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Predigt zu Offenbarung 7, 9-14

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sich die Welt anders, spannender, bunter vor<strong>zu</strong>stellen als sie ist. Traditionellerweise tut man so et-<br />

was ja gerne als Tagträumerei ab, auch selber gebe ich <strong>zu</strong>, mir viel <strong>zu</strong> wenig Zeit und Raum für<br />

Träumereien <strong>zu</strong> nehmen. Und auch die biblische Apokalypse ist ja für viele ein schwer genießbares<br />

Buch,:„Mein Geist will sich in dies Buch nicht schicken“ meint etwa Martin Luther; nun gibt es na-<br />

türlich viele Möglichkeiten, der Apokalypse historisch deutende nahe<strong>zu</strong>kommen, die Bilder und Vi-<br />

sionen als versteckte Botschaften, als Chiffrierung einer bedrohlichen Wirklichkeit <strong>zu</strong> verstehen,<br />

wie sie die Gemeinde des Schreibers der Apokalypse erlebt hat. Aber dann bleibt immer noch nie<br />

Frage, warum der Schreiber der Apokalypse sich gerade dieser Bilder bedient hat, warum der Glaube<br />

uneigentliche Bilder braucht. Vielleicht aus demselben Grund, aus dem es viele in die Fantasy-ecke<br />

des Buchladens zieht, auch unser Glaube lebt von Bildern und Geschichten, vom Unerklärlichen.<br />

Wie die Kunst lebt der Glaube von Bildern und Symbolen, die uns die Wirklichkeit noch einmal ganz<br />

neu erschließen. Ein Symbol ist ja viel mehr als ein Zeichen, denkwürdigerweise ist ja der Ursprung<br />

unseres Symbolbegriffs die Tätigkeit Marias, als sie „all diese Worte“ in ihrem Herzen bewegte. Wir<br />

verstehen erst dann, wenn wir Worte, Klänge, Bilder in unserem Herzen bewegen.<br />

Da<strong>zu</strong> lädt die Weihnachtsgeschichte des Lukas, aber eben auch die Apokalypse ein, von alters ein<br />

beliebter Fundus christlicher Kunst. Weihnachten wird erzählt als kosmischer Machtwechsel, der<br />

sich mit der Menschwerdung Gottes vollziehen musste. Jesus als der Weltherrscher, der Pantokrator<br />

in Gestalt des Lammes, das von Menschen aller Nationen und Sprachen erkannt und angebetet<br />

wird. Auf den ersten Blick ist kein größerer Kontrast <strong>zu</strong>r idyllischen Stallszene, denkbar. Aber eben<br />

nur auf den ersten Blick, denn auch das Lamm ist ebenso wie der Säugling in der Krippe Symbol der<br />

schutzlosen, ausgelieferten Kreatur - und <strong>zu</strong>gleich der Allmacht. „Der die ganze Welt erhält, ihre<br />

Pracht und Zier erschaffen, muss in harten Krippen schlafen“ wie sich dieser Tage wieder einmal die<br />

barocken Brocken im Ohr und Gemüt festsetzen. Der Pantokrator als Lamm oder in der Krippe, so<br />

groß ist der Unterschied also nicht, in beiden Fällen ist unsere Vorstellungskraft herausgefordert,<br />

beides <strong>zu</strong>sammen<strong>zu</strong>bringen im Symbol von Weihnachten, damit das <strong>zu</strong> tun – noch einmal - was<br />

auch Maria tat, nachdem sie die Worte der Hirten vernommen hatte, die Worte im Herzen bewe-<br />

gen. Weihnachten lädt wohl wie kein anderes Fest da<strong>zu</strong> ein, Worte und Geschichten im Herzen <strong>zu</strong><br />

bewegen. Die alten Geschichten, aber natürlich auch die neuen, die uns das Leben schreibt. Weih-<br />

nachten lädt uns ein, mit uns ins reine <strong>zu</strong> kommen, so erlaube ich mir das andere Bild unseres Tex-<br />

tes <strong>zu</strong> deuten. Die Gläubigen waschen und erhellen ihre Gewänder im Blut des Lammes. Hier schei-<br />

nen wir es mit einer sinnwidrigen Metapher <strong>zu</strong> tun <strong>zu</strong> haben – „Blut als Fleckentferner“ - oder ist<br />

es eben auch hier wieder die paradoxe Kraft des Bilder, die uns <strong>zu</strong>m Nachsinnen bringen soll, es<br />

geht eben nicht um die weiße Weste, um das verzweifelte Wiederherstellen oder Beteuern einer<br />

Unschuld, sondern, wenn wir im Bild bleiben wollen, um die Reinigungskraft der Vergebung: Ins<br />

Reine kommen, mit sich, mit Gott und dann natürlich auch mit den Menschen, die uns besonders<br />

wichtig, oder auch mit denen, die uns besonders gleichgültig sind.<br />

2<br />

Dies ins Reine kommen ist aber kein eifriges Tun, kein Rubbeln an Flecken, die eh nicht mehr raus-<br />

gehen. Darum ist ja auch das krampfhafte Bemühen um ein harmonisches Weihnachtsfest, wo alles

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