten Aufgabenbereich der Gestaltung:<br />

ein Design, „das unsichtbare Gesamtsysteme, bestehend<br />

aus Objekten und zwischenmenschlichen Beziehungen,<br />

bewußt zu berücksichtigen imstande ist.“ Als Konsequenz<br />

aus dieser Erkenntnis fordert Burckhardt, dass sich das auf<br />

die Gegenstände fixierte Design zu einem „Sozio-Design“<br />

hin öffne, will heißen: sich öffne zu einem Nachdenken über<br />

Problemlösungen, welche die unsichtbaren „Außenbedingungen“<br />

und die Auswirkungen eines Gerätes einbezieht und<br />

zu verbessern sucht. 57<br />

Der Titel Design ist unsichtbar hat seinerzeit in Gestalterkreisen<br />

wie eine Bombe eingeschlagen und ist sofort zum<br />

geflügelten Wort avanciert. Viele leiten davon ab, Burckhardt<br />

habe die Gute Form und jenes sorgfältige Gestalten von<br />

Gebrauchsgegenständen als Augenwischerei rundum abgelehnt,<br />

weil das gesellschaftlich Relevante außerhalb der<br />

Guten Form liege. Burckhardt selbst aber hat das Kind nicht<br />

mit dem Bade ausgeschüttet. Er schreibt, Design müsse<br />

sich öffnen zu einem Sozial-Design, und er spricht von einer<br />

„unsichtbaren Komponente des Design“. Also hat das Design<br />

auch weitere Komponenten; gewiss die sichtbare, die<br />

Form. Aus dem oberflächlichen Kolportieren von Burckhardts<br />

Provokation als einer ‚tabula rasa’-Position ist die absurde Situation<br />

entstanden, dass sich der Schweizerische <strong>Werkbund</strong><br />

der formalen Diskussion entzieht, weshalb Ulrike Jehle zum<br />

70-jährigen Jubiläum des SWB mahnt: „Der <strong>Werkbund</strong> wird<br />

sich in Zukunft nicht wegschleichen können aus der Diskussion<br />

um das Aussehen der Dinge, die das Leben heute bestimmen.“<br />

58 Ob sie Applaus geerntet hat, ist nicht überliefer.

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