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Pat Lauer Das Ei des Kolumbus und andere Irrtümer

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<strong>Pat</strong> <strong>Lauer</strong><br />

<strong>Das</strong> <strong>Ei</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Kolumbus</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>andere</strong> <strong>Irrtümer</strong><br />

350 populäre<br />

Halbwahrheiten<br />

richtiggestellt<br />

Wussten Sie;...<br />

� dass es in Wirklichkeit nicht 12, sondern 13 Apostel gab,<br />

� dass der französische Arzt Guillotin gar nicht der Erfinder der<br />

berühmt -berüchtigten Henkersmaschine war,<br />

� dass Luther seine Thesen niemals an eine Kirchentür genagelt hat,<br />

� dass das Jodeln gar nicht in den Alpen erf<strong>und</strong>en wurde?<br />

<strong>Pat</strong> <strong>Lauer</strong> hat alltägliche Weisheiten, Theorien <strong>und</strong> Gerüchte genau unter die<br />

Lupe genommen <strong>und</strong> dabei zahlreiche <strong>Irrtümer</strong> <strong>und</strong> Halbwahrheiten<br />

aufgedeckt.<br />

ISBN 3-572-01171-X<br />

2000 Orbis Verlag<br />

<strong>Ei</strong>nbandgestaltung: Norbert Pautner, München


<strong>Ei</strong>n Dankeschön für tatkräftige Hilfe <strong>und</strong> moralische<br />

Unterstützung geht an Gerald Drews, Sabine Geier-Leisch,<br />

Ronald Hinzpeter <strong>und</strong> Michael Loerke.


Inhaltsverzeichnis<br />

Inhaltsverzeichnis ................................................................. 3<br />

<strong>Ei</strong>nleitung.............................................................................. 15<br />

1. Von Abendrot bis Autobahn........................................... 17<br />

A wie Abendrot .................................................................. 17<br />

A wie Affe(n) ..................................................................... 17<br />

A wie Affenschande........................................................... 19<br />

A wie Akropolis ................................................................. 19<br />

A wie Alkohol.................................................................... 19<br />

A wie Alrun oder Alraun.................................................... 20<br />

A wie Amateure ................................................................. 20<br />

A wie Angsthase................................................................. 22<br />

A wie Apfel........................................................................ 22<br />

A wie Apfelbaum ............................................................... 23<br />

A wie Apostel..................................................................... 23<br />

A wie Äquator .................................................................... 24<br />

A wie Arbeit....................................................................... 24<br />

A wie Archime<strong>des</strong>.............................................................. 25<br />

A wie Arsenpilz.................................................................. 26<br />

A wie Atlantis..................................................................... 27<br />

A wie »Auch du mein Sohn, Brutus…«............................. 28<br />

A wie Autobahnen.............................................................. 28<br />

2. Von Babel bis Bumerang................................................. 30<br />

B wie Babel........................................................................ 30<br />

B wie Bakterien.................................................................. 31<br />

B wie Bananen ................................................................... 32<br />

B wie Bastille ..................................................................... 32<br />

B wie Bauchredner............................................................. 33


B wie Bermuda-Dreieck..................................................... 34<br />

B wie Beton........................................................................ 35<br />

B wie Bewusstloser ............................................................ 35<br />

B wie Bier........................................................................... 36<br />

B wie Bisamratte ................................................................ 37<br />

B wie Blauer Engel ............................................................ 37<br />

B wie Blausäure ................................................................. 37<br />

B wie Bleistift..................................................................... 38<br />

B wie Blinddarmentzündung.............................................. 38<br />

B wie Blindschleiche.......................................................... 39<br />

B wie Blitz.......................................................................... 39<br />

B wie Bockbier................................................................... 40<br />

B wie Bocksbeutel.............................................................. 41<br />

B wie Borke........................................................................ 41<br />

B wie Boxeraufstand .......................................................... 42<br />

B wie Braille....................................................................... 43<br />

B wie Brücken.................................................................... 43<br />

B wie Büffel ....................................................................... 44<br />

B wie Bumerang................................................................. 44<br />

3. Von Cancan bis Curry..................................................... 46<br />

C wie Cancan ..................................................................... 46<br />

C wie Capri......................................................................... 47<br />

C wie Chamäleon............................................................... 48<br />

C wie Chinesen................................................................... 48<br />

C wie Chop suey................................................................ 49<br />

C wie Colosseum................................................................ 49<br />

C wie Columbus................................................................. 50<br />

C wie Cowboys .................................................................. 51<br />

C wie Curry........................................................................ 52<br />

4. Von Dampfmaschine bis Dudelsack............................... 53<br />

D wie Dampfmaschine....................................................... 53


D wie Der Denker .............................................................. 53<br />

D wie Diamanten................................................................ 54<br />

D wie Diogenes .................................................................. 54<br />

D wie Don Carlos............................................................... 55<br />

D wie Dracula..................................................................... 56<br />

D wie Drei Könige ............................................................. 56<br />

D wie Dudelsack ................................................................ 57<br />

5. Von <strong>Ei</strong>chhörnchen bis Exkommunikation .................... 58<br />

E wie <strong>Ei</strong>chhörnchen ........................................................... 58<br />

E wie <strong>Ei</strong>ffelturm................................................................. 58<br />

E wie <strong>Ei</strong>nhorn..................................................................... 59<br />

E wie <strong>Ei</strong>nsamkeit................................................................ 60<br />

E wie <strong>Ei</strong>nstein..................................................................... 60<br />

E wie <strong>Ei</strong>sbein...................................................................... 61<br />

E wie <strong>Ei</strong>serner Vorhang ..................................................... 61<br />

E wie Elefanten.................................................................. 62<br />

E wie Elefantenläuse .......................................................... 63<br />

E wie Elektrizität................................................................ 63<br />

E wie Elmsfeuer................................................................. 65<br />

E wie England .................................................................... 65<br />

E wie Erde .......................................................................... 66<br />

E wie Erkältung.................................................................. 66<br />

E wie Evangelisches Kloster.............................................. 67<br />

E wie Exkommunikation.................................................... 68<br />

6. Von Farbe bis Fußball..................................................... 69<br />

F wie Farbe......................................................................... 69<br />

F wie Fast Food.................................................................. 69<br />

F wie Faust ......................................................................... 70<br />

F wie Felleisen ................................................................... 71<br />

F wie Fette.......................................................................... 71<br />

F wie Fetthenne .................................................................. 72


F wie Fetus ......................................................................... 72<br />

F wie Feuerland .................................................................. 73<br />

F wie Fische ....................................................................... 73<br />

F wie Flaschenpost............................................................. 75<br />

F wie Fledermäuse ............................................................. 76<br />

F wie Fliegen...................................................................... 76<br />

F wie Fluch <strong>des</strong> Pharao ...................................................... 77<br />

F wie Föhn.......................................................................... 78<br />

F wie Frankenstein ............................................................. 79<br />

F wie Freie Hansestadt Hamburg....................................... 80<br />

F wie Fremdenlegion.......................................................... 82<br />

F wie Friedhof.................................................................... 82<br />

F wie Frostbeulen............................................................... 83<br />

F wie Fußball...................................................................... 83<br />

7. Von Galgen bis Gutenberg.............................................. 85<br />

G wie Galgen...................................................................... 85<br />

G wie Galileo Galilei.......................................................... 86<br />

G wie Gehirn...................................................................... 87<br />

G wie Gehör....................................................................... 88<br />

G wie Geschwindigkeit ...................................................... 88<br />

G wie Gewitter................................................................... 89<br />

G wie Giftgas ..................................................................... 90<br />

G wie Glück Auf ................................................................ 90<br />

G wie Göttliche Komödie .................................................. 90<br />

G wie Gold ......................................................................... 91<br />

G wie Golfstrom................................................................. 91<br />

G wie Guillotine................................................................. 92<br />

G wie Gutenberg ................................................................ 93<br />

8. Von Haare bis H<strong>und</strong>........................................................ 94<br />

H wie Haare........................................................................ 94<br />

H wie Hängematte.............................................................. 95


H wie Haie.......................................................................... 95<br />

H wie Hamburger............................................................... 96<br />

H wie Haschisch................................................................. 97<br />

H wie Hattrick .................................................................... 98<br />

H wie Hauptmann von Köpenick....................................... 98<br />

H wie Hermann der Cherusker........................................... 99<br />

H wie Herz ....................................................................... 100<br />

H wie Hexen..................................................................... 101<br />

H wie Hinkelsteine........................................................... 102<br />

H wie Hippokrates............................................................ 103<br />

H wie Höhlenmenschen ................................................... 103<br />

H wie Holz ....................................................................... 104<br />

H wie Holzblasinstrumente .............................................. 104<br />

H wie Hühner ................................................................... 105<br />

H wie H<strong>und</strong> ...................................................................... 105<br />

9. Von Iglu bis Jungfrau von Orleans .............................. 108<br />

I wie Iglu .......................................................................... 108<br />

I wie Indianer ................................................................... 108<br />

I wie Inflation................................................................... 110<br />

J wie Jesus oder Jungfrauengeburt................................... 111<br />

J wie Jodeln...................................................................... 112<br />

J wie die Jungfrau von Orleans ........................................ 112<br />

10. Von Kainsmal bis Kuchen........................................... 114<br />

K wie Kainsmal................................................................ 114<br />

K wie Kaiserschmarrn...................................................... 114<br />

K wie Kalbsleberwurst..................................................... 115<br />

K wie Kalender................................................................. 115<br />

K wie Kaltblut .................................................................. 116<br />

K wie Kamele ................................................................... 116<br />

K wie Kanada................................................................... 117<br />

K wie Karl der Große....................................................... 118


K wie Kartoffeln............................................................... 119<br />

K wie Kaspar Hauser........................................................ 119<br />

K wie Kasseler ................................................................. 120<br />

K wie Kaugummi ............................................................. 121<br />

K wie Keilschrift .............................................................. 121<br />

K wie Ketchup.................................................................. 121<br />

K wie Klaustrophobie....................................................... 122<br />

K wie Kleopatra ............................................................... 122<br />

K wie Knigge ................................................................... 123<br />

K wie Knoblauch.............................................................. 124<br />

K wie Kompass ................................................................ 125<br />

K wie Kopernikus............................................................. 125<br />

K wie Kraken ................................................................... 127<br />

K wie Kreml..................................................................... 128<br />

K wie kriminell................................................................. 128<br />

K wie Kröten.................................................................... 129<br />

K wie Krokodilstränen..................................................... 129<br />

K wie Kuchen................................................................... 129<br />

11. Von Lakritze bis Luzifer............................................. 130<br />

L wie Lakritze .................................................................. 130<br />

L wie Leberkäse ............................................................... 130<br />

L wie Lederstrumpf.......................................................... 131<br />

L wie Leiche ..................................................................... 131<br />

L wie Lemminge .............................................................. 132<br />

L wie Lesen...................................................................... 133<br />

L wie Lilith....................................................................... 133<br />

L wie Lindbergh............................................................... 134<br />

L wie Linksverkehr .......................................................... 135<br />

L wie Loch Ness............................................................... 136<br />

L wie Lucrezia Borgia ...................................................... 136<br />

L wie Ludwig XIV. .......................................................... 137


L wie Lügendetektor ........................................................ 138<br />

L wie Luther..................................................................... 138<br />

L wie Luzifer.................................................................... 140<br />

12. Von Machiavelli bis Muscheln.................................... 141<br />

M wie Machiavelli ........................................................... 141<br />

M wie Mandeln ................................................................ 142<br />

M wie Mann..................................................................... 142<br />

M wie Manna ................................................................... 143<br />

M wie Marathon............................................................... 143<br />

M wie Mars ...................................................................... 144<br />

M wie Maulwurf............................................................... 145<br />

M wie May....................................................................... 145<br />

M wie Mehltau................................................................. 146<br />

M wie Mens sana.............................................................. 146<br />

M wie Meuterei................................................................ 147<br />

M wie Mona Lisa ............................................................. 147<br />

M wie Mond ..................................................................... 148<br />

M wie Mormonen............................................................. 149<br />

M wie Morse .................................................................... 149<br />

M wie Motten................................................................... 151<br />

M wie Mozart................................................................... 151<br />

M wie München............................................................... 152<br />

M wie Münchhausen........................................................ 153<br />

M wie Muscheln............................................................... 154<br />

13. Von Nachtwache bis Nordpol ..................................... 155<br />

N wie Nachtwache ........................................................... 155<br />

N wie Nadelbaum............................................................. 156<br />

N wie Napoleon................................................................ 156<br />

N wie Nasenbluten........................................................... 157<br />

N wie Nero ....................................................................... 158<br />

N wie New York .............................................................. 159


N wie Nordkap ................................................................. 160<br />

N wie Nordpol.................................................................. 160<br />

14. Von Obst bis Oscar...................................................... 162<br />

O wie Obst........................................................................ 162<br />

O wie Odyssee.................................................................. 162<br />

O wie Ohrwurm................................................................ 163<br />

O wie Oktober .................................................................. 164<br />

O wie Olympische Spiele................................................. 164<br />

O wie Oscar...................................................................... 165<br />

15. Von Panama-Hut bis Pyramiden............................... 166<br />

P wie Panama-Hut ............................................................ 166<br />

P wie Papagei................................................................... 166<br />

P wie Pfefferkuchen......................................................... 166<br />

P wie Pferde ..................................................................... 167<br />

P wie Pflanzen.................................................................. 167<br />

P wie Pilatus..................................................................... 168<br />

P wie Pilze........................................................................ 169<br />

P wie Piraten..................................................................... 170<br />

P wie »Play it again, Sam«............................................... 171<br />

P wie Plumpudding .......................................................... 171<br />

P wie Poker....................................................................... 172<br />

P wie Pompeji................................................................... 172<br />

P wie Potemkinsche Dörfer.............................................. 173<br />

P wie Potenz..................................................................... 174<br />

P wie Prager Fenstersturz................................................. 175<br />

P wie Pyramiden............................................................... 175<br />

16. Von Raben bis Ruhrgebiet.......................................... 176<br />

R wie Raben..................................................................... 176<br />

R wie Rattenfänger........................................................... 177<br />

R wie Rauchen ................................................................. 178


R wie Reis ........................................................................ 179<br />

R wie Ringe <strong>des</strong> Saturn.................................................... 180<br />

R wie Ritter ...................................................................... 181<br />

R wie Robinson Crusoe.................................................... 182<br />

R wie Roland .................................................................... 182<br />

R wie Rom........................................................................ 183<br />

R wie Romeo <strong>und</strong> Julia .................................................... 184<br />

R wie Roter Platz.............................................................. 184<br />

R wie Rotes Tuch............................................................. 184<br />

R wie ruchlos.................................................................... 185<br />

R wie Ruhrgebiet.............................................................. 185<br />

17. Von Salome bis Strauss............................................... 187<br />

S wie Salome.................................................................... 187<br />

S wie Salz......................................................................... 188<br />

S wie salziger Boden........................................................ 188<br />

S wie Samowar................................................................. 188<br />

S wie Sauerstoff ............................................................... 189<br />

S wie Schinderhannes....................................................... 189<br />

S wie Schlaf...................................................................... 190<br />

S wie Schlangen............................................................... 191<br />

S wie Schnee .................................................................... 192<br />

S wie Schokolade ............................................................. 193<br />

S wie Schwarzpulver........................................................ 194<br />

S wie Schwein.................................................................. 195<br />

S wie Schweizer Sprachen ............................................... 195<br />

S wie Schwimmen............................................................ 196<br />

S wie Schule..................................................................... 196<br />

S wie Seepferdchen.......................................................... 197<br />

S wie Sex.......................................................................... 197<br />

S wie Siebenschläfer ........................................................ 198<br />

S wie Silbermünzen.......................................................... 198


S wie Sintflut.................................................................... 199<br />

S wie Skalpieren............................................................... 200<br />

S wie Sklaven................................................................... 200<br />

S wie Sonne ...................................................................... 201<br />

S wie SOS......................................................................... 202<br />

S wie Spaghetti................................................................. 202<br />

S wie Sphinx..................................................................... 202<br />

S wie Spinat...................................................................... 203<br />

S wie Stachelschwein....................................................... 203<br />

S wie Steine...................................................................... 204<br />

S wie Steuben................................................................... 204<br />

S wie Storchschnabel ....................................................... 206<br />

S wie Strauß ..................................................................... 206<br />

18. Von Tabak bis Traubenzucker................................... 207<br />

T wie Tabak...................................................................... 207<br />

T wie Tanzmaus ............................................................... 207<br />

T wie Taschentuch........................................................... 208<br />

T wie Tauben.................................................................... 209<br />

T wie Teflon..................................................................... 209<br />

T wie Telefon................................................................... 210<br />

T wie Tell ......................................................................... 211<br />

T wie Tempel ................................................................... 212<br />

T wie Tetanus................................................................... 213<br />

T wie Titanic .................................................................... 213<br />

T wie Tollkirsche ............................................................. 214<br />

T wie Totes Meer ............................................................. 215<br />

T wie Traubenzucker........................................................ 215<br />

19. Von Unabhängigkeitserklärung bis Völkerwanderung<br />

............................................................................................. 217<br />

U wie Unabhängigkeitserklärung..................................... 217<br />

U wie Unfehlbarkeit......................................................... 217


V wie Vampire ................................................................. 218<br />

V wie Vandalen................................................................ 219<br />

V wie Vatikan................................................................... 220<br />

V wie vegetarisch............................................................. 222<br />

V wie Venedig/Venezuela................................................ 222<br />

V wie Venus von Milo ..................................................... 223<br />

V wie Verbrennungen...................................................... 223<br />

V wie Vertrag................................................................... 224<br />

V wie Visitenkarte............................................................ 224<br />

V wie Vitamine ................................................................ 225<br />

V wie Vögel ..................................................................... 225<br />

V wie Vogelspinne........................................................... 226<br />

V wie Völkerwanderung .................................................. 226<br />

20. Von Wasser bis Wüste................................................. 228<br />

W wie Wasser................................................................... 228<br />

W wie Wasserdampf........................................................ 229<br />

W wie Wasserfälle ........................................................... 230<br />

W wie Wasserwaage ........................................................ 230<br />

W wie Weihnachten......................................................... 230<br />

W wie Wein...................................................................... 231<br />

W wie Weißbrot............................................................... 232<br />

W wie Wellen................................................................... 233<br />

W wie Wikinger............................................................... 233<br />

W wie willensschwach..................................................... 235<br />

W wie Windstärken.......................................................... 235<br />

W wie Winterschlaf.......................................................... 236<br />

W wie Wodka................................................................... 236<br />

W wie Wölfe .................................................................... 237<br />

W wie Wolkenkratzer....................................................... 238<br />

W wie Wolpertinger......................................................... 238<br />

W wie Woodstock ............................................................ 239


W wie Wüste .................................................................... 239<br />

21. Von Xanthippe bis Zigarren....................................... 241<br />

X wie Xanthippe............................................................... 241<br />

Z wie Zahnersatz.............................................................. 241<br />

Z wie Zauberberg............................................................. 242<br />

Z wie Zeit ......................................................................... 243<br />

Z wie Zentralheizung ....................................................... 244<br />

Z wie Zeppelin ................................................................. 245<br />

Z wie Zigarren.................................................................. 246<br />

Literatur ............................................................................. 247


<strong>Ei</strong>nleitung<br />

»Wissen ist Macht, aber nix wissen macht nix« - dieser<br />

ebenso eingängig wie salopp formulierte Satz findet sich auf<br />

Hauswänden <strong>und</strong> Toilettentüren. Man mag nun argumentieren,<br />

dass es sich hierbei um eine bloße Worthülse <strong>und</strong> um<br />

sinnentleertes Geschwafel handelt, doch das wäre gar zu<br />

einfach. Tatsächlich scheint die Formulierung wohl eher<br />

Ausdruck für eine gewisse Hilflosigkeit zu sein, mit der die<br />

wachsende Informationsflut, die täglich auf uns einstürmt,<br />

humorvoll verarbeitet werden kann. Nicht einmal den klügsten<br />

Köpfen <strong>und</strong> den größten Geistern lässt sich heute noch eine<br />

umfassende Allgemeinbildung attestieren. Viel zu umfangreich<br />

ist das menschliche Wissen mittlerweile geworden, viel zu<br />

rasant entwickeln sich Wissenschaften, Technik <strong>und</strong> Politik. <strong>Das</strong><br />

»machtverleihende« Wissen ist das Knowhow der Spezialisten,<br />

die in ihren eigenen Welten mit den Pf<strong>und</strong>en wuchern können,<br />

dürfen <strong>und</strong> sollen. Kein W<strong>und</strong>er also, dass so mancher sich<br />

frühzeitig seinen Neigungen <strong>und</strong> Vorlieben ergibt <strong>und</strong> all das,<br />

was abseits seines beruflichen Werdegangs liegen könnte, dem<br />

vordringlichen Ziel <strong>des</strong> persönlichen Weiterkommens opfert.<br />

Trotzdem - es sei dem Autor ein wenig Traurigkeit gestattet,<br />

angesichts der perspektivenorientierten <strong>Ei</strong>nbahnstraßen zum<br />

Erfolg. Leonardo da Vinci, Erasmus von Rotterdam oder Johann<br />

Wolfgang von Goethe wären heute nicht mehr denkbar:<br />

Universal gebildete Männer, deren Weltsicht mehrgleisig<br />

verlief, die sich in ihrer Gegenwart verhaftet fühlten, aus der<br />

Vergangenheit lernten <strong>und</strong> zukunftsorientiert dachten. Literatur<br />

<strong>und</strong> Politik, Kunst <strong>und</strong> Architektur, Medizin <strong>und</strong> Philosophie -<br />

das <strong>und</strong> etliches mehr waren die Betätigungsfelder der<br />

aufgezählten Herren - ein Bildungskonglomerat, das heute nicht<br />

mehr vorstellbar ist. Schade eigentlich, denn wir sollten niemals<br />

vergessen, dass Spezialisten besonders anfällig für <strong>Irrtümer</strong> sind.<br />

-15-


Nicht innerhalb ihrer Fachbereiche natürlich (obwohl auch das<br />

vorkommen soll), sondern gerade bei der Beantwortung jener<br />

Fragen, die sich ihrem objektiven Erfahrungsschatz entziehen.<br />

»Wissen ist Macht«, doch wenn dieses Wissen zu einseitig ist,<br />

kann es manchmal zur bloßen Makulatur verkommen, benutzt<br />

<strong>und</strong> missbraucht werden <strong>und</strong> somit seinen Wert selbst in Frage<br />

stellen. Es waren Gelehrte, die die Rassenlehre <strong>des</strong> Dritten<br />

Reichs ersannen, es waren Mediziner, die im Namen dieser<br />

Lehre grauenhafte Experimente durchführten. Nur ein Beispiel,<br />

sicherlich, <strong>und</strong> dazu noch ein recht extremes, doch gehen Sie<br />

sicher mit mir konform, wenn ich behaupte, dass der umfassend<br />

gebildete Mensch eher in der Lage ist, sich ein eigenes Urteil zu<br />

bilden, eigene Wege zu gehen <strong>und</strong> nicht so leicht in Gefahr<br />

gerät, Phrasen, Vorurteilen <strong>und</strong> <strong>Irrtümer</strong>n aufzusitzen.<br />

Wir wollen diesen Aspekt jetzt nicht unbedingt vertiefen,<br />

zumal auch der Schreiber dieser Zeilen keinesfalls eine wirklich<br />

umfassende Bildung für sich reklamieren kann <strong>und</strong> will. Dieses<br />

Buch allerdings soll Ihnen ein wenig helfen, <strong>Irrtümer</strong> <strong>und</strong><br />

Verballhornungen, Phrasen <strong>und</strong> Missverständnisse zu erkennen.<br />

Es soll Ihnen zeigen, wie viel Unsinn verbreitet, wie viel<br />

Vorurteile nach wie vor gelehrt werden. Dabei geht es nicht nur<br />

um historische Denk- <strong>und</strong> Überlieferungsfehler, sondern auch<br />

um ganz alltägliche »Halb- <strong>und</strong> Unwahrheiten«, die selbst durch<br />

ständige Wiederholung nicht richtiger oder wahrhaftiger<br />

werden. Und ich kann Ihnen versichern, dass Sie sich das eine<br />

oder <strong>andere</strong> Mal verstohlen auf die Unterlippe beißen werden<br />

<strong>und</strong> vielleicht vor sich hin murmeln: »Ups - das hab' ich bis jetzt<br />

auch geglaubt!« Kein Gr<strong>und</strong>, sich zu schämen, die Lektüre<br />

dieses Buches allein mag Ihnen schon als Beleg dafür dienen,<br />

dass Sie nicht gewillt sind, langfristig zu den Leichtgläubigen zu<br />

gehören. Viel Spaß.<br />

-16-


1. Von Abendrot bis Autobahn<br />

A wie Abendrot<br />

Wie wurde es besungen, wie wurde es bedichtet: Als<br />

»brennenden Himmel« bezeichneten Romantiker das Abendrot<br />

<strong>und</strong> untermalten mit den Farbtönen zwischen purpur <strong>und</strong> rosé<br />

verbal ihre verklärten Hoffnungen auf einen neuen, besseren<br />

Tag. Auch ins sogenannte »Volksvokabular« hielt diese<br />

Vorstellung <strong>Ei</strong>nzug: »Wenn der Himmel so schön rot ist, wird's<br />

morgen schönes Wetter«, so die oftmals gehörte Behauptung,<br />

die auch von diversen Bauernregeln untermalt wird: »Abendrot -<br />

gut Wetter Bot« oder auch »Der Abend rot <strong>und</strong> weiß das<br />

Morgenlicht, dann trifft uns böses Wetter nicht«. Aber das<br />

stimmt leider nicht so ganz. Zwar entsteht durch besonders<br />

trockene Luft tatsächlich ein schwaches, rötliches Glimmen über<br />

dem von der untergehenden Sonne bestrahlten Horizont, <strong>und</strong><br />

dass bei trockener Luft die Regenwahrscheinlichkeit sinkt,<br />

dürfte auf der Hand liegen. Doch wenn der Abendhimmel im<br />

knalligen »Leuchtrot« erstrahlt, bedeutet dies nichts <strong>andere</strong>s, als<br />

dass sich eine stattliche Menge feuchter Staubpartikel in der<br />

Luft befindet <strong>und</strong> dass Sie <strong>des</strong>halb in der Nacht <strong>und</strong> am nächsten<br />

Morgen durchaus mit ausgiebigen Regenfällen rechnen können.<br />

A wie Affe(n)<br />

Wenn wir die Redewendung »Wenn er das wüsste, würde er<br />

sich im Grabe 'rumdrehen« zugr<strong>und</strong>e legen, dann dürfte das<br />

Skelett eines gewissen Charles Darwin (1809-1882) geradezu<br />

rotieren. Denn kaum jemand wird so häufig missverstanden <strong>und</strong><br />

-17-


fehlinterpretiert wie der große englische Wissenschaftler, der als<br />

»Vater der Evolutionstheorie« gilt. Um es gleich<br />

vorwegzunehmen: <strong>Ei</strong>nen Satz wie »Der Mensch stammt vom<br />

Affen ab« hat Darwin nie gesagt <strong>und</strong> ganz sicher auch nicht<br />

gedacht. Im Gegenteil: Bereits in seinem allerersten Aufsatz<br />

zum Thema »Evolution« schrieb Darwin: »Wir dürfen nicht<br />

dem Irrtum verfallen, zu glauben, der gemeinsame Ahne der<br />

Primaten <strong>und</strong> <strong>des</strong> Menschen sei mit irgendeinem existierenden<br />

Affen identisch, oder diesem auch nur über Gebühr ähnlich<br />

gewesen«. Darwin vertrat vielmehr die Theorie, dass sich der<br />

menschliche Stammbaum in grauer Vorzeit in zwei<br />

unterschiedliche Zweige gegabelt hat, von denen der eine zum<br />

heutigen Menschen, der <strong>andere</strong> aber zum Affen führte. Sollten<br />

Sie also durch die Gitterstäbe eines Zoogeheges einem Gorilla<br />

beim Bananenfuttern zuschauen, müssen Sie keine<br />

verwandtschaftlichen Gefühle hegen. Richtig <strong>und</strong> mittlerweile<br />

auch anhand zahlreicher Fossilienf<strong>und</strong>e belegt - ist Darwins<br />

Vermutung, dass Mensch <strong>und</strong> Affe einen gemeinsamen<br />

Vorfahren haben.<br />

Und wenn wir schon beim Thema sind: Falsch ist auch der<br />

häufig gehörte Satz, der heutige Mensch stamme vom<br />

Neandertaler ab. Die urzeitlichen Schädelknochen, die Ende <strong>des</strong><br />

19. Jahrh<strong>und</strong>erts im »Neandertal« (unweit <strong>des</strong> heutigen<br />

Düsseldorf) entdeckt wurden, beweisen vielmehr, dass es vor<br />

dem Auftreten <strong>des</strong> Homo sapiens (vielleicht auch gleichzeitig)<br />

eine <strong>andere</strong>, durchaus unterschiedliche, humanoide Spezies<br />

gegeben haben muss. Der Neandertaler allerdings ist<br />

ausgestorben - der Homo sapiens (denkende Mensch) hat sich zu<br />

seiner jetzigen Blüte (?) weiterentwickelt. Warum der<br />

Neandertaler ausgestorben ist, ist bislang unbekannt - wenn Sie<br />

sich gerne mit Spekulationen <strong>und</strong> (zuweilen recht wilden)<br />

Theorien beschäftigen, empfehlen wir Ihnen den Roman<br />

»Neanderthal« (dt. »Tal <strong>des</strong> Lebens«, erschienen bei C.<br />

Bertelsmann) von John Darnton.<br />

-18-


A wie Affenschande<br />

Diese Form der Blamage einem Affen unterzuschieben, ist<br />

zwar bequem, aber unlogisch. Schließlich dürfte es ziemlich<br />

schwierig sein, einen Affen zu beschämen, <strong>und</strong> noch<br />

schwieriger, in unserem behaarten Fre<strong>und</strong> ein Gefühl für<br />

»schändliches Tun« zu erwecken. <strong>Das</strong> Wort »Affenschande«<br />

entstammt vielmehr dem Plattdeutschen »apenbare Schand«<br />

(offenbare Schande).<br />

A wie Akropolis<br />

Spricht der Kosmopolit heute von der Akropolis, so meint er<br />

im allgemeinen die größte Sehenswürdigkeit der griechischen<br />

Hauptstadt Athen. Im klassischen Altertum dürfte der Satz »Ich<br />

war auf der Akropolis« allerdings eher Stirnrunzeln erzeugt <strong>und</strong><br />

die Frage »auf welcher?« nach sich gezogen haben. Denn<br />

»Akropolis« heißt lediglich »höchste Stadt« <strong>und</strong> meinte eine<br />

mauernbewehrte Festung innerhalb einer größeren Ansiedlung.<br />

In den antiken Städten <strong>des</strong> Peloponnes gab es davon r<strong>und</strong> 25 -<br />

die Athener Ausführung war allerdings die größte <strong>und</strong><br />

bekannteste.<br />

A wie Alkohol<br />

<strong>Das</strong>s Alkohol nicht gleich Alkohol ist, gestehen wir gerne ein.<br />

Auch die Behauptung, dass ein Gläschen Wein noch niemandem<br />

geschadet hat, wollen wir mit Freuden unterschreiben, zumal<br />

amerikanische Wissenschaftler sogar nachgewiesen haben, dass<br />

in Maßen genossener Alkohol den Stoffwechsel anregt <strong>und</strong> die<br />

Durchblutung fördert. Doch um den Alkohol <strong>und</strong> den Genuss<br />

<strong>des</strong>selben haben sich einige Legenden gebildet, die durchaus<br />

-19-


verhängnisvoll sein können. So hält sich beispielsweise seit<br />

Jahrh<strong>und</strong>erten das hartnäckige Gerücht, Alkohol erwärme den<br />

Körper. Zwar mag das subjektive Gefühl der Erwärmung mittels<br />

eines schönen Glases »Jagertee« durchaus vorhanden sein, <strong>und</strong><br />

auch ein Schlückchen Malt-Whiskey rinnt angenehm feurig<br />

durch die Kehle, doch medizinisch betrachtet, bewirkt der<br />

Alkohol eine Abkühlung. Die Blutgefäße an der Oberfläche <strong>des</strong><br />

Körpers weiten sich aus, das Blut gelangt verstärkt an die<br />

Außenfläche <strong>und</strong> kühlt sich dort ab. Bei stattlichen Minusgraden<br />

fördert der Alkohol demzufolge sogar Erfrierungen.<br />

A wie Alrun oder Alraun<br />

Heute ab <strong>und</strong> zu noch als Frauenname gebräuchlich,<br />

entstammt das Wort »Alrun« nicht - wie sehr häufig behauptet -<br />

dem Sprachschatz der Wikinger <strong>und</strong> bezeichnet keinesfalls eine<br />

»Universalrune«, mit der göttliches Wirken beschrieben wurde.<br />

Alrun (oder Alraune) ist vielmehr aus dem Althochdeutschen<br />

entlehnt <strong>und</strong> stammt vom Wort »albrun«. Damit wurden ein<br />

Kobold oder eine Elfe bezeichnet. Später diente der Begriff auch<br />

als Synonym für die als zauberkräftig angesehene Mandragora-<br />

Wurzel der Alraunpflanze, der ein guter Geist seine Heilkräfte<br />

eingehaucht haben soll.<br />

A wie Amateure<br />

<strong>Das</strong> Wort Amateur bezeichnete ursprünglich nur einen<br />

Liebhaber. Nicht den einer schönen Dame, sondern denjenigen,<br />

der einer Tätigkeit nur um ihrer selbst willen huldigte, ohne<br />

damit seine Brötchen verdienen zu wollen. Im heutigen<br />

Sprachgebrauch werden als Amateure zumeist Sportler<br />

bezeichnet, die für ihre Leibesübungen nicht bezahlt werden,<br />

-20-


<strong>und</strong> bis zum Beginn der 70er Jahre waren auch nur solche bei<br />

Olympischen Spielen zugelassen. So wurden dem<br />

amerikanischen Zehnkämpfer Jim Thorpe, einem der größten<br />

Athleten seiner Zeit, im Jahre 1912 seine beiden Goldmedaillen<br />

im Fünf- <strong>und</strong> im Zehnkampf wieder aberkannt, weil er 1909<br />

einige Monate lang für etwa 80 Dollar im Monat als Baseball-<br />

Profi aktiv war. Diese rigide Sicht <strong>des</strong> olympischen Gedankens<br />

»verdanken« die hohen Herren <strong>des</strong> Internationalen Olympischen<br />

Komitees (IOC) der irrigen Auffassung, dass auch bei den<br />

olympischen Spielen der Antike lediglich »edle Amateure«<br />

zugelassen waren. Alles Unsinn: Zwar schmückten sich die<br />

Sieger seinerzeit mit Palmzweigen <strong>und</strong> wedelten nicht mit<br />

dicken Schecks ins Publikum, doch wurden auch ganz<br />

erhebliche Prämien <strong>und</strong> Preisgelder bezahlt. Denn schon damals<br />

waren der sportliche Wettkampf <strong>und</strong> seine Stadien allzu häufig<br />

nur Ersatzschauplätze für politisch brisante<br />

Auseinandersetzungen. Der Kampf um den Sieg wurde von den<br />

Athleten stellvertretend für die mächtigen Männer im<br />

Hintergr<strong>und</strong> ausgetragen. <strong>Das</strong>s es dabei auch zu unschönen<br />

Szenen kam <strong>und</strong> schließlich sogar der klassische Faustkampf<br />

aufgr<strong>und</strong> übergroßer To<strong>des</strong>gefahr für die Teilnehmer abgesetzt<br />

werden musste, kann also kaum verw<strong>und</strong>ern. <strong>Ei</strong>n für die<br />

Athleten durchaus angenehmer Nebeneffekt dieser<br />

»Ersatzkriege« war die Tatsache, dass sie für ihre körperlichen<br />

Leistungen zumeist fürstlich entlohnt wurden. <strong>Ei</strong>n Olympiasieg<br />

brachte nicht selten lebenslange Leibrenten <strong>und</strong> Steuerfreiheit<br />

sowie bedeutende Geldsummen, für die ein einfacher<br />

Landarbeiter wohl sein Leben lang hätte sparen müssen. Zudem<br />

verdienten sich die Asse auf zahlreichen regionalen Sportfesten<br />

so manche steuerfreie Drachme hinzu - der Amateurstatus wäre<br />

ihnen dabei höchst hinderlich gewesen.<br />

-21-


A wie Angsthase<br />

Der Hase ist wieder einmal ein Beispiel dafür, wie häufig der<br />

Mensch der Tierwelt bitter Unrecht tut. So ist der Esel als<br />

»strohdumm«, das Schwein als »dreckig« <strong>und</strong> der Hase eben als<br />

»ängstlich« verschrien. Und das, obwohl »Meister Lampe« über<br />

vergleichsweise stählerne Nerven verfügt. Wenn sich nämlich<br />

ein Feind nähert, bleibt er buchstäblich bis zum letzten Moment<br />

in geduckter Haltung auf seiner Position <strong>und</strong> baut auf die<br />

schützende Wirkung seiner Tarnfarbe <strong>und</strong> der<br />

Bewegungslosigkeit. Erst wenn sich der hungrige Feind bis auf<br />

Armeslänge genähert hat, sprintet der Hase davon <strong>und</strong> erreicht<br />

dabei Spitzengeschwindigkeiten von über 80 km/h. Zugegeben -<br />

dieses Verhalten macht ihn nun auch nicht gerade zum Helden,<br />

aber bitte bedenken Sie, dass unser langohriger Fre<strong>und</strong> über<br />

keinerlei Verteidigungsmittel verfügt, sondern sich<br />

ausschließlich auf seine Wendigkeit <strong>und</strong> Schnelligkeit verlassen<br />

muss.<br />

A wie Apfel<br />

Warum ausgerechnet der Apfel die »verbotene Frucht« der<br />

Schöpfungsgeschichte gewesen sein soll, bleibt rätselhaft - in<br />

der Bibel wird er jedenfalls nicht erwähnt. In der deutschen<br />

Standardübersetzung <strong>des</strong> entsprechenden Bibeltextes heißt es<br />

wörtlich: »… Nur von den Früchten <strong>des</strong> Baumes, der in der<br />

Mitte <strong>des</strong> Gartens steht, hat Gott gesagt: Davon dürft ihr nicht<br />

essen, <strong>und</strong> daran dürft ihr nicht rühren, sonst werdet ihr<br />

sterben.« <strong>Ei</strong>n Apfelbaum dürfte damit jedoch kaum gemeint<br />

gewesen sein, denn im Nahen Osten gab es die seinerzeit noch<br />

nicht einmal. Allerdings galt der Apfel den Griechen als Symbol<br />

der Liebesgöttin Aphrodite, <strong>und</strong> was liegt näher, als aus den<br />

Vorlieben dieser durchaus sexuell interessierten Dame eine<br />

-22-


»verbotene Frucht« zu machen.<br />

A wie Apfelbaum<br />

Auf einem Apfelbaum wachsen Äpfel. Diese verblüffende<br />

Erkenntnis ist ebenso einleuchtend wie in ihrer<br />

Ausschließlichkeit falsch. Denn es gibt durchaus Apfelbäume,<br />

auf denen Birnen wachsen können, auch wenn sie natürlich<br />

wesentlich seltener sind als die »normalen« Exemplare. Bei den<br />

sogenannten »vegetativen Hybriden« wird durch die Technik<br />

<strong>des</strong> »Pfropfens« ein Teil einer <strong>andere</strong>n Pflanze dem<br />

ursprünglichen Stamm angegliedert. Dies wiederum bedeutet -<br />

den passenden Nährboden vorausgesetzt -, dass ein Birnenzweig<br />

ohne weiteres aus einem Apfelbaum herausragen kann, sobald<br />

die beiden unterschiedlichen Pflanzen zu einer künstlichen<br />

Lebenseinheit verwachsen sind. <strong>Das</strong> »Pfropfen« ist übrigens seit<br />

Jahrh<strong>und</strong>erten bekannt, <strong>und</strong> das berühmteste Beispiel für diesen<br />

Trick der Obstanbauer ist ein Zitrusbaum in Sotschi am<br />

Schwarzen Meer: Dort wachsen über 45 verschiedene Früchte<br />

von der gewöhnlichen Zitrone über die Orange bis hin zur<br />

Grapefruit - an einem einzigen Baum.<br />

A wie Apostel<br />

Selbst höchst bibelk<strong>und</strong>ige Menschen sprechen, wenn die<br />

Sprache auf die Jünger Jesu' kommt, von den »Zwölf Aposteln«.<br />

Dies ist allerdings nicht ganz korrekt, denn tatsächlich gab es<br />

deren 13. Nachzulesen ist dies in der Apostelgeschichte, Kapitel<br />

1, Vers 20. Denn nachdem Judas Ischariot Selbstmord begangen<br />

hatte, wurde ein junger Mann namens Matthias in die R<strong>und</strong>e<br />

aufgenommen - sozusagen der 13. der zwölf Apostel. Von oder<br />

über ihn existieren allerdings so gut wie keine Aufzeichnungen -<br />

-23-


lediglich die griechische Apostelgeschichte aus dem vierten<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert erzählt von den Abenteuern <strong>des</strong> Andreas <strong>und</strong><br />

Matthias in Äthiopien. Hartnäckig hält sich in Kreisen der<br />

Kirchenhistoriker das Gerücht, dass auch der besagte Matthias<br />

ein eigenes Evangelium verfasst hat (wir empfehlen die Lektüre<br />

<strong>des</strong> Romans »Der 13. Apostel« v. Wilton Bernhardt, erschienen<br />

bei Knaur), doch gibt es für diese Theorie bis heute keinen<br />

greifbaren Beleg. Interessant ist auch die Frage, warum Matthias<br />

so schnell <strong>und</strong> so gründlich in Vergessenheit geraten konnte:<br />

Dies liegt vermutlich an seiner unglückseligen<br />

Namensähnlichkeit mit dem weitaus prominenteren Matthäus.<br />

Offensichtlich haben viele Überlieferer <strong>und</strong> Übersetzer die<br />

Namensähnlichkeit falsch interpretiert <strong>und</strong> aus Matthias <strong>und</strong><br />

Matthäus ein <strong>und</strong> dieselbe Person gemacht.<br />

A wie Äquator<br />

»… <strong>und</strong> am Äquator ist es am wärmsten« - ein Satz, der in<br />

jedem Geographieunterricht jedweder Schule irgendwann<br />

einmal fällt. Für Schüler aller Länder, Klassen <strong>und</strong><br />

Jahrgangsstufen mag er zukünftig auch als ein weiteres Indiz<br />

dafür stehen, dass man eben doch nicht alles unwidersprochen<br />

hinnehmen <strong>und</strong> glauben sollte, was der Lehrer so erzählt.<br />

Schließlich wurden die höchsten Temperaturen bisher im »Tal<br />

<strong>des</strong> To<strong>des</strong>« in der kalifornischen Wüste gemessen: Stolze 56,7<br />

Grad Celsius. »Death Valley« allerdings liegt r<strong>und</strong> 3000<br />

Kilometer vom Äquator entfernt<br />

A wie Arbeit<br />

Arbeit - für die meisten Menschen kein schönes Wort,<br />

gleichzeitig aber auch ein Beispiel dafür, wie unterschiedlich<br />

-24-


Begriffe bewertet werden können. Während das »Arbeiten« für<br />

den ach so gestressten Manager nämlich ein echter Frondienst<br />

ist (ein gut bezahlter allerdings), wäre jeder »Arbeitslose« froh<br />

um diese Mühsal. »Arbeit macht frei« schrieben die Nazis über<br />

die Tore ihrer Vernichtungslager <strong>und</strong> demonstrierten damit, wie<br />

ein Wort zur bloßen zynischen Phrase umfunktioniert werden<br />

kann. Und »schwere Arbeit lässt uns schneller alt werden«,<br />

behauptet der Volksm<strong>und</strong> seit Jahrh<strong>und</strong>erten. Letzteres ist<br />

schlichtweg falsch, denn jahrzehntelange Beobachtungen<br />

ergaben, dass Menschen, die einer geregelten körperlichen<br />

Arbeit nachgehen, normalerweise sogar eine höhere<br />

Lebenserwartung haben, als diejenigen, die viel sitzen.<br />

Ausgenommen davon sind »Extremarbeiter« wie beispielsweise<br />

Bergleute, denen die Staublunge allzu häufig einen Strich durch<br />

die Lebensrechnung macht. Die soeben zitierten Beobachtungen<br />

machen allerdings auch deutlich, dass nicht nur die Arbeit an<br />

sich, sondern natürlich auch die übrigen Lebensumstände eine<br />

gewichtige Rolle spielen. So hat der Landwirt alleine durch<br />

seine häufigen Aufenthalte an der frischen Luft schon gewisse<br />

Vorteile gegenüber dem Fliesenleger oder dem Klempner, die<br />

körperlich etwa im gleichen Maße beansprucht werden.<br />

A wie Archime<strong>des</strong><br />

Archime<strong>des</strong> war zweifellos ein Universalgenie. Als<br />

Mathematiker, Philosoph <strong>und</strong> begnadeter Mechaniker verblüffte<br />

er im dritten Jahrh<strong>und</strong>ert vor Christus ein ums <strong>andere</strong> Mal seine<br />

Zeitgenossen. Seine Verdienste um die Mathematik will dieses<br />

Buch um Gottes willen nicht in Frage stellen. <strong>Das</strong>s aber der<br />

große Grieche im Jahre 212 v. Chr. die römische Flotte mittels<br />

Brennspiegeln vor Syrakus (Sizilien) in Brand gesteckt haben<br />

soll, muss bezweifelt werden. Erstmals schriftlich niedergelegt<br />

wurde diese Legende um 535 n. Chr. vom Architekten <strong>und</strong><br />

-25-


Mathematiker Anthemios von Tralles. Mehr als 700 Jahre nach<br />

dem angeblichen Geschehen behauptete der Erbauer der »Hagia<br />

Sophia«, dass Archime<strong>des</strong> seinerzeit riesige, gläserne<br />

Brennspiegel auf den Mauern von Syrakus habe installieren<br />

lassen. Mit den gebündelten Sonnenstrahlen sei dann die<br />

angreifende römische Flotte unter Führung <strong>des</strong> Konsuls Marcus<br />

Claudius Marcellus in Brand gesteckt <strong>und</strong> vernichtet worden.<br />

Kein einziges der 60 Schiffe sei dem »Feuer durch das Licht«<br />

entkommen. Andere Schreiber <strong>und</strong> Chroniken übernahmen die<br />

Geschichte in der Folgezeit bereitwillig, <strong>und</strong> bis heute ist sie in<br />

so manchem Schulbuch zu finden.<br />

Stutzig macht uns allerdings die Tatsache, dass die Römer die<br />

damalige Schlacht trotzdem gewonnen haben, dass keiner der<br />

Zeitgenossen <strong>des</strong> Archime<strong>des</strong> die Episode beschrieben oder<br />

festgehalten hat <strong>und</strong> dass die moderne Wissenschaft die<br />

Unwahrscheinlichkeit einer solchen Technik anschaulich<br />

demonstriert hat. 1975 installierte der griechische Ingenieur<br />

Sakkas 70 Parabolspiegel aus 1,70 in auf 0,70 in großen<br />

Glasplatten an der Küste vor Athen. Die Platten waren auf der<br />

Rückseite mit Kupfer beschichtet <strong>und</strong> von Metallrahmen<br />

eingefasst. Diese Materialien konnten Archime<strong>des</strong> natürlich<br />

nicht zur Verfügung gestanden haben. Erst als Sakkas alle 70<br />

Spiegel auf ein einziges kleines Ruderboot richten ließ, fing<br />

dieses schließlich Feuer <strong>und</strong> verbrannte. Voraussetzung war<br />

allerdings der absolute Stillstand <strong>des</strong> Bootes, denn das Licht der<br />

Parabolspiegel musste min<strong>des</strong>tens 30 Sek<strong>und</strong>en auf eine einzige<br />

Stelle konzentriert werden. Der römischen Flotte im Jahre 212 v.<br />

Chr. allerdings Bewegungslosigkeit unterstellen zu wollen, wäre<br />

wohl unsinnig.<br />

A wie Arsenpilz<br />

Arsenpilz - ein Name, ein Programm? Falsch, denn der<br />

primitive Schlauchpilz ist ganz <strong>und</strong> gar nicht giftig <strong>und</strong> enthält<br />

-26-


erst recht kein Arsen. Seinen abschreckenden Namen verdankt<br />

er einzig <strong>und</strong> allein seinem selbstlosen <strong>Ei</strong>nsatz für die<br />

Kriminalistik, denn dort wurde er als hochsensibler »Testpilz«<br />

in der Vergangenheit für den Nachweis von Arsenspuren<br />

verwendet. Kommt das eigentlich harmlose Gewächs nämlich<br />

mit Arsen in Berührung, bildet sich sofort ein hochgiftiger Stoff,<br />

der einen knoblauchartigen Geruch verbreitet. So manch<br />

finsterer Giftmischer verdankt seine Überführung also einem<br />

unschuldigen Pilz. Übrigens: Pilzkenner haben uns versichert,<br />

dass der Arsenpilz zwar nicht giftig, keinesfalls aber<br />

wohlschmeckend sei. Zum Verzehr nicht geeignet.<br />

A wie Atlantis<br />

<strong>Das</strong>s auch mit großen Geistern mal »der Gaul der Phantasie«<br />

durchgehen kann, bewies der griechische Philosoph Plato, als er<br />

die Legende von Atlantis ins Leben rief. Damals behauptete er<br />

nämlich, dass mitten im Atlantik 9000 Jahre vor der<br />

hellenischen Blütezeit eine riesige Insel gelegen habe, deren<br />

Bewohner zunächst glücklich <strong>und</strong> zufrieden gelebt hätten. Dann<br />

aber seien sie moralisch verkommen, hätten sich<br />

Welteroberungsgelüsten hingegeben <strong>und</strong> seien von Zeus mit<br />

einem Erdbeben gestraft <strong>und</strong> im Meer versenkt worden.<br />

Obwohl Plato Zeit seines Lebens beteuerte, es handle sich<br />

hierbei um eine wahre Überlieferung aus dem alten Ägypten,<br />

fehlt bis heute jeder konkrete Hinweis auf den angeblich<br />

verschw<strong>und</strong>enen Kontinent. Zwar bildeten Afrika, Amerika <strong>und</strong><br />

Europa vor etwa 200 Millionen Jahren tatsächlich noch eine<br />

zusammenhängende Landmasse. Deshalb könnte an der Stelle<br />

<strong>des</strong> heutigen Atlantik durchaus fester Boden gewesen sein, doch<br />

menschliche Besiedlung gab es darauf - in Ermangelung von<br />

irgendwelchen Humanoiden auf dem Planeten - mit absoluter<br />

Sicherheit noch nicht. Auch in den bislang entzifferten<br />

-27-


altägyptischen Hieroglyphen fanden sich keinerlei Hinweise auf<br />

das versunkene Riesenreich. Plato hat die ganze Geschichte<br />

wohl lediglich als Fabel erf<strong>und</strong>en, um den damals vereinzelt<br />

auftretenden Größenwahn seiner Landsleute durch eine<br />

einprägsame Warnung in Legendenform im Keim zu ersticken.<br />

A wie »Auch du mein Sohn, Brutus…«<br />

…soll Cäsar gesagt haben, als er an den »Iden <strong>des</strong> März« von<br />

Meuchelmördern niedergestreckt wurde. Laut Augenzeugen hat<br />

Cäsar allerdings nichts dergleichen gesagt. <strong>Ei</strong>nig sind sich die<br />

Historiker darüber, dass Brutus mit unter den Killern war. Zum<br />

einen stieß man dem Imperator die (ungefähr) acht Dolche in<br />

den Rücken, er konnte also niemanden mehr erkennen. Zweitens<br />

dürfte ein Mensch mit so vielen Messern im Leib kaum in der<br />

Lage sein, überhaupt noch etwas Verständliches von sich zu<br />

geben. Der Autor tippt <strong>des</strong>wegen eher auf ein »Aaarghh« als<br />

letztes Wort <strong>des</strong> Kaisers.<br />

A wie Autobahnen<br />

Der Satz »Immerhin hat Hitler die Autobahnen gebaut« hat<br />

den Schreiber dieser Zeilen schon immer zur Weißglut gereizt.<br />

Abgesehen von der Tatsache, dass damit krampfhaft versucht<br />

wird, einem Ungeheuer in Menschengestalt positive Seiten<br />

abzugewinnen, ist an dieser Aussage so gut wie gar nichts<br />

richtig. Zum einen ließ Hitler bauen <strong>und</strong> zwar unter<br />

Arbeitsbedingungen, die vielen Gesch<strong>und</strong>enen die zuvor<br />

erlittene Arbeitslosigkeit der Weimarer Zeit wie den Himmel<br />

auf Erden erscheinen ließ. Zum <strong>andere</strong>n stammte die Idee zum<br />

Bau der Autobahnen nicht von ihm <strong>und</strong> zum dritten waren sie<br />

lediglich aus militärtechnischer Sicht von Nutzen - ihr sonstiger<br />

-28-


Wert tendierte in den 30er Jahren gegen Null. Dröseln wir diese<br />

Informationen von hinten auf: Auf 100 Deutsche kam zur<br />

damaligen Zeit etwa ein Kraftfahrzeug, das auf Landstraßen<br />

ebenso gut <strong>und</strong> schnell gefahren werden konnte. Punkt 2: Schon<br />

1921 wurde in Berlin die AVUS eingeweiht, die bis heute als<br />

erste Autobahn der Welt gilt. In den USA entstanden in den 20er<br />

3ahren die ersten sogenannten »Highways« <strong>und</strong> in Italien baute<br />

der Unternehmer Puricelli die 130 Kilometer lange<br />

»Autostrada« von Mailand in die Lombardei. 1927 wurde in<br />

Deutschland das erste großflächige Autobahnkonzept vorgestellt<br />

<strong>und</strong> noch im gleichen Jahr lagen die Pläne für eine Strecke<br />

Hamburg-Basel bis in die letzten <strong>Ei</strong>nzelheiten bereit - für ihre<br />

Realisierung fehlte allerdings das Geld. Im August 1932 wurde<br />

die Autobahn Köln-Bonn in Betrieb genommen <strong>und</strong> schon ein<br />

Jahr zuvor hatte der »Erste Internationale Autobahnkongress« in<br />

Genf getagt <strong>und</strong> den Bau von Autobahnen als Möglichkeit zur<br />

Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ausgelobt. Als Hitler 1933<br />

dann die vollständigen Unterlagen für ein deutsches<br />

Autobahnnetz in die Hände bekam, griff er zu: Er gründete die<br />

Gesellschaft »Reichsautobahn« <strong>und</strong> tat am 23. 9. 1933 bei<br />

Frankfurt a. Main den ersten Spatenstich für das<br />

»Reichsautobahnnetz«. Sein »Verdienst« besteht also darin, sich<br />

die Ideen <strong>andere</strong>r zu einem günstigen Zeitpunkt unter den Nagel<br />

gerissen <strong>und</strong> sie als seine eigenen verkauft zu haben. Von nun<br />

an war nämlich nur noch von einer »genialen Idee unseres<br />

Führers« die Rede <strong>und</strong> die Propagandisten <strong>des</strong> Dritten Reichs<br />

scheuten sich nicht, den Bau <strong>des</strong> Kölner Doms <strong>und</strong> die<br />

»Betonschönheit« der Autobahnen als »urdeutsche Tugenden«<br />

in einem Atemzug zu preisen.<br />

-29-


B wie Babel<br />

2. Von Babel bis Bumerang<br />

Nicht nur Agnostiker tun die angebliche »Mär vom Turmbau<br />

zu Babel« mit einem Lächeln <strong>und</strong> einem Schulterzucken ab. Bis<br />

in den Himmel soll er hineingeragt haben - wie bitteschön sollen<br />

die Menschen vor vier- bis fünftausend Jahren denn so etwas<br />

zustande gebracht haben? Wie in so vielen Legenden <strong>und</strong> Sagen<br />

ist allerdings auch in dieser alttestamentarischen Überlieferung<br />

mehr als nur ein Körnchen Wahrheit enthalten, beschrieb doch<br />

immerhin der griechische Geschichtsschreiber Herodot (bekannt<br />

für seine Gründlichkeit) das folgende Bauwerk: »Der Tempel ist<br />

ein quadratischer Bau von 400 Metern Seitenlänge mit<br />

bronzenen Toren. Ich (Herodot) habe ihn seinerzeit selbst<br />

gesehen: Er besitzt einen machtvollen Mittelturm, der wohl 200<br />

Meter im Quadrat misst. Darauf steht ein zweiter, darauf<br />

wiederum ein dritter Turm fortfahrend bis zum achten Turm. An<br />

allen acht Türmen führt eine äußere Wendeltreppe nach oben.<br />

Auf der Spitze <strong>des</strong> obersten Turmes steht ein großer Tempel…»<br />

Soweit also Herodot, Geschichtskenner mögen nun einwenden,<br />

dass der babylonische Turm doch weit vor den Zeiten <strong>des</strong><br />

griechischen Historikers gebaut worden sein soll. Richtig, aber<br />

das gewaltige Bauwerk in der Tiefebene zwischen Euphrat <strong>und</strong><br />

Tigris war nach seiner Errichtung im dritten Jahrtausend vor<br />

Christus mehrmals zerstört <strong>und</strong> immer wieder aufgebaut<br />

worden. Erst der griechische Erobererkönig Xerxes ging 469 v.<br />

Chr. so gründlich vor, dass nach dem Wüten seiner Truppen<br />

nicht einmal mehr ein brauchbares F<strong>und</strong>ament übrig blieb.<br />

Offensichtlich hat es den babylonischen Turm also tatsächlich<br />

gegeben - ob er aber Gott derart erzürnt hat, dass er die<br />

-30-


sogenannte »babylonische Sprachverwirrung« zu den Menschen<br />

hernieder schickte, überlassen wir Ihrem eigenen Urteil. Doch<br />

selbst für diese Legende könnte es eine plausible Erklärung<br />

geben: Beim ursprünglichen Bau <strong>des</strong> Turmes hat wohl eine<br />

Vielzahl von »Fremdarbeitern« aus zahlreichen Regionen <strong>des</strong><br />

Nahen Ostens mehr oder weniger freiwillig mitgeholfen.<br />

Schließlich war zu den Zeiten <strong>des</strong> Babylonischen Riesenreichs<br />

die Sklavenhaltung durchaus modern. Kein W<strong>und</strong>er also, dass<br />

der gigantische, Jahrzehnte währende Bau eine reiche Sprachen-<br />

<strong>und</strong> Dialektvielfalt hervorbrachte. Dieser für damalige<br />

Verhältnisse recht ungewöhnliche Umstand könnte zur<br />

erwähnten Sprachverwirrung geführt haben.<br />

B wie Bakterien<br />

»Nimm dich vor Bakterien in Acht«, »Hüte dich vor<br />

Bakterien«, »Bakterien sind gefährlich« - derartige Weisheiten<br />

<strong>und</strong> Ratschläge sind wohlfeil <strong>und</strong> ein ausgezeichnetes Beispiel<br />

dafür, wie sehr der Mensch dazu neigt, Wissen <strong>und</strong> Erfahrungen<br />

nach seinen Ängsten auszurichten <strong>und</strong> zu filtern. Um es<br />

vorwegzunehmen: Nur die wenigsten Bakterien sind für den<br />

Menschen eine Gefahr. Natürlich sollten Sie sich nicht mit<br />

denen anlegen, die Typhus, Cholera, W<strong>und</strong>starrkrampf oder<br />

Tuberkulose verursachen. Doch wenn Sie beispielsweise den<br />

Darmbakterien zu Leibe rücken, wird Ihre Verdauung<br />

entschieden ins Stocken geraten - Sie könnten ohne diese<br />

nützlichen Miniaturwesen tatsächlich an Verstopfung zugr<strong>und</strong>e<br />

gehen. Die Mehrzahl der Bakterien ist äußerst nützlich: Sie<br />

sorgen beispielsweise für Gärungsprozesse, ohne die es weder<br />

Bier noch Käse oder Joghurt geben würde. Sie zerlegen<br />

Menschenleichen, Tierkadaver <strong>und</strong> Pflanzenreste in (abbaubare<br />

<strong>und</strong> wiederverwertbare) <strong>Ei</strong>nzelteile, bescheren uns brauchbares<br />

Erdöl <strong>und</strong> Zellulose <strong>und</strong> sie reinigen schmutzige Abwässer. Und<br />

-31-


den Putzwütigen unter Ihnen sei gesagt, dass der Kontakt mit<br />

Bakterien im Alltag ohnehin unvermeidbar ist: In einem<br />

einzigen Wassertropfen, auf der Spitze eines Grashalms oder im<br />

Inneren eines Sandkorns tummeln sich nämlich jeweils mehrere<br />

100000.<br />

B wie Bananen<br />

Haben Sie schon mal Salz <strong>und</strong> Zucker verwechselt? Ja? Dem<br />

Schreiber dieser Zeilen ist das auch schon passiert, just an dem<br />

Tag, an dem er den ersten <strong>und</strong> einzigen Apfelkuchen seines<br />

Lebens produzieren wollte. Es schmeckte furchtbar. Salz passt<br />

eben nicht zu süßem Obst - so die allgemeine Annahme. Dabei<br />

wird allerdings zumeist übersehen, dass manche Obstsorten<br />

reichlich Salz enthalten: In 100 Gramm Beerenobst sind<br />

beispielsweise ca. 25 mg Kochsalz enthalten, bei Steinobst sind<br />

es schon r<strong>und</strong> 100 mg <strong>und</strong> einh<strong>und</strong>ert Gramm Banane enthält<br />

sogar stolze 200 mg. Anders ausgedrückt: <strong>Ei</strong>nen Großteil <strong>des</strong><br />

unvergleichlichen Bananengeschmacks verdanken wir dem Salz.<br />

B wie Bastille<br />

Er wurde zum sprichwörtlichen Symbol <strong>des</strong> Sieges der<br />

»kleinen Leute« gegen ihre verhassten Unterdrücker: Der<br />

»Sturm auf die Bastille«. Am 14. Juli 1789 soll mit ihm die<br />

französische Revolution begonnen haben. Doch bekanntlich<br />

schreiben die Sieger die Geschichte <strong>und</strong> in diesem Fall haben sie<br />

die Tatsachen besonders schamlos manipuliert. Zum einen war<br />

die Bastille im wilden Sommer 1789 schon ein recht<br />

unbedeuten<strong>des</strong> Gefängnis geworden, das zum Zeitpunkt seiner<br />

angeblichen Erstürmung gerade noch sieben Insassen<br />

beherbergte. Diese w<strong>und</strong>erten sich nicht schlecht, als sie<br />

-32-


plötzlich aus ihren vergleichsweise komfortablen Zellen gezerrt<br />

<strong>und</strong> als »Märtyrer <strong>des</strong> königlichen Despotismus« gefeiert<br />

wurden. Zum <strong>andere</strong>n gab einer der berühmtesten »Erstürmer«,<br />

der Revolutionsgardist Elie, schon wenige Monate später zu<br />

Protokoll, dass sich das angeblich dramatische Feuergefecht<br />

zwischen den königstreuen Verteidigern der Feste <strong>und</strong> dem<br />

wütenden Volk auf etwa zwei bis drei Schüsse beschränkt hatte,<br />

die offensichtlich aus Versehen <strong>und</strong> Nervosität abgefeuert<br />

worden waren, ohne den geringsten Schaden anzurichten. Die<br />

Wachmannschaft selbst hatte nach kurzem Verhandeln die Tore<br />

geöffnet.<br />

Gr<strong>und</strong> für die abenteuerlich ausgeschmückte Legende dürfte<br />

sein, dass die Bastille schon seit Mitte <strong>des</strong> 15. Jahrh<strong>und</strong>erts als<br />

Symbol der Unterdrückung galt. Man hoffte, mit der Mär von<br />

der blutigen Eroberung das Feuer der Revolution noch weiter<br />

anzuheizen. Außerdem erwarteten die Eroberer, in den Mauern<br />

der Bastille brauchbare Waffen <strong>und</strong> Pulver zu erbeuten. Mit<br />

allzu viel Widerstand hatten sie bei der <strong>Ei</strong>nnahme nicht zu<br />

rechnen: Es war bekannt, dass die Wachmannschaft aus<br />

verdienten Veteranen <strong>und</strong> Invaliden bestand, die wohl kaum<br />

genügend Motivation aufgebracht hätten, dem anstürmenden<br />

Volk mehrere St<strong>und</strong>en lang zu trotzen.<br />

B wie Bauchredner<br />

Selten war ein Begriff so irreführend wie »Bauchreden«.<br />

Niemand ist nämlich in der Lage, mit seinem Bauch Töne oder<br />

gar Worte bewusst zu erzeugen (wir sprechen jetzt nicht vom<br />

Darmtrakt). Beim Bauchredner handelt es sich vielmehr um<br />

einen Akrobaten, der seine echte Stimme gewissermaßen die<br />

Kehle hinunterlaufen lässt, sie also »verschluckt« <strong>und</strong> dann in<br />

höherer Tonlage wieder hören lässt. Der hintere Rachenbereich<br />

dient dabei als Resonanzkörper. Dabei bewegt sich (bei echten<br />

-33-


Könnern) kein einziger Gesichtsmuskel.<br />

B wie Bermuda-Dreieck<br />

<strong>Das</strong> vorliegende Buch möchte sich an dieser Stelle nicht<br />

anmaßen, das sogenannte »Rätsel <strong>des</strong> Bermuda-Dreiecks«<br />

endgültig lösen zu können. Fest steht, dass in dieser<br />

Meeresgegend zwischen Puerto Rico, der Südspitze Floridas<br />

<strong>und</strong> der Inselgruppe der Bermudas in den letzten 35 Jahren r<strong>und</strong><br />

25 Schiffe <strong>und</strong> auch etliche Flugzeuge urplötzlich vom<br />

Radarschirm verschw<strong>und</strong>en sind <strong>und</strong> zum Teil nie mehr<br />

gef<strong>und</strong>en wurden. Sehr gewissenhafte <strong>und</strong> kostenintensive<br />

Forschungen haben allerdings einige Theorien über dieses<br />

Phänomen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit<br />

widerlegt: So gibt es beispielsweise keinerlei Hinweise darauf,<br />

dass Außerirdische sich just in diesem Bereich menschliches<br />

Studienmaterial entführen. Von der Hand gewiesen wurde auch<br />

die Version der mörderischen Riesenkraken, die mit monströsen<br />

Fangarmen ihre Opfer in die Tiefe ziehen. Für (möglicherweise<br />

durchaus existente) Tiere dieser Größenordnung wäre es an der<br />

Meeresoberfläche in diesen Gewässern wesentlich zu warm <strong>und</strong><br />

zu drucklos: Sie würden wahrscheinlich binnen Sek<strong>und</strong>en<br />

aufgehen wie ein Pfannkuchen <strong>und</strong> schließlich platzen (siehe<br />

auch das Stichwort »Kraken«). Und auch die Sage vom<br />

»Fliegenden Holländer« - einem legendenumwobenen<br />

Geisterschiff -, der in dieser Gegend sein Unwesen treiben<br />

könnte, entbehrt wohl jeder ernstzunehmenden Gr<strong>und</strong>lage.<br />

Somit bleiben eigentlich nur noch zwei Möglichkeiten:<br />

Extreme, kurzfristige <strong>und</strong> gänzlich unerwartete<br />

Wetteränderungen oder einfach eine Verkettung von Zufällen.<br />

Suchen Sie sich's aus.<br />

-34-


B wie Beton<br />

Es gibt kaum ein Wort der Alltagssprache, das mit mehr<br />

negativen Assoziationen belegt ist als »Beton«. Würden Sie<br />

etwa sagen, der Begriff »Betonklotz« oder die Redewendung<br />

»völlig zubetoniert« erfüllten Sie mit angenehmen Gedanken?<br />

Natürlich nicht, <strong>und</strong> die deutschen Betonproduzenten sahen sich<br />

sogar veranlasst, mit dem Slogan »Beton: Es kommt drauf an,<br />

was man draus macht« für ihr missverstandenes Produkt zu<br />

werben. Dabei hätte vielleicht ein Hinweis auf die Historie<br />

dieses Materials genügt. Denn anders als zumeist vermutet, ist<br />

das Gemisch aus Stein, Sand <strong>und</strong> Kies kein Produkt <strong>des</strong><br />

erbarmungslosen Erfindungsreichtums der Neuzeit, sondern<br />

uralt <strong>und</strong> wurde erstmals vor r<strong>und</strong> 2400 Jahren von den alten<br />

Römern benutzt. So sind beispielsweise die F<strong>und</strong>amente <strong>des</strong><br />

Castor-Tempels auf dem Forum Romanum aus einer Art Beton,<br />

<strong>und</strong> auch damals schon wurde das widerstandsfähige Gemisch<br />

in Holzverschalungen gegossen <strong>und</strong> ausgehärtet. Aber auch im<br />

Wasserbau <strong>des</strong> römischen Imperiums spielte das »pulvis<br />

puteolanus« eine gewichtige Rolle, denn Aquädukte,<br />

Hafenanlagen <strong>und</strong> Abwasserkanäle wurden oft <strong>und</strong> gerne mit<br />

Beton ausgekleidet <strong>und</strong> geflickt.<br />

B wie Bewusstloser<br />

Manche Menschen müssen über Gebühr leiden: Erst kippen<br />

sie - aus welchen Gründen auch immer - bewusstlos ins Reich<br />

der Träume <strong>und</strong> dann werden sie auch noch von wohlmeinenden<br />

Mitmenschen mit kaltem Wasser übergossen. Bitte nicht, ist<br />

man geneigt zu rufen, denn in der Regel geht ein<br />

Ohnmachtsanfall ohnehin binnen weniger Augenblicke vorbei.<br />

Wenn Sie dem Regungslosen Wasser ins Gesicht schütten,<br />

behindern Sie womöglich nur seine Nasenatmung. Lockern Sie<br />

-35-


statt <strong>des</strong>sen seine Kleidung, legen Sie ihn auf den Rücken <strong>und</strong><br />

sorgen Sie dafür, dass die Beine höher gelagert sind als der<br />

übrige Körper. Alles weitere erledigt normalerweise die Natur<br />

<strong>und</strong> im Zweifelsfall wird der <strong>Pat</strong>ient sicherlich von einem<br />

Mediziner besser versorgt als von einem <strong>Ei</strong>mer <strong>Ei</strong>swasser. Der<br />

beschert ihm höchstens ein unangenehmes Frösteln nach dem<br />

Erwachen.<br />

B wie Bier<br />

Zum Thema Bier gibt es eine Menge zu erzählen (siehe auch<br />

Stichwort »Bockbier«), doch wir wollen ein Volk von<br />

Bierliebhabern an dieser Stelle keinesfalls langweilen. Ihnen<br />

bleibt also eine Erläuterung <strong>des</strong> Begriffes »Stammwürze«<br />

ebenso erspart wie die ausführliche Würdigung <strong>des</strong> bayerischen<br />

Reinheitsgebotes. Verschwiegen wird an dieser Stelle auch die<br />

Tatsache, dass nicht in Bayern, sondern in Nordrhein-Westfalen<br />

der größte Pro-Kopf-Verbrauch von Bier gemessen wird <strong>und</strong><br />

dass die Guinness-Brauerei im irischen Dublin die größte der<br />

Welt ist. Nein - wir möchten Sie vielmehr mit der verblüffenden<br />

Tatsache vertraut machen, dass Bier auch durch direkte<br />

Sonnenbestrahlung gekühlt werden kann. Wie das gehen soll?<br />

Ganz einfach: Man wickelt die Flasche in ein feuchtes Tuch <strong>und</strong><br />

hängt sie ins Sonnenlicht. Durch die Erwärmung verdunstet die<br />

Feuchtigkeit <strong>des</strong> Tuches <strong>und</strong> dabei entsteht Kälte. O. K. - eiskalt<br />

dürfte das Fläschchen dadurch nicht werden <strong>und</strong> natürlich ließe<br />

sich das Experiment auch mit einer Sprudelflasche durchführen.<br />

Aber mit Bier klingt’s irgendwie besser, nicht wahr?<br />

-36-


B wie Bisamratte<br />

<strong>Ei</strong>n grauer Pelz macht noch keine Ratte. Dieser an <strong>und</strong> für<br />

sich völlig sinnlose Satz gilt für die Bisamratte, die eigentlich<br />

gar keine Ratte ist, sondern der Familie der Wühlmäuse<br />

zugerechnet wird. Ursprünglich in Nordamerika beheimatet <strong>und</strong><br />

dort wegen ihres schönen Fells erbarmungslos gejagt <strong>und</strong><br />

beinahe ausgerottet, ist sie mittlerweile auch in Europa zuhause.<br />

B wie Blauer Engel<br />

Fragt man heute nach der berühmtesten Filmrolle der Marlene<br />

Dietrich, so bekommt man als Antwort häufig »Blauer Engel«<br />

zu hören. Tatsächlich aber hieß lediglich der Streifen, der ihr<br />

den Durchbruch brachte, »Der Blaue Engel«, <strong>und</strong> dieser Name<br />

wiederum stand für eine Kabarett-Kneipe in Berlin, in die der<br />

Schriftsteller Heinrich Mann einen fiktiven Professor namens<br />

Unrat hineingeraten ließ. Die Dietrich verkörperte in diesem<br />

Film <strong>des</strong> Regisseurs Josef Sternberg das Revuegirl Rosa<br />

Fröhlich, dem der besagte Professor mit Haut <strong>und</strong> Haar verfiel.<br />

Engelhaftes hatte sie dabei wirklich kaum zu bieten, aber diese<br />

Beine…<br />

B wie Blausäure<br />

Welche Farbe hat die Blausäure? Kurzes Nachdenken aha -<br />

die Antwort liegt ja auf der Hand: Blau, natürlich. Tja, doch<br />

nicht alles, was uns so logisch daherkommt, ist auch richtig. In<br />

Wirklichkeit ist Blausäure eine vollständig farblose Flüssigkeit,<br />

der man ihre tödliche Wirkung auf den Menschen überhaupt<br />

nicht ansieht. Ihren Namen hat sie von der Farbe »Berliner<br />

-37-


Blau«, einem der ältesten künstlichen Farbstoffe, aus dem sie im<br />

Jahre 1782 zum ersten Mal hergestellt wurde.<br />

Für Hobby-Kriminologen noch einige Detailinformationen:<br />

Blausäure ist auch als »Zyankali« bekannt <strong>und</strong> ist bereits in<br />

einer Dosierung von einem Milligramm pro Kilo Körpergewicht<br />

mit hoher Wahrscheinlichkeit tödlich. Winzige Mengen von ihr<br />

sind auch in den Kernen von Kirschen, Aprikosen <strong>und</strong> vor allem<br />

Mandeln enthalten, wobei Sie allerdings schon tonnenweise<br />

(binnen weniger St<strong>und</strong>en) Kerne futtern müssten, um Ihre<br />

Ges<strong>und</strong>heit in Gefahr zu bringen.<br />

B wie Bleistift<br />

Noch so ein Hochstapler! Nicht aus Blei, sondern aus Graphit<br />

besteht die »Mine« eines normalen Bleistifts, der um 1690<br />

herum erf<strong>und</strong>en <strong>und</strong> ab 1790 in Nürnberg »serienmäßig«<br />

hergestellt wurde. Der Name geht vermutlich auf die kleinen<br />

Bleischeibchen zurück, die noch bis ins Mittelalter hinein zum<br />

Zeichnen von Linien benutzt wurden. Im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert gelang<br />

es Caspar Faber aus Stein bei Nürnberg, den Stift noch einmal<br />

zu verbessern, indem er Graphit mit Schwefel, Antimon <strong>und</strong><br />

Harzen mischte, so dass dieser nicht mehr bröckeln <strong>und</strong> nur<br />

noch schwerlich brechen konnte.<br />

B wie Blinddarmentzündung<br />

Wir möchten Ihnen von Herzen wünschen, dass Sie niemals<br />

eine Blinddarmentzündung erleben, denn daran würden Sie<br />

wahrscheinlich jämmerlich zugr<strong>und</strong>e gehen. Halt, mögen Sie<br />

jetzt einwenden, eine Blinddarmentzündung ist zwar<br />

unangenehm <strong>und</strong> schmerzhaft, lässt sich jedoch in der Regel<br />

problemlos operativ beheben. Falsch, denn was im allgemeinen<br />

-38-


unter Blinddarmentzündung verstanden wird, ist lediglich die<br />

schmerzhafte Reizung <strong>des</strong> sogenannten »Wurmfortsatzes« <strong>des</strong><br />

Blinddarms. Der Blinddarm selbst ist ein Teil <strong>des</strong> Dickdarms<br />

<strong>und</strong> bei der Verdauung äußerst hilfreich. Wozu allerdings der<br />

kleine »Wurmfortsatz« (Appendix vermiformis) benötigt wird,<br />

blieb bislang auch den Medizinern ein echtes Rätsel.<br />

Möglicherweise spielt er eine Rolle bei der Abwehr von<br />

Krankheitserregern - bewiesen ist dies allerdings nicht.<br />

Immerhin hat er eine Länge von etwa zehn Zentimetern <strong>und</strong><br />

kann uns ganz schön zu schaffen machen.<br />

B wie Blindschleiche<br />

Man sollte meinen, dass sich die folgende Erkenntnis bereits<br />

seit geraumer Zeit durchgesetzt hat, aber dem ist offensichtlich<br />

noch längst nicht so. Deshalb hier noch mal für alle: Die<br />

Blindschleiche ist weder blind, noch ist sie eine Schlange. Giftig<br />

ist sie übrigens auch nicht. Die Blindschleiche ist vielmehr eine<br />

<strong>Ei</strong>dechse ohne Füße, sehr scheu <strong>und</strong> geradezu erschreckend<br />

harmlos. Um zudringlichen Verfolgern zu entkommen, ist das<br />

ängstliche Tierchen mit einem erstaunlichen Mechanismus<br />

ausgerüstet: Bei der geringsten Berührung »bricht« nämlich der<br />

Schwanz der Blindschleiche ab <strong>und</strong> bewegt sich anschließend<br />

noch eine ganze Weile mit wilden Zuckungen weiter. So haben<br />

die meisten Raubtiere erst einmal genug damit zu tun, den<br />

zappelnden Schwanz zu bändigen <strong>und</strong> in dieser Zeit ergreift der<br />

unbeschadete Rest der »schlauen Schleiche« die Flucht.<br />

B wie Blitz<br />

Zahlreiche Legenden ranken sich um Blitze - mehr oder<br />

weniger sinnvolle Ratschläge beschäftigen sich mit den<br />

-39-


gewaltigen Entladungen elektrischer Energie. Zunächst mal<br />

sollten Sie die Regel »Vor <strong>Ei</strong>chen sollst du weichen, Buchen<br />

sollst du suchen« ganz schnell vergessen. Ob sich ein Blitz für<br />

einen Baum interessiert, hängt in erster Linie von <strong>des</strong>sen Höhe<br />

ab - eine Vorliebe für spezielle Gattungen der Flora ließ sich bei<br />

Blitzen bisher noch nicht ausmachen. Es gilt statt <strong>des</strong>sen die<br />

Faustregel: Je höher der Baum, <strong>des</strong>to größer die<br />

Wahrscheinlichkeit für einen <strong>Ei</strong>nschlag.<br />

Auch der schöne Satz »Der Blitz schlägt nicht zweimal an<br />

derselben Stelle ein« entbehrt leider jeder Gr<strong>und</strong>lage. Denn<br />

ansonsten wäre sicherlich schon so manch schlauer Häuslebauer<br />

auf die Idee gekommen, ein künstlich erzeugtes »Blitzchen« auf<br />

sein Haus hernieder fahren zu lassen <strong>und</strong> somit das Risiko eines<br />

natürlichen <strong>Ei</strong>nschlags entscheidend zu minimieren.<br />

(Man könnte sich durchaus eine florierende, Blitze<br />

produzierende Industrie vorstellen: »Die schönsten Blitzchen -<br />

nur bei uns«). Wie unsinnig der Satz ist, lässt sich anhand<br />

zweier weltberühmter Bauwerke anschaulich demonstrieren:<br />

<strong>Das</strong> New Yorker Empire-State-Building wurde bisher r<strong>und</strong><br />

fünfzigmal vom Blitz getroffen. Und der Pariser <strong>Ei</strong>ffelturm war<br />

kurz nach seiner Errichtung geradezu ein Tummelplatz<br />

gewaltiger <strong>Ei</strong>nschläge. Mittlerweile hat man allerdings jeweils<br />

wirksame blitzableitende Systeme installiert.<br />

Übrigens: Nicht jeder Blitz wird auch von einem<br />

nachfolgenden Donner begleitet: Etwas weniger als die Hälfte<br />

aller Blitze gehen vollständig geräuschlos über die Bühne.<br />

B wie Bockbier<br />

Von einer liebgewonnenen Fabel müssen sich jetzt die<br />

bayerischen Bierliebhaber verabschieden. Weder der Ziegen-<br />

noch gar der Schafbock waren die Namensgeber <strong>des</strong><br />

sogenannten »Bockbiers«. <strong>Ei</strong>n Mann namens Elias Pichler (kein<br />

-40-


Scherz - der Gute hieß wirklich so), seines Zeichens<br />

Braumeister aus dem niedersächsischen <strong>Ei</strong>nbeck, brachte die<br />

Kunst <strong>des</strong> Bockbierbrauens um 1615 nach Bayern. Ursprünglich<br />

hieß seine würzig herbe Hausmarke nach seinem Heimatort <strong>und</strong><br />

wurde im Mittelhochdeutschen schlicht »Ainphöckisch Bier«<br />

(<strong>Ei</strong>nbecker Bier) genannt. Für die bayerische M<strong>und</strong>art war diese<br />

Bezeichnung allerdings gar zu ungewohnt <strong>und</strong> so wurde<br />

zunächst das »Oabockbier« <strong>und</strong> schließlich einfach das<br />

»Bockbier« daraus. Der »Maibock« ist mittlerweile der<br />

berühmteste Vertreter dieses »Kulturgetränks«, <strong>und</strong> dass auf den<br />

Etiketten heute zumeist Ziegenköpfe prangen, dürfte wirklich<br />

nur Puristen grämen. <strong>Das</strong> Städtchen <strong>Ei</strong>nbeck wäre als Blickfang<br />

doch auch denkbar ungeeignet, oder? Ozapft is - Prost!<br />

B wie Bocksbeutel<br />

Beim berühmten »Bocksbeutel« handelt es sich nicht um eine<br />

bestimmte Weinsorte, sondern um eine relativ platte, seitlich<br />

ausladende, grüne Weinflasche, in die bestimmte fränkische <strong>und</strong><br />

badische Weine gefüllt werden. Den Namen dürfen Sie übrigens<br />

wörtlich nehmen: Im Hodensack <strong>des</strong> geschlachteten<br />

Ziegenbocks wurden in den vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erten häufig<br />

Flüssigkeiten transportiert.<br />

B wie Borke<br />

Häufig verwechselt werden die Begriffe Rinde <strong>und</strong> Borke.<br />

Dabei handelt es sich keinesfalls um zwei Bezeichnungen für<br />

ein <strong>und</strong> dieselbe Sache. Als Borke bezeichnet man lediglich den<br />

abgestorbenen Teil der Baumrinde, der zumeist in Streifen oder<br />

Platten abgeworfen wird <strong>und</strong> wirtschaftlich sinnvoll genutzt<br />

werden kann: So werden beispielsweise Bodenisolierungen <strong>und</strong><br />

-41-


Flaschenkorken aus diesem natürlichen Material hergestellt. Um<br />

Ihnen eine Vorstellung von der »Hauterneuerung« eines Baumes<br />

zu geben: Bei der Korkeiche, die vor allem im Mittelmeerraum<br />

sehr verbreitet ist, wird die Borke etwa alle zehn Jahre<br />

abgeschält <strong>und</strong> verarbeitet.<br />

B wie Boxeraufstand<br />

»Papa, Papa, was war denn der Boxeraufstand?«<br />

»Tja, mmmh, mein Sohn - da waren also Muhammed Ali <strong>und</strong><br />

Sugar Ray Leonhard <strong>und</strong> ich glaube, Henry Maske war auch<br />

dabei. Die wollten sich eines Tages nicht mehr auf die Nase<br />

hauen lassen <strong>und</strong> haben <strong>des</strong>wegen gestreikt…« Halt! Tun Sie's<br />

nicht. Denken Sie daran, dass der Sohnemann eines Tages mal<br />

erwachsen sein wird <strong>und</strong> selbst nachlesen könnte - spätestens<br />

dann müssen Sie einen echten Autoritätsverlust befürchten.<br />

Beim Boxeraufstand handelte es sich um eine Revolte <strong>des</strong><br />

chinesischen Geheimbun<strong>des</strong> »Die Boxer«, der sich im Jahre<br />

1900 vor allem gegen die zunehmende Christianisierung Chinas<br />

<strong>und</strong> später gegen alle Ausländer im »Reich der Mitte« wandte.<br />

Nach grausigen Massakern wurde sogar die damalige<br />

chinesische Regierung von dieser Christen- <strong>und</strong><br />

ausländerfeindlichen Haltung angesteckt, legitimierte die<br />

»Boxer« <strong>und</strong> erklärte allen Mächten, die kolonialen <strong>Ei</strong>nfluss in<br />

China ausübten, den Krieg. Daraufhin marschierte eine<br />

multinationale Truppe (bestehend aus englischen, deutschen,<br />

französischen, italienischen, japanischen, österreichischen,<br />

russischen <strong>und</strong> amerikanischen Soldaten) in Peking ein <strong>und</strong><br />

machte dem Spuk ein Ende. Man sollte allerdings auch wissen,<br />

dass sich vor allem Japan, die USA <strong>und</strong> England in China<br />

sorglos bedienten <strong>und</strong> rücksichtslos benahmen. Der<br />

Boxeraufstand war also durchaus eine verständliche - wenn auch<br />

extreme - Reaktion auf koloniale Stan<strong>des</strong>dünkel <strong>und</strong> Arroganz.<br />

-42-


B wie Braille<br />

Es liegt uns fern, die Verdienste <strong>des</strong> Louis Braille (1809-<br />

1852) zu schmälern, aber als Erfinder der Blindenschrift kann<br />

man ihn eigentlich nicht bezeichnen. Der in seiner Kindheit<br />

erblindete Braille kam als 16jähriger am »Königlichen Institut<br />

für junge Blinde« in Paris erstmals mit einem vom Belgier<br />

Valentin Haüy entwickelten Reliefverfahren in Berührung, bei<br />

dem die Schrift mit der Hand ertastet werden konnte. Fast<br />

zeitgleich wurde von Nicolas Marie-Charles Barbier auch ein<br />

sogenanntes »Zwölfpunktsystem« entwickelt. Braille benutzte<br />

beide Methoden <strong>und</strong> ersann ein auf sechs Punkten basieren<strong>des</strong><br />

Verfahren. Dabei wurden die Buchstaben durch erhöhte Punkte<br />

in verschiedenen Positionen <strong>und</strong> unterschiedlicher Anzahl<br />

dargestellt. Aus dieser ersten Version entwickelten sich in der<br />

Folgezeit 64 Varianten <strong>und</strong> schon 1830 wurde Brailles<br />

Weiterentwicklung als offizielle Blindenschrift eingeführt. Er<br />

selbst hat übrigens die Erfindung niemals für sich alleine<br />

reklamiert, sondern stets auf seine Wegbereiter verwiesen.<br />

B wie Brücken<br />

Denkt man an Brücken, dann denkt man an Venedig. In der<br />

Stadt der Lagunen <strong>und</strong> der Gondeln dürfte es ja wohl die mit<br />

Abstand meisten Brücken geben, oder? Falsch gedacht. In<br />

Venedig gibt es knapp 400 Brücken (die berühmte<br />

Seufzerbrücke eingeschlossen), in Amsterdam (der Stadt der<br />

Grachten) sind es schon knapp 1300 <strong>und</strong> in der Spreestadt<br />

Berlin existieren sogar 1664 Brücken. Den europäischen Rekord<br />

jedoch hält die Hansestadt Hamburg: 2124 Brücken wurden dort<br />

bei letzten Zählungen registriert.<br />

-43-


B wie Büffel<br />

In Nordamerika gibt es keine Büffel! »Nicht mehr«, werden<br />

Sie jetzt sagen <strong>und</strong> darauf verweisen, dass Männer wie der<br />

berühmte Buffalo Bill Herden dieser Tiere systematisch<br />

abgeschlachtet haben <strong>und</strong> damit den Indianern die<br />

Lebensgr<strong>und</strong>lage entzogen. Bei einer derartigen Antwort ziehen<br />

wir zwar den Hut vor Ihrem Geschichtswissen, aber wir<br />

erweitern diese Aussage sogar noch: In Nordamerika gibt <strong>und</strong><br />

gab es niemals Büffel. Bei den massigen <strong>und</strong> recht haarigen<br />

Herdentieren handelte es sich um Bisons, die mit den<br />

kaukasischen <strong>und</strong> afrikanischen Büffeln (fast ausgestorben) in<br />

keiner Weise verwandt sind. Warum die Bisons so hartnäckig<br />

Büffel genannt werden, entzieht sich allerdings unserer<br />

Kenntnis.<br />

B wie Bumerang<br />

Sie kennen den Bilderwitz? <strong>Ei</strong>n Mann schleudert einen<br />

Bumerang, legt sich dann einen Apfel auf den Kopf <strong>und</strong> im<br />

nächsten Bildchen kommt der Bumerang zurück <strong>und</strong> teilt den<br />

Apfel mit Wucht in der Mitte durch. Doch um diesen Effekt<br />

tatsächlich zu erzielen, sollten Sie auf keinen Fall den Original-<br />

››Boomerang« verwenden, der von den australischen<br />

Ureinwohnern als Jagdgerät benutzt wurde. Dieses Holzstück,<br />

das einen tragflächenähnlichen Querschnitt aufweist, war<br />

nämlich ziemlich schwer <strong>und</strong> wurde nicht nur geworfen,<br />

sondern auch als Schlagwerkzeug genutzt. Zurück zum Werfer<br />

kam er jedenfalls nicht von alleine. Etwas besser sieht's da schon<br />

mit dem modernen Sport-Bumerang aus, der durch seinen<br />

enormen Drall durchaus in Ihre Richtung zurückkehren kann.<br />

Dafür sollten Sie ihn aber gegen den Wind schleudern, <strong>und</strong> mit<br />

Abweichungen von mehreren Metern bei seiner Rückkehr<br />

-44-


müssen Sie auch bei fleißigem Training jederzeit rechnen. Und<br />

bitte versuchen Sie nicht, das Geschoss mit den Händen wieder<br />

zu fangen: Durch die Drehung innerhalb der Flugphase werden<br />

enorme Geschwindigkeiten erreicht. Schwupps - die Finger<br />

könnten ab sein.<br />

-45-


C wie Cancan<br />

3. Von Cancan bis Curry<br />

Er gilt als Inbegriff altväterlicher Frivolität: Der Cancan.<br />

Üppige Damen in üppigen Kostümen schwingen ihre üppigen<br />

Schenkel <strong>und</strong> werfen dabei ihre Röcke unter schrillen<br />

Quietschern in die Höhe. Da sie dabei auch in Sachen<br />

Unterwäsche höchst reichhaltig sortiert sind <strong>und</strong> somit der<br />

gierigen Männerwelt wirklich anstößige <strong>Ei</strong>nblicke verborgen<br />

bleiben, betrachten die meisten Zeitgenossen heutzutage den<br />

Cancan als folkloristische Note <strong>des</strong> Pariser Nachtlebens. Dies<br />

war nicht immer so, denn als der fröhliche Bühnengalopp um<br />

die Jahrh<strong>und</strong>ertwende in Mode kam, galt selbst der Blick auf die<br />

Spitzen besetzten Unterhosen eines weiblichen Wesens als<br />

höchst frivol, <strong>und</strong> kurzfristig erwog die französische Regierung<br />

ein Verbot <strong>des</strong> »lustbetonten Treibens«. Später allerdings wurde<br />

der Cancan eine Weile sogar zum Gesellschaftstanz junger<br />

Bürger <strong>und</strong> damit endgültig salonfähig. Prompt reklamierten die<br />

Pariser ihn als ihre eigene Kreation, doch da irrte das<br />

lebenslustige Völkchen. Entstanden ist der Tanz nämlich um<br />

1890 in Algier, das damals noch in französischem<br />

Kolonialbesitz war. Der Weg auf die Pariser Kabarett-Bühnen<br />

war für den Cancan also kurz, <strong>und</strong> einmal dort angekommen,<br />

inspirierte er unter <strong>andere</strong>m den Maler Toulouse-Lautrec zu<br />

seinen berühmten Gemälden <strong>und</strong> Plakaten.<br />

-46-


C wie Capri<br />

»Wenn vor Capri die rote Sonne im Meer versinkt…« dann<br />

sehen wir garantiert eine Oldie-Sendung aus den 50ern <strong>und</strong><br />

manch Träne wird in blütenweiße Taschentücher geweint. Doch<br />

die italienische Insel Capri hatte im christlichen Abendland<br />

Jahrh<strong>und</strong>erte lang keinen guten Ruf. Im Gegenteil - sie galt als<br />

mediterrane Version von Sodom <strong>und</strong> Gomorrha, als Hort der<br />

Verderbtheit <strong>und</strong> der Perversion. Völlig zu Unrecht übrigens.<br />

Tatsache ist, dass ein römischer Kaiser namens Tiberius, der<br />

Stiefsohn <strong>des</strong> ungleich populäreren Augustus, auf Capri seinen<br />

Lebensabend verbrachte. Unter Zeitgenossen galt Tiberius als<br />

echter Langweiler. Zwar war er ein erfolgreicher Heerführer <strong>und</strong><br />

offensichtlich auch ein gerechter Imperator, doch haftete ihm<br />

eine gewisse Farblosigkeit an <strong>und</strong> auch seine Menschenscheu<br />

war für die tägliche Intrigenküche <strong>des</strong> alten Rom nicht<br />

unbedingt brauchbar. Immerhin gelangen ihm in seiner<br />

Regierungszeit eine Reihe von Friedensschlüssen, <strong>und</strong> auch die<br />

blutigen Eroberungsfeldzüge seiner Landsleute wurden spürbar<br />

weniger. Tiberius starb als geachteter - wenn auch nicht<br />

beliebter - Mann im Jahre 37 n. Chr.<br />

Etwa 100 Jahre später behaupteten dann mehrere römische<br />

Geschichtsschreiber, Tiberius habe auf Capri H<strong>und</strong>erte von<br />

Menschen zu Tode schleifen lassen, habe reihenweise<br />

Jungfrauen geschändet, gigantische Orgien zelebriert <strong>und</strong><br />

grauenhafte Folterungen erdacht <strong>und</strong> durchgeführt. Historiker<br />

der Neuzeit haben mittlerweile nachgewiesen, dass all diese<br />

Behauptungen reine Erfindungen <strong>und</strong> plumpe Verleumdungen<br />

waren, doch hielten sich diese Lügen bis in unsere Zeit hinein.<br />

Warum sie aufkamen - darüber kann nur spekuliert werden. Am<br />

wahrscheinlichsten erscheint heute, dass der Schriftsteller<br />

Sueton, der nachweislich die Legende ins Leben gerufen hat,<br />

-47-


schlicht ein spektakuläres Pamphlet brauchte, um auf sich<br />

aufmerksam zu machen. Und da kam ihm ein unpopulärer<br />

Kaiser, der zudem bereits 100 Jahre tot war, gerade recht.<br />

C wie Chamäleon<br />

<strong>Das</strong>s ein Chamäleon seine Farbe nach Bedarf <strong>und</strong> Belieben<br />

ändern kann, gilt als allgemein bekannt <strong>und</strong> hat sogar <strong>Ei</strong>nzug in<br />

den Alltagswortschatz gehalten, obwohl die meisten Menschen<br />

noch nie in ihrem Leben ein Exemplar dieser Echsenart gesehen<br />

haben. Tatsächlich kann ein Chamäleon seine Farbe verändern<br />

<strong>und</strong> tut dies auch recht häufig. Allerdings tut es das nicht<br />

bewusst, sondern es reagiert damit lediglich auf Stimmungen<br />

oder Zustände wie Hunger, Kälte oder Angst. Auch die<br />

jeweiligen Lichtverhältnisse spielen bei der Farbskala, die von<br />

Grün bis Braun reicht, eine Rolle. Wenn Sie aber immer noch<br />

der Meinung sind, das Tier passe sich instinktiv seiner<br />

Umgebung an, sei Ihnen vorgehalten, dass Chamäleons in der<br />

Nacht zumeist eine hellere Tönung haben. Dies kann wohl kaum<br />

als gute Tarnung durchgehen, oder?<br />

C wie Chinesen<br />

Kein Zweifel - es gibt ziemlich viele Chinesen. Doch haben<br />

Sie schon einmal einen »gelben« Chinesen gesehen? Der Autor<br />

nicht <strong>und</strong> auch sonst keiner, den ich dazu bisher befragen<br />

konnte. Woher kommt also das Vorurteil von der »gelben<br />

Rasse«. Die Erklärung ist ebenso einleuchtend wie lächerlich<br />

<strong>und</strong> geht auf das Handbuch eines Göttinger Medizinprofessors<br />

namens Johann Friedrich Blumenbach zurück, der sich Mitte <strong>des</strong><br />

18. Jahrh<strong>und</strong>erts bemüßigt sah, eine Art Rassenlehre<br />

aufzustellen. Nach seiner Definition waren die Kaukasier<br />

-48-


»weiß«, die Afrikaner »schwarz«, die Indianer »kupferrot« <strong>und</strong><br />

die Asiaten eben »gelb«. Wahrscheinlich hatte Blumenbach<br />

niemals einen Indianer oder gar einen Chinesen gesehen, aber<br />

von Fernreisenden erfahren, dass im Asien der damaligen Zeit<br />

die Gelbsucht recht weit verbreitet war. Flugs war die »gelbe<br />

Gefahr« erf<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> diese abenteuerliche Konstruktion wurde<br />

von den Chinesen (unbewusst) auch noch unterstützt:<br />

Schließlich galt Gelb bei ihnen als göttliche Farbe <strong>und</strong> sie sahen<br />

sich durch einige dümmliche Europäer nicht genötigt, aus dieser<br />

Vorliebe einen Hehl zu machen. Gelber wurden sie dadurch<br />

allerdings nicht.<br />

C wie Chop suey<br />

Außer der »Flühlingslolle« dürfte das »Chop suey« (übersetzt:<br />

»gemischte Küche«) das am meisten bestellte Gericht in<br />

chinesischen Restaurants sein. (Ich bevorzuge allerdings die<br />

Peking-Ente, süßsauer. <strong>Ei</strong>n Gedicht!) Allerdings ist Chop suey,<br />

eine delikate Mischung aus Hühner- <strong>und</strong> Schweinefleisch,<br />

Pilzen, Nudeln <strong>und</strong> Bambussprossen, in China selbst weitgehend<br />

unbekannt <strong>und</strong> auf keinen Fall ein »Original chinesisches<br />

Gericht«.<br />

Erf<strong>und</strong>en wurde es vielmehr in Amerika von den<br />

Nachkommen chinesischer <strong>Ei</strong>nw<strong>andere</strong>r <strong>und</strong> avancierte in den<br />

Vereinigten Staaten schnell zu einem echten »Knüller«.<br />

C wie Colosseum<br />

Der italienische Reiseführer greift sich mit der Hand an die<br />

behaarte Männerbrust, holt aus den Untiefen seines<br />

blütenweißen Hem<strong>des</strong> ein goldenes Kreuz hervor, presst es kurz<br />

an die Lippen <strong>und</strong> senkt die Stimme: »Hier wurden auch die<br />

-49-


Christen den Löwen zum Fraße vorgeworfen«, erzählt er sodann<br />

in Englisch <strong>und</strong> - als besonderer Service - auch in Deutsch. Die<br />

Touristengruppe blickt sich schaudernd um. Man steht im<br />

Colosseum, dem gewaltigsten der Prachtbauten, den die alten<br />

Römer der Neuzeit hinterlassen haben. Und da! Ist da nicht noch<br />

der Blutfleck eines Märtyrers? Bei näherem Hinsehen entpuppt<br />

sich der Fleck als Etikett einer Cola-Flasche <strong>und</strong> würde wohl<br />

auch intensives Suchen im Boden der Arena keine sterblichen<br />

Überreste der frühen Christenheit zutage fördern. Nach dem<br />

Erlebnis der eingangs beschriebenen Szene fühlte der Autor sich<br />

bemüßigt nachzuforschen <strong>und</strong> muss nun nüchtern feststellen:<br />

Christen wurden im Colosseum weder irgendwelchen hungrigen<br />

Raubkatzen geopfert, noch gevierteilt oder auf <strong>andere</strong>, grausige<br />

Arten vom Leben zum Tode befördert. Zwar gab es eine äußerst<br />

blutige Dekade der Christenverfolgung <strong>und</strong> tatsächlich starben<br />

viele von Mörderhand oder in dunklen Kerkern, doch das<br />

Colosseum war den Römern stets ein Ort <strong>des</strong> Vergnügens.<br />

Wagenrennen wollen wir durchgehen lassen, auch<br />

Gladiatorenkämpfe <strong>und</strong> akrobatische Kunststücke, doch außer in<br />

manchen Abenteuerromanen taucht das Colosseum in keiner<br />

ernstzunehmenden Chronik als Schauplatz grausamer<br />

Massentötungen auf.<br />

C wie Columbus<br />

Zahlreiche Legenden ranken sich um den Entdecker Amerikas<br />

(der er eigentlich nicht war. Die Wikinger waren schon etliche<br />

Jahrh<strong>und</strong>erte zuvor da), doch viele, wenn nicht die meisten<br />

davon sind falsch. So wird beispielsweise gern behauptet,<br />

Columbus hätte vergeblich versucht, das portugiesische<br />

Königshaus von der Kugelform der Erde zu überzeugen <strong>und</strong> sei<br />

anschließend auch in Spanien auf viel Skepsis gestoßen. <strong>Das</strong><br />

Gegenteil ist richtig. In beiden Ländern war man durch den<br />

-50-


<strong>Ei</strong>nfluss von Gelehrten, Astronomen <strong>und</strong> Mathematikern schon<br />

lange vor Columbus der Meinung, die Erde müsse r<strong>und</strong> sein,<br />

doch wollte man den Entfernungsangaben <strong>des</strong> Genuesers keinen<br />

rechten Glauben schenken. Der stützte sich tatsächlich auf<br />

falsche Berechnungen <strong>und</strong> war nicht zuletzt <strong>des</strong>halb unerwartet<br />

lange unterwegs. Als er dann endlich angekommen war, war er<br />

immer noch der festen Überzeugung, indischen Boden betreten<br />

zu haben - daran glaubte er bis zum Ende seines Lebens. Der<br />

Entdecker Amerikas war er also höchstens unfreiwillig. Zudem<br />

war Columbus schon etliche Jahre tot, bevor man ihm die<br />

Geschichte mit dem <strong>Ei</strong> andichtete. Der italienische Schriftsteller<br />

Giuseppe Benzoni erfand die Mär von der festlichen Tafel, bei<br />

der Columbus die Anwesenden gefragt habe, wer es sich<br />

zutraue, ein <strong>Ei</strong> auf einem der beiden Enden zum Stehen zu<br />

bringen. Nachdem es niemand geschafft hatte, hat sich C. C.<br />

angeblich das Hühnerprodukt geschnappt, eine Spitze<br />

eingedrückt <strong>und</strong> es mitten auf die Tafel gestellt. Warum Benzoni<br />

diesen Trick ausgerechnet Columbus andichtete, entzieht sich<br />

leider der Erkenntnis <strong>des</strong> Verfassers. Fest steht, dass die<br />

Geschichte schon vorher existierte - der berühmte Florentiner<br />

Baumeister Filippo Brunelleschi soll mit dem »<strong>Ei</strong>erbeweis« die<br />

bestmögliche Konstruktion der Domkuppel zu Florenz<br />

demonstriert haben.<br />

C wie Cowboys<br />

In aller Kürze: Cowboys (wörtl. »Kuhjungen«) trugen nur in<br />

den seltensten Fällen Revolver am Gürtel. Nur die wenigsten<br />

dieser Farm- <strong>und</strong> Vieharbeiter konnten ordentlich schießen <strong>und</strong><br />

die Mär vom blitzschnell ziehenden <strong>und</strong> treffsicher aus der<br />

Hüfte feuernden Pistolero verdanken wir maßlosen<br />

Übertreibungen <strong>und</strong> Western-Filmen. Abgesehen davon, dass<br />

eine solche Kunstfertigkeit unglaublich viel Übung auf Kosten<br />

-51-


der Arbeitszeit benötigt hätte, war Munition auch damals schon<br />

recht teuer. Natürlich gab es echte Kunstschützen, doch nur die<br />

wenigsten von ihnen verdienten sich ihre Brötchen als Sheriffs,<br />

Kopfgeldjäger oder Banditen. Zumeist tingelten sie auf<br />

Jahrmärkten <strong>und</strong> demonstrierten ihre Treffsicherheit einem<br />

zahlenden <strong>und</strong> staunenden Publikum. Dabei kam es oft vor, dass<br />

der Besitzer der jeweiligen »Schießbude« seinen »Künstler« mit<br />

blutrünstigen Abenteuergeschichten noch ein wenig<br />

»aufpeppte«. Zur Legendenbildung war es dann nur noch ein<br />

kleiner Schritt. Übrigens: In der ganzen Ära <strong>des</strong> »Wilden<br />

Westens« sind nur r<strong>und</strong> ein Dutzend Revolverduelle wirklich<br />

belegt. Auch wenn es vielleicht ein paar mehr waren - der<br />

sicherste Schuss war seinerzeit immer noch der in den Rücken.<br />

Der berüchtigte Billy the Kid killte - zumeist auf diese Weise -<br />

nachweislich immerhin 21 Menschen.<br />

C wie Curry<br />

Curry stammt aus geriebenen (oder gemahlenen) Curry-<br />

Blättern. Klingt logisch, ist aber falsch. Tatsächlich ist das aus<br />

Indien stammende Gewürz, das die Engländer aus ihrer Kolonie<br />

nach Europa importierten, eine Mischung aus insgesamt etwa<br />

zehn Zutaten. Unter <strong>andere</strong>m sind Ingwer, Pfeffer, Koriander,<br />

Kurkuma, Kreuzkümmel <strong>und</strong> Muskat enthalten. Die<br />

Bezeichnung »Curry« ist die englische Version <strong>des</strong> tamilischen<br />

Wortes »kari« (Sauce).<br />

-52-


4. Von Dampfmaschine bis Dudelsack<br />

D wie Dampfmaschine<br />

Erfindungen sind in den seltensten Fällen Produkt eines<br />

Geistesblitzes oder einer spontanen <strong>Ei</strong>ngebung. Zumeist steht<br />

das vorzeigbare Resultat am Ende einer Reihe von Versuchen<br />

<strong>und</strong> Entwicklungen. Der Letzte in dieser Parade reklamiert dann<br />

zumeist den alleinigen Ruhm für sich. Genauso verhält es sich<br />

auch mit James Watts, der als Erfinder der Dampfmaschine gilt.<br />

Schon um 1695 hatte der französische Physikprofessor Denis<br />

Papin die Idee, Dampfkraft zu benutzen, um einen Kolben zu<br />

bewegen. Prompt baute er eine entsprechende Maschinerie, die<br />

allerdings zu klein war, um im praktischen Gebrauch wirklich<br />

von Nutzen zu sein, folgerichtig geriet Papin’s Erfindung<br />

schnell in Vergessenheit. Im Jahre 1705 war es dann der<br />

englische Schrotthändler Thomas Newcomen aus Dartmouth,<br />

der eine Dampfmaschine mit Kessel konstruierte. Diese<br />

Maschinen erwiesen sich schon als recht brauchbar <strong>und</strong> wurden<br />

prompt in zahlreichen britischen Bergwerken installiert. 1796<br />

schließlich verbesserte James Watts die Idee von Newcomen,<br />

verfeinerte das Prinzip <strong>und</strong> war schlau genug, sofort das <strong>Pat</strong>ent<br />

anzumelden. Er wurde anschließend als Erfinder der<br />

Dampfmaschine gefeiert - aus heutiger Sicht war er wohl eher<br />

ein technisch begabter Plagiator.<br />

D wie Der Denker<br />

»Der Denker« ist eine der bekanntesten Skulpturen aller<br />

Zeiten. Doch der französische Bildhauer Auguste Rodin (1840-<br />

-53-


1917) wollte nicht - wie heute irrtümlich angenommen - das<br />

»Sinnbild <strong>des</strong> denkenden Menschen« erschaffen, sondern<br />

schlicht <strong>und</strong> einfach ein Portrait. Die Statue <strong>des</strong> in Gedanken<br />

verlorenen nackten Mannes, der seinen Kopf auf die Faust<br />

stützt, ist eine stilisierte Abbildung <strong>des</strong> italienischen Dichters<br />

Dante Alighieri, der die berühmte »Göttliche Komödie« (siehe<br />

auch Stichwort »Göttliche Komödie«) schuf.<br />

D wie Diamanten<br />

Diamanten sind die härteste bekannte chemische Verbindung<br />

der Erde. Doch eine <strong>andere</strong> Behauptung über dieses kostbare<br />

Mineral ist falsch: Diamanten können sehr wohl verbrennen.<br />

Aus reinem Kohlenstoff bestehend, bedarf es allerdings einer<br />

Temperatur um die 900 bis 1000 Grad Celsius, doch in einem<br />

solchen »Schmelzkessel« würde der Diamant tatsächlich<br />

verschwinden, ohne auch nur eine Spur seiner Existenz<br />

zurückzulassen.<br />

D wie Diogenes<br />

Der berühmteste Sonderling der Antike hieß Diogenes. Der<br />

Mann, der bei helllichtem Tage mit einer brennenden Laterne<br />

durch Athen spazierte, »um Menschen zu entdecken«, war<br />

menschlichem Anspruchsdenken gegenüber offensichtlich völlig<br />

immun. Die Überlieferung behauptet, er habe gerade mal einen<br />

alten Mantel, einen Brotbeutel <strong>und</strong> einen hölzernen Trinkbecher<br />

besessen <strong>und</strong> habe in einem alten Weinfass - einer Tonne -<br />

gehaust. Bei letztem Punkt haben allerdings die Übersetzer aus<br />

dem Altgriechischen ein bisschen geschlampt. Sie unterschlugen<br />

nämlich die Tatsache, dass die Athener die Behausung <strong>des</strong><br />

Diogenes in gutmütigem Spott zwar als »Tonne« bezeichneten,<br />

-54-


dass es sich dabei aber um eine durchaus gebräuchliche (wenn<br />

auch ziemlich kleine <strong>und</strong> schäbige) Hütte gehandelt hat.<br />

D wie Don Carlos<br />

Warum Friedrich Schiller den spanischen Prinzen Don Carlos<br />

zu einem Helden <strong>und</strong> Kämpfer für Freiheit <strong>und</strong> Gerechtigkeit<br />

hochstilisierte, wird wohl auf ewig ein Rätsel bleiben. Heute<br />

würden wir den Sohn von König Philipp II. wohl eher als<br />

perversen Widerling bezeichnen. Schwächlich, klein <strong>und</strong> mit<br />

einem großen Quadratschädel ausgestattet, schikanierte er mit<br />

Vorliebe das Personal, benahm sich Gästen gegenüber infantil<br />

<strong>und</strong> boshaft <strong>und</strong> außerdem soll er einen Diener in einem<br />

unmotivierten Wutausbruch sogar aus dem Fenster geworfen<br />

haben.<br />

In seinem Trauerspiel »Don Carlos« hat Schiller auch<br />

behauptet, der Thronfolger sei von seinem Vater ermordet<br />

worden, weil er in seinem unbändigen Drang nach Freiheit <strong>und</strong><br />

Gerechtigkeit holländischen Rebellen versprochen habe, sich auf<br />

ihre Seite <strong>und</strong> damit gegen seinen Erzeuger zu stellen. Richtig<br />

ist zwar, dass Don Carlos seinen Vater hasste, doch bewies<br />

dieser eine bemerkenswerte Geduld mit seinem ungeratenen<br />

Sprössling. Obwohl Don Carlos mehrere Mordanschläge gegen<br />

Philipp plante, hat dieser ihn erst verhaften lassen, als die<br />

Forderungen nach einem Exempel am spanischen Hof immer<br />

lauter wurden. Und auch dann wurde der Prinz nicht etwa in ein<br />

finsteres Verließ geworfen <strong>und</strong> dort klammheimlich vergiftet,<br />

sondern unter einen recht luxuriösen Hausarrest gestellt, in dem<br />

er sich schließlich buchstäblich zu Tode fraß <strong>und</strong> soff. Die<br />

Chroniken sprechen von einem Brechdurchfall, ausgelöst durch<br />

übermäßigen Bratengenuss in Kombination mit Alkohol.<br />

Anschließend soll der Prinz dann literweise <strong>Ei</strong>swasser »gekippt«<br />

haben, was seinem angegriffenen Magen den Rest gab.<br />

-55-


D wie Dracula<br />

Nicht dass Sie jetzt glauben, dieses Buch möchte Aberglauben<br />

schüren <strong>und</strong> gruselige Ammenmärchen am Leben erhalten, aber<br />

Dracula hat es tatsächlich gegeben. Allerdings möchten wir<br />

einschränkend gleich bemerken, dass der Mann mittlerweile<br />

schon seit geraumer Zeit mausetot ist <strong>und</strong> es keinerlei<br />

Anzeichen dafür gibt, dass er als Untoter ahnungslosen<br />

Zeitgenossen den Lebenssaft aus den Adern saugt. Der<br />

literarische »Erfinder« <strong>des</strong> Grafen Dracula, der Engländer Bram<br />

Stoker, hatte jedoch ein sehr konkretes »Vorbild«. Dabei<br />

handelte es sich um den karpatischen Kleinfürsten Wojwode<br />

Vlad II. (1431-1476), der von seinen Untertanen »Dracul«<br />

genannt wurde. »Dracul« heißt »der Pfähler« <strong>und</strong> dieser<br />

»Kosename« erschließt sich durch einen Blick auf das<br />

Lieblingshobby dieses Tyrannen. Er ließ seine Feinde,<br />

Verbrecher <strong>und</strong> manchmal auch unbequem gewordene alte<br />

Fre<strong>und</strong>e vor seiner Burg auf Pfähle aufspießen, »so dass ihre<br />

Gedärme erbarmungsvoll aus dem Leibe quollen«.<br />

Anschließend ließ er seinen Mittagstisch just vor den qualvoll<br />

sterbenden Opfern aufbauen <strong>und</strong> genoss sein Mahl. Angesichts<br />

dieser Schilderung kann uns der filmische Dracula schon weit<br />

weniger erschüttern.<br />

D wie Drei Könige<br />

Wenn am nächsten 6. Januar wiederum der »Dreikönigstag«<br />

gefeiert wird, dürfen Sie sich ein wenig ins Fäustchen lachen.<br />

Schließlich dürfte es aus kirchlicher Sicht diesen arbeitsfreien<br />

Tag gar nicht geben - zumin<strong>des</strong>t nicht unter diesem Namen.<br />

Denn in der katholischen Kirche wird der sechste Januar streng<br />

genommen als »Fest der Erscheinung <strong>des</strong> Herren« begangen,<br />

damit war ursprünglich die Geburt Jesu <strong>und</strong> die anschließende<br />

Anbetung durch die »Weisen aus dem Morgenland« gemeint.<br />

-56-


Nachdem man dann Jesu Geburt auf das Weihnachtsdatum<br />

(eigentlich recht willkürlich) »verlegt« hatte, wurde der sechste<br />

Januar zum »Fest der drei W<strong>und</strong>er«: Der Anbetung durch die<br />

Weisen, die Taufe <strong>des</strong> Jesuskin<strong>des</strong> in Jerusalem <strong>und</strong> die<br />

Hochzeit zu Kanaa. Als Fest der »Heiligen drei Könige« hat die<br />

Kirche dieses Datum jedenfalls nie legalisiert. Zum einen ist im<br />

Matthäus-Evangelium an keiner Stelle von Königen die Rede,<br />

sondern von »Magiern«, <strong>und</strong> auch die Anzahl wird von ihm<br />

nicht erwähnt. Im Psalm 72,10 heißt es allerdings: »Die Könige<br />

von Tarsis <strong>und</strong> auf den Inseln sollten Geschenke bringen…«.<br />

Unabhängig davon, ob es sich nun um Könige handelte <strong>und</strong> wie<br />

viele es tatsächlich waren - ganz sicher hat die Kirche sie<br />

niemals heiliggesprochen.<br />

D wie Dudelsack<br />

Ob »Cornemuse« (frz.), »cornamusa« (ital.), »tibia<br />

utricularis« (lat.) oder »Sackpfeife« - gemeint ist immer der<br />

Dudelsack. Diese Namen in verschiedenen Sprachen weisen<br />

bereits darauf hin, dass das schwierig zu erlernende Instrument<br />

(hören Sie bloß niemals beim Üben zu) keinesfalls nur in<br />

Schottland bekannt ist oder gar dort erf<strong>und</strong>en wurde. Da schon<br />

die alten Römer das Instrument kannten <strong>und</strong> der Legende nach<br />

auch der berühmtberüchtigte Nero es erlernen wollte, ist<br />

anzunehmen, dass der Dudelsack mit Cäsars Legionen nach<br />

Britannien kam <strong>und</strong> von dort aus zu den Schotten. Die hießen<br />

seinerzeit noch Pikten <strong>und</strong> waren ob ihrer zähen<br />

Unbesiegbarkeit durch den Hadrianswall von der übrigen,<br />

angeblich römischzivilisierten, Welt getrennt. Ursprünglich<br />

dürfte der Dudelsack aus Asien stammen <strong>und</strong> mit<br />

Nomadenvölkern seinen kurzfristigen Siegeszug durchs<br />

mittelalterliche Europa begonnen haben. Im 15. <strong>und</strong> 16.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert galt er unter dem Namen »Sackpfeiffe« in<br />

deutschen Landen als Instrument der Hirten <strong>und</strong> Schäfer.<br />

-57-


5. Von <strong>Ei</strong>chhörnchen bis<br />

Exkommunikation<br />

E wie <strong>Ei</strong>chhörnchen<br />

<strong>Ei</strong>chhörnchen sind bekanntlich possierliche Tierchen, derer<br />

man nur sehr schwer habhaft wird <strong>und</strong> die mit Vorliebe <strong>Ei</strong>cheln<br />

<strong>und</strong> Nüsse sammeln, um sich für den Winterschlaf einen<br />

ausreichenden Wanst anzufressen. So weit, so gut. Der Name<br />

der Tiere geht allerdings nicht, wie ganz natürlich angenommen,<br />

auf die »<strong>Ei</strong>che« als ihre bevorzugte Behausung zurück, sondern<br />

auf das altdeutsche Wort »aig«, das »schwingen« oder auch<br />

»sich heftig bewegen« bedeutet.<br />

E wie <strong>Ei</strong>ffelturm<br />

9700 Tonnen schwer <strong>und</strong> genau 321 Meter hoch: Der<br />

<strong>Ei</strong>ffelturm war von seiner Errichtung im Jahre 1889 bis zur<br />

Fertigstellung <strong>des</strong> Empire State Building (1930) das höchste<br />

Bauwerk der Welt. Die Metall-Konstruktion <strong>des</strong> Ingenieurs<br />

Gustave <strong>Ei</strong>ffel lockte Scharen von Schaulustigen in die Stadt<br />

<strong>und</strong> galt lange Jahre als technische Pionierleistung <strong>und</strong><br />

Meilenstein moderner Architektur.<br />

Die wenigsten von denen, die heute vor dem Turm stehen <strong>und</strong><br />

den Kopf in den Nacken legen, wissen jedoch, dass die Höhe<br />

<strong>des</strong> <strong>Ei</strong>ffelturms keineswegs unveränderlich ist. Im Sommer<br />

nämlich dehnt die Sonnenwärme das <strong>Ei</strong>sen <strong>des</strong> Turms -<br />

Messungen haben ergeben, dass er in der warmen Jahreszeit bis<br />

zu 15 Zentimeter »wächst«.<br />

-58-


E wie <strong>Ei</strong>nhorn<br />

Schon wieder eine Enttäuschung: Entgegen allen anders<br />

lautenden Fabeln <strong>und</strong> Gerüchten hat es das sogenannte »weiße<br />

<strong>Ei</strong>nhorn« nie gegeben. Zwar wurden vor allem im 15. <strong>und</strong> 16.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert Dutzende sogenannter »<strong>Ei</strong>nhorn-Hörner« für gutes<br />

Geld verkauft, doch Nachforschungen <strong>und</strong> Untersuchungen<br />

ergaben, dass es sich dabei höchstwahrscheinlich um die<br />

Stoßzähne gefangener Narwale handelte.<br />

Schon der römische Schriftsteller Plinius glaubte fest an die<br />

Legende vom <strong>Ei</strong>nhorn, so fest, dass er sich sogar zu einer<br />

detaillierten Beschreibung hinreißen ließ: Demnach hatte das<br />

Tier einen »Körper wie ein Pferd, einen Kopf wie ein Hirsch,<br />

Füße wie ein Elefant <strong>und</strong> den Schwanz eines Wildschweins.<br />

Mitten auf der Stirn trägt es ein etwa ein Meter langes Horn«.<br />

Kein W<strong>und</strong>er, dass spätestens jetzt die Phantasie der<br />

nachfolgenden Generationen angestachelt worden war, zumal<br />

Plinius nicht vergessen hatte zu erwähnen, »dass das <strong>Ei</strong>nhorn<br />

lebend nicht gefangen werden kann«. Diese Behauptung kam<br />

vor allem den Geschäftemachern <strong>des</strong> mythenanfälligen<br />

Mittelalters zugute, die beim Verkauf der Hörner vielleicht in<br />

die Verlegenheit gekommen wären, ein gefangenes Tier auch<br />

einmal vorführen zu müssen. Begehrt war das ominöse Horn vor<br />

allem als Talisman, der seinen Besitzer vor Attentaten bewahren<br />

<strong>und</strong> seine Ges<strong>und</strong>heit schützen sollte. Aber auch gegen<br />

Giftmörder soll die Hornspitze ein probates Mittel gewesen sein:<br />

Wenn man sie auf die Tafel stellte <strong>und</strong> in irgendeinem der sie<br />

umgebenden Gerichte war eine Spur von Gift enthalten, dann<br />

soll sie sich mit einer Art Schweiß bedeckt haben.<br />

-59-


E wie <strong>Ei</strong>nsamkeit<br />

Hier irrt der Volksm<strong>und</strong> einmal nicht: <strong>Ei</strong>nsamkeit macht<br />

tatsächlich krank. An der Universität von Kalifornien hat man<br />

herausgef<strong>und</strong>en, dass einsame Menschen viermal so häufig<br />

schwer erkranken wie gesellige Zeitgenossen. Dazu trägt unter<br />

<strong>andere</strong>m auch die Tatsache bei, dass einsame Menschen mehr<br />

als <strong>andere</strong> zu übermäßigem Rauchen <strong>und</strong> Trinken neigen <strong>und</strong><br />

sich wenig Bewegung gönnen. Herzattacken <strong>und</strong> Unfälle sind<br />

bei allein lebenden Menschen ebenfalls wesentlich häufiger.<br />

E wie <strong>Ei</strong>nstein<br />

Auch ich benutzte für schulisches Versagen dereinst die<br />

Entschuldigung, dass schließlich selbst Albert <strong>Ei</strong>nstein ein<br />

schlechter Schüler gewesen war. Die Antwort »Schon, aber aus<br />

dem ist dann später immerhin etwas geworden, was bei dir<br />

bezweifelt werden muss«, stürzte mich zwar nicht gerade in eine<br />

Identitätskrise, veranlasste mich aber immerhin schon in frühen<br />

Jahren, Genaueres über <strong>Ei</strong>nsteins Werdegang herauszufinden.<br />

Die Wahrheit war ernüchternd: Albert <strong>Ei</strong>nstein ist entgegen<br />

anders lautenden Gerüchten niemals sitzen geblieben <strong>und</strong><br />

gehörte in den Fächern Mathematik <strong>und</strong> Physik schon immer zu<br />

den herausragenden Begabungen seiner Jahrgangsstufe.<br />

Allerdings war er an Sport <strong>und</strong> Sprachen nur sehr mäßig<br />

interessiert <strong>und</strong> wurde von seinen Lehrern am Münchener<br />

Luitpold-Gymnasium <strong>des</strong> öfteren als nichtsnutziger Träumer<br />

beschimpft. Später allerdings zahlte er es ihnen heim: Er<br />

bezeichnete den Umgangston seiner ehemaligen Erzieher als<br />

»dümmlich« <strong>und</strong> verglich ihr Gehabe mit dem von Möchtegern-<br />

Militärs.<br />

-60-


E wie <strong>Ei</strong>sbein<br />

Zusammen mit Sauerkraut gilt es als Verkörperung<br />

germanischer Esskultur: <strong>Das</strong> <strong>Ei</strong>sbein. Doch wissen Sie<br />

eigentlich, woher dieses schmackhafte Stück gepökelten<br />

Schweins seinen Namen hat. Nicht etwa - wie zu vermuten wäre<br />

- vom Kühlverfahren, sondern weil die harten Schien-<br />

Beinknochen <strong>des</strong> Schweins lange Zeit als Schlittenkufen<br />

verwendet wurden. Schon in der nordischen Sagensammlung<br />

»Edda« aus dem 12. Jahrh<strong>und</strong>ert ist vom sogenannten<br />

»<strong>Ei</strong>sknochen« die Rede, mit dem die rauen Nordmänner ihre<br />

Transportschlitten bestückten. Aus »<strong>Ei</strong>sknochen« wurde<br />

schließlich »<strong>Ei</strong>sbein« - wahrscheinlich nicht zuletzt <strong>des</strong>halb,<br />

weil der eigentliche Verwendungszweck <strong>des</strong> Knochens in<br />

Vergessenheit geriet <strong>und</strong> man sich eher den kulinarischen<br />

Verwendungsmöglichkeiten dieses Stücks tierischer Anatomie<br />

zuwandte.<br />

E wie <strong>Ei</strong>serner Vorhang<br />

Winston Churchill, der große britische Staatsmann, sagte im<br />

März 1946 bei einer Rede in den USA: »(…) an iron curtain has<br />

<strong>des</strong>cended across the continent« (…ein eiserner Vorhang hat<br />

sich quer durch den Kontinent gesenkt) <strong>und</strong> wird seitdem als<br />

Schöpfer <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong> vom »<strong>Ei</strong>sernen Vorhang« bezeichnet. Doch<br />

nachweislich hat schon die belgische Königin Elisabeth,<br />

anlässlich <strong>des</strong> deutschen <strong>Ei</strong>nmarsches 1941 in ihr Land, gesagt:<br />

»Zwischen ihnen (den Deutschen) <strong>und</strong> mir ist für alle Zeiten ein<br />

eiserner Vorhang niedergegangen«. Auch der deutsche<br />

Propagandaminister Joseph Goebbels soll im Februar 1945 in<br />

einer Berliner Rede zweimal vom »<strong>Ei</strong>sernen Vorhang« zwischen<br />

Russland <strong>und</strong> Deutschland gesprochen haben. Kein W<strong>und</strong>er,<br />

dass Churchill nicht begeistert gewesen wäre, wenn bekannt<br />

-61-


geworden wäre, wer diese Metapher vor ihm gebraucht hat.<br />

Lange Zeit blieb der »<strong>Ei</strong>serne Vorhang« tatsächlich schier<br />

<strong>und</strong>urchdringlich. Es bedurfte r<strong>und</strong> 40 Jahre <strong>des</strong> sogenannten<br />

»kalten Krieges« zwischen den großen Machtblöcken in der<br />

Welt, ehe das sowjetische Staatsoberhaupt Michail Gorbatschow<br />

um 1986 seine Politik von »Glasnost« <strong>und</strong> »Perestroika«<br />

etablierte <strong>und</strong> das bis dato scheinbar zementierte Weltbild aus<br />

den Fugen geriet. In dieser Phase der Entspannung erfolgte<br />

schließlich das Ende <strong>des</strong> östlichen, militärischen Bündnisblocks<br />

»Warschauer Pakt« <strong>und</strong> damit war auch der »<strong>Ei</strong>serne Vorhang«<br />

endgültig gefallen.<br />

E wie Elefanten<br />

Neben der Schlange, dem Löwen <strong>und</strong> vielleicht noch dem<br />

Wal ist sicherlich der Elefant das Tier, das die menschliche<br />

Phantasie am meisten beschäftigt. Zahlreiche Legenden ranken<br />

sich um die »grauen Riesen«, zahlreiche »geflügelte Worte«<br />

beschäftigen sich mit ihnen. »Dick wie Elefantenhaut«,<br />

»Elefanten vergessen nicht«, »<strong>Ei</strong>n Elefant fürchtet die Maus«<br />

usw. Klingt nett, klingt einprägsam - ist aber oft unsinnig. So ist<br />

die Elefantenhaut zwar tatsächlich zwischen zwei <strong>und</strong> vier<br />

Zentimetern dick, aber dies mit Unempfindlichkeit<br />

gleichzusetzen, wäre falsch. Vielmehr ist die Haut sogar sehr<br />

tastempfindlich <strong>und</strong> wenn der »Dickhäuter« seine »Außenhülle«<br />

mit Schlamm einreibt, geschieht dies in erster Linie zum Schutz<br />

gegen lästige Insektenstiche. Auch das unfehlbare Gedächtnis<br />

der Elefanten ist eine Fabel: Sie speichern Gerüche <strong>und</strong><br />

Geräusche, doch nicht mehr oder weniger als <strong>andere</strong> Tiere auch.<br />

Zudem werden Elefanten längst nicht so alt, wie oft behauptet<br />

wird - im Guinness-Buch der Rekorde wurden 76 Jahre als<br />

Rekordalter vermeldet - die meisten Tiere sterben allerdings<br />

noch vor ihrem 50.Geburtstag. Angst vor Mäusen haben<br />

-62-


Elefanten in der Regel nicht. Sie sind aber auch nicht extrem<br />

mutig. Normalerweise zieht sich die Herde vor unbekannten<br />

Kreaturen geschlossen zurück - egal, ob es sich nun um<br />

andalusische Bergziegen oder um australische Dingos handelt.<br />

Wenn sie sich mit der Gegenwart von Mäusen abgef<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />

deren Harmlosigkeit erkannt haben, werden diese schlicht<br />

ignoriert oder auch einfach plattgetreten.<br />

Auf einer falschen Schlussfolgerung basiert auch die<br />

Behauptung, Elefanten zögen sich zum Sterben auf sogenannte<br />

»Elefantenfriedhöfe« zurück. Zwar werden immer wieder<br />

Anhäufungen von Elefantenknochen gef<strong>und</strong>en, doch Biologen<br />

<strong>und</strong> Verhaltensforscher deuten dies heute als Unfälle einer<br />

Herde im Morast oder als Überbleibsel großer<br />

Elefantenhetzjagden durch menschliche oder tierische Jäger.<br />

<strong>Ei</strong>ne »Pilgerfahrt« eines alten Bullen zu den Grabstätten seiner<br />

Ahnen konnte jedenfalls noch nie beobachtet werden.<br />

E wie Elefantenläuse<br />

…sind essbar. Mit dieser Bezeichnung werden nicht die<br />

Parasiten der »grauen Riesen« bezeichnet, sondern verschiedene<br />

Nussarten. So ist die westindische »Elefantenlaus« nichts<br />

<strong>andere</strong>s als die beliebte »Cashewnuss« <strong>und</strong> auch die »Paranuss«<br />

(aus Brasilien) wird häufig »Elefantenlaus« genannt. »Echte«<br />

Elefantenläuse gibt es allerdings natürlich auch <strong>und</strong> Sie dürfen<br />

mir glauben, dass diese unseren riesigen Fre<strong>und</strong>en sehr lästig<br />

sind.<br />

E wie Elektrizität<br />

Man schrieb das Jahr 1789. In Frankreich tobte die<br />

Revolution <strong>und</strong> in Italien ließ ein gewisser Luigi Galvani an der<br />

-63-


Universität von Bologna Froschschenkel zucken. Er war es, der<br />

Pol <strong>und</strong> Gegenpol an metallischen Gegenständen entdeckte <strong>und</strong><br />

die sogenannte Elektrolyse benutzte, um elektrischen Strom zu<br />

erzeugen. Dann dauerte es noch weitere 51 Jahre, bis ein<br />

gewisser Werner Siemens einen silbernen Teelöffel in einen<br />

Becher unterschwefliger Goldlösung tauchte, Zink als Minus-<br />

<strong>und</strong> Kupfer - in Verbindung mit einer Goldmünze - als Pluspol<br />

verwendete <strong>und</strong> seinen Silberlöffel schon wenige Minuten später<br />

vergoldet fand. Siemens hatte die erste Anwendungsmöglichkeit<br />

der Elektrizität entdeckt - so jedenfalls glaubte man. Doch ein<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert später stieß der deutsche Archäologe Wilhelm<br />

König bei Ausgrabungen in einer Siedlung der Parther unweit<br />

<strong>des</strong> heutigen Bagdad auf einen merkwürdigen Apparat. In einer<br />

r<strong>und</strong> 20 Zentimeter hohen Vase befand sich ein etwas kürzerer<br />

Kupferzylinder, in dem wiederum ein oxydierter <strong>Ei</strong>senstab<br />

steckte. Dieser wies Reste von Bitumen <strong>und</strong> Blei auf. Zwar kam<br />

bereits König auf die Idee, er könnte damit auf eine antike,<br />

Strom erzeugende Batterie gestoßen sein, doch lange wurde er<br />

für diesen <strong>Ei</strong>nfall nur mitleidig belächelt. Erst 1957 bewiesen<br />

amerikanische Forscher, dass sich mit einem exakten Nachbau<br />

dieser Apparatur tatsächlich elektrischer Strom erzeugen ließ,<br />

<strong>und</strong> weitere Tests in den Folgejahren ergaben, dass das<br />

legendäre Volk der Parther offensichtlich diese Batterien<br />

ebenfalls - wie Siemens zwei Jahrtausende später - zum<br />

Vergolden silberner Gegenstände verwendet hatte. Zudem<br />

waren bei <strong>andere</strong>n Grabungen weitere altertümliche »Batterien«<br />

entdeckt worden, so dass kein Zweifel mehr möglich war: Die<br />

Parther wussten um das Geheimnis <strong>des</strong> elektrischen Stroms. In<br />

großem Ausmaß konnten sie ihn jedoch noch nicht benutzt<br />

haben, denn jede dieser Batterien war bestenfalls für eine<br />

Spannung von 0,5 bis 0,7 Volt gut.<br />

-64-


E wie Elmsfeuer<br />

<strong>Das</strong> Elmsfeuer ist weder eine Art Sonnwendfeuer, noch ein<br />

Indiz für das Auftreten böser Geister. Letzteres vermuteten<br />

Seeleute aller Nationen viele Jahrh<strong>und</strong>erte lang, denn sie<br />

konnten diese Erscheinung relativ häufig an den Spitzen ihrer<br />

Masten beobachten <strong>und</strong> riefen dann jeweils den Schutzheiligen<br />

ihrer Zunft, den heiligen Erasmus (oder auch St. Elmo) an, von<br />

dem das Elmsfeuer seinen Namen erhielt.<br />

<strong>Das</strong> Elmsfeuer ist eine fächerförmige Gasentladung, die vor<br />

allem an aufragenden, spitzen Gegenständen auftritt. Es besteht<br />

aus sogenannten »Elektronenlawinen«, die »unter Mitwirkung<br />

ultravioletten Lichts durch Stoßionisation gebildet werden«.<br />

Damit wissen trotzdem nur Physiker, wie das Elmsfeuer<br />

entsteht, doch für eine populärwissenschaftliche Erklärung bietet<br />

dieses Buch leider keinen Raum. Zusammenfassend lässt sich<br />

sagen, dass die atmosphärischen Bedingungen <strong>und</strong> das<br />

weitgehende Fehlen künstlicher Lichtquellen auf See das<br />

»Sichtbarwerden« der Elmsfeuer sehr begünstigen. Oftmals wird<br />

die Erscheinung auch im Gebirge, vor allem an schroffen<br />

Felsspitzen, gesehen.<br />

E wie England<br />

Fragen Sie doch mal ihre Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Bekannten, welches<br />

Land sie für das regenreichste Europas halten. »England oder<br />

Irland« wird die Antwort in min<strong>des</strong>tens 90 Prozent aller Fälle<br />

lauten, doch damit tun wir den britischen Inseln bitter Unrecht.<br />

Laut den Beobachtungen der Meteorologen fallen in der<br />

englischen Hauptstadt London pro Jahr etwa 590 mm<br />

Niederschlag. Damit gehört London zu den »trockensten«<br />

Städten <strong>des</strong> Kontinents. Zum Vergleich: In Rom fallen 760 mm<br />

- in Genua sogar 1100. Mit 900 mm pro Jahr ist allerdings der<br />

-65-


itische Nordwesten durchaus wieder dem »gehobenen<br />

Regendurchschnitt« zuzurechnen, wobei sich die Niederschläge<br />

auf das ganze Jahr verteilen. Deshalb mag es dem Besucher vom<br />

Kontinent auch so vorkommen, als regne es in England<br />

ununterbrochen. In den Mittelmeerländern beispielsweise regnet<br />

es fast ausschließlich im Winter, dann aber kräftig.<br />

E wie Erde<br />

Spätestens seit Columbus gilt der Satz »Die Erde ist eine<br />

Kugel« als unbedingte Wahrheit. Abgesehen davon, dass schon<br />

200 Jahre v. Chr. der griechische Gelehrte Eratosthenes von<br />

Kyrene die Kugelform der Erde berechnete <strong>und</strong> sich in Sachen<br />

Erdumfang gerade mal um r<strong>und</strong> 400 Kilometer irrte (im<br />

Mittelalter bevorzugte man allerdings aus obskuren religiösen<br />

Motiven wieder die Scheibentheorie), ist auch die Sache mit der<br />

»Kugel« nicht so ganz richtig. Der Fachausdruck für die Form<br />

unseres Mutterplaneten heißt eigentlich »abgeplattetes<br />

Rotationsellipsoid«, was bedeutet, dass der »Erdball« an den<br />

Polen abgeflacht <strong>und</strong> am Äquator ziemlich ausgebeult ist.<br />

Erdsatelliten haben zwischenzeitlich bewiesen, dass unser Planet<br />

in etwa die Form eines Apfels hat.<br />

E wie Erkältung<br />

<strong>Das</strong>s Erkältungen ausgerechnet Erkältungen heißen, ist<br />

eigentlich ein Rätsel. Denn mit Kälte haben Husten, Schnupfen<br />

oder Heiserkeit nicht viel zu tun, denn sonst müssten die<br />

Bewohner Grönlands oder Alaskas einen ungeheueren<br />

Taschentuchverbrauch haben. Dagegen scheint die Erklärung,<br />

dass der Körper auf ungewohnte Kälte mit einer Schwächung<br />

seines Immunsystems reagiert <strong>und</strong> damit anfälliger für Viren<br />

-66-


aller Art ist, durchaus etwas für sich zu haben. Die Eskimos<br />

haben keine Umstellungsprobleme - sie sind die Minusgrade<br />

gewohnt. (Sie dürften in tropischen Breiten wesentlich mehr<br />

Probleme mit ihren Widerstandskräften haben.)<br />

<strong>Ei</strong>ne weitere Erklärung für die Häufigkeit von »Erkältungen«<br />

in der kalten Jahreszeit könnte auch sein, dass der Mensch sich<br />

dann gerne <strong>und</strong> oft zusammen mit <strong>andere</strong>n Menschen in<br />

geschlossenen <strong>und</strong> möglichst warmen Räumen aufhält. Dies<br />

vergrößert die Ansteckungsgefahr um ein Vielfaches, was<br />

wiederum unsere Theorie bestätigt, dass der Herdentrieb die<br />

Menschheit eines Tages noch ins Verderben treiben wird. Aber<br />

das nur nebenbei…<br />

E wie Evangelisches Kloster<br />

<strong>Das</strong>s nur die katholischen Christen Zuflucht in Klöstern<br />

suchen <strong>und</strong> finden können, ist nicht ganz richtig. Denn in<br />

Niedersachsen gibt es das weltweit einzige Evangelische<br />

Kloster. Gegründet wurde Kloster Loccum im zwölften<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert noch als katholisches Zisterzienserkloster, nahm<br />

aber nach der Reformation die lutherische Lehre an. 1820 wurde<br />

dann ein evangelisches Priesterseminar daraus, <strong>des</strong>sen<br />

Seminaristen unverheiratet sein <strong>und</strong> im Kloster wohnen<br />

mussten. Seit 1967 gibt es in Loccum allerdings auch<br />

Wohnungen für verheiratete Geistliche. Klostervorstand ist ein<br />

Abt, der von einem acht Geistliche umfassenden Konvent auf<br />

Lebenszeit gewählt wird. Üblicherweise ist der Lan<strong>des</strong>bischof<br />

von Hannover gleichzeitig auch Abt von Loccum.<br />

-67-


E wie Exkommunikation<br />

Verweilen wir noch ein wenig bei kirchlichen Themen <strong>und</strong><br />

beschäftigen uns mit dem Wort »Exkommunikation«. Dieses<br />

bedeutet nicht, dass der betreffende Sünder aus der<br />

Gemeinschaft der Kirche ausgeschlossen wird, sondern aus der<br />

Gemeinde der Gläubigen. Dieser kleine, aber feine Unterschied<br />

heißt, dass der »Exkommunizierte« nicht mehr am Gottesdienst<br />

oder am Empfang der Sakramente teilnehmen darf, dass er aber<br />

weiterhin Kirchensteuer zahlen »darf« <strong>und</strong> dass der Pfarrer ihm<br />

- sofern die Gemeinde dagegen nicht ausdrücklich protestiert -<br />

auch ein christliches Begräbnis gewähren kann.<br />

-68-


F wie Farbe<br />

6. Von Farbe bis Fußball<br />

Schwarz gilt hierzulande als die Farbe der Trauer, doch ein<br />

Blick über den eigenen Tellerrand verrät, dass dies keineswegs<br />

überall der Fall ist. So gilt in Südostasien - einschließlich China<br />

- Weiß als To<strong>des</strong>- <strong>und</strong> Trauerfarbe, wobei damit vor allem an<br />

den Dahingeschiedenen gedacht wird. Denn Weiß soll ihm im<br />

Jenseits Glück, Reichtum <strong>und</strong> Zufriedenheit bescheren. Bei den<br />

Sinti <strong>und</strong> Roma hingegen trägt man anlässlich einer Beerdigung<br />

überwiegend Rot <strong>und</strong> dies dürfte das »fahrende Volk« von den<br />

Kelten übernommen haben. Bei denen war nämlich Rot die<br />

Symbolfarbe für Unglück <strong>und</strong> Trauer.<br />

F wie Fast Food<br />

…gilt - vor allem bei Eltern <strong>und</strong> Erziehern - als »unges<strong>und</strong>«.<br />

Und dies, obwohl die »Big Mac« genannte »Maulsperre« <strong>des</strong><br />

Fast-Food-Riesen McDonalds weder gesünder noch ungesünder<br />

ist als eine Vielzahl »normaler« Gerichte. So sind in einem Big<br />

Mac weit mehr Vitamine, Kalzium <strong>und</strong> <strong>Ei</strong>sen enthalten als in<br />

einem Wiener Schnitzel, das als beliebtestes Restaurant-Essen<br />

überhaupt gilt. Allerdings enthalten Hamburger, Cheeseburger<br />

<strong>und</strong> Big Mac in Relation zu ihren Kalorien zu viel Fett <strong>und</strong> zu<br />

wenig Ballaststoffe, doch das richtige Gleichgewicht lässt sich<br />

problemlos mit einem Glas Orangensaft wiederherstellen.<br />

<strong>Ei</strong>n Gerücht ist es auch, dass Fast Food ein Produkt unserer<br />

schnelllebigen Zeit sei. Denn vorgekochtes Essen gab es in<br />

Asien <strong>und</strong> Europa schon seit H<strong>und</strong>erten von Jahren - vor allem<br />

-69-


die indischen <strong>und</strong> chinesischen Reisküchen ernährten mit dem<br />

schnellen Imbiss ganze Generationen von Arbeitern. Da<br />

seinerzeit allerdings weit weniger auf Hygiene <strong>und</strong><br />

Vitaminzufuhr geachtet wurde als heute bei »Wimpys«,<br />

»Wendys«, »Burger King« oder »McDonalds«, dürfte die<br />

»traditionelle« Fast Food-Küche weitaus ungesünder gewesen<br />

sein als die modernen »Fresstempel« der jungen Generation.<br />

<strong>Ei</strong>n Hinweis an unsere jungen Leser: Sollten Papa oder Mama<br />

immer noch auf dem Standpunkt stehen, Euch den Hamburger<br />

verbieten zu müssen, kontert einfach mit der »urdeutschen«<br />

Bratwurst: Die enthält wesentlich mehr Fett <strong>und</strong> wesentlich<br />

weniger Vitamine <strong>und</strong> Kalzium als das belegte Sesam-Brötchen<br />

von der Fast Food-Theke.<br />

F wie Faust<br />

Millionen seufzender Eleven wuchsen in dem festen Glauben<br />

auf, Goethes Faust sei eine reine Erfindung <strong>und</strong> habe nie gelebt.<br />

Vielleicht wäre ihr Interesse am mutmaßlich bekanntesten<br />

deutschen Drama sprunghaft gestiegen, wenn man ihnen erzählt<br />

hätte, dass Dichterfürst Goethe sich an einer real existierenden<br />

Figur orientiert hat. <strong>Ei</strong>n gewisser Johannes (<strong>andere</strong> Chroniken<br />

sprechen allerdings auch von Georg) Faust soll um 1480 im<br />

württembergischen Knittlingen geboren worden sein. Er war als<br />

Arzt <strong>und</strong> Möchtegern-Magier bis zu seinem Tod (um 1538) eine<br />

regionale Berühmtheit, weil er sich angeblich als<br />

Schwarzkünstler <strong>und</strong> Alchimist betätigt haben soll. Schon 1587<br />

erschien in Stuttgart eine Chronik (Verfasser unbekannt) mit<br />

dem Titel: »Historia von D. Johann Fausten, dem<br />

weitbeschreyten Zauberer <strong>und</strong> Schwarzkünstler« <strong>und</strong> um 1590<br />

vollendete der englische Dichter Christopher Marlowe ein erstes<br />

Faustdrama. Darin war bereits die Figur <strong>des</strong> Teufels enthalten,<br />

denn im Heimatstädtchen <strong>des</strong> »Fausten«, in Knittlingen, wurde<br />

-70-


schon kurz nach dem jähen Tod <strong>des</strong> geheimnisumwitterten<br />

Mannes behauptet, dieser sei »wohl vom Deibel geholet«<br />

worden. Vermutlich hatte sich Goethe recht ungeniert aus diesen<br />

alten Überlieferungen bedient - er vollendete seinen »Faust« erst<br />

im Jahre 1806.<br />

Auch die Gretchen-Tragödie innerhalb <strong>des</strong> »Faust« ist keine<br />

reine Erfindung. Inspirieren ließ sich Goethe dabei nämlich von<br />

einem realen Kriminalfall, der seinerzeit in Frankfurt a. Main für<br />

viel Aufsehen sorgte. <strong>Ei</strong>ne gewisse Susanna Margarethe Brandt,<br />

ihres Zeichens Kellnerin, hatte ihr Neugeborenes sogleich nach<br />

der eigenhändigen Entbindung mit einer Schere umgebracht <strong>und</strong><br />

gegenüber der Polizei behauptet, ein durchreisender<br />

Goldschmied sei der Vater dieses Kin<strong>des</strong> gewesen. Der<br />

Reisende habe sie mit einem geheimnisvollen Pulver gefügig<br />

gemacht, so dass der Satan wohl seine Hand im Spiel gehabt<br />

haben müsse. Diese Behauptungen halfen Fräulein Brandt<br />

allerdings herzlich wenig - sie wurde 1772 auf dem Frankfurter<br />

Rossmarkt öffentlich hingerichtet.<br />

F wie Felleisen<br />

… hat weder etwas mit Fell noch mit <strong>Ei</strong>sen zu tun. Bezeichnet<br />

wird damit vielmehr ein Gepäckstück, nämlich eine Reisetasche<br />

aus Leder. Der Name ist eine Verballhornung <strong>des</strong> französischen<br />

Wortes »valise« (für Gepäckstück oder Koffer) <strong>und</strong> dieses<br />

wiederum stammt vom arabischen »waliha«, mit dem man<br />

schlicht einen Getrei<strong>des</strong>ack bezeichnete.<br />

F wie Fette<br />

Oft hört man, tierische Nahrungsfette wie Butter oder<br />

Gänseschmalz machten viel eher dick als die pflanzlichen Fette<br />

-71-


wie zum Beispiel Erdnussbutter oder Olivenöl. <strong>Das</strong> ist Blödsinn,<br />

denn Fett bleibt Fett - egal, woher es stammt. 100 Gramm jeden<br />

Öls oder Fettes haben r<strong>und</strong> 930 Kalorien (etwa 3900 Joule).<br />

Verweilen wir noch ein wenig beim Thema »Fett« <strong>und</strong><br />

versetzen der Männerwelt einen harten Hieb: Die als<br />

unumstößlich geltende Annahme, der Frauenkörper habe per se<br />

einen höheren Fettanteil als der männliche, muss als widerlegt<br />

gelten. Neueste Messungen haben ergeben, dass die<br />

Geschlechter ihre Fettgewebe zwar an unterschiedlichen<br />

Körperregionen konzentrieren (Frauen zumeist unter, Männer<br />

über der Gürtellinie), doch die reinen Mengen sind in etwa<br />

gleich <strong>und</strong> betragen geschlechtsneutral r<strong>und</strong> 23 Prozent.<br />

F wie Fetthenne<br />

Vorsicht - wenn Sie nicht gerade Botaniker sind, können Sie<br />

sich bei der Definition dieses Wortes unsterblich blamieren.<br />

»Fetthenne« bezeichnet nämlich keinesfalls ein wohlgenährtes<br />

Suppenhuhn, sondern eine bestimmte Pflanzenart. Sie gehört zur<br />

Gattung der sogenannten »Dickblattgewächse« <strong>und</strong> ist in<br />

unseren Breiten mit über 300 verschiedenen Arten <strong>und</strong><br />

Ausformungen vertreten. Der bekannteste Vertreter der<br />

»Fetthennen-Gattung« ist wohl der »Mauerpfeffer«, der im<br />

Sommer goldgelb blüht <strong>und</strong> vorzugsweise an sandigen Stellen<br />

eingepflanzt wird. Der Gr<strong>und</strong>: Die Fetthenne ist dafür bekannt,<br />

auch unter schwierigen Licht- oder Bodenverhältnissen<br />

zufriedenstellend zu gedeihen.<br />

F wie Fetus<br />

Fetus (oder Fötus) ist nicht, wie gemeinhin angenommen, eine<br />

<strong>andere</strong> Bezeichnung für den menschlichen Embryo. Die<br />

-72-


heranwachsende Leibesfrucht wird bis zum dritten<br />

Schwangerschaftsmonat ausschließlich als Embryo bezeichnet.<br />

Dann ist die menschliche Gestalt im »Kleinformat« ausgebildet<br />

<strong>und</strong> ab diesem Moment, in dem auch die Bewegungen der<br />

Extremitäten beginnen, nennt man den Nachwuchs »Fetus«.<br />

F wie Feuerland<br />

Die Inselgruppe Feuerland gilt zu Unrecht als südlichste<br />

Spitze <strong>des</strong> südamerikanischen Subkontinents. Feuerland, im<br />

Jahre 1520 vom portugiesischen Seefahrer Ferdinand Magellan<br />

entdeckt, erhielt seinen Namen aufgr<strong>und</strong> der zahlreichen Feuer,<br />

die die eingeborenen Indianer Tag <strong>und</strong> Nacht brennen ließen.<br />

Bis 1620 galt Feuerland als südlichste Landmasse Amerikas, ehe<br />

die niederländischen Seefahrer le Maire <strong>und</strong> van Schouten noch<br />

einige Dutzend Kilometer weiter südlich eine weitere Insel<br />

aufspürten. Van Schouten nannte sie nach seiner Geburtsstadt<br />

Hoorn <strong>und</strong> seitdem gilt Kap Hoorn, gefürchtet für seine jähen<br />

Wetterumschwünge <strong>und</strong> seine gefährlichen Untiefen <strong>und</strong><br />

Klippen, als südlichster Zipfel der bewohnten Welt.<br />

F wie Fische<br />

Fische leben im Wasser. <strong>Das</strong> zumin<strong>des</strong>t können wir einfach<br />

als gegeben akzeptieren <strong>und</strong> vielleicht lässt sich mit dieser<br />

simplen Wahrheit auch begründen, warum über die Fische so<br />

viele Gerüchte <strong>und</strong> Halbwahrheiten im Umlauf sind. Wasser ist<br />

nun kein dem Menschen gemäßes Element (Mark Spitz <strong>und</strong><br />

Franzi van Almsick mal ausgenommen) <strong>und</strong> <strong>des</strong>halb sind wir<br />

geneigt, vieles widerspruchslos hinzunehmen, was uns der<br />

Volksm<strong>und</strong> glauben machen möchte. Beispielsweise wird<br />

behauptet, Fische könnten nicht ertrinken. <strong>Das</strong> stimmt zwar im<br />

-73-


Regelfall, doch ist zum Beispiel der sogenannte Labyrinthfisch<br />

neben der Kiemenatmung (bei der Sauerstoff durch die Kiemen<br />

aus dem Wasser gefiltert wird) auch auf Lungenatmung<br />

angewiesen. Wenn er nicht an die Oberfläche gelangen kann,<br />

um dort »nach Luft zu schnappen«, ertrinkt (oder erstickt?) er<br />

jämmerlich. Zugegeben, dieses Exemplar ist die Ausnahme von<br />

der Regel, aber für beinahe alle Fischarten trifft zu, dass sie<br />

keinesfalls stumm sind. »Stumm wie ein Fisch« ist eine sehr<br />

beliebte Redewendung, doch Fische können durchaus Töne<br />

hervorbringen, auch wenn diese vom menschlichen Ohr nicht<br />

immer wahrzunehmen sind. Empfindliche Unterwasser-<br />

Mikrofone haben an den Tag gebracht, dass Flossen, Zähne <strong>und</strong><br />

Schwimmblasen zur Schallerzeugung benutzt werden.<br />

Mittlerweile geht man davon aus, dass die fischigen Töne als<br />

Erkennungssignale für Paarungsriten oder auch zur<br />

Abschreckung potentieller Feinde dienen. Für ihr<br />

»durchdringen<strong>des</strong> Organ« berühmt - <strong>und</strong> auch für den Menschen<br />

problemlos vernehmbar - sind der »Knurrhahn«, der »Seewels«<br />

<strong>und</strong> der sogenannte »Krächzerfisch«.<br />

Noch ein kurzer Abstecher für diejenigen, die Fische in erster<br />

Linie als schmackhaftes Nahrungsmittel betrachten. Ebenso<br />

verbreitet wie gr<strong>und</strong>falsch ist die Auffassung, man dürfe Fisch<br />

aus stilistischen Gründen nicht mit dem Messer essen. Diese<br />

»Verordnung« stammt aus einer Zeit, in der Messerklingen noch<br />

aus rostanfälligem Stahl bestanden. Dadurch wurde der<br />

Fischgeschmack natürlich unangenehm beeinflusst. Moderne<br />

Benimmbücher weisen mittlerweile ausdrücklich darauf hin,<br />

dass der Fisch auf dem Teller nun durchaus mit dem Messer<br />

zerteilt werden darf.<br />

Verweilen wir noch einen Moment beim »Fischgenuss« <strong>und</strong><br />

betrachten den Mythos, dass Fisch »Gehirnnahrung« sei. Zwar<br />

hat der deutsche Mediziner Friedrich Büchner um 1860<br />

Phosphor im menschlichen Gehirn entdeckt, doch schon seine<br />

Folgerung, dieser Phosphor diene als Katalysator für<br />

-74-


menschliches Denken, war recht weit hergeholt. Da aber auch<br />

Fischfleisch viel Phosphor enthält, empfahlen seit Büchner<br />

zahlreiche Mediziner immer wieder Fisch zur Aktivierung <strong>des</strong><br />

Gehirns. Mittlerweile aber ist bewiesen, dass Phosphor keinerlei<br />

Auswirkungen auf den Intellekt oder die Fähigkeit zum<br />

»Schnelldenken« hat.<br />

F wie Flaschenpost<br />

Auf ihr fußt so manche Legende von versunkenen oder<br />

vergrabenen Schätzen: Die Flaschenpost. Im Zeitalter der<br />

modernen Telekommunikation <strong>und</strong> zumeist funktionierender<br />

Funkverbindungen ist sie zwar mittlerweile fast völlig<br />

ausgestorben, doch haftet ihr noch immer ein romantisches Flair<br />

an, das vergessen lässt, dass es sich eigentlich um eine schlichte<br />

postalische Benachrichtigung handelt. Nach international<br />

geltendem Recht darf nämlich der Finder einer Flaschenpost<br />

diese nicht einfach behalten, sondern hat die Pflicht, sie an die<br />

Behörden weiterzuleiten. Via Konsulate soll die Nachricht<br />

schließlich dem Empfänger zugestellt werden - auch wenn<br />

dieser mittlerweile schon seit geraumer Zeit verstorben ist. In<br />

diesem Fall haben dann seine Nachkommen Anspruch auf die<br />

Nachricht.<br />

Übrigens: <strong>Das</strong> Ankommen einer Flaschenpost ist längst nicht<br />

so sehr von Zufälligkeiten bestimmt, wie angenommen wird.<br />

Seefahrer kannten sich schließlich mit Meeresströmungen recht<br />

gut aus <strong>und</strong> kalkulierten demnach häufig ganz genau, wo die<br />

Flasche schließlich an Land gespült wurde. 1842 erschien sogar<br />

eine regelrechte »Flaschenkarte«, auf der die »Routen« <strong>und</strong><br />

Reisewege zahlreicher Flaschenpostsendungen dokumentiert<br />

waren.<br />

-75-


F wie Fledermäuse<br />

Genauso falsch wie die Redewendung »Stumm wie ein Fisch«<br />

(siehe Stichwort »Fische«) ist auch »Blind wie eine<br />

Fledermaus«. Jahrzehntelang waren Biologen der Ansicht, dass<br />

die geflügelten Gleiter sich ausschließlich auf ihr Ultraschall-<br />

Ortungssystem verlassen: Für Menschen unhörbare Töne<br />

werden in einer fast ununterbrochenen Reihe ausgestoßen, von<br />

Wänden <strong>und</strong> Gegenständen reflektiert <strong>und</strong> gelangen sozusagen<br />

als Echo zurück zu den übergroßen Ohren der Tiere. <strong>Das</strong><br />

geschieht zwar durchaus, doch dass Fledermäuse auch ihre<br />

Augen benutzen, bewies ein Laborexperiment <strong>des</strong><br />

amerikanischen Zoologen Donald Griffins. Dieser verklebte<br />

etlichen Versuchstieren die Augen <strong>und</strong> verstopfte ihnen<br />

zusätzlich gründlich die Ohren, damit sie den reflektierten<br />

Schall nicht mehr wahrnehmen konnten. Dann hängte er in<br />

seinem Labor Stoffstreifen auf, <strong>und</strong> als er die Tiere frei ließ,<br />

segelten sie prompt gegen diese Hindernisse. Nachdem er ihnen<br />

anschließend jedoch die Augenklappen entfernt hatte (die Ohren<br />

blieben verstopft), wurden dieselben Stoffstreifen elegant<br />

umsegelt. Der naheliegende Schluss: Die beiden Ortungs-<br />

Systeme bilden eine perfekte, für Dämmerung <strong>und</strong> Dunkelheit<br />

geschaffene Kombination. Wenn die Entfernung zum Hindernis<br />

für eine Ultraschallortung zu groß wird, springen die Augen als<br />

Wahrnehmungsinstrumente ein. Allzu gut sind diese Augen<br />

allerdings nicht - nur Umrisse können von ihnen ausgemacht<br />

<strong>und</strong> ans Gehirn weitergegeben werden.<br />

F wie Fliegen<br />

Haben Sie Flugangst? Ja? Dann haben Sie womöglich<br />

durchaus recht mit Ihren angeblich irrationalen Befürchtungen.<br />

Zwar wird behauptet, Fliegen sei die sicherste Methode <strong>des</strong><br />

-76-


Reisens, doch das hängt letztlich davon ab, wie man die Statistik<br />

interpretiert. Fest steht, dass das Autofahren mit Abstand die<br />

gefährlichste aller Reisearten ist. Doch wenn wir Bahn <strong>und</strong><br />

Flugzeug vergleichen, entdecken wir durchaus Überraschen<strong>des</strong>.<br />

Wenn man weltweit die To<strong>des</strong>opfer addiert <strong>und</strong> diese Zahlen<br />

durch die zurückgelegten Kilometer teilt, kommt man bei der<br />

Bahnreise auf neun Tote je 10 Milliarden Passagierkilometer.<br />

<strong>Das</strong> ist nicht besonders beängstigend <strong>und</strong> weniger<br />

besorgniserregend ist die Zahl beim Flugzeug: Dort sterben<br />

»nur« drei Menschen auf besagten zehn Milliarden Kilometern.<br />

Betrachtet man jedoch den Faktor Zeit, kann man durchaus zu<br />

der Ansicht kommen, die größere Geschwindigkeit <strong>des</strong><br />

Flugzeugs sei auch sein Fluch: Bei 100 Millionen<br />

Passagierst<strong>und</strong>en (Zeit, die im Flugzeug verbracht wird) sterben<br />

laut Statistik 24 Menschen. Zum Vergleich: Bei Bahnfahrten<br />

sind es im selben statistischen Zeitraum lediglich sieben<br />

Personen.<br />

F wie Fluch <strong>des</strong> Pharao<br />

Als der Archäologe Howard Carter am 6. November 1922 im<br />

ägyptischen »Tal der Könige« das Grab <strong>des</strong> legendären Pharao<br />

»Tutench-Amun« fand, galt dies als Sensation <strong>des</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

Die Entdeckung der reich geschmückten Grabkammer mit der<br />

fast unversehrten Mumie <strong>des</strong> altägyptischen Herrschers wurde<br />

weltweit jahrelang immer wieder publiziert <strong>und</strong> analysiert,<br />

zumal sich schnell Gerüchte um den sogenannten »Fluch <strong>des</strong><br />

Pharao« zu ranken begannen. Carter soll beim Betreten der<br />

Grabkammer eine Inschrift entdeckt haben, die all denen den<br />

Tod ankündigte, die die Ruhe <strong>des</strong> toten Herrschers zu stören<br />

wagten. Und tatsächlich: Zunächst starb der Carter-Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />

Geldgeber der Expedition, Lord Carnavon, an den infektiösen<br />

Folgen eines Moskitostichs. In den folgenden Monaten <strong>und</strong><br />

-77-


Jahren kamen weitere Teilnehmer der Expedition bei teilweise<br />

rätselhaften Unfällen oder durch Selbstmorde ums Leben. Die<br />

Legende vom Fluch war geboren <strong>und</strong> wurde durch weitere<br />

To<strong>des</strong>fälle genährt.<br />

Übersehen hatten die Anhänger dieser abenteuerlichen Mär<br />

jedoch, dass beispielsweise Lord Carnavon schon vor der<br />

Entdeckung der Grabkammer aufgr<strong>und</strong> der extremen<br />

klimatischen Bedingungen <strong>des</strong> ägyptischen Sommers höchst<br />

anfällig für Infektionen war <strong>und</strong> sein 57jähriger Körper der<br />

neuerlichen Belastung wohl nicht mehr gewachsen war. Auch<br />

die übrigen zwölf »unerklärlichen« To<strong>des</strong>fälle ehemaliger<br />

Expeditionsteilnehmer in den darauffolgenden Jahren wurden<br />

nach <strong>und</strong> nach »enträtselt« <strong>und</strong> hatten alle natürliche <strong>und</strong><br />

nachvollziehbare Ursachen <strong>und</strong> Gründe. Carter selbst hat<br />

übrigens von Anfang an bestritten, jemals eine Inschrift mit<br />

einer wie auch immer gearteten To<strong>des</strong>drohung gesehen oder<br />

entdeckt zu haben: »Die Gerüchte von einem Fluch Tutench-<br />

Amuns sind verleumderische Erfindungen.«<br />

F wie Föhn<br />

Die Münchner reklamieren ihn seit jeher als ihr <strong>Ei</strong>gentum:<br />

Den Föhn. Dieser trockene <strong>und</strong> warme Fallwind komme von<br />

den Alpen herunter auf die bayerische Lan<strong>des</strong>hauptstadt <strong>und</strong> sei<br />

ansonsten nirgendwo auf der Welt in dieser Intensität<br />

anzutreffen. Tja - schade für die Münchner, dass sich diese<br />

kühne Behauptung so einfach widerlegen lässt. Der Föhn kommt<br />

auf der Leeseite so ziemlich aller hohen Gebirge vor <strong>und</strong> wird in<br />

<strong>andere</strong>n Regionen lediglich anders genannt. Vor den Ausläufern<br />

der Rocky Mountains heißt er beispielsweise Chinook. Der<br />

meteorologische Vorgang jedoch ist überall gleich: Kühle,<br />

feuchte Luft zieht über einen Bergkamm, entlässt dabei<br />

ergiebige Niederschläge <strong>und</strong> »klettert« anschließend auf der<br />

-78-


Leeseite <strong>des</strong> Gebirges nach unten. Die nunmehr trockene Luft<br />

erwärmt sich dabei auf 100 Meter Höhenunterschied um etwa<br />

ein Grad Celsius. Innerhalb weniger St<strong>und</strong>en kann der<br />

Temperaturanstieg in dem betreffenden Gebiet, in das der Föhn<br />

»einfällt«, bis zu 20 Grad Celsius betragen. Damit kommt es<br />

dann auch zu Schwankungen der Luftelektrizität <strong>und</strong> dies<br />

wiederum kann bei sensibleren Menschen Kopfschmerzen <strong>und</strong><br />

Leistungsprobleme aller Art hervorrufen.<br />

F wie Frankenstein<br />

Nachdem wir uns bereits ausführlich mit Dracula beschäftigt<br />

haben (siehe Stichwort »Dracula«), können wir natürlich auch<br />

Frankenstein nicht vernachlässigen. Den Fans dieses<br />

Schauermärchens sei allerdings gleich gesagt, dass Frankenstein<br />

- im Gegensatz zu Dracula kein »echtes« Vorbild hatte. Die<br />

Schriftstellerin Mary Shelley verdankte alle Figuren ihres<br />

Romans ausschließlich ihrer schöpferischen Phantasie. Wenn<br />

Kinder sich heutzutage im Karneval als »Frankenstein«<br />

verkleiden, tun sie dies leider meist in Unkenntnis der<br />

literarischen Vorlage. Bei Shelley hieß nämlich nicht etwa das<br />

gruselige, aus Leichenteilen zusammengestückelte Monster<br />

»Frankenstein«, sondern sein Erschaffer. Dieser ist laut Buch<br />

ein junger, adliger, ehrgeiziger Student an der Ingolstädter<br />

Universität, der mit dem »Bau« <strong>des</strong> künstlichen Menschen<br />

beweisen will, dass Leben nicht ausschließlich von der<br />

natürlichen Geburt abhängt. Leider entgleiten die Dinge<br />

schließlich seiner Kontrolle (das dürfen Sie aber selbst<br />

nachlesen), doch fest steht, dass Baron von Frankenstein dem<br />

»Monster« keinesfalls seinen Namen verliehen hat.<br />

-79-


F wie Freie Hansestadt Hamburg<br />

Die Hamburger werden es nicht gerne hören, doch die<br />

Bezeichnung »Freie Hansestadt Hamburg« basiert auf einem<br />

grandiosen Schwindel. Die heutige Strafgerichtsbarkeit würde<br />

wohl den Tatbestand der »Urk<strong>und</strong>enfälschung im besonders<br />

schweren Fall« zugr<strong>und</strong>e legen.<br />

Noch heute feiern die Hamburger am 7. Mai alljährlich ihren<br />

Hafengeburtstag <strong>und</strong> ebenso regelmäßig verbreitet die<br />

Pressestelle der Stadt die folgende Historie: Im Jahr 1189 soll<br />

Kaiser Friedrich Barbarossa dem Grafen Adolf von<br />

Schauenburg erlaubt haben, an Elbe <strong>und</strong> Alster einen Hafen<br />

anzulegen. Mit der entsprechenden Urk<strong>und</strong>e seien auch<br />

zahlreiche Privilegien verb<strong>und</strong>en gewesen - so zum Beispiel der<br />

zollfreie Warentransport auf der Unterelbe. Doch ausgerechnet<br />

ein <strong>Ei</strong>nheimischer wies zweifelsfrei nach, dass das Dokument,<br />

das Hamburg zu Deutschlands »Tor zur Welt« erklärte,<br />

keinesfalls vom Kaiser oder seinen Schreibern stammte, sondern<br />

im Hamburger Rathaus gefälscht worden war. Anhand von<br />

Siegel, Pergamentart, Schrift, Stil <strong>und</strong> den angegebenen<br />

Zeugennamen konnte Heinrich Reincke im Jahre 1907<br />

unzweifelhaft belegen, dass die Hamburger sich ihren »Freien<br />

Hafen« einfach erschwindelt hatten. Und zwar erst um 1266,<br />

denn das war das Jahr, in dem sie sich zum ersten Mal auf das<br />

angeblich kaiserliche Dokument beriefen. Hintergr<strong>und</strong> war ein<br />

erbitterter Handelsstreit mit den Städten Stade <strong>und</strong> Bremen, die<br />

für die Schiffe nach <strong>und</strong> von Hamburg hohe Zölle einforderten.<br />

Den Hamburger Hafen hatte es nämlich schon lange vor<br />

Erstellung der ominösen Urk<strong>und</strong>e gegeben, <strong>und</strong> er war<br />

demzufolge auch schon seit geraumer Zeit ein wichtiger<br />

Wirtschaftsfaktor im Leben der Küstenbewohner. Erst als die<br />

Hamburger vor dem Bremer Erzbischof mit besagter Urk<strong>und</strong>e<br />

auftraten <strong>und</strong> sich auf ihre vorgeblichen Privilegien beriefen,<br />

mussten Stade <strong>und</strong> Bremen wohl oder übel ihre Zollschranken<br />

-80-


öffnen. Die Folgen sind bekannt: Der Hamburger Hafen wurde<br />

zum größten Warenumschlagplatz Europas, die Stadt blühte auf<br />

<strong>und</strong> nannte sich schon sehr bald »Freie Stadt«.<br />

Und weil das mit der ersten Fälschung so gut geklappt hatte,<br />

wiederholten die cleveren Hamburger Ratsherren ihren Coup<br />

400 Jahre später. Anhand eines ganzen Pakets von gefälschten<br />

Unterlagen <strong>und</strong> Urk<strong>und</strong>en wiesen die Hanseaten dem<br />

Reichskammergericht nach, dass sie schon seit den Zeiten Karls<br />

<strong>des</strong> Großen eine Freie Reichsstadt gewesen waren - eine<br />

Behauptung, die aus heutiger Sicht abenteuerlich anmuten muss.<br />

Denn als Karl der Große seine Regierungsgeschäfte tätigte, war<br />

Hamburg noch nicht viel mehr als eine mittelgroße Ansiedlung<br />

in morastigem Gelände. Von einer Stadt, einer Reichsstadt oder<br />

gar einer »Freien Reichsstadt« konnte nicht die Rede sein. Doch<br />

die Historiker waren offenbar dünn gesät, so dass das<br />

Reichskammergericht nach langwierigen Verhandlungen die<br />

»Hamburger Kröte« schließlich schluckte <strong>und</strong> die Stadt im Jahr<br />

1768 offiziell zur »Freien Reichsstadt« erhob - ein Titel, der<br />

wenig später in »Freie <strong>und</strong> Hansestadt Hamburg« umgewandelt<br />

wurde.<br />

Der Historiker Reincke übrigens wurde mit seinen<br />

Erkenntnissen nicht glücklich. Der Hamburger Senat <strong>des</strong> Jahres<br />

1907 verbot ihm sogar, sie zu veröffentlichen eine<br />

Zuwiderhandlung wäre mit Kerkerhaft bestraft worden. Bevor<br />

Sie jetzt aber, lieber Leser, verächtlich den Kopf schütteln <strong>und</strong><br />

von betrügerischem Etikettenschwindel sprechen, möchten wir<br />

Ihnen eines zu bedenken geben: Die Hamburger vertraten<br />

lediglich die legitimen Interessen ihrer Stadt <strong>und</strong><br />

Urk<strong>und</strong>enfälschungen gehörten im Mittelalter durchaus zu den<br />

normalen Gepflogenheiten, um sich durchzusetzen. Auch die<br />

Staufer <strong>und</strong> Habsburger »erschwindelten« sich auf diese Art so<br />

manchen Titel <strong>und</strong> so manches Erbe.<br />

-81-


F wie Fremdenlegion<br />

So mancher Ganove spekuliert tatsächlich heute noch darauf,<br />

im völlig ausweglosen Fall sein Glück bei der Fremdenlegion<br />

versuchen zu können. Doch diese französische Kompanie, die<br />

auf die Kolonialzeit zurückgeht, akzeptiert schon lange keine<br />

Kriminellen mehr in ihren Reihen. Früher wurden in die Legion,<br />

die in der algerischen Wüste ihr Hauptquartier hatte,<br />

ausschließlich ausländische Legionäre aufgenommen, wobei<br />

sicherlich auch der eine oder <strong>andere</strong> gesuchte Gesetzesbrecher<br />

Unterschlupf fand. Noch zu Zeiten <strong>des</strong> Indochina-Kriegs in der<br />

Mitte <strong>des</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>erts zählte die Legion r<strong>und</strong> 40000 Mann,<br />

die einzig für französische Interessen außerhalb der Grenzen <strong>des</strong><br />

Mutterlan<strong>des</strong> kämpfen durften. Mittlerweile versehen höchstes<br />

noch 8000-10000 Männer ihren Dienst in der Legion, die auch<br />

zur eventuellen Verteidigung Frankreichs eingesetzt werden<br />

könnten. Zwar werden nach wie vor Ausländer aufgenommen,<br />

doch erst nach Rücksprache mit den Strafverfolgungsbehörden<br />

der jeweiligen Heimatländer. Gesuchte Verbrecher oder<br />

Drogenabhängige werden von vorneherein ausgeschlossen.<br />

F wie Friedhof<br />

Die Bezeichnung Friedhof hat eigentlich nichts mit dem<br />

»Frieden« der dort Begrabenen zu tun. <strong>Das</strong> Wort stammt vom<br />

althochdeutschen »frithof«, mit dem sowohl ein Vorplatz als<br />

auch der Vorraum einer Kirche bezeichnet wurden. Dieser<br />

ummauerte, geschützte Platz vor der Kirche diente häufig als<br />

Begräbnisstätte.<br />

-82-


F wie Frostbeulen<br />

»Mensch, ist das kalt heute. Ich krieg' noch Frostbeulen«.<br />

Solchen Sätzen fehlt eigentlich der kausale Zusammenhang.<br />

Denn die sogenannten Frostbeulen haben mit arktischer Kälte<br />

direkt nichts zu tun, sondern sind lediglich das Resultat von<br />

Gefäß- <strong>und</strong> Kreislaufstörungen der Haut. Zu diesen kommt es,<br />

wenn die Empfindlichkeit der betreffenden Hautpartien<br />

krankhaft gesteigert ist <strong>und</strong> sie damit anfällig gegen Nässe <strong>und</strong><br />

Kälte werden. Frostbeulen können also durchaus von Kälte<br />

hervorgerufen werden - ein Resultat der Temperatur sind sie<br />

jedoch nicht.<br />

F wie Fußball<br />

Fußball - Hobby, Leidenschaft, Religion. Zumin<strong>des</strong>t in<br />

Europa <strong>und</strong> Südamerika ist dieses Ballspiel in Sachen<br />

Popularität ganz weit oben angesiedelt <strong>und</strong> vor allem dem<br />

sogenannten »kleinen Mann« oftmals eine<br />

Herzensangelegenheit. Nicht zuletzt <strong>des</strong>halb wird gern <strong>und</strong> oft<br />

behauptet, Fußball sei von der Arbeiterklasse ersonnen <strong>und</strong><br />

verbreitet worden - das Gegenteil jedoch ist richtig. Gegen Ende<br />

<strong>des</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>erts waren es vor allem junge englische<br />

Akademiker, die in langarmigen Hemden <strong>und</strong> wadenlangen<br />

Hosen gegen den Lederball traten. Auch als das Spiel auf den<br />

Kontinent kam, gaben zunächst Studenten, Juristen <strong>und</strong> junge<br />

Offiziere den Ton auf den Bolzplätzen an. Der traditionelle<br />

Arbeitersport in diesen Jahren war das Turnen. Auch <strong>und</strong> vor<br />

allem die Burschenschaften <strong>und</strong> schlagenden Verbindungen der<br />

Hochschulen entdeckten den Fußball als elitäres Hobby <strong>und</strong><br />

gaben den ersten Clubs auch die patriotisch anmutenden Namen:<br />

»Borussia«, »Alemannia« oder »Westfalia« hießen die Vereine<br />

damals.<br />

-83-


Erst in den 30er Jahren wurden immer mehr einfache Arbeiter<br />

in den Spielgemeinschaften geduldet nicht zuletzt dank der<br />

Erfolge der Ruhrpotthelden von Schalke 04. Dieser Club aus<br />

Gelsenkirchen, benannt nach einem Zechenstadtteil, galt als<br />

Symbol für die sportliche Schlagkraft der Bergwerkkumpel, <strong>und</strong><br />

Schalke ist es auch, das heute zu Recht den Anspruch erheben<br />

kann, den Fußball zu den »kleinen Leuten« gebracht zu haben.<br />

-84-


G wie Galgen<br />

7. Von Galgen bis Gutenberg<br />

<strong>Ei</strong>n schwarz gekleideter, hagerer Mann steht auf einem<br />

Po<strong>des</strong>t. Um ihn herum eine gaffende <strong>und</strong> zuweilen johlende<br />

Menschenmenge in Erwartung <strong>des</strong> schaurigen Schauspiels, das<br />

gleich geboten werden soll. Der schwarze Mann ist der Henker<br />

<strong>und</strong> der <strong>andere</strong>, der jetzt von zwei grobschlächtigen Schergen<br />

auf die Plattform geführt wird, ist sein Opfer. Sie haben diese<br />

Szenerie vermutlich schon im einen oder <strong>andere</strong>n Film miterlebt<br />

- im wirklichen Leben ist der »Tod durch den Strang«<br />

glücklicherweise nicht mehr üblich. Doch nach wie vor ist das<br />

»Hängen« die berühmteste (<strong>und</strong> berüchtigtste) Hinrichtungs-<br />

Methode <strong>und</strong> nach wie vor sind auch die meisten Menschen der<br />

Meinung, der Delinquent sterbe am Galgen den langsamen,<br />

qualvollen Erstickungstod. Dem ist jedoch nicht so. Zwar bleibt<br />

das Resultat das gleiche, doch am »Henkersbaum« starben die<br />

Verurteilten zumeist innerhalb weniger Sek<strong>und</strong>en (manchmal<br />

nur Bruchteile von Sek<strong>und</strong>en), nachdem die Klappe zu ihren<br />

Füßen sich unter ihnen geöffnet hatte. Ohne dies jetzt weiter<br />

vertiefen zu wollen (vielleicht sind Sie ja gerade beim Essen<br />

oder gehören zu den höchst sensiblen Gemütern), dürfen wir<br />

Ihnen sagen, dass der Tod zumeist durch Genickbruch bei<br />

gleichzeitiger Zerstörung <strong>des</strong> Atemzentrums eintrat. Allerdings<br />

konnte es auch vorkommen, dass die Schlinge unsachgemäß<br />

angesetzt wurde, dies konnte dann durchaus bedeuten, dass das<br />

Genick zunächst intakt blieb <strong>und</strong> die Atemwege <strong>und</strong><br />

Halsschlagadern zusammengepresst <strong>und</strong> somit <strong>und</strong>urchlässig<br />

wurden. In diesen Fällen kam es dann zum minutenlangen<br />

Zappeln der Opfer, denen sowohl die Blutzufuhr zum Großhirn<br />

-85-


abgeschnitten wurde als auch die Luft langsam ausging. Sie<br />

erstickten qualvoll.<br />

G wie Galileo Galilei<br />

Vor allem Agnostiker <strong>und</strong> Atheisten führen immer wieder<br />

gerne den italienischen Astronomen <strong>und</strong> Physiker Galileo<br />

Galilei an, wenn es darum geht, die Intoleranz <strong>und</strong><br />

Engstirnigkeit der Kirche zu beweisen. Der Gelehrte aus der<br />

Toskana (1564-1642), der vermeintlich auch den unsterblichen<br />

Satz »Und sie bewegt sich doch« geprägt haben soll (hat er nie<br />

gesagt. Wurde von einem Historiker <strong>des</strong> 17. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

erdichtet), vertrat Zeit seines Lebens das Weltbild <strong>des</strong><br />

Kopernikus. <strong>Das</strong> heißt, Galileo ging von einer sich bewegenden<br />

Erde aus <strong>und</strong> spätestens als er durch sein mächtiges Teleskop<br />

die Monde <strong>des</strong> Jupiter entdeckt hatte, warf er das bis dahin<br />

gültige Weltbild von der Erde als Mittelpunkt <strong>des</strong> Universums<br />

über Bord. Für die damals allmächtige Kirche wäre das Gr<strong>und</strong><br />

genug gewesen, den unbequemen Professor schon jetzt zu<br />

verurteilen, doch lange Jahre geschah nichts dergleichen. Im<br />

Gegenteil: Der Vatikan zeigte sich durchaus interessiert an<br />

Galileis Theorien, der Papst empfing ihn zur Audienz <strong>und</strong> vom<br />

Orden der Jesuiten wurde er für seine wissenschaftlichen<br />

Verdienste sogar geehrt. Erst als er, der immer wieder auf Neid,<br />

Anfeindungen <strong>und</strong> Unverständnis seiner weniger berühmten<br />

Kollegen stieß, das ptolemäische Weltbild endgültig als<br />

»gr<strong>und</strong>falsch« bezeichnete <strong>und</strong> seine eigenen Theorien die<br />

einzig richtigen nannte, wurde man in Rom ein wenig<br />

ungehalten. Die Kirche sah ihren Monopolanspruch attackiert -<br />

<strong>und</strong> da dies auch noch in aller Öffentlichkeit geschah, zitierte<br />

man den Mann aus der Toskana zum Rapport. Allzu streng war<br />

man aber immer noch nicht, denn Galileo durfte aufgr<strong>und</strong> einer<br />

angeblichen Krankheit die Reise mehrmals verschieben. Als er<br />

-86-


1633 dann endlich in Rom eintraf, bewohnte er recht<br />

komfortable Räumlichkeiten <strong>und</strong> der Vatikan stellte ihm sogar<br />

einen Dienstboten zur Verfügung. Unter großer Anteilnahme der<br />

Öffentlichkeit kam es dann zum Inquisitionsverfahren, in dem<br />

sich die Richter ebenfalls unerwartet nachsichtig zeigten. Sie<br />

veranlassten ihn zwar durch »sanften Druck«, seinen Lehren<br />

abzuschwören, doch das Urteil lautete schließlich lediglich auf<br />

Ungehorsam. Sieben Bußpsalmen sollte er in den<br />

anschließenden drei Jahren jede Woche beten <strong>und</strong> eine<br />

mehrmonatige Kerkerstrafe verbüßen. Diese jedoch musste<br />

Galileo aufgr<strong>und</strong> seiner angegriffenen Ges<strong>und</strong>heit nicht einmal<br />

antreten - die Kirche erlaubte ihm, seinen Lebensabend auf dem<br />

luxuriösen Anwesen <strong>des</strong> Erzherzogs der Toskana zu verbringen.<br />

Dort stand er zwar unter Aufsicht, aber nur, was seine<br />

Äußerungen in der Öffentlichkeit betraf, seine Forschungen<br />

durfte er weiterhin betreiben. Vom Vatikan erhielt er bis zu<br />

seinem Tod sogar eine großzügige Rente, so dass offensichtlich<br />

die Mär vom verarmten <strong>und</strong> verbitterten Folteropfer in späteren<br />

Jahren von seinen Jüngern erf<strong>und</strong>en wurde.<br />

G wie Gehirn<br />

Masse ist nicht gleich Klasse - dass dieser simple Merksatz<br />

auch für das Gehirn zutrifft, dürfte die meisten Leser<br />

überraschen. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung muss<br />

nämlich das Hirn eines großen Denkers keinesfalls größer oder<br />

schwerer ausfallen als das »Oberstübchen« eines anerkannten<br />

Trottels. So wog das Gehirn, das man dem Schädel <strong>des</strong><br />

berühmten französischen Schriftstellers, Essayisten <strong>und</strong><br />

Humanisten Anatole France (1844-1924) nach seinem Ableben<br />

entnahm, gerade mal 1160 Gramm - nicht viel, wenn man<br />

bedenkt, dass der Durchschnitt eines Männerhirns bei 1375<br />

Gramm liegt. Sein russischer Kollege Iwan Turgenjew hätte<br />

-87-


dagegen mit 2012 Gramm »prahlen« können <strong>und</strong> auch Friedrich<br />

Schiller brachte es immerhin auf 1530 Gramm. War France also<br />

dümmer? Ach was - nicht die Schwere macht's, sondern die<br />

Anzahl der kleinen grauen Zellen in der Gehirnrinde, <strong>und</strong> da war<br />

Anatole France sicherlich ganz weit vorn dabei.<br />

G wie Gehör<br />

Hochmusikalische Menschen verfügen zumeist über das<br />

sogenannte »absolute Gehör«. Falsche Töne filtern sie mit<br />

verblüffender Sicherheit aus der gewaltigen Klangfülle eines<br />

Orchesters heraus <strong>und</strong> eine nicht ganz korrekt gestimmte<br />

Violine mag ihnen Höllenqualen bescheren. So weit, so gut,<br />

doch der daraus abzuleitende Umkehrschluss ist leider falsch:<br />

<strong>Ei</strong>n absolutes Gehör kann nämlich nicht ohne weiteres als<br />

Beweis für Musikalität herangezogen werden. Die Begabung<br />

eines Menschen lässt sich nicht daran festmachen, ob er einen<br />

Ton in seiner tatsächlichen Höhe bestimmen kann, ohne ihn mit<br />

einem <strong>andere</strong>n Ton vergleichen zu müssen. <strong>Das</strong> ist zwar schon<br />

ganz nett, doch ob er <strong>des</strong>wegen mit dem Gehörten auch ein<br />

Klangbild verbindet oder musikalisches Verständnis aufbringt,<br />

ist damit nicht gesagt.<br />

<strong>Ei</strong>n gutes Gehör lässt sich durch Übung zu einem »absoluten«<br />

verbessern - Talent allerdings kann man sich durch Üben nicht<br />

erwerben.<br />

G wie Geschwindigkeit<br />

Mit den physikalischen Erkenntnissen <strong>des</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

hat sich die menschliche Sprache auch beim Thema<br />

»Geschwindigkeit« um zwei Varianten erweitert: Die Schall-<br />

<strong>und</strong> die Lichtgeschwindigkeit. Doch wie so häufig, werden auch<br />

-88-


hier wissenschaftliche Arbeitsgr<strong>und</strong>lagen als »Allgemeinplätze«<br />

missbraucht <strong>und</strong> fehlgedeutet. So ist zum Beispiel die<br />

»Schallgeschwindigkeit« keine Konstante. Mit ihr lässt sich<br />

nicht exakt messen, wie schnell beispielsweise ein Flugzeug<br />

unterwegs ist. Warum? Nun, bei einer Temperatur von exakt 0<br />

Grad Celsius legt der Schall in einer Sek<strong>und</strong>e 331 Meter zurück.<br />

Bei etwa 15 Grad sind es schon 341 Meter. So beginnt ein<br />

»Überschallflug« in der arktischen Kälte von r<strong>und</strong> -30 Grad<br />

bereits bei etwa 1070 km/h <strong>und</strong> bei 20 Grad plus erst bei etwa<br />

1240 km/h.<br />

Ähnlich unbestimmt verhält es sich auch mit der<br />

Lichtgeschwindigkeit: Diese beträgt im luftleeren Raum, dem<br />

sogenannten Vakuum, tatsächlich die vielzitierten 300 000<br />

km/h. Doch die Phasengeschwindigkeit <strong>des</strong> Lichts hängt direkt<br />

mit dem sogenannten »Brechungsindex« <strong>des</strong> jeweiligen<br />

Mediums zusammen. Im Klartext: Im Wasser ist das Licht r<strong>und</strong><br />

70000 km/h langsamer <strong>und</strong> auch in der normalen Atmosphäre ist<br />

die Geschwindigkeit <strong>des</strong> Lichts deutlich niedriger als im<br />

luftleeren Raum.<br />

G wie Gewitter<br />

»Nur ein W<strong>und</strong>er rettet diejenigen, die in einem Gewitter vom<br />

Blitz getroffen werden - in der Regel stirbt man sofort.« Diese<br />

Behauptung klingt einleuchtend, wenn man die enormen Kräfte<br />

<strong>und</strong> Spannungen berücksichtigt, die sich in einem Blitzschlag<br />

entladen ist aber (Gottseidank) nicht richtig. Der Mensch<br />

nämlich erweist sich als wesentlich zäher als vermutet:<br />

Tatsächlich sterben nur etwa 40 Prozent der Blitzschlagopfer.<br />

-89-


G wie Giftgas<br />

Nach der Genfer Konvention geächtet, gilt »Giftgas« heute als<br />

eine der schrecklichsten Erfindungen der Neuzeit. Bei<br />

»schrecklich« können wir zustimmen, doch das mit der<br />

»Neuzeit« ist nachweislich falsch. Schon um 400 n. Chr.<br />

verwendeten die Truppen <strong>des</strong> chinesischen Kaiserreichs<br />

Senfgas, um ihre Gegner zu betäuben. Die übelriechende Wolke<br />

wurde mit großen Gebläsekonstruktionen in Richtung <strong>des</strong><br />

Fein<strong>des</strong> getrieben, <strong>und</strong> wer zuviel davon einatmete, konnte auch<br />

daran sterben.<br />

G wie Glück Auf<br />

Dieser angeblich traditionelle Bergmannsgruß wurde nicht<br />

von den »Kumpeln« erf<strong>und</strong>en. Schon im 15. Jahrh<strong>und</strong>ert war in<br />

Franken die Wendung »Glück Zu« ein beliebter Gruß, die<br />

Nürnberger ersetzten um 1600 erstmals das »zu« durch »auf«.<br />

Um 1675 kam der Gruß dann zu den Grubenarbeitern <strong>des</strong><br />

Erzgebirges, die sich damit von den städtischen Zünften<br />

absetzen wollten. Die pflegten nämlich noch das althergebrachte<br />

»Glück zu« zu verwenden.<br />

G wie Göttliche Komödie<br />

Dante Alighieri, zumeist einfach »Dante« genannt, gilt noch<br />

heute als größter Dichter Italiens. Außer seiner Brillanz<br />

zeichnete sich Dante auch durch vorbildliche Bescheidenheit aus<br />

<strong>und</strong> er selbst wäre wohl nie auf die Idee gekommen, sein größtes<br />

Werk als »Göttliche Komödie« zu bezeichnen. Er selbst betitelte<br />

sie nämlich schlicht als »La Commedia« <strong>und</strong> erst 200 Jahre nach<br />

seinem Tod ließen geschäftstüchtige Buchdrucker um 1550 das<br />

-90-


Wörtchen »göttlich« hinzufügen.<br />

G wie Gold<br />

Jahrh<strong>und</strong>erte lang versuchten Alchimisten aller Herren<br />

Länder, aus Blei oder <strong>Ei</strong>sen Gold zu machen. Offensichtlich ist<br />

es allerdings keinem gelungen, denn sonst wäre dies der Historie<br />

wohl kaum verborgen geblieben. Möglich ist es mittlerweile<br />

jedoch, denn mittels künstlich erzeugter Radioaktivität ließen<br />

sich die Elemente im gewünschten Sinne umformen. Aus Blei<br />

würde dann Gold, doch das Verfahren ist zum einen sehr<br />

langwierig <strong>und</strong> zum <strong>andere</strong>n derart kostspielig, dass der<br />

mögliche Verkaufserlös <strong>des</strong> gewonnenen Gol<strong>des</strong> dagegen<br />

höchst bescheiden ausfiele.<br />

G wie Golfstrom<br />

<strong>Ei</strong>n echter Klassiker <strong>des</strong> Geographieunterrichts ist die<br />

Behauptung, der Golfstrom sei die Warmwasserheizung<br />

Europas. Diese Meeresströmung, die im Golf von Mexiko ihren<br />

Anfang nimmt, fließt entlang der amerikanischen Ostküste<br />

nordwärts <strong>und</strong> trifft schließlich auf den eiskalten Labradorstrom.<br />

Doch dass der Golfstrom tatsächlich den Atlantik überquert <strong>und</strong><br />

unter <strong>andere</strong>m die Südküste Irlands erwärmt <strong>und</strong> die<br />

skandinavischen Häfen eisfrei hält, konnte bis heute nicht<br />

bewiesen werden. Zwar gibt es tatsächlich eine warme<br />

Meeresströmung innerhalb der genannten Nordseeregionen,<br />

doch woher diese stammt, konnte bis zur Drucklegung dieses<br />

Buches nicht ermittelt werden. Der Golfstrom jedenfalls ist es<br />

nicht - dieser verliert sich in den Weiten <strong>des</strong> Nordatlantik.<br />

-91-


G wie Guillotine<br />

Fast selbstverständlich verbindet man die französische<br />

Revolution mit der Guillotine. Doch dieses höchst effiziente<br />

Instrument, mit <strong>des</strong>sen Hilfe so manch adliger Kopf vom Rumpf<br />

getrennt wurde, ist nicht den Franzosen <strong>und</strong> schon gar nicht<br />

ihren Revolutionären zuzuschreiben. Und auch der Pariser Arzt<br />

Dr. Guillotin dürfte nicht eben erbaut darüber gewesen sein,<br />

dass seine Landsleute der »Köpfmaschine« ausgerechnet seinen<br />

Namen verliehen - hatte er doch eher humane Anliegen<br />

vertreten. Er hatte in der Nationalversammlung am 10. Oktober<br />

1789, drei Monate nach Beginn der Revolution, gefordert, eine<br />

etwas menschenwürdigere Form der To<strong>des</strong>strafe zu finden, bei<br />

der die Opfer nicht unnötig zu leiden hätten. Die Versammlung<br />

griff den Vorschlag auf <strong>und</strong> konstruiert wurde die Maschine<br />

schließlich von einem Chirurgen <strong>des</strong> Pariser Krankenhauses, der<br />

sie im Jahr 1792 der Öffentlichkeit vorstellte. Nach ihm, Dr.<br />

Antoine Louis, wurde das Gerät zunächst auch benannt: »Petit<br />

Louison«. Wann der Begriff »Guillotine« schließlich in den<br />

allgemeinen Sprachgebrauch überging, ist nicht bekannt.<br />

Dr. Louis hat sich vermutlich an bereits bestehenden<br />

»Vorbildern« aus England <strong>und</strong> Deutschland orientiert. In<br />

England hatte man zum Köpfen der Verurteilten schon knapp<br />

100 Jahre zuvor eine primitivere Form <strong>des</strong> Instruments<br />

verwendet, <strong>und</strong> diese, wie auch ihre deutsche »Schwester«,<br />

schienen ihren Zweck ebenfalls »ausgezeichnet« zu erfüllen.<br />

<strong>Das</strong>s die »Guillotine« schließlich so bekannt wurde, lag<br />

wahrscheinlich an der Häufigkeit ihrer Benutzung: Ohne<br />

unnötigen »Stress« oder gar »Materialermüdung« konnte ein<br />

einziger Henker mit ihr stündlich Dutzende von Opfern vom<br />

Leben zum Tode befördern.<br />

-92-


G wie Gutenberg<br />

Gutenberg, geboren 1400 in Mainz, war nicht der Erfinder <strong>des</strong><br />

Buchdrucks. Zwar wird dies nach wie vor behauptet <strong>und</strong> lässt<br />

sich auch in vielen Geschichtsbüchern nachlesen, doch der als<br />

Johannes Gensfleisch geborene Mainzer war »lediglich« der<br />

Erfinder der »beweglichen Lettern«. Er produzierte einzelne<br />

Druckbuchstaben, die - je nach Bedarf - zu Worten <strong>und</strong> Zeilen<br />

zusammengesetzt werden konnten. Nach Beendigung <strong>des</strong><br />

Druckauftrags konnte man diese Lettern für weitere Zwecke<br />

wieder verwenden.<br />

<strong>Ei</strong>nzelne Druckversuche <strong>und</strong> erste Ansätze zum<br />

Buchstabendruck jedoch hatte es schon lange vor Gutenberg<br />

gegeben. Sein Verdienst bestand in erster Linie darin, diese<br />

Ideen gebündelt <strong>und</strong> in ein sinnreiches System eingeb<strong>und</strong>en zu<br />

haben. So entwickelte er unter <strong>andere</strong>m auch eine Gießerei für<br />

die Lettern, eine brauch- <strong>und</strong> haltbare Druckfarbe sowie eine<br />

geeignete Druckerpresse. Mit der weltberühmten Gutenberg-<br />

Bibel, dem ersten vielseitigen Druckerzeugnis der<br />

Menschheitsgeschichte, überzeugte er auch seine Zeitgenossen<br />

von der neuen Technik <strong>und</strong> starb 1468 als berühmter, geachteter<br />

<strong>und</strong> reicher Mann.<br />

-93-


H wie Haare<br />

8. Von Haare bis H<strong>und</strong><br />

Samson wusste schon, was er an seiner Haarpracht hatte:<br />

Ohne sie war er kraftlos. Und wenn wir uns heute nicht mehr<br />

ganz schlüssig sind, was die Bibel uns damit lehren wollte,<br />

können wir doch mit Fug <strong>und</strong> Recht behaupten, dass auch der<br />

moderne Mensch an seinen Haaren »hängt«. Fast logisch also,<br />

dass sich um <strong>des</strong> Kopfes Zier so manche Legende »rankt« <strong>und</strong><br />

so manche Behauptung an einem ganz langen, dünnen Haar<br />

herbeigezogen wird. Beispiele gefällig? Bitteschön. So manche<br />

Mutter einer pubertierenden Tochter seufzt angesichts der<br />

unzähligen St<strong>und</strong>en, die ihr erblühender Nachwuchs im<br />

Badezimmer zubringt: »Kind - wasch dir doch nicht so oft die<br />

Haare. Davon fallen sie aus«. In Zukunft kann das Töchterchen<br />

auf die folgenden Zeilen verweisen: »Falsch, Mutti. Der Mensch<br />

verliert pro Tag ohnehin r<strong>und</strong> 70 Haare (mal zehn mehr, mal<br />

zehn weniger) - ganz unabhängig davon, wie oft er sie wäscht.«<br />

Viele von denjenigen, die schon ein bisschen zuviel Haare<br />

verloren haben, gehen besonders häufig zum Friseur. Unter der<br />

Schädeldecke mit dem lichten Haar tragen sie nämlich die<br />

Hoffnung, dass durch häufiges Schneiden das Haarwachstum<br />

gefördert wird. Leider, leider - dem ist nicht so. Zwar wachsen<br />

kürzere Haare in der Tat schneller als lange Mähnen, doch die<br />

Zahl wird dadurch nicht größer. Kahle Stellen bleiben kahl <strong>und</strong><br />

bis zum heutigen Tag ist auch noch kein Mittelchen gef<strong>und</strong>en<br />

worden, das dagegen etwas ausrichten könnte.<br />

<strong>Ei</strong>ne besonders schaurige Geschichte r<strong>und</strong> ums Haupthaar<br />

wird ebenfalls gern <strong>und</strong> oft kolportiert. So wird behauptet, das<br />

Haar von Verstorbenen wachse noch eine ganze Weile weiter.<br />

-94-


Welcher Leichenbestatter diese Fabel auch in Umlauf gesetzt<br />

hat - er hat entweder ein Schlückchen zuviel getrunken oder<br />

wollte seine Zuhörer ein bisschen schockieren. Tatsache ist, dass<br />

Haar <strong>und</strong> Nägel über den Blutkreislauf mit Nährstoffen versorgt<br />

werden. Wenn also das Herz stillsteht <strong>und</strong> kein »Nachschub«<br />

mehr geliefert wird, hört auch das Haarwachstum auf. Lediglich<br />

Bärte können noch etwas länger werden, doch selbst das ist eine<br />

optische Täuschung: Wenn die Gesichtshaut austrocknet <strong>und</strong><br />

einschrumpft, kann das einzelne Barthaar schließlich bis zur<br />

Wurzel »gesichtet« werden <strong>und</strong> mag dem Betrachter damit<br />

länger vorkommen.<br />

H wie Hängematte<br />

Völlig logisch - das Wort »Hängematte« setzt sich aus<br />

»hängen« <strong>und</strong> »Matte« zusammen. Völlig logisch… aber leider<br />

falsch. Tatsächlich leitet sich der Name der gemütlichen<br />

Schlummerschaukel vom indianischen »hamaca« her. Die Maya<br />

transportierten darin hohe Würdenträger, <strong>und</strong> von Mittelamerika<br />

aus fand die Hängematte über Spanien <strong>und</strong> Portugal auch den<br />

Weg nach Deutschland. Ausgesprochen wurde der indianische<br />

Begriff unterschiedlich - die Briten sollen aus »hamaca«<br />

seinerzeit »hangmatta« gemacht haben: Bis zur deutschen<br />

»Hängematte« war es von da aus nur noch ein kurzer Weg.<br />

H wie Haie<br />

Spätestens seit Hollywood den »Weißen Hai« auf die<br />

erschreckten Kinobesucher losließ, haftet dem »Tiger der<br />

Meere« der Ruf <strong>des</strong> erbarmungslosen Menschenkillers an. Doch<br />

damit tut man den meisten Haien Unrecht, denn nur ein knappes<br />

Dutzend der über 350 verschiedenen Arten trauen sich<br />

-95-


überhaupt an den Menschen ran. Zugegeben - das ist noch keine<br />

wirkliche Beruhigung, <strong>und</strong> wenn Sie im Küstengewässer einem<br />

Hai begegnen, sollten Sie nicht unbedingt Zeit damit<br />

verschwenden, seine Art festzustellen. Doch fest steht, dass Haie<br />

normalerweise nur dann attackieren, wenn sie provoziert werden<br />

oder wenn gar nichts <strong>andere</strong>s zu fressen da ist als der einsame<br />

Surfer. <strong>Ei</strong>ne Ausnahme ist allerdings der weiße Hai (Hollywood<br />

hatte also doch Recht). Dieser größte <strong>und</strong> gefährlichste seiner<br />

Art greift mitunter auch gr<strong>und</strong>los an - ihm verdanken seine<br />

Artgenossen ihren schlechten Ruf. Insgesamt sollen seit 1911<br />

(frühere Aufzeichnungen stehen nicht zur Verfügung) bis heute<br />

29 Menschen weltweit von weißen Haien getötet worden sein.<br />

Da auch <strong>andere</strong> Haie (Tigerhai oder Blauhai) schon Menschen<br />

als zweites Frühstück goutiert haben, beläuft sich die Zahl der<br />

To<strong>des</strong>opfer durch Haiangriffe auf r<strong>und</strong> 60.<br />

H wie Hamburger<br />

Als das möglicherweise amerikanischste aller Gerichte hat<br />

sich im Laufe der letzten Jahrzehnte der »Hamburger« etabliert.<br />

Folgerichtig sind auch die meisten Amerikaner der<br />

Überzeugung, das Wort leite sich von »ham« (Schinken) ab - so<br />

wie der »Cheeseburger« seinen Namen eben vom darauf<br />

drapierten Käse erhielt. Doch in Wahrheit stammt der Name<br />

»hamburger« tatsächlich von der deutschen Großstadt Hamburg<br />

<strong>und</strong> kann auf eine stolze Tradition zurückblicken. <strong>Das</strong><br />

»Hackfleischscheibchen« nämlich wurde von den Hanseaten<br />

bereits im 14. Jahrh<strong>und</strong>ert als schnelle Zwischenmahlzeit<br />

entdeckt <strong>und</strong> gelangte dann etwa 400 Jahre später mit deutschen<br />

<strong>Ei</strong>nw<strong>andere</strong>rn nach New York. Dort hatte ein aus Pinneberg<br />

stammender Koch namens Georg Knecht die Idee, seinen<br />

Gästen einen schnellen Mittagstisch zu servieren, den sie im<br />

Falle einer überfüllten Gaststätte oder wenn sie in großer <strong>Ei</strong>le<br />

-96-


waren, auch ohne Teller <strong>und</strong> Besteck genießen konnten. Also<br />

klemmte er das Hackfleisch einfach zwischen zwei<br />

Brotscheiben. 1904 wurde diese Kreation dann der »kulinarische<br />

Schlager« auf der Weltausstellung von St. Louis, wo man<br />

mittlerweile noch auf die Idee gekommen war, das Hackfleisch<br />

mit Soße <strong>und</strong> Zwiebeln zu versehen. Diese Köstlichkeit hieß zu<br />

dieser Zeit noch einfach »Hamburg« - das »er« wurde im Laufe<br />

der Jahre angehängt.<br />

H wie Haschisch<br />

Der Erwerb von Haschisch, der Handel mit Haschisch <strong>und</strong> der<br />

Anbau von Haschisch sind verboten. Nicht aber der Besitz von<br />

Haschisch, doch dieser wird fast unmöglich, wenn man es weder<br />

kaufen noch anbauen darf. <strong>Ei</strong>n Gr<strong>und</strong> für diese rigide Haltung<br />

der Justiz ist die Meinung, Haschisch sei eine süchtigmachende<br />

Substanz <strong>und</strong> damit gefährlich. Egal ob die Konferenz der<br />

Innenminister nun entsetzt aufstöhnt - Haschisch macht nicht<br />

automatisch süchtig <strong>und</strong> ist wesentlich ungefährlicher als<br />

beispielsweise Alkohol oder Nikotin. Nicht dass Sie diese Zeilen<br />

missverstehen: Wir wollen keinesfalls zum Haschisch-Konsum<br />

anregen. Doch der Blütenextrakt der Hanfpflanze, die vor allem<br />

in Kleinasien angebaut <strong>und</strong> geerntet wird, kann in Maßen sogar<br />

ges<strong>und</strong>heitsfördernde Wirkung haben. Dies lässt sich von<br />

Alkohol <strong>und</strong> Nikotin nicht behaupten <strong>und</strong> noch viel weniger von<br />

den »harten« <strong>und</strong> wirklich süchtigmachenden Drogen wie<br />

Kokain, LSD oder Heroin. Es gilt jedoch für den Gebrauch von<br />

Haschisch auch, dass es den Konsumenten mehr oder weniger in<br />

einen Rauschzustand versetzt, so dass er alltägliche<br />

Verrichtungen wie beispielsweise Autofahren tunlichst<br />

unterlassen sollte. <strong>Das</strong> Wahrnehmungsvermögen <strong>und</strong> die<br />

Reaktionsfähigkeit werden durch Haschisch-Genuss erheblich<br />

eingeschränkt.<br />

-97-


H wie Hattrick<br />

Gerd Müller, der »kleine dicke Bomber der Nation«, feierte<br />

im Laufe seiner Karriere ein halbes Dutzend »Hattricks« <strong>und</strong><br />

setzte sich nicht zuletzt dadurch ein Denkmal für die Ewigkeit.<br />

<strong>Ei</strong>nen »Hattrick« schafft ein Fußballer dann, wenn er binnen<br />

einer einzigen Halbzeit dreimal ins gegnerische Tor trifft, ohne<br />

dass ein <strong>andere</strong>r Spieler zwischendurch erfolgreich war oder die<br />

<strong>andere</strong> Mannschaft getroffen hat. Doch die meisten<br />

Fußballreporter, die einen Hattrick voller Leidenschaft<br />

kommentieren, ahnen nicht, dass der Ausdruck gar nicht aus der<br />

Fußballterminologie stammt. Tatsächlich entspringt er dem<br />

urbritischen »Kricket«, bei dem es unter <strong>andere</strong>m darum geht,<br />

mit einem Ballwurf das sogenannte »Wicket« zu treffen.<br />

Schaffte ein Werfer dies dreimal hintereinander, so wurde ihm<br />

anschließend ein spezieller »hat« (engl. für Hut) verliehen <strong>und</strong><br />

aus den Worten »hat« <strong>und</strong> »Wicket« entstand der »Hattrick«.<br />

H wie Hauptmann von Köpenick<br />

Ob Heinz Rühmann oder Harald Juhnke ihn verkörperten -<br />

immer spielten sie Wilhelm Voigt alias »Der Hauptmann von<br />

Köpenick« als ewigen Verlierer, dem am Ende weder<br />

Mutterwitz noch <strong>Ei</strong>nfallsreichtum aus der <strong>Pat</strong>sche helfen<br />

können. Doch ganz so ein armes Würstchen war Voigt nicht. Im<br />

Gegensatz zu den meisten Verfilmungen <strong>und</strong> Bühnenversionen<br />

seines berühmten Bubenstückes hatte dieses nämlich durchaus<br />

ein Happyend.<br />

Zunächst mal eine kurze Inhaltsangabe für alle diejenigen, die<br />

mit Wilhelm Voigts berühmter Amtsanmaßung nicht ganz so<br />

vertraut sind. Am 16. Oktober 1906 machte sich Voigt die<br />

typisch deutsche Uniformhörigkeit zunutze, schmiss sich in<br />

einen altgedienten Offiziersfummel, gab sich gegenüber einigen<br />

-98-


vorbeikommenden Grenadieren als Hauptmann aus <strong>und</strong> besetzte<br />

das Rathaus von Köpenick. Zu diesem Zeitpunkt hatte der<br />

54jährige bereits 28 Lebensjahre hinter schwedischen Gardinen<br />

verbracht, denn in den preußischen Polizeiakten war er als<br />

notorischer Kleinganove bekannt, der sich mit <strong>Ei</strong>nbrüchen,<br />

kleinen Betrügereien <strong>und</strong> Diebstählen über Wasser hielt. Sein<br />

berühmter Streich brachte ihn noch einmal 20 Monate hinter<br />

Gitter - eine relativ milde Strafe angesichts der Anklage, die auf<br />

Amtsanmaßung, Urk<strong>und</strong>enfälschung, Beleidigung, Betrug <strong>und</strong><br />

Freiheitsberaubung lautete. Nach Verbüßung seiner Strafe war<br />

Voigt ein gefragter Mann: Zunächst tingelte er als »<strong>Ei</strong>n-Mann-<br />

Kabarett« über deutsche Jahrmärkte <strong>und</strong> erzählte seine<br />

Geschichte wohl an die tausend Mal, wobei er natürlich nicht zu<br />

erwähnen vergaß, dass der offensichtlich recht amüsierte Kaiser<br />

ihm einen Großteil der Gefängnisstrafe erlassen hatte. Nicht<br />

zuletzt dank <strong>des</strong> florierenden Verkaufs handsignierter<br />

Postkarten, die ihn in der Hauptmannsuniform zeigten, verdiente<br />

er mehr Geld als je zuvor in seinem Leben, kaufte sich in<br />

Luxemburg ein kleines Häuschen <strong>und</strong> lebte dort bis 1922 als<br />

durchaus zufriedener Rentner <strong>und</strong> wohlgelittener Nachbar.<br />

H wie Hermann der Cherusker<br />

Siegfried, Roland <strong>und</strong> Hermann - was haben diese drei Herren<br />

gemeinsam? Nun, zum einen gelten sie alle als Verkörperung<br />

deutschen Heldentums <strong>und</strong> zum <strong>andere</strong>n ist bei allen dreien<br />

recht zweifelhaft, ob sie überhaupt gelebt haben. (Siehe auch<br />

Stichwort »Roland«.) In Hermanns Fall rührt die Skepsis daher,<br />

dass in den römischen Aufzeichnungen der Schlacht vom<br />

Teutoburger Wald ein gewisser »Arminius« als Anführer <strong>des</strong><br />

Cherusker-Heeres genannt wird. Andere Aufzeichnungen über<br />

diese Schlacht im 9. Jahrh<strong>und</strong>ert existieren nicht. Historiker<br />

halten es für höchst zweifelhaft, dass Arminius eine lateinische<br />

-99-


Version <strong>des</strong> Namens Hermann ist, sie verweisen vielmehr auf<br />

einen ehemaligen römischen Militärtribun namens Arminius, der<br />

eines Tages die Seiten wechselte, sich gegen Kaiser Tiberius<br />

stellte <strong>und</strong> den germanischen Widerstand gegen die<br />

vorrückenden Invasoren aus dem fernen Rom organisierte.<br />

Warum Arminius das tat, ist nicht überliefert. Wenn man davon<br />

ausgeht, dass dieser Arminius <strong>und</strong> der ominöse Germane<br />

Hermann ein <strong>und</strong> dieselbe Person waren, lässt sich bilanzieren,<br />

dass er in seinen Bemühungen sehr erfolgreich war. Schließlich<br />

gelang es ihm unweit <strong>des</strong> Teutoburger Wal<strong>des</strong>, dank<br />

ausgeklügelter Strategie, ein zahlenmäßig deutlich überlegenes<br />

Heer vernichtend zu schlagen. Die römische<br />

Geschichtsschreibung nennt sogar eine Zahl von 20000 Toten,<br />

die allerdings auch bezweifelt werden muss. Denn damit wäre<br />

die römische Besatzungsmacht im Norden Germaniens binnen<br />

weniger St<strong>und</strong>en fast vollständig aufgerieben worden, kaum<br />

anzunehmen ist jedoch, dass ein Heerführer seine gesamten<br />

<strong>Ei</strong>nheiten in einer einzigen regionalen Auseinandersetzung<br />

konzentrierte.<br />

H wie Herz<br />

Nur eine kleine Randnotiz zum folgenden Satz: »Ich bin so<br />

aufgeregt - ich kann spüren, dass mein Herz schneller schlägt«.<br />

Richtig müsste dieser Satz lauten:<br />

»Ich glaube subjektiv wahrzunehmen, dass sich meine<br />

Herzfrequenz erhöht hat«. Hat sie aber nicht, denn ein durch<br />

Aufregung erhöhter Blutdruck lässt das Herz nur kräftiger<br />

schlagen, nicht aber schneller. Wenn ihr Puls also nach oben<br />

geht, haben Sie sich gerade sportlich oder körperlich verausgabt,<br />

oder Sie haben Fieber: In diesen Fällen schlägt das Herz<br />

tatsächlich schneller.<br />

-100-


H wie Hexen<br />

Der englische Historiker Dr. Wolf Chapman sagte einmal:<br />

»<strong>Das</strong> einzig Helle am finsteren Mittelalter waren die Feuer der<br />

Hexenverbrennungen.« Was Chapman dabei allerdings nicht<br />

erwähnte, ist die Tatsache, dass Hexenverbrennungen in der von<br />

ihm angesprochenen Zeitspanne eigentlich kaum praktiziert<br />

wurden. Die sogenannten »dark ages« - finsteren Zeiten - waren<br />

nämlich die Epoche zwischen dem Untergang <strong>des</strong><br />

weströmischen bis zu dem <strong>des</strong> oströmischen Reiches - also von<br />

etwa 500 bis 1000 n. Chr. Zwar konnte man auch in diesen<br />

Tagen auf dem lodernden Scheiterhaufen seine Seele<br />

aushauchen, doch waren die Anklagen zumeist wesentlich<br />

konkreter als diejenigen der absurden Hexenprozesse der<br />

Renaissance. In einer Zeit, in der Luther <strong>und</strong> Gutenberg in<br />

Deutschland wirkten <strong>und</strong> zahlreiche Humanisten das Licht der<br />

Aufklärung am »Ende <strong>des</strong> Tunnels« leuchten sahen, feierte der<br />

Aberglauben fröhliche <strong>und</strong> makabere Urständ. Größtenteils<br />

Frauen - aber auch etliche sogenannte »schwarze Magier« <strong>und</strong><br />

Zauberer männlichen Geschlechts - wurden beschuldigt, die<br />

Nachbarskühe verhext zu haben, für schlechte Ernten <strong>und</strong> übles<br />

Wetter verantwortlich zu sein oder im stillen Kämmerlein<br />

Giftmischerei zu betreiben. In diesen Jahren der kollektiven<br />

Hexenhysterie (ca. 1480 bis 1630) waren keinesfalls nur dumpfe<br />

Dorftrottel <strong>und</strong> einfältiggrausame Provinzrichter für die<br />

sinnlosen Pogrome verantwortlich. Nein, auch die erwähnten<br />

Humanisten - Professoren, Mediziner, Philosophen, Politiker<br />

<strong>und</strong> Juristen - ließen sich vom Irrsinn anstecken oder benutzten<br />

ihn gezielt für ihre eigenen Intrigen <strong>und</strong> Ränke. Denn was<br />

könnte einen unliebsamen Rivalen schneller m<strong>und</strong>tot machen,<br />

als ihm Hexerei anzudichten? Wie bringt man einen Mann eher<br />

zum Schweigen, als seiner Frau als »Hexe« den Prozess zu<br />

machen? Unrühmlich taten sich auch zwei berühmte Theologen<br />

<strong>und</strong> Reformatoren hervor: Martin Luther <strong>und</strong> Johann Calvin.<br />

-101-


Luther bezeichnete die Hexenverfolgung in einer seiner<br />

Schriften als »leider notwendig Übel wider die Wucherung der<br />

schwarzen Kuenste« <strong>und</strong> Calvin forderte die Bürger seiner<br />

Genfer Heimat ultimativ auf, »die Zauberer <strong>und</strong> Hexenweiber<br />

mit Stumpf <strong>und</strong> Stiel« auszurotten. <strong>Das</strong>s er dabei auf möglichst<br />

grausamen Verhörmethoden <strong>und</strong> qualvollen Hinrichtungen<br />

bestand, sei hier nur als Fußnote der Geschichte erwähnt.<br />

Festzuhalten bleibt, dass das »echte« Mittelalter zwar den Tod<br />

durch den Scheiterhaufen »eingeführt« haben dürfte, doch die<br />

systematische Verfolgung angeblicher Hexen <strong>und</strong> die damit<br />

verb<strong>und</strong>enen grausamen <strong>und</strong> sinnlosen Exzesse ließen noch gut<br />

400 Jahre auf sich warten.<br />

H wie Hinkelsteine<br />

<strong>Ei</strong>n Indiz dafür, dass Comic-Lesen auch bilden kann, sind die<br />

Abenteuer von »Asterix <strong>und</strong> Obelix«. Die beiden »unbeugsamen<br />

Gallier« <strong>des</strong> Autorenduos Uderzo/Goscinny haben zwar nicht<br />

wirklich gelebt <strong>und</strong> auch die Existenz <strong>des</strong> »Zaubertranks« muss<br />

ganz entschieden angezweifelt werden, doch zumin<strong>des</strong>t das<br />

Lieblingsspielzeug <strong>des</strong> starken Obelix gab es tatsächlich: Den<br />

Hinkelstein. In der Normandie wurden mehrere sogenannte<br />

»Menhir-Felder« gef<strong>und</strong>en, auf denen Dutzende der bis zu 20<br />

Meter hohen, von Menschenhand konkav geformten Steinriesen<br />

in langen Reihen stehen. Vermutlich handelt es sich bei diesen<br />

steinernen Alleen um Kult- <strong>und</strong> Begegnungsstätten einer uralten<br />

vorchristlichen Religion. Die deutsche Übersetzung <strong>des</strong> Wortes<br />

»menhir« kommt übrigens aus Rheinland-Pfalz. Dort wurde bei<br />

Monsheim ein derart behauener Menhir gef<strong>und</strong>en, der als<br />

Hinkelstein bezeichnet wurde. Der Name dürfte sich von<br />

»Hünenstein« ableiten - eine althochdeutsche Bezeichnung für<br />

die ebenfalls meist konkav geformten schweren Steine auf den<br />

sogenannten Hünengräbern der Wikinger. Wer allerdings aus<br />

-102-


dem »Hünen« einen »Hinkel« gemacht hat, ist nicht bekannt.<br />

H wie Hippokrates<br />

Mediziner aller Länder berufen sich heute auf den »<strong>Ei</strong>d <strong>des</strong><br />

Hippokrates«, wenn es um ihr Berufsethos geht. Doch der<br />

griechische Arzt, der 377 v. Chr. das Zeitliche segnete, hat<br />

diesen <strong>Ei</strong>d weder erf<strong>und</strong>en noch ihn der Nachwelt hinterlassen.<br />

Er wurde ihm erst etliche Jahrh<strong>und</strong>erte nach seinem Tod<br />

angedichtet, vermutlich um eine spätere medizinische Schrift<br />

durch den berühmten Namen <strong>und</strong> große Worte aufzuwerten.<br />

Fest steht, dass sich das sogenannte Genfer Ärztegelöbnis <strong>des</strong><br />

Jahres 1948 auf diese dubiose Schrift beruft <strong>und</strong> dass dabei auch<br />

noch geschummelt wurde. Denn der unbekannte Hippokrates-<br />

››Nachdichter« hatte neben der ersten Passage der <strong>Ei</strong>dformel,<br />

die sich dem Wohl <strong>und</strong> der Ges<strong>und</strong>heit <strong>des</strong> <strong>Pat</strong>ienten<br />

verpflichtet gab, auch noch weitere Zeilen zu Papier gebracht:<br />

Darin hieß es unter <strong>andere</strong>m, dass jeder Arzt seine Kunst <strong>und</strong><br />

sein Wissen nur an seine Söhne oder die Söhne seiner Lehrer<br />

weitergeben dürfe - offensichtlich in der Absicht, die Zahl der<br />

möglichen Konkurrenten auf dem medizinischen Sektor so<br />

gering wie möglich zu halten. Diese <strong>und</strong> <strong>andere</strong> Textzeilen<br />

wurden in Genf stillschweigend übergangen - wahrscheinlich<br />

war's auch besser so.<br />

H wie Höhlenmenschen<br />

… haben höchstwahrscheinlich gar nicht in Höhlen gelebt.<br />

Die Bezeichnung »Höhlenmensch« beruht lediglich darauf, dass<br />

viele Relikte unserer Urahnen in Höhlen gef<strong>und</strong>en wurden. So<br />

wurde gefolgert, der Urmensch müsse dort auch sein ständiges<br />

Domizil gehabt haben. Wie Erkenntnisse <strong>des</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

-103-


allerdings beweisen, hielten sich die ersten Menschen<br />

vorzugsweise im Freien auf <strong>und</strong> zogen sich in die düsteren <strong>und</strong><br />

wohl auch angsteinflößenden, dunklen Räumlichkeiten nur dann<br />

zurück, wenn sie sich vor Gefahren oder dem Wetter verstecken<br />

mussten. <strong>Das</strong>s dennoch so viele Zeugnisse ihres <strong>Das</strong>eins in<br />

Höhlen entdeckt wurden, liegt schlicht <strong>und</strong> ergreifend daran,<br />

dass sie dort wesentlich besser konserviert wurden.<br />

H wie Holz<br />

Kennen Sie eigentlich den ehemaligen Werbespot für einen<br />

Schokoriegel? »Der ist so leicht, der schwimmt sogar in Milch«,<br />

hieß der Slogan, doch wäre es interessant zu wissen, ob sich die<br />

Autoren jemals Gedanken darüber gemacht haben, dass<br />

schließlich auch Holz oder ein Kuhfladen in Milch schwimmen<br />

können. Würden sie's <strong>des</strong>wegen essen? Allerdings ist die<br />

allgemeine Auffassung falsch, dass Holz immer auf Milch - oder<br />

auch auf Wasser - schwimmt. Holz kann nämlich nur dann an<br />

der Oberfläche schwimmen, wenn sein <strong>Ei</strong>gengewicht kleiner ist<br />

als das Gewicht der von ihm verdrängten Flüssigkeit. So wiegt<br />

ein Kubikmeter Wasser bekanntlich tausend Kilogramm, doch<br />

ein Kubikmeter vom Stamm eines afrikanischen<br />

<strong>Ei</strong>senholzbaumes kann es durchaus auf 1500 Kilo bringen. Ergo<br />

geht das Holz unter - wie ein Stein.<br />

H wie Holzblasinstrumente<br />

<strong>Ei</strong>n diebisches Vergnügen bereitet es, scheinbar<br />

offensichtliche Tatsachen zu widerlegen. Dafür ein weiteres<br />

Beispiel: Holzblasinstrumente sind per Definition aus Holz!<br />

Falsch! Denn für die Klassifizierung <strong>des</strong> Instruments ist<br />

lediglich die Art der Klangerzeugung ausschlaggebend - nicht<br />

-104-


der überwiegende Teil der Bausubstanz. So wird beispielsweise<br />

das Rohrblatt eines Saxophons aus Holz geschnitzt, <strong>und</strong> damit<br />

zählt dieses Instrument auch schon zu den<br />

Holzblasinstrumenten.<br />

H wie Hühner<br />

Zahlreiche Bauernregeln dichten Hühnern ganz erstaunliche<br />

Fähigkeiten an, von denen eine angeblich phänomenale<br />

Wetterfühligkeit zu den geläufigsten gehört. Ebenso wird seit<br />

Generationen behauptet, eine Henne gackere genau dann, wenn<br />

sie gerade ein <strong>Ei</strong> gelegt hat, um dieses freudige Ereignis der<br />

Umwelt k<strong>und</strong>zutun. Dies ist leider nicht ganz korrekt, denn<br />

eigentlich ist es dem Huhn ziemlich egal, ob die Kolleginnen<br />

das vollbrachte Werk zu würdigen wissen. <strong>Das</strong> Gackern ist<br />

lediglich ein Instinkt, den unsere geflügelten Fre<strong>und</strong>innen von<br />

ihren asiatischen Urahnen übernommen haben. Wenn nämlich<br />

ein Wildhuhn ein <strong>Ei</strong> zu legen hatte, suchte es sich ein ruhiges<br />

Plätzchen, <strong>und</strong> dies konnte zuweilen recht weit draußen in der<br />

Taiga sein. Da die Tiere von der Natur allerdings nicht eben mit<br />

einem guten Orientierungssinn ausgestattet wurden, gewöhnten<br />

sie sich an, nach getaner Arbeit möglichst laut zu gackern.<br />

Daraufhin gackerte oder krähte der weit entfernte Hahn<br />

ebenfalls eine Weile <strong>und</strong> anhand dieses akustischen<br />

Lotsendienstes fand die Henne zurück in heimatliche Gefilde.<br />

Wenn sie sich den Weg eingeprägt hatte, ging die junge Mutter<br />

wieder zum <strong>Ei</strong> zurück <strong>und</strong> tat ihre Pflicht: Sie brütete.<br />

H wie H<strong>und</strong><br />

Angeblich ist der H<strong>und</strong> der beste Fre<strong>und</strong> <strong>des</strong> Menschen, <strong>und</strong><br />

da verw<strong>und</strong>ert es doch sehr, dass viele H<strong>und</strong>ehalter sich so<br />

-105-


wenig Mühe geben, ihn besser kennenzulernen. Abgesehen von<br />

Kampfh<strong>und</strong>besitzern, denen das Innenleben ihres Vierbeiners<br />

recht egal zu sein scheint, gibt es auch etliche Gerüchte <strong>und</strong><br />

Halbwahrheiten zum Thema H<strong>und</strong>, die dringend einer Korrektur<br />

bedürfen. So müssen wir beispielsweise dem Satz: »Also, der<br />

Hasso - der versteht je<strong>des</strong> Wort«, energisch widersprechen, denn<br />

in diesem Fall wäre Hasso kein H<strong>und</strong>, sondern ein Mensch. In<br />

aller Deutlichkeit: Der H<strong>und</strong> versteht kein Wort von dem, was<br />

ihm gesagt wird. Weder in Deutsch, noch in Englisch, Japanisch<br />

oder Russisch. Kein Wort! Ehrlich! Allerdings verfügen H<strong>und</strong>e<br />

über ein sehr starkes Empfindungsvermögen <strong>und</strong> über ein<br />

brauchbares Kurzzeitgedächtnis. Sie sind in der Lage, am<br />

Tonfall eines Menschen zu erkennen, welcher Stimmung er ist,<br />

<strong>und</strong> wenn sie ein bestimmtes Wort oft genug gehört haben,<br />

wissen sie auch, was sie daraufhin zu tun haben. Aber sie<br />

verstehen den Sinn oder den Inhalt dieses Wortes <strong>des</strong>wegen<br />

noch lange nicht. Sie können das gerne ausprobieren. Flüstern<br />

Sie Ihrem H<strong>und</strong> doch mal mit zärtlicher Stimme folgende Worte<br />

zu: »Du blöder, blöder Köter. Du bist einfach der allerdümmste<br />

H<strong>und</strong>, den ich kenne. Ich glaube, wir lassen dich bald<br />

einschläfern«. Wenn Sie den Tonfall treffen, in dem Sie Ihren<br />

kleinen Liebling normalerweise loben, wird er Ihnen auch<br />

diesmal ein Küsschen geben. Wenn er Sie allerdings entgegen<br />

den Aussagen dieser Zeilen wirklich verstehen sollte, dann<br />

bringen Sie sich in Sicherheit.<br />

Auch die Behauptung, H<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Katzen könnten einfach<br />

nicht miteinander auskommen, ist aus biologischer Sicht nicht<br />

haltbar. <strong>Das</strong>s sie sich in der Regel nicht besonders gut verstehen,<br />

hängt in erster Linie mit ihrer unterschiedlichen Körpersprache<br />

zusammen. Wenn ein H<strong>und</strong> beispielsweise die Pfote hebt,<br />

bedeutet das häufig, dass er spielen will. Wenn eine Katze das<br />

gleiche tut, möchte sie tunlichst in Ruhe gelassen werden. Und<br />

dass H<strong>und</strong>e so gerne Katzen jagen, hängt einfach damit<br />

zusammen, dass Katzen sehr schnell rennen <strong>und</strong> sehr vorsichtig<br />

-106-


sind. <strong>Ei</strong>ner davonlaufenden potentiellen Beute nachzurennen, ist<br />

ein Instinkt <strong>des</strong> Hun<strong>des</strong> - egal ob es sich nun um eine Katze,<br />

einen Fuchs oder einen Hasen handelt. Wenn man allerdings<br />

H<strong>und</strong> <strong>und</strong> Katze von klein auf aneinander gewöhnt, kommen sie<br />

normalerweise prächtig miteinander aus. Streitsüchtige<br />

Exemplare beider Gattungen natürlich ausgenommen.<br />

-107-


9. Von Iglu bis Jungfrau von Orleans<br />

I wie Iglu<br />

Unter einem Iglu stellt sich der Europäer in der Regel eine<br />

kuppelartige Behausung aus Schneequadern vor. »Iglu« bedeutet<br />

in der Sprache der Eskimos jedoch ganz einfach »Haus«, <strong>und</strong><br />

von den etwa 35000 Eskimos, die heute in Grönland, Kanada<br />

<strong>und</strong> Teilen Alaskas leben, bevorzugen die meisten auch ganz<br />

normale Häuser. Nur sehr wenige Eskimo-Stämme leben in den<br />

eingangs beschriebenen <strong>Ei</strong>shütten <strong>und</strong> auch nur dann, wenn sich<br />

absolut kein <strong>andere</strong>s Baumaterial finden lässt. Zwar waren die<br />

Schneehäuser in der Vergangenheit etwas gebräuchlicher, aber<br />

auch nur <strong>des</strong>halb, weil die Eskimos zur Jagdsaison zuweilen mit<br />

Kind <strong>und</strong> Kegel ins ewige <strong>Ei</strong>s zogen. Und dort sind Holz <strong>und</strong><br />

Steine bekanntlich schwer zu finden.<br />

I wie Indianer<br />

Kaum einer Rasse wurde im Laufe der Menschheitsgeschichte<br />

übler mitgespielt als den Indianern. Die Ureinwohner Amerikas,<br />

die vor r<strong>und</strong> 20 000 Jahren aus der sibirischen Taiga über die<br />

Bering-Straße auf den amerikanischen Kontinent kamen <strong>und</strong><br />

sich dort allmählich nach Süden ausbreiteten, wurden von den<br />

europäischen <strong>Ei</strong>nw<strong>andere</strong>rn im Schlepptau von Columbus im<br />

Laufe der Jahre systematisch bekriegt <strong>und</strong> dezimiert <strong>und</strong> die<br />

Diskriminierung reicht bis in die heutige Zeit hinein. Angesichts<br />

dieser bitteren Geschichte neigt so mancher Historiker dazu, die<br />

Geschichte der Indianer im Gegenzug außerordentlich zu<br />

romantisieren. Zunächst einmal muss konstatiert werden, dass es<br />

-108-


»die Indianer« eigentlich genauso wenig gibt wie »die Asiaten«<br />

oder »die Afrikaner«. Jeder Stamm sprach <strong>und</strong> spricht eine<br />

eigene Sprache <strong>und</strong> auch ihre Lebensgewohnheiten, Religionen<br />

<strong>und</strong> kulturellen Errungenschaften wiesen enorme Unterschiede<br />

auf. Ins Auge fällt sofort ein gewaltiges Süd-Nord-Gefälle, denn<br />

während die Inka <strong>und</strong> die Maya in Mittel- <strong>und</strong> Südamerika<br />

schon gewaltige Zivilisationen geschaffen hatten, lebten <strong>und</strong><br />

jagten die Stämme <strong>des</strong> Nordens noch unter eher primitiven<br />

Umständen <strong>und</strong> bevorzugten das Nomadenleben. Dabei<br />

benutzten sie übrigens keine Pferde - die Vierbeiner waren bis<br />

zum <strong>Ei</strong>ntreffen der Spanier auf dem amerikanischen Kontinent<br />

völlig unbekannt.<br />

Nicht ganz korrekt ist auch die weitverbreitete Darstellung,<br />

die spanischen <strong>und</strong> portugiesischen Eroberer seien für die<br />

blutige Unterjochung der Indianer allein verantwortlich. Zwar<br />

gingen die »Conquistadores« tatsächlich mit erschreckender<br />

Brutalität <strong>und</strong> Menschenverachtung zu Werke <strong>und</strong> nutzten den<br />

Vorteil <strong>des</strong> Schießpulvers erbarmungslos aus, doch kaum<br />

jemand weiß, dass ihnen dabei auch Hilfe von den <strong>Ei</strong>ngeborenen<br />

selbst zuteil wurde. Anders wäre die zügige Eroberung auch gar<br />

nicht möglich gewesen, denn das Heer der Eroberer, das in<br />

erster Linie aufs Gold versessen war, war mit seinen r<strong>und</strong> 50000<br />

bis 100000 Mann den <strong>Ei</strong>nheimischen zahlenmäßig weit<br />

unterlegen. Zudem hatten die Indianer den unschätzbaren<br />

Vorteil, die Region wesentlich besser zu kennen, <strong>und</strong> hätten<br />

anhand dieses strategischen Vorsprungs einen jahrzehntelangen<br />

Partisanenkrieg anzetteln können, der wahrscheinlich sogar von<br />

Erfolg gekrönt gewesen wäre. Doch die Größe der Azteken war<br />

auch ihr Untergang: Die spanischen Heerführer erkannten rasch,<br />

dass nicht alle Indianer gleich waren, sondern dass im<br />

aztekischen Riesenreich zahlreiche geknechtete <strong>und</strong> versklavte<br />

Völker lebten. Deren Unzufriedenheit machten sich die<br />

Europäer zunutze, heuerten einheimische Führer an <strong>und</strong> bildeten<br />

ihre neuen Verbündeten in europäischer Kriegstechnik aus. So<br />

-109-


half bei der Eroberung der monumentalen Aztekenhauptstadt<br />

Tenochtitlan das bislang unterjochte Volk der Tlaxcala<br />

bereitwillig mit. Etwa 15000 Krieger wurden den Spaniern zur<br />

Verfügung gestellt. Auch am Feldzug gegen die Inka im<br />

heutigen Peru waren nachweislich min<strong>des</strong>tens vier<br />

Indianerstämme beteiligt.<br />

Trotzdem tragen natürlich die rücksichtslosen <strong>und</strong><br />

barbarischen Eroberer aus dem fernen Europa die Hauptschuld<br />

an der Ausrottung der uralten Kulturen Mittelamerikas. Wie<br />

wenig sich die Herren Cortez <strong>und</strong> Pizzaro um das Wohl <strong>und</strong><br />

Wehe der <strong>Ei</strong>ngeborenen scherten, wird anhand ihres Umgangs<br />

mit den neuen Verbündeten deutlich. Nach gewonnener<br />

Schlacht gegen die Hauptgegner wurden diejenigen Indianer, die<br />

wenige Monate zuvor noch auf der Seite der Konquistadoren<br />

gekämpft hatten, ebenso grausam gejagt <strong>und</strong> abgeschlachtet.<br />

I wie Inflation<br />

Im Gegensatz zur landläufigen Meinung ist »Inflation« keine<br />

Erscheinung der Neuzeit. Bereits aus dem Jahr 65 v. Chr.<br />

stammen erste Berichte über Geldentwertungen der römischen<br />

Währung. Ursache war hier wie auch im Jahre 850 n. Chr. in<br />

China ein zu hoher Geldausstoß der jeweiligen »Zentralbank«,<br />

wobei im alten Rom allerdings ausschließlich Münzen im<br />

Umlauf waren. In China hantierte man vor knapp 1200 Jahren<br />

schon mit Papiergeld, wenn man bedenkt, dass die Druckkunst<br />

noch nicht erf<strong>und</strong>en war, müssen wahrlich fleißige Zeichner am<br />

Werk gewesen sein. Um 1550 war auch Spanien von einer<br />

massiven Inflation betroffen, wobei sich hier wohl die<br />

Redewendung vom »Fluch der bösen Tat« bewahrheitet hat:<br />

Unmengen von geraubtem Silber aus Südamerika erreichte die<br />

spanischen Küsten <strong>und</strong> prompt verlor das einheimische Geld<br />

schnell an Wert. Die bislang größten Ausmaße erreichte eine<br />

-110-


Inflation im Jahre 1923 in Deutschland: <strong>Ei</strong>n Billion Reichsmark<br />

ermöglichten dem Konsumenten gerade noch den Kauf eines<br />

Brotlaibs.<br />

J wie Jesus oder Jungfrauengeburt<br />

Mit den folgenden Zeilen begeben wir uns auf ein heißes<br />

Pflaster <strong>und</strong> wollen vorsorglich gleich darauf hinweisen, dass<br />

wir keinesfalls beabsichtigen, die Gr<strong>und</strong>festen <strong>des</strong> christlichen<br />

Glaubens zu erschüttern. Es geht um die sogenannte<br />

»Jungfrauengeburt«. Wenn wir diesen Passus der verschiedenen<br />

Evangelien als umstritten bezeichnen, befinden wir uns in guter<br />

Gesellschaft. Jahrh<strong>und</strong>erte lang stritten sich nämlich Theologen<br />

über die Frage, ob die jungfräuliche Geburt wirklich wörtlich zu<br />

nehmen sei oder interpretatorischen Freiraum biete. Fürs<br />

Wörtlich-Nehmen spricht das Johannes-Evangelium, das<br />

ausdrücklich betont, Jesus habe keinen <strong>andere</strong>n Vater gehabt als<br />

Gott selbst. In der hebräischen Urfassung <strong>des</strong> Matthäus-<br />

Evangeliums liest sich das allerdings anders, denn dort ist nicht<br />

von einer »Jungfrau«, sondern lediglich von einer »jungen Frau«<br />

die Rede. Doch schon bei der ersten Übersetzung dieses Textes<br />

ins Griechische wurde - wahrscheinlich in Anlehnung an<br />

Johannes - daraus eine »Jungfrau«. Bemerkenswert ist außerdem<br />

die Tatsache, dass Markus - der erste der Jünger, der ein<br />

Evangelium verfasste - die Jungfrauengeburt nicht einmal<br />

erwähnte, sondern schreibt, Gott habe Jesus zu seinem Sohn<br />

»erklärt«. Und auch der Apostel Paulus ließ viel Raum für<br />

Spekulationen, als er zu Papyrus brachte, Jesus sei zum Sohn<br />

Gottes »eingesetzt« worden - zum Zwecke seiner Auferstehung<br />

von den Toten.<br />

Vieles spricht dafür, dass Johannes <strong>und</strong> Lukas die<br />

jungfräuliche Geburt <strong>des</strong> Jesus von Nazareth nur <strong>des</strong>halb so<br />

betonten, um seiner Gegenwart auf Erden noch größeres<br />

-111-


Gewicht zu verleihen. Wie gesagt - vieles spricht dafür, doch<br />

einen Beweis können beide Seiten nicht ins Feld führen. Die<br />

evangelische Kirche hat die Jungfrauengeburt aufgr<strong>und</strong> der<br />

herrschenden Unklarheiten jedenfalls nicht dem ältesten<br />

Bekenntnis der Kirche zugerechnet - die katholische Kirche<br />

hingegen hält am wörtlichen Verständnis fest <strong>und</strong> hat dies auf<br />

dem Zweiten Vatikanischen Konzil im Jahre 1964 noch einmal<br />

ausdrücklich untermauert.<br />

J wie Jodeln<br />

Kuhglocken, Berge, stramme Sennerinnenwaden <strong>und</strong> jodelnde<br />

Burschen - so oder so ähnlich dürften Nicht-Europäer das<br />

Klischee der Alpenrepubliken Österreich <strong>und</strong> Schweiz zeichnen.<br />

Doch zumin<strong>des</strong>t mit dem Jodeln ist das so eine Sache (<strong>und</strong> auch<br />

die strammen Waden werden weniger), denn erf<strong>und</strong>en wurde<br />

der kehlige Singsang wohl nicht in den Alpen. Der fröhliche<br />

Juchzer, zwischen Brust- <strong>und</strong> Kopfstimme pendelnd <strong>und</strong> von<br />

Uneingeweihten nur äußerst schwer nachzuahmen, wurde<br />

nachweislich schon im alten China, in Bali, Indonesien, im<br />

Kaukasus, in Thailand <strong>und</strong> Rumänien praktiziert. Erst zum Ende<br />

<strong>des</strong> 18. Jahrh<strong>und</strong>erts soll das ›Jodeln« schließlich in Österreich<br />

heimisch geworden sein - ob es gar ein zugewanderter Chinese<br />

war, der den <strong>Ei</strong>nheimischen diese hohe Sangeskunst vermittelte,<br />

verraten die Chroniken leider nicht.<br />

J wie die Jungfrau von Orleans<br />

So ist es oft mit Helden (<strong>und</strong> in diesem Fall auch mit<br />

Heldinnen): Wenn die Geschichte sie eingehend unter die Lupe<br />

genommen hat, bleibt vom ursprünglichen Glanz <strong>und</strong> Glamour<br />

nicht mehr allzu viel übrig. So dürfte es für manchen Franzosen<br />

-112-


ein harter Schlag sein, dass die berühmte Dungfrau von Orleans<br />

nachweislich keine Französin war, <strong>und</strong> noch fürchterlicher trifft<br />

ihn womöglich die Erkenntnis, dass sie vielleicht nicht einmal<br />

eine »echte« Frau gewesen ist.<br />

Tatsache ist, dass eine gewisse Jeanne d'Arc im belagerten<br />

Orleans Großartiges geleistet hat. Sie machte den<br />

<strong>Ei</strong>ngeschlossenen nicht nur Mut, sondern setzte sich schließlich<br />

sogar an die Spitze der französischen Truppen <strong>und</strong> sprengte den<br />

englischen Belagerungsring. Geboren wurde Jeanne d'Arc<br />

allerdings nicht in der von ihr befreiten Stadt, sondern im<br />

lothringischen Domremy la Pucelle, das seinerzeit nicht<br />

innerhalb der Grenzen Frankreichs lag, sondern dem Deutschen<br />

Staatenb<strong>und</strong> zugerechnet wurde. Zudem war Johanna auch kein<br />

armes Hirtenmädel, zu dem sie die Legende verklärt, sondern<br />

das einzige Kind eines begüterten Landbesitzers, der feudal auf<br />

einem Schloss residierte. Und schließlich <strong>und</strong> endlich behauptet<br />

der Historiker Walter Rost, dass Jeanne d'Arc ein »Zwitter«<br />

gewesen sei - ein Mensch, der aufgr<strong>und</strong> seiner genetischen<br />

Anlagen zwar männlich war, <strong>des</strong>sen Erscheinungsbild aber dem<br />

einer Frau glich. »Syndrom der testikulären Feminisierung«<br />

nennt Rost dieses Phänomen, das den Löwenmut der jungen<br />

Dame in einem etwas weniger ungewöhnlichen Licht erscheinen<br />

lässt. Schließlich war das Gebaren der Jeanne d'Arc auf dem<br />

Schlachtfeld für eine Frau doch äußerst ungewöhnlich, auch<br />

wenn hier nicht der Unsinn vom »schwachen Geschlecht«<br />

nachgeplappert werden soll.<br />

-113-


10. Von Kainsmal bis Kuchen<br />

K wie Kainsmal<br />

An seinem »Kainsmal« kann man angeblich einen Mörder<br />

erkennen - an dem »Mal« also, das Gott Kain auf die Stirn<br />

drückte, nachdem dieser seinen Bruder Abel erschlagen hatte.<br />

Doch diese Metapher wird heute zumeist falsch verwendet, denn<br />

Gott hatte laut Bibeltext nicht die Absicht, Kain mit diesem Mal<br />

zu strafen oder gar zu brandmarken. Vielmehr sollte es sogar<br />

dem Schutz <strong>des</strong> Unglücklichen dienen, denn der fürchtete<br />

»…wer mich findet, wird mich erschlagen«. Doch Gott<br />

versprach ihm, dass man ihm nichts tun würde <strong>und</strong> verpasste<br />

ihm - quasi als Passierschein - das besagte »Kainsmal«. Und<br />

dies dürfte auch tatsächlich geklappt haben, denn auf seinem<br />

Weg ins »Lande Nod, östlich von Eden«, scheint dem<br />

Brudermörder nichts zugestoßen zu sein.<br />

K wie Kaiserschmarrn<br />

…wurde nicht von einem Kaiser erf<strong>und</strong>en (auch nicht von<br />

Franz B., genannt »der Kaiser«). Der <strong>Ei</strong>erkuchen aus der Pfanne<br />

ist in Böhmen, Mähren <strong>und</strong> Süddeutschland bekannt - sein<br />

berühmtester Vertreter ist jedoch der österreichische. Und auch<br />

wenn der Kaiser nicht direkt für seine Kreation verantwortlich<br />

war, so hat die k. u. k. Monarchie doch zumin<strong>des</strong>t <strong>Ei</strong>nfluss auf<br />

den Namen der Köstlichkeit gehabt. Dereinst soll sich Kaiser<br />

Franz Joseph bei einer Treibjagd im Wald verirrt haben <strong>und</strong><br />

schließlich müde, durstig <strong>und</strong> hungrig auf einen <strong>Ei</strong>nödhof<br />

gestoßen sein. Die Bäuerin vermochte zwar kaum zu glauben,<br />

-114-


dass der abgerissene <strong>und</strong> ungepflegte Fremde wirklich der<br />

Kaiser sein könnte, doch kochte sie ihm zumin<strong>des</strong>t »a bisserl<br />

was Schnelles«. Dabei misslang ihr allerdings der eigentlich<br />

geplante <strong>Ei</strong>erkuchen, der noch in der Pfanne in kleine Stückchen<br />

zerfiel. Um diese Scharte auszuwetzen, setzte die Bäuerin gleich<br />

noch ein paar zusätzliche <strong>Ei</strong>er hinein, gab kräftig Rosinen zu<br />

<strong>und</strong> servierte den »Schmarrn« in m<strong>und</strong>gerechten Happen. Dem<br />

Kaiser scheint's geschmeckt zu haben - er empfahl die<br />

Zubereitungsmethode den höfischen Köchen, <strong>und</strong> das durch ein<br />

Missgeschick entstandene Gericht galt fortan als<br />

»Kaiserschmarrn«.<br />

K wie Kalbsleberwurst<br />

Vorsicht - hier könnte es sich um einen echten (<strong>und</strong> legalen)<br />

Etikettenschwindel handeln. Laut Gesetzgebung muss nämlich<br />

eine »Kalbsleberwurst« keine Kalbsleber enthalten.<br />

Vorgeschrieben ist eigentlich nur, dass in dieser Wurstsorte<br />

entweder »entsehntes Kalbfleisch« oder »Jungrindfleisch«<br />

vorhanden sein müssen - von Leber irgendeiner Art ist<br />

überhaupt nicht die Rede. <strong>Das</strong> Fehlen von Kalbsleber ist aus<br />

geschmacklicher Sicht im Übrigen durchaus zu begrüßen, denn<br />

diese schmeckt nach fachmännischem Urteil höchst bitter.<br />

Tatsächlich besteht eine »Kalbsleberwurst« in der Regel aus<br />

Rindfleisch mit einem Hauch von Schweineleber.<br />

K wie Kalender<br />

Der erste Tag <strong>des</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>erts? Natürlich der 1. Januar<br />

1900! Sollte man meinen - ist aber falsch. Nach dem<br />

gregorianischen Kalender war der 1. Januar 1901 der erste Tag<br />

<strong>des</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>erts - ein gutes Beispiel dafür, dass sich manche<br />

-115-


Fehler auch langfristig nicht korrigieren lassen. Denn als der<br />

heute übliche Kalender ersonnen <strong>und</strong> aufgestellt wurde,<br />

begannen die »Macher« gleich mit dem Jahr 1 nach Christus.<br />

<strong>Das</strong> Jahr Null hatten sie einfach unter den Tisch fallen lassen.<br />

Wenn man also den Kalender durch die Jahrh<strong>und</strong>erte entlang<br />

rechnet, dann beginnt je<strong>des</strong> neue Jahrh<strong>und</strong>ert exakt um ein Jahr<br />

zu spät. Demnach rechnen wir das Jahr 2000 folgerichtig auch<br />

noch zum 20. Jahrh<strong>und</strong>ert hinzu.<br />

K wie Kaltblut<br />

Pferdefre<strong>und</strong>e wissen es natürlich, doch da bei weitem nicht<br />

alle Menschen passionierte Reiter sind oder der Schar der (meist<br />

weiblichen) 11- bis 17jährigen Teenager angehören, die ihre<br />

Wände mit Pferdepostern tapeziert haben, existiert beim Begriff<br />

»Kaltblut« ein nachvollziehbares Missverständnis. <strong>Ei</strong>n Pferd<br />

wird nämlich nicht aufgr<strong>und</strong> einer kälteren Bluttemperatur als<br />

»Kaltblut« bezeichnet, sondern aufgr<strong>und</strong> seines Unvermögens,<br />

die eigene Körpertemperatur zu regulieren. Als »Kaltblüter«<br />

gelten beispielsweise belgische oder schleswig-holsteinische<br />

Zugpferde, die über starke Knochen <strong>und</strong> einen tiefliegenden<br />

Rumpf verfügen. Diese Tiere sind sehr kräftig, doch gleichzeitig<br />

auch sehr träge. Ihre Muskelmassen brauchen lange, um in<br />

Bewegung zu kommen - Hitze durch Anstrengung ist diesen<br />

Rassen fremd. Ihre Körpertemperatur ist <strong>des</strong>halb zumeist von<br />

den Plus- oder Minusgraden ihrer Umgebung abhängig -<br />

eiskaltes Blut haben sie damit aber noch lange nicht.<br />

K wie Kamele<br />

So mancher begeisterte Leser von Abenteuergeschichten mag<br />

sich angesichts eines Wüstendramas, in dem der menschliche<br />

-116-


Durst naturgemäß eine große Rolle spielt, schon gefragt haben,<br />

warum die Reisenden nicht einfach die Höcker ihrer Kamele<br />

»angezapft« haben. Schließlich speichern diese doch Wasser,<br />

oder? Leider nicht, auch wenn sich dieses Gerücht hartnäckig<br />

hält. Der Höcker eines Kamels dient vielmehr als Fettspeicher -<br />

quasi ein zusätzliches Energiereservoir auf dem Rücken. <strong>Das</strong>s<br />

Kamele aber trotzdem wesentlich länger als <strong>andere</strong> Lebewesen<br />

ohne frisches Wasser auskommen können, liegt an ihrem<br />

ureigenen, höchst ausgeklügelten Öko-System. Zum einen bleibt<br />

das Blut der Tiere auch bei größter Hitze <strong>und</strong> Anstrengung stets<br />

dünnflüssig <strong>und</strong> wird in den Kapillargefäßen der Außenhaut<br />

schnell abgekühlt. Dies wiederum bedeutet, dass ein Kamel<br />

kaum schwitzt (erst ab einer Körpertemperatur von über 40<br />

Grad) <strong>und</strong> <strong>des</strong>wegen kaum Flüssigkeit verliert. Und sogar im<br />

Schlaf bleiben Kamele sparsam: Ihre Nasenlöcher saugen aus<br />

der eigenen Atemluft das Wasser wieder in den Körper zurück.<br />

K wie Kanada<br />

Schneebedeckte Wälder, sibirische Kälte <strong>und</strong> vermummte<br />

Menschen: So oder so ähnlich sehen die meisten Bilder aus, die<br />

sich in europäischen Köpfen zum Thema Kanada eingenistet<br />

haben. Folgerichtig sind <strong>des</strong>halb auch viele Europäer der festen<br />

Überzeugung, Kanada liege dem Nordpol wesentlich näher als<br />

beispielsweise Deutschland. Doch - Überraschung,<br />

Überraschung: Die Stadt Toronto liegt südlicher als das<br />

italienische Mailand <strong>und</strong> selbst das ob seiner Kälte gefürchtete<br />

Montreal liegt weiter südlich als alle deutschen Städte. <strong>Das</strong>s<br />

Kanada dennoch als »kaltes Land« gilt, liegt am kontinentalen<br />

Klima dieses riesigen Staates, dort können sich die Luftmassen<br />

lange nicht so schnell erwärmen wie im meerumschlungenen<br />

Europa. Der Winter ist dort tatsächlich wesentlich kälter als bei<br />

uns, <strong>und</strong> ein großer Teil der Landfläche ragt tatsächlich in den<br />

-117-


sehr kalten Norden hinein. Wahrscheinlich leben nicht zuletzt<br />

aufgr<strong>und</strong> dieser frostigen Temperaturen dort nur sehr wenig<br />

Menschen - gerade mal 6,7 Millionen Kanadier leben nördlicher<br />

als wir <strong>und</strong> r<strong>und</strong> 28 Millionen haben sich weiter südlich<br />

angesiedelt.<br />

K wie Karl der Große<br />

Karl der Große - Sachsenschlächter. Wir können heute<br />

natürlich nicht beurteilen, ob der deutsche Kaiser über diesen<br />

»Spitznamen« geschmunzelt oder sich sogar geschmeichelt<br />

gefühlt hätte. Als annähernd sicher können wir allerdings davon<br />

ausgehen, dass Karl niemals 4000 Sachsen binnen eines<br />

einzigen Tages hatte massakrieren lassen. Diese Behauptung<br />

stellte 300 Jahre nach Karls Tod (also etwa 1100 n. Chr.) der<br />

Erzbischof von Reims <strong>und</strong> Hobby-Historiker Jean Turpin auf<br />

<strong>und</strong> seitdem zieht sie sich wie ein roter Faden durch sämtliche<br />

Geschichtsbücher. <strong>Das</strong> grausige Gemetzel soll bei Verden an der<br />

Aller stattgef<strong>und</strong>en haben, doch in <strong>andere</strong>n, zeitgenössischen<br />

Überlieferungen ist von diesem aufsehenerregenden Massaker<br />

nichts erwähnt. Zwar hatte Karl der Große viel Ärger mit den<br />

widerspenstigen Sachsen, die sich seiner kaiserlichen Autorität<br />

so gar nicht beugen wollten, doch 4000 Gefangene köpfen zu<br />

lassen, wäre selbst für mittelalterliche Maßstäbe eine<br />

beispiellose Barbarei gewesen. Viel wahrscheinlicher ist, dass<br />

Karl einige sächsische Stämme hat umsiedeln lassen (lat:<br />

delocati) <strong>und</strong> dass ein schlampiger Schreiber daraus ein<br />

»decollati« (lat. für »hinrichten«) machte. Solche <strong>und</strong> ähnliche<br />

Umsiedelungsaktionen, mit denen den Aufständischen der<br />

heimatliche Nährboden entzogen werden sollte, sind zuhauf<br />

bekannt <strong>und</strong> galten damals als durchaus legitimes politisches<br />

Instrument. <strong>Ei</strong>n Ortsname wie »Sachsenhausen« in Hessen<br />

deutet beispielsweise auf eine solche »Verpflanzung« hin.<br />

-118-


K wie Kartoffeln<br />

…sind vor allem in Deutschlands Norden nach wie vor<br />

Haupt- <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>nahrungsmittel. Und dies, obwohl die<br />

Kartoffel in Zeiten <strong>des</strong> Schlankheitswahns einen miserablen Ruf<br />

»genießt«. »Kartoffeln machen dick«, hört <strong>und</strong> liest man häufig,<br />

doch damit tut man der »goldigen Knolle« Unrecht. 100 Gramm<br />

Kartoffel bedeuten für den Esser eine Kalorienaufnahme von<br />

r<strong>und</strong> 300 Kilojoule - ein 100 Gramm »schweres« Brötchen<br />

hingegen bringt es auf satte 1100 Kilojoule. Auch der<br />

»Dickmacherfaktor« von Fleisch ist wesentlich höher.<br />

Voraussetzung für das Schlankbleiben ist für den<br />

Kartoffelliebhaber allerdings der sparsame Umgang mit Fett:<br />

Bei Pommes frites oder herzhaften Bratkartoffeln erhöht sich die<br />

Kalorienzufuhr durch die Verwendung von Öl oder Butter<br />

natürlich gewaltig.<br />

K wie Kaspar Hauser<br />

<strong>Ei</strong>ne der rätselhaftesten Figuren der deutschen Geschichte ist<br />

»Kaspar Hauser«. Am 26. Mai 1828 tauchte dieser zerlumpte<br />

Halbwüchsige urplötzlich in der Nürnberger Innenstadt auf.<br />

Egal, was man ihn fragte - er vermochte als Antwort lediglich<br />

den Satz »Ich möcht’ ein solcher Reitersmann werden, wie mein<br />

Vater« zu geben. Die einzige weitere, brauchbare Aussage war:<br />

»Ich heiß' Kaspar.« Fünfeinhalb Jahre später, am 14. Dezember<br />

1833, wurde der junge Mann von Unbekannten durch mehrere<br />

Messerstiche ermordet - die Spekulationen um seine Herkunft<br />

wurden neu angeheizt.<br />

Mittlerweile haben sich zahllose Historiker mit dem jungen<br />

Mann beschäftigt, der nach seiner Ankunft in Nürnberg in der<br />

Familie eines Lehrers Unterschlupf gef<strong>und</strong>en hatte. Nach<br />

detaillierten Recherchen <strong>und</strong> Forschungen kann die Aussage<br />

-119-


»Die Herkunft Kaspar Hausers konnte nie geklärt werden« heute<br />

nur noch mit einem glasklaren »Jein« gekontert werden.<br />

Zahlreiche Indizien sprechen nämlich dafür, dass der junge<br />

Mann ein Abkömmling <strong>des</strong> badischen Großherzogs war, <strong>des</strong>sen<br />

Frau am 29. September 1812 einen Sohn geboren hatte. Dieser<br />

soll kurz nach der Geburt gestorben sein - ein entsprechen<strong>des</strong><br />

Begräbnis wurde allerdings nirgendwo dokumentiert. Vieles<br />

spricht dafür, dass Kaspar Hauser schon als Kind den Ränken<br />

<strong>des</strong> Hofes zum Opfer fiel, zumal er - nachdem er das Sprechen<br />

neu erlernt hatte - als einzige Erinnerung an seine Jugend einen<br />

kastenähnlichen Raum von etwa drei Quadratmetern<br />

beschreiben konnte. Ob der Großherzog selbst ihn dort<br />

einkerkerte, ob seine Frau sich <strong>des</strong> unerwünschten Kin<strong>des</strong> ohne<br />

Blutvergießen entledigen wollte oder ob ein Rivale um die<br />

Thronfolge das Kind entführen ließ, entzieht sich allen<br />

Nachforschungen. Vergleiche mit Familienbildern aus dem<br />

badischen Herzogshaus ließen allerdings an Kaspars adliger<br />

Abstammung kaum noch Zweifel zu: Er war seinem möglichen<br />

Vater wie aus dem Gesicht geschnitten.<br />

K wie Kasseler<br />

Der Hamburger kommt zwar tatsächlich aus Hamburg (siehe<br />

Stichwort »Hamburger«), doch der »Kasseler Rippenspeer« -<br />

auch einfach »Kasseler« genannt stammt nicht aus Kassel.<br />

Richtig ist vielmehr, dass ein Berliner Fleischermeister namens<br />

»Cassel« oder »Casel« als erster das Kotelettstück vom Schwein<br />

gepökelt <strong>und</strong> seinen Berlinern damit über Nacht eine neue<br />

Leibspeise beschert haben soll. Übrigens: Auch die Wiener<br />

Würstchen haben mit der österreichischen Hauptstadt nix am<br />

Hut. <strong>Ei</strong>n Gehilfe einer Berliner Kellerweinstube mit dem<br />

schönen Namen Johann Wiener soll sie ersonnen haben.<br />

-120-


K wie Kaugummi<br />

Die Amerikaner selbst bezeichnen sich als Erfinder <strong>des</strong><br />

Kaugummis <strong>und</strong> angesichts der enormen Begeisterung, mit der<br />

sie auf der zähen Masse herumbeißen, scheint ihr Urheberrecht<br />

auch nicht in Frage zu stehen. Doch Kaugummikauen war schon<br />

in der Antike verbreitet: Die ollen Griechen verwendeten das<br />

Gummi <strong>des</strong> Mastixbaumes zum Kauen, die Maya zapften ihren<br />

Sapotillbaum an, <strong>und</strong> die Indianer der heutigen Neuengland-<br />

Staaten benutzten Fichtenharz als Kaumittel.<br />

K wie Keilschrift<br />

Die »Keilschrift« heißt so, weil sie dereinst mit »Keilen« in<br />

Stein gehauen wurde. Diese Ansicht ist ebenso verbreitet wie<br />

falsch. Die r<strong>und</strong> 5000 Jahre alte Schrift der Assyrer <strong>und</strong><br />

Babylonier hat ihren Namen vielmehr wegen ihres optischen<br />

<strong>Ei</strong>ndrucks bekommen. Bei der »Keilschrift« besteht nämlich<br />

je<strong>des</strong> Zeichen aus einem am Ende spitz zulaufenden Strich, der<br />

einem Keil gleicht. Um die Schrift aufzuzeichnen waren echte<br />

»Keile« gar nicht nötig. Sie wurde mit einem Rohrgriffel in<br />

weiche Tontafeln gedrückt, die später gehärtet wurden.<br />

K wie Ketchup<br />

Auch beim Thema Ketchup müssen wir unseren<br />

amerikanischen Brüdern <strong>und</strong> Schwestern wieder eine Illusion<br />

rauben. Nicht in New York oder Los Angeles, nicht in Chicago<br />

oder St. Louis wurde die Tomatensoße erf<strong>und</strong>en, sondern im<br />

fernen China. <strong>Ei</strong>nw<strong>andere</strong>r aus dem »Reich der Mitte« brachten<br />

ihre Lieblingssoße unter der Bezeichnung »Ketsiap« mit in die<br />

USA, <strong>und</strong> dort wurde ein deutschstämmiger New Yorker<br />

-121-


namens Henry John Heinz auf das Produkt aufmerksam. Mittels<br />

ausgeklügelter Marketing-Strategien <strong>und</strong> industrieller<br />

Massenproduktion machte er das chinesische Sößchen ab 1869<br />

zum »Original amerikanischen Genussartikel«.<br />

K wie Klaustrophobie<br />

Kaum ein langes Fremdwort erfreut sich so großer Popularität<br />

wie »Klaustrophobie« <strong>und</strong> kaum eines wird gründlicher<br />

missverstanden. 99 Prozent aller Befragten würden nämlich<br />

sofort <strong>und</strong> unmissverständlich »Platzangst« als deutsche<br />

Entsprechung nennen, doch ist dies leider falsch. Unter<br />

»Platzangst« versteht der Mediziner nämlich die irrationale<br />

Angst, allein über große Plätze oder freie Flächen zu gehen. Bei<br />

den meisten <strong>Pat</strong>ienten, die sich dazu zwingen, treten Schwindel<br />

<strong>und</strong> Schwächegefühle auf. Der medizinisch korrekte Name<br />

dafür ist »Agoraphobie«. »Klaustrophobie« hingegen meint die<br />

krankhafte Furcht vor einem Aufenthalt in geschlossenen<br />

Räumen, dunklen Unterführungen oder Fahrstühlen. Beide<br />

Krankheiten gehören zur Gattung der »Angstneurosen« - haben<br />

miteinander aber nichts zu tun.<br />

K wie Kleopatra<br />

Jeanne D'Arc (siehe Stichwort »Jungfrau von Orleans«) <strong>und</strong><br />

Kleopatra - zwei historische Frauengestalten, denen die<br />

Bew<strong>und</strong>erung späterer Epochen gewiss war <strong>und</strong> ist. Doch nicht<br />

nur bei der Befreierin von Orleans, sondern auch bei der<br />

berühmten Herrscherin der Antike haben Schwärmerei <strong>und</strong><br />

verfälschte Überlieferungen ein Bild erzeugt, das mit der<br />

Wirklichkeit nicht mehr allzu viel gemein hat. So wurde<br />

Kleopatra (von Liz Taylor übrigens unvergleichlich verkörpert)<br />

-122-


als »schönste Frau ihrer Zeit« gerühmt <strong>und</strong> zwar vom antiken<br />

Geschichtsschreiber Cassius Dio, der r<strong>und</strong> 100 Jahre nach ihrem<br />

Tod geboren wurde. Doch Überlieferungen aus Kleopatras<br />

eigener Zeit beschreiben die Herrscherin Ägyptens als »magere«<br />

Frau, die zwar ein ausdrucksstarkes Gesicht gehabt haben soll,<br />

deren Nase allerdings viel zu lang war. Ihre weiblichen<br />

Triumphe als Geliebte von Julius Cäsar <strong>und</strong> Marc Antonius<br />

beruhten wohl eher auf ihrer unnachahmlichen Ausstrahlung,<br />

ihrem erotischsprühenden Charme <strong>und</strong> ihrer Klugheit. Im<br />

übrigen war Kleopatra auch keine Ägypterin, sondern<br />

entstammte dem Geschlecht der Ptolemäer, das aus Mazedonien<br />

nach Nordafrika gekommen war.<br />

K wie Knigge<br />

Adolf Freiherr von Knigge würde sich wahrscheinlich<br />

kringeln vor Lachen, wüsste er, was in seinem Namen alles<br />

verkauft <strong>und</strong> behauptet wird. Dem niedersächsischen Beamten<br />

lag nämlich nichts ferner, als ein Benimmbuch für die gute<br />

Gesellschaft zu schreiben - der hochintelligente aber auch<br />

höchst pedantische Mann verfasste vielmehr ein zweibändiges<br />

Werk, das wir heute als psychologischen Ratgeber bezeichnen<br />

würden.<br />

Der Titel <strong>des</strong> 1788 erschienen Buches lautete Ȇber den<br />

Umgang mit Menschen« <strong>und</strong> befasste sich ausschließlich mit<br />

dem Thema, wie verschiedene Personengruppen besser<br />

miteinander zurechtkommen. Akribisch genau beschrieb Knigge<br />

dabei den Umgangston <strong>des</strong> Hausherren mit dem Dienstpersonal,<br />

den <strong>des</strong> vorgesetzten Offiziers mit dem einfachen Soldaten <strong>und</strong><br />

so weiter <strong>und</strong> so weiter. Allerdings wurden Fragen, welches<br />

Besteck man zum Fischessen zu verwenden habe, wann man<br />

seine Visitenkarte überreicht (siehe auch Stichwort<br />

»Visitenkarte«) oder wer wen wann zum Tanz bittet, überhaupt<br />

-123-


nicht oder nur in Nebensätzen erörtert. Tischsitten oder<br />

Etikettenfragen waren für Knigge kein relevantes Thema.<br />

Der Freiherr beließ es auch nicht bei dem einen Werk,<br />

sondern schrieb noch eine vierbändige Biographie sowie etliche<br />

Romane <strong>und</strong> Schauspiele, die allesamt schnell in der<br />

Versenkung der literarischen Mittelmäßigkeit verschwanden. Er<br />

starb als 43jähriger im Jahre 1796 an Typhus.<br />

K wie Knoblauch<br />

Knoblauch riecht. <strong>Das</strong> steht fest. Vielen Zeitgenossen ist das<br />

herzlich egal, denn entweder sie mögen den Geruch oder sie<br />

können ihn zumin<strong>des</strong>t tolerieren, weil ihnen die Knolle halt so<br />

gut schmeckt. Selbst als geruchsempfindlicher Zeitgenosse<br />

können Sie dagegen nicht viel einwenden, <strong>und</strong> die einzige<br />

Möglichkeit, sich gegen unerwünschte Düfte zur Wehr zu<br />

setzen, ist wahrscheinlich, Gleiches mit Gleichem zu vergelten<br />

<strong>und</strong> dasselbe Aroma zu verströmen. Allerdings sollten Sie sich<br />

in Zukunft nichts mehr von der unglaublichen<br />

Ges<strong>und</strong>heitsförderung durch Knoblauch erzählen lassen. Denn<br />

die meisten angeblich heilsamen Wirkungen <strong>des</strong> Knoblauchs<br />

basieren auf Geschwätz <strong>und</strong> <strong>Ei</strong>nbildung. So wird beispielsweise<br />

behauptet, Knoblauch reinige die Blutgefäße <strong>und</strong> langfristiger<br />

Genuss baue Arterienverkalkung vor. Auch »Vitalität« bis ins<br />

hohe Alter verspricht die Werbung <strong>und</strong> empfiehlt mittels<br />

bärtigem, ungeheuer lebensbejahendem Konterfei eines<br />

Mittsiebzigers die <strong>Ei</strong>nnahme von Knoblauch-Tabletten.<br />

Ungeachtet der Tatsache, dass die prof<strong>und</strong>e Ersinnung dieser<br />

duftumrankten Legende uns durchaus Respekt abnötigen mag,<br />

sehen wir uns doch gezwungen, mit diesem Unsinn ein für<br />

allemal aufzuräumen. Trotz langwieriger <strong>und</strong> langjähriger<br />

Versuche konnte bis heute kaum eine dieser angeblich<br />

ges<strong>und</strong>heitsfördernden Wirkungen nachgewiesen werden.<br />

-124-


Knoblauch hilft genauso wenig gegen Vampire, wie er die<br />

Adern putzt oder die Arterien entkalkt. Knoblauch-Freaks<br />

sterben genauso früh oder so spät wie ihre weniger begeisterten<br />

Nachbarn - keine noch so geschickt manipulierte Statistik<br />

konnte bisher Gegenteiliges beweisen.<br />

In sehr hohen Dosierungen eingenommen, kann Knoblauch<br />

allerdings mithelfen, den Cholesterin-Spiegel zu senken <strong>und</strong><br />

damit das Herzinfarkt-Risiko zu vermindern, doch um diesen<br />

Effekt zu erzielen, müssten Sie schon beim Frühstück mit der<br />

Knoblauch-<strong>Ei</strong>nnahme beginnen <strong>und</strong> diese über den ganzen Tag<br />

kontinuierlich steigern. Man könnte auch sagen, Sie müssten<br />

sich von Knoblauch ernähren, damit Ihr Hausarzt wirklich<br />

spürbare Verbesserungen konstatieren kann.<br />

K wie Kompass<br />

»Kind, schau dir den Kompass an, dann weißt du immer, wo<br />

Norden ist«. Diese elterliche Anweisung ist zwar gut gemeint<br />

<strong>und</strong> mag in manchem Pfadfinderlager von Nutzen sein, doch so<br />

ganz korrekt ist sie eigentlich nicht. Denn der sogenannte<br />

»magnetische Nordpol« <strong>und</strong> der »echte Nordpol« - also die<br />

Stelle, an der die theoretische Achse der Erde die Kugel<br />

durchstoßen würde, liegen r<strong>und</strong> 5000 Kilometer voneinander<br />

entfernt. Je weiter man nach Norden vorstößt, <strong>des</strong>to größer wird<br />

schließlich die Verzerrung, <strong>und</strong> wenn man sich zwischen dem<br />

magnetischen <strong>und</strong> dem »wahren« Pol befindet, zeigt die Nadel<br />

sogar direkt nach Süden.<br />

K wie Kopernikus<br />

Um gleich zur Sache zu kommen: Kopernikus war nicht nur<br />

Mathematiker, sondern auch Philosoph. Und seine »Sechs<br />

-125-


Bücher über die Umläufe der Himmelskörper« erwiesen sich im<br />

Nachhinein zwar als durchaus konkrete <strong>und</strong> richtige<br />

Arbeitsgr<strong>und</strong>lagen, doch basierten sie nicht auf<br />

wissenschaftlichen Experimenten <strong>und</strong> langjährigen Himmels-<br />

Beobachtungen, sondern auf der philosophischen Idee eines<br />

vollkommenen Weltbilds. Mit der ptolemäischen Theorie von<br />

der stillstehenden Erde, um die sich die übrigen Himmelskörper<br />

bewegen, konnte er sich nämlich nicht so recht anfre<strong>und</strong>en.<br />

Zudem war seine Idee auch nicht ganz neu, denn schon im<br />

dritten Jahrh<strong>und</strong>ert v. Chr. hatte der griechische Philosoph<br />

Aristarch von Samos eine ähnlich lautende Auffassung publik<br />

gemacht, in der er die Sonne in den Mittelpunkt <strong>des</strong> Universums<br />

rückte.<br />

Wie auch bei seinem Nachfolger Galileo Galilei (siehe<br />

Stichwort »Galileo«) war es auch in Kopernikus' Fall nicht - wie<br />

fälschlich behauptet - die römischkatholische Kirche, die gegen<br />

seine Ideen Sturm lief. Er selbst hatte 30 Jahre lang Bedenken,<br />

sich mit seinen Theorien lächerlich zu machen, <strong>und</strong> erst die<br />

ausdrückliche Aufforderung der Kurie ermutigte den<br />

mittlerweile 70jährigen zum Schritt an die Öffentlichkeit. Erst<br />

ein Brief <strong>des</strong> engen Papst-Vertrauten Kardinal Schönberg, in<br />

dem dieser ihn aufforderte, seine Entdeckungen doch bitte »der<br />

gelehrten Welt mitzuteilen <strong>und</strong> mir sobald wie möglich deine<br />

Theorien über das Universum zu senden«, bewogen Kopernikus<br />

zur Veröffentlichung. Prompt versah er seine Schriften noch mit<br />

einer Widmung für Papst Paul III.<br />

Auch nach der Veröffentlichung seines bedeutendsten Werkes<br />

blieb es lange Zeit still um diese Schriften. Die Kirche<br />

akzeptierte sie als Arbeitsgr<strong>und</strong>lage, ohne sie allerdings als<br />

endgültige Wahrheit hinzunehmen. Erst 70 Jahre später, mit<br />

dem Auftauchen Galileis auf der wissenschaftlichen Weltbühne,<br />

sollte sich dies ändern…<br />

-126-


K wie Kraken<br />

Gut - »Moby Dick« mag nie gelebt haben, doch am<br />

vielgesponnenen »Seemannsgarn« über riesige Kraken, die mit<br />

ihren Tentakeln ganze Schiffe in schäumende Tiefen rissen,<br />

könnte durchaus etwas dran sein. So wurden 1896 an Floridas<br />

Südküste Teile eines gigantischen Seetieres gef<strong>und</strong>en, die<br />

seinerzeit niemand einzuordnen vermochte. Erst 1970 glaubten<br />

Forscher, die konservierten Überreste als Glieder einer wahren<br />

»Monsterkrake« identifizieren zu können, die eine Länge von<br />

r<strong>und</strong> 60 Metern erreicht haben dürfte. Man errechnete daraufhin<br />

ein theoretisches Gewicht von über 150 Tonnen. Doch in<br />

jüngster Zeit neigen Biochemiker aufgr<strong>und</strong> neuester Analysen<br />

der vorliegenden Gewebeproben wieder zu der Meinung, bei<br />

den damals entdeckten Fleischbrocken handele es sich mit<br />

großer Wahrscheinlichkeit um die Reste eines toten Wals.<br />

Kraken mit einer Körperlänge von über 20 Metern wurden<br />

allerdings wiederholt gesichtet, doch dass sie an die<br />

Meeresoberfläche kamen, um Schiffe zu versenken, ist eher<br />

unwahrscheinlich. Die Tiere können aufgr<strong>und</strong> ihrer<br />

Beschaffenheit nur in großen Tiefen existieren <strong>und</strong> sterben ab,<br />

sobald sie sich der Oberfläche nähern. Warum dann allerdings<br />

Zeichnungen aus dem 17., 18. <strong>und</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>ert schon recht<br />

detailgenau ausfielen <strong>und</strong> auch den Vergleichen mit<br />

Erkenntnissen der modernen Wissenschaft durchaus standhalten,<br />

ist ungeklärt. Möglicherweise gab es bis vor wenigen<br />

Jahrzehnten tatsächlich noch sogenannte »Riesenkraken«, die<br />

mittlerweile den veränderten Lebensbedingungen zum Opfer<br />

gefallen sind. Beweisen lässt sich das allerdings nicht mehr.<br />

-127-


K wie Kreml<br />

Spricht man heute vom Kreml, so meint man natürlich den<br />

russischen Regierungspalast in Moskau. Doch ebenso wie das<br />

griechische Wort »Akropolis« (siehe Stichwort »Akropolis«)<br />

stand »Kreml« ursprünglich nur für einen befestigten Platz im<br />

Kern einer russischen Stadt, in der die Verwaltung residierte.<br />

Der Moskauer Kreml ist zwar der größte, doch auch in <strong>andere</strong>n<br />

Kommunen gab <strong>und</strong> gibt es derartige Befestigungen, wobei die<br />

meisten allerdings in einem wesentlich schlechteren Zustand<br />

sind.<br />

K wie kriminell<br />

»Wie der Vater, so der Sohn«, oder auch: »Der Apfel fällt<br />

nicht weit vom Stamm.« Man mag von diesen Sprichwörtern<br />

halten, was man will, doch zumin<strong>des</strong>t auf dem Gebiet der<br />

»kriminellen Neigungen« sind derartige Allgemeinplätze höchst<br />

umstritten. Zwar wird immer wieder behauptet, dass Kinder von<br />

Verbrechern fast automatisch ebenfalls verbrecherische<br />

Neigungen hätten, doch die Genforschung hat zweifelsfrei<br />

erwiesen, dass Kriminalität keine vererbbare <strong>Ei</strong>genschaft ist. Bei<br />

der Entwicklung der Persönlichkeit spielt eher das soziale<br />

Umfeld als eine vererbte Charaktereigenschaft eine wichtige<br />

Rolle. Und darin mag auch der Schlüssel zu den eingangs<br />

zitierten Sprichwörtern liegen: Wenn ein Kind in einem<br />

Elternhaus <strong>und</strong> einer Umgebung aufwächst, in der das<br />

Verbrechen zum Alltag gehört, dann ist es natürlich geneigt,<br />

diese Alltäglichkeit in sein eigenes Erwachsenenleben zu<br />

übernehmen.<br />

-128-


K wie Kröten<br />

Die meisten Menschen ekeln sich vor Kröten. <strong>Ei</strong>n Gr<strong>und</strong><br />

dafür dürfte sein, dass sie diese Tiere mit den <strong>Ei</strong>genschaften<br />

»glitschig« <strong>und</strong> »schleimig« verbinden. Doch Tatsache ist, dass<br />

die Krötenhaut ebenso trocken ist wie die <strong>des</strong> Menschen <strong>und</strong> nur<br />

beim Aufenthalt im nassen Element entsprechend angefeuchtet<br />

wird.<br />

K wie Krokodilstränen<br />

…die gibt es zwar tatsächlich, doch die Mär vom<br />

heuchlerischen Reptil, das zunächst sein Opfer verspeist <strong>und</strong><br />

dann einige bittere »Krokodilstränen« vergießt, ist nur eine<br />

Fabel. Lediglich bei der Anstrengung <strong>des</strong> <strong>Ei</strong>erlegens kommt es<br />

zu einer gewissen Feuchtigkeit in den Augen <strong>des</strong> gepanzerten<br />

Sumpfschreckens. <strong>Das</strong> Weinen aufgr<strong>und</strong> einer bestimmten<br />

Stimmungslage bleibt allein dem Menschen vorbehalten.<br />

K wie Kuchen<br />

»Sie haben kein Brot? Dann sollen sie doch Kuchen essen.«<br />

So dummdreist soll die französische Königin Marie-Antoinette<br />

auf die Klagen ihrer hungernden Landsleute reagiert haben,<br />

doch diese Behauptung ist nur eines von vielen Märchen, die<br />

sich um die französische Revolution ranken. Schon 1760<br />

(Marie-Antoinette hatte gerade in Österreich das Licht der Welt<br />

erblickt) hatte der Aufklärer Jean-Jacques Rousseau diese Worte<br />

erf<strong>und</strong>en <strong>und</strong> sie einer namenlosen Fürstin in den M<strong>und</strong> gelegt.<br />

Später soll sie dann Marie-Antoinette gesagt haben -<br />

Aufzeichnungen oder Hinweise, die das bestätigen können, gibt<br />

es nicht. Sei's drum - hingerichtet wurde sie dennoch.<br />

-129-


L wie Lakritze<br />

11. Von Lakritze bis Luzifer<br />

Wäre »Lakritze« - von Kinderm<strong>und</strong> zärtlich auch als<br />

»Katzenmist« oder »Bärendreck« bezeichnet - wohl immer noch<br />

so beliebt, wenn Erwachsene es als »Medizin« bezeichnen<br />

würden? Entgegen der Pauschalverurteilung aller Naschereien<br />

als »unges<strong>und</strong>«, haben die schwarzen Stangen, Rollen <strong>und</strong><br />

Figürchen nämlich tatsächlich eine medizinische<br />

Anwendungsmöglichkeit. Sie können gegen Gastritis helfen <strong>und</strong><br />

sind durch ihre schleimlösende Wirkung auch hustenlindernd.<br />

Hergestellt aus Süßholzsaft, Stärke, Mehl, Zucker, Anis <strong>und</strong><br />

Gummiarabikum erzielt die »Lakritze« sogar bei Magen- oder<br />

Darmgeschwüren erstaunliche Resultate.<br />

L wie Leberkäse<br />

Überaus beliebt ist in Bayern der sogenannte »Leberkas«, <strong>und</strong><br />

unter der hochdeutschen Bezeichnung »Leberkäse« erobert er<br />

sich auch im übrigen Deutschland seit Jahr <strong>und</strong> Tag mehr<br />

Sympathien. Doch wie schon l die »Kalbsleberwurst« (siehe<br />

Stichwort »Kalbsleberwurst«) ist auch in diesem Fall die<br />

»Leber« ein grandioses Missverständnis. Tatsächlich enthält die<br />

beliebte Vespermahlzeit meistens keine Spur einer, woher auch<br />

immer stammenden, Leber, sondern besteht zum größten Teil<br />

aus Schweinefleisch. Lediglich der »Original bayerische<br />

Leberkäse« enthält zwischen 2 <strong>und</strong> 8 Prozent Leberanteil, der<br />

Rest besteht aus Rindfleisch <strong>und</strong> Fettgewebe. Allerdings darf<br />

das Wort »Leberkäse« trotzdem nicht als bewusste Irreführung<br />

-130-


der Konsumenten betrachtet werden. Es entstand vielmehr durch<br />

die zweite Lautverschiebung der deutschen Sprache, denn<br />

ursprünglich hieß das Wort »Laibkas« <strong>und</strong> nahm damit Bezug<br />

auf die brotlaibartige Form <strong>des</strong> fleischigen Backwerks. Mit<br />

»Käse« hat der »Leberkäse« übrigens rein gar nichts zu tun.<br />

L wie Lederstrumpf<br />

Er gilt mittlerweile fast als »klassische« Sagengestalt, doch<br />

»Lederstrumpf« hat wirklich gelebt. Oft wird behauptet, der<br />

amerikanische Schriftsteller James Fenimore Cooper hätte die<br />

Abenteuer eines gewissen »Natty Bumppo«, den die Indianer<br />

aufgr<strong>und</strong> seiner Gamaschen »Lederstrumpf« nannten, frei<br />

erf<strong>und</strong>en. Doch schon zu Lebzeiten bewies Cooper (1789-1851),<br />

dass er mit dem legendären Trapper, Abenteurer <strong>und</strong><br />

Siedlungsgründer Daniel Boone ein sehr konkretes Vorbild<br />

gehabt hat. Dieser habe ihm als alter Mann seine komplette<br />

Lebensgeschichte erzählt, die er, Cooper, dann zu insgesamt<br />

fünf Büchern verarbeitet hat. Tatsächlich war Daniel Boone, der<br />

von 1734 bis 1820 in den nördlichen Wäldern der USA <strong>und</strong> in<br />

Kanada sein aufregen<strong>des</strong> Leben führte, ein Volksheld ganz<br />

besonderer Prägung. Er verlieh den Pioniertagen <strong>des</strong> Nordens<br />

durch seine Ansichten <strong>und</strong> seinen Umgang mit den Indianern<br />

eine Art ritterlichen Charme <strong>und</strong> war so bekannt, dass beim<br />

<strong>Ei</strong>ntreffen der Nachricht seines To<strong>des</strong> der amerikanische<br />

Kongress seine Sitzung unterbrach <strong>und</strong> eine Schweigeminute<br />

einlegte.<br />

L wie Leiche<br />

»Wenn ich mal völlig pleite bin, verkaufe ich meinen Körper<br />

halt der Anatomie.« Immer noch hält sich dieser Satz im<br />

-131-


Standardrepertoire von Zynikern <strong>und</strong> potentiellen<br />

Bankrotteuren, doch leider fehlt es ihm schon seit geraumer Zeit<br />

an einer berechtigten Gr<strong>und</strong>lage. Denn die deutschen<br />

Forschungslabore <strong>und</strong> medizinischen Fakultäten »kaufen« schon<br />

lange keine toten Körper mehr <strong>und</strong> vor allem lassen sie sich auf<br />

keinerlei »Kuhhandel« mit noch quicklebendigen Kandidaten<br />

ein. Zu Lebzeiten kann man seinen zukünftig toten Körper also<br />

noch nicht als Kapital verwerten. Es ist allerdings immer noch<br />

möglich, den Corpus der anatomischen Forschung zu<br />

»vermachen«. Voraussetzung ist eine entsprechende Passage im<br />

Testament. Die Bezahlung besteht aber nicht aus harter<br />

Währung für eventuelle Hinterbliebene, sondern einzig <strong>und</strong><br />

allein aus einem kostenlosen Begräbnis. Wenn die angehenden<br />

Mediziner mit dem »Schnibbeln« fertig sind - versteht sich.<br />

L wie Lemminge<br />

Es haftet ihnen nicht zu Unrecht der düstere Hauch der<br />

Tragödie an - den Lemmingen. Jahrzehntelang war die<br />

Wissenschaft der Überzeugung, bei den Herden dieser<br />

possierlichen Nagetiere eine unfassbare Neigung zum<br />

Massenselbstmord entdeckt zu haben. Was mochte diese Tiere<br />

so in Verzweiflung stürzen, dass sie zu H<strong>und</strong>erten über den<br />

Klippenrand ins »Wasser gingen«? Kollektive Hysterie? <strong>Das</strong><br />

Wissen um die Sinnlosigkeit <strong>des</strong> irdischen <strong>Das</strong>eins? Tiefere<br />

<strong>Ei</strong>nsicht oder schlichter Wahnsinn? Schade eigentlich, dass wir<br />

diesen wuchernden Spekulationen ein Ende setzen müssen, denn<br />

in der Realität liegt den Lemmingen das eigene Leben durchaus<br />

am Herzen, <strong>und</strong> ihnen suizidale Neigungen zu unterstellen ist<br />

zwar verständlich, aber falsch. In Wahrheit sind sie Opfer ihrer<br />

»karnickelartigen« Vermehrung sowie ihrer Kurzsichtigkeit <strong>und</strong><br />

einer gewissen Selbstüberschätzung. In schöner Regelmäßigkeit<br />

wird einem Stamm aufgr<strong>und</strong> von Überbevölkerung der<br />

-132-


ursprünglich gewählte Lebensraum zu eng. Die Nahrung wird<br />

immer knapper, <strong>und</strong> instinktiv macht sich dann ein Teil <strong>des</strong><br />

Völkchens auf, um ein neues Revier zu suchen. Pech haben<br />

diese »Pioniere« immer dann, wenn sie an der Küste leben, denn<br />

die vor ihnen auftauchende Wasserfläche halten sie<br />

offensichtlich lediglich für einen Fluss oder einen See, den es zu<br />

überschwimmen gilt, um sich neue »Reiche« zu erschließen.<br />

Schließlich sind Lemminge begabte Schwimmer, doch an der<br />

Überquerung <strong>des</strong> Atlantiks scheitern sie trotzdem <strong>und</strong> ertrinken.<br />

<strong>Das</strong>s die »Selbstmordthese« nicht haltbar ist, erkannten die<br />

Biologen, als sie den Weg von Lemmingen konsequent<br />

verfolgten. Die hüpften nämlich nicht nur ins Wasser, große<br />

Gruppen machten sich auch in die <strong>andere</strong> Richtung davon <strong>und</strong><br />

lebten fortan »glücklich <strong>und</strong> zufrieden« in neuen Territorien.<br />

L wie Lesen<br />

Wieder einmal beginnen wir mit einem typischen<br />

»Erzieherzitat«: »Kind, lies doch nicht bei so schlechtem Licht.<br />

Du machst dir nur die Augen kaputt«. Allen Eltern sei an dieser<br />

Stelle ausdrücklich gesagt, dass diese Behauptung blanker<br />

Unsinn ist. Zwar muss man zum Lesen im Dämmerlicht die<br />

Augen deutlich mehr anstrengen, <strong>und</strong> sie ermüden rascher, doch<br />

dies schadet den »Guckern« überhaupt nicht. <strong>Ei</strong>n Vergleich<br />

gefällig? Würden Sie vielleicht dem Jogger zurufen: »Lauf doch<br />

nicht bergauf - das schadet deinen Beinen.«? Nein? Na also!<br />

L wie Lilith<br />

Adam <strong>und</strong> Eva - bis zum Sündenfall ein echtes Traumpaar<br />

<strong>und</strong> zudem noch die ersten Menschen. Doch liest man den<br />

jüdischen Talmud, so muss man konstatieren, dass Adam wohl<br />

-133-


schon vor der Begegnung mit der »rippengeschnitzten« Eva<br />

seine Erfahrungen mit der Weiblichkeit hatte, ja, dass er sogar in<br />

Scheidung lebte. Denn laut Talmud war Adam zuvor schon mit<br />

»Lilith« vermählt gewesen, die den angeblichen Stammvater der<br />

Menschheit allerdings verlassen hatte <strong>und</strong> daraufhin zum bösen<br />

Dämon mutiert war. Johann Wolfgang von Goethe brachte die<br />

schöne »Untote« seinen Zeitgenossen ins Bewusstsein, als er sie<br />

im »Faust« am Hexentanz auf dem Brocken teilnehmen ließ.<br />

Mephisto lieferte dem erstaunten Faust damals die Erklärung:<br />

»<strong>Das</strong> ist Lilith. Adams erste Frau. Nimm dich in Acht vor ihren<br />

schönen Haaren, vor diesem Schmuck, mit dem sie so einzig<br />

prangt. Wenn sie damit den jungen Mann erlangt, so lässt sie ihn<br />

so bald nicht wieder fahren.«<br />

L wie Lindbergh<br />

Zweimal rückte der Amerikaner Charles Lindbergh ins<br />

Bewusstsein der Weltöffentlichkeit. Zum einen durch seine<br />

Atlantiküberquerung per Flugzeug (1927) - zum <strong>andere</strong>n als sein<br />

Kind von skrupellosen Kidnappern entführt <strong>und</strong> ermordet<br />

wurde: Der Fall <strong>des</strong> »Lindbergh-Babys« bedeutete den traurigen<br />

Auftakt einer neuen Verbrechensart: Der »erpresserische<br />

Menschenraub«. An dieser Stelle wollen wir uns aber mit dem<br />

erstgenannten Fakt befassen <strong>und</strong> müssen feststellen, dass<br />

Lindbergh keineswegs als erster den Ozean zwischen Amerika<br />

<strong>und</strong> Europa auf dem Luftweg überquert hat. Seine Leistung<br />

bestand vor allem darin, dass er es in seiner »Spirit of St. Louis«<br />

von Weltstadt zu Weltstadt also von New York nach Paris -<br />

ohne Zwischenlandung geschafft hat. Schon acht Jahre zuvor<br />

waren die beiden britischen Flugpioniere John Alcock <strong>und</strong><br />

Arthur Whitten-Brown von Neuf<strong>und</strong>land aus gestartet <strong>und</strong><br />

waren im irischen Nordwesten gelandet. Allerdings zählte man<br />

Irland damals noch kaum zum Kontinent, eine Landung unterm<br />

-134-


<strong>Ei</strong>ffelturm galt den meisten Amerikanern <strong>und</strong> Europäern als<br />

wesentlich spektakulärere Leistung. Seine Berühmtheit verdankt<br />

Lindbergh unter <strong>andere</strong>m auch der Tatsache, dass sein Flieger<br />

insgesamt über 33 St<strong>und</strong>en in der Luft war, während seine<br />

britischen Vorgänger für die etwas kürzere Distanz »nur« knapp<br />

16 St<strong>und</strong>en benötigt hatten. Doch von Kontinent zu Kontinent<br />

waren auch sie schon geflogen <strong>und</strong> noch vor Lindberghs Tat<br />

hatten es ihnen einige Wagemutige nachgemacht.<br />

L wie Linksverkehr<br />

<strong>Das</strong>s man auf den angelsächsischen Inseln nach wie vor im<br />

sogenannten »Linksverkehr« unterwegs ist, dient vielen<br />

Kontinentaleuropäern als Beleg für die Verschrobenheit der<br />

Briten. Dabei wird jedoch übersehen, dass das Fahren auf der<br />

linken Straßenseite zu den Zeiten seiner <strong>Ei</strong>nführung ein<br />

durchaus logisches Motiv hatte - so logisch, dass man sich<br />

fragen könnte, warum nicht auch der Rest Europas darauf<br />

verfallen ist.<br />

Im England <strong>des</strong> Mittelalters waren die Straßen <strong>und</strong> Wege ein<br />

recht unsicheres »Pflaster«. Egal ob man zu Pferde oder auf dem<br />

Fuhrwerk reiste - jeder entgegenkommende Fremde konnte in<br />

diesen rauen Zeiten ein potentieller Straßenräuber sein. Also ritt<br />

oder fuhr man vorsichtshalber auf der linken Straßenseite, um<br />

Entgegenkommenden den rechten Schwertarm zuwenden zu<br />

können. Diese Angewohnheit wurde Jahrh<strong>und</strong>erte lang<br />

beibehalten - es lag also nahe, sie auch in den Zeiten <strong>des</strong><br />

motorisierten Verkehrs zu übernehmen. Vor allem die<br />

ausgedehnten Wälder Nordenglands boten zahlreichen<br />

Räuberbanden Unterschlupf, <strong>und</strong> so wurde im 13. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

von der britischen Regierung sogar eine Verordnung erlassen,<br />

wonach auf beiden Seiten aller Straßen ein r<strong>und</strong> 200 Fuß breiter<br />

Streifen zu roden war, damit Reisende nicht ständig aus<br />

-135-


angrenzenden Büschen heraus attackiert werden konnten.<br />

L wie Loch Ness<br />

… ist ein See in Schottland. Punkt. Und wer heute noch<br />

behauptet, es könne ein Ungeheuer darin schwimmen, ist<br />

entweder ein unverbesserlicher Romantiker oder einfach<br />

furchtbar schlecht informiert. Zwar behauptet die schottische<br />

Tourismusbranche bis zum heutigen Tag, es sei unbekannt,<br />

woher die Mär stamme, <strong>und</strong> nährt somit den Verdacht, es könne<br />

ja doch irgend etwas dran sein. Doch der italienische Journalist<br />

Francesco Gasparini hat bereits 1959 öffentlich eingestanden,<br />

die Fabel vom Ungeheuer r<strong>und</strong> 25 Jahre zuvor frei erf<strong>und</strong>en zu<br />

haben. Sein Motiv: <strong>Das</strong> vielzitierte »Sommerloch« - der<br />

Alptraum aller Zeitungsmacher.<br />

L wie Lucrezia Borgia<br />

Wie unbarmherzig die Legendenbildung mit manchen<br />

Persönlichkeiten umgeht, mag am Beispiel der Lucrezia Borgia<br />

verdeutlicht werden. Die Tochter von Papst Alexander VI. war<br />

zu ihren Lebzeiten keinesfalls das Symbol für Maßlosigkeit,<br />

Intrigantentum, Völlerei <strong>und</strong> Inzucht, zu dem sie die<br />

Geschichtsschreibung stilisiert hat. Vielmehr war Lucrezia<br />

Borgia (1480-1519) ein Opfer der politischen Ränkespiele jener<br />

Tage <strong>und</strong> wurde schon als Elfjährige mit einem süditalienischen<br />

Landgrafen vermählt. Ihr Vater wollte sich damit <strong>des</strong>sen Treue<br />

im Kampf gegen die aufständischen Neapolitaner »erkaufen«,<br />

die nichtsahnende Lucrezia hatte fortan den Ruf <strong>des</strong> »frühreifen<br />

Flittchens«. Nachdem ihr erster Ehemann die Fronten<br />

gewechselt <strong>und</strong> sich gegen den Papst gestellt hatte, schickte er<br />

seine kindliche Ehefrau einfach zurück in den Vatikan, ließ die<br />

-136-


Ehe annullieren <strong>und</strong> begann, seine »Ehemalige« kräftig zu<br />

verleumden. So behauptete er beispielsweise, diese habe Inzucht<br />

mit ihrem Vater (einem wirklich üblen Wüstling) <strong>und</strong> ihrem<br />

Bruder Cesare (der war womöglich noch schlimmer) getrieben -<br />

ein Gerücht, das im schon damals sensationslüsternen Italien auf<br />

fruchtbaren Boden fiel. Der zweite Ehemann Lucrezias - sie<br />

hatte mit 16 Jahren erneut geheiratet wurde wenig später von<br />

gedungenen Mördern umgebracht, die angeblich ihr Vater selbst<br />

geschickt hatte, was aber die Öffentlichkeit nicht daran hinderte,<br />

ihr die Schuld an seinem Tod in die Schuhe zu schieben.<br />

Deutlich mehr Glück hatte Lucrezia Borgia mit ihrem dritten<br />

Mann, dem Herzog von Ferrara. Ihm schenkte sie insgesamt<br />

acht Kinder, galt als vorbildliche <strong>und</strong> treusorgende Ehefrau <strong>und</strong><br />

Mutter <strong>und</strong> starb schließlich mit 38 Jahren einen frühen <strong>und</strong> von<br />

ihrer Familie vielbeweinten Tod.<br />

L wie Ludwig XIV.<br />

…soll am 13. April 1655 in einer Parlamentssitzung gesagt<br />

haben: »L'Etat c'est moi« (Der Staat bin ich). Historiker, die das<br />

Protokoll der entsprechenden Sitzung überprüften, fanden<br />

allerdings keinen derartigen Ausspruch, <strong>und</strong> auch<br />

zeitgenössische Quellen liefern dafür keinen Anhaltspunkt.<br />

Zwar nahm das absolutistische Denken <strong>des</strong> Sonnenkönigs in<br />

jenen Tagen tatsächlich derart groteske Züge an, dass er diesen<br />

Satz durchaus gesagt haben könnte - er tat es jedoch<br />

wahrscheinlich niemals. Wer ihm allerdings diese Worte in den<br />

M<strong>und</strong> gelegt haben könnte, ist nach wie vor unbekannt: Etwa<br />

zehn Jahre nach Ludwigs Tod wurden sie erstmals kolportiert.<br />

-137-


L wie Lügendetektor<br />

Kriminologen <strong>und</strong> Kriminalisten wissen es natürlich besser,<br />

doch das »gemeine Volk« glaubt häufig immer noch an die<br />

unbestechliche Aussagekraft <strong>des</strong> »Lügendetektors«. Diese<br />

Maschinen werden über Drähte <strong>und</strong> Sensoren mit der<br />

menschlichen Haut verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> messen Herzschlag,<br />

Blutdruck, Hautfeuchtigkeit <strong>und</strong> Atemfrequenz. Beim<br />

»verkabelten« Befragten soll sich anhand dieser Daten<br />

einwandfrei feststellen lassen, ob <strong>und</strong> wann er die Unwahrheit<br />

sagt.<br />

So weit, so gut, <strong>und</strong> tatsächlich kann man aus den<br />

Spannungszuständen einer Person bestimmte Rückschlüsse auf<br />

den Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen ziehen. Doch<br />

unmissverständlich oder gar unwiderlegbar sind die Resultate<br />

eines »Lügendetektors« auf keinen Fall, zumal ihre<br />

Interpretation in erster Linie vom menschlichen Verstand<br />

abhängt. Und dieser ist bekanntlich äußerst fehlerhaft.<br />

Außerdem kann das Gerät auch manipuliert werden - schon<br />

wenn der Verhörte über extrem gute Nerven verfügt oder seine<br />

Reaktionen mittels autogenem Training geschult hat, wird die<br />

Maschine kaum brauchbare Aufzeichnungen liefern. <strong>Ei</strong>ne grobe<br />

Verzerrung der Ergebnisse kann auch dann eintreten, wenn<br />

bestimmte Fragen der angeschlossenen Person unangenehm<br />

sind: Sie antwortet dann zwar wahrheitsgemäß, doch die<br />

Spannungskurve steigt trotzdem rapide an. Vor den meisten<br />

Gerichten der Welt werden Ergebnisse <strong>des</strong> Lügendetektors aus<br />

den genannten Gründen nicht als Beweismittel zugelassen.<br />

L wie Luther<br />

Am 31. Oktober <strong>des</strong> Jahres 1517 soll ein gewisser Dr. Martin<br />

Luther, Theologieprofessor in Wittenberg, seine Thesen zur<br />

-138-


Erneuerung der kirchlichen Lehre an die Tore der Wittenberger<br />

Schlosskirche genagelt <strong>und</strong> damit die Reformation eingeleitet<br />

haben. So oder so ähnlich wird es seit r<strong>und</strong> 400 Jahren behauptet<br />

<strong>und</strong> dies, obwohl doch an diesem Satz so gut wie nichts richtig<br />

ist.<br />

Zum einen war Luther seinerzeit ein gesetzestreuer Bürger<br />

<strong>und</strong> ordentlicher Theologieprofessor. <strong>Ei</strong>ner wie er wäre niemals<br />

auf die Idee zu einer solch spektakulären Aktion verfallen.<br />

Luther schickte seine 95 Thesen vielmehr auf dem üblichen<br />

Dienstweg an seine geistlichen Vorgesetzten, den Bischof von<br />

Brandenburg <strong>und</strong> den Erzbischof von Mainz. Erst im Januar<br />

1518 ließen einige seiner Fre<strong>und</strong>e die Thesen drucken, <strong>und</strong> erst<br />

von diesem Zeitpunkt an waren sie auch der Öffentlichkeit<br />

zugänglich. Zu seinen Lebzeiten war von einem »Anschlag an<br />

die Kirchentüre« niemals die Rede - diese Legende entstand erst<br />

kurz nach seinem Tode durch das Vorwort zu seinen<br />

gesammelten Werken, das ein württembergischer Reformations-<br />

Theologe namens Philipp Melanchthon verfasst hat.<br />

Zum <strong>andere</strong>n hatte Luther ursprünglich keinesfalls eine<br />

»R<strong>und</strong>um-Erneuerung« der Kirche oder gar die Reformation im<br />

Sinn. Er prangerte - in sehr höflichem Ton - lediglich eine ganz<br />

bestimmte Praxis der Kirche an, die seines Erachtens mit der<br />

biblischen Lehre nicht vereinbar war. Dabei ging es um den<br />

sogenannten »Ablasshandel«. Mit mehr oder weniger<br />

großzügigen Spenden <strong>und</strong> Zahlungen an die Kirche konnten sich<br />

betuchte Sünder von ihren »irdischen Verfehlungen« freikaufen<br />

<strong>und</strong> damit angeblich dem Fegefeuer <strong>und</strong> der ewigen<br />

Verdammnis entziehen. Ganz gewaltig erboste Luther, dass ein<br />

gewisser Ablasshändler namens Tetzel eine besonders originelle<br />

<strong>Ei</strong>nnahmequelle für die Geistlichkeit entdeckt hatte: Sogar nach<br />

dem Tod <strong>des</strong> Sünders konnten <strong>des</strong>sen Verwandte ihn mittels<br />

Geld- oder Sachspenden aus der Hölle freikaufen <strong>und</strong> ihn die<br />

»Stufen zum Paradies« emporklimmen lassen. Sicher nicht zu<br />

Unrecht bezeichnete Luther diese Praktiken als »schamloses <strong>und</strong><br />

-139-


lästerliches Treiben«.<br />

Fest steht, dass Luther ursprünglich nicht auf Konfrontation,<br />

sondern lediglich auf eine Diskussion aus war. Erst nachdem er<br />

auf seine Briefe an die Bischöfe keine Antwort erhalten hatte,<br />

erlaubte er seinen Anhängern, seine Thesen zu veröffentlichen,<br />

<strong>und</strong> dies führte schließlich dazu, dass er vom Mainzer Reichstag<br />

in Acht <strong>und</strong> Bann geschlagen wurde. Bei seiner Anhörung vor<br />

den hohen Herrschaften soll er damals abschließend gesagt<br />

haben »Hier stehe ich. Ich kann nicht anders«, doch selbst dieses<br />

Zitat ist frei erf<strong>und</strong>en. In den entsprechenden Sitzungs-<br />

Protokollen <strong>und</strong> zeitgenössischen Kommentaren wird jedenfalls<br />

überliefert, dass Luther seine Verteidigungsrede mit den<br />

üblichen Worten »Gott helfe mir. Amen« schloss.<br />

L wie Luzifer<br />

Die Bezeichnung »Luzifer« für »Teufel« kann<br />

kirchenhistorisch nicht belegt werden. In der Bibel jedenfalls<br />

kommt der Name nirgendwo vor. Der einzige Hinweis taucht<br />

beim Propheten Jesaja (14.12) auf, denn dort wird der legendäre<br />

König von Babylon als gefallener, einstmals »strahlender Sohn<br />

der Morgenröte« bezeichnet. »Zu Boden« sei er »geschmettert«,<br />

der »Bezwinger der Völker«.<br />

Da in der Antike der Morgenstern (Planet Venus) als<br />

»Luzifer« bezeichnet wurde, haben frühe Geistliche den<br />

»Bezwinger der Völker« <strong>und</strong> »Sohn der Morgenröte«<br />

(Morgenstern) mit Satan gleichgesetzt <strong>und</strong> gaben ihm<br />

folgerichtig den antiken Namen Luzifer. Doch galt diese<br />

Interpretation jener Bibelstelle schon immer als recht großzügig<br />

<strong>und</strong> nährte so manchen Streit zwischen Theologen.<br />

-140-


12. Von Machiavelli bis Muscheln<br />

M wie Machiavelli<br />

Wenn es jemals einen Politiker mit einem wirklich schlechten<br />

Ruf gegeben hat, dann war dies Nicolo Machiavelli. Zynismus,<br />

Menschenverachtung <strong>und</strong> Gier wurden <strong>und</strong> werden dem<br />

Florentiner Staatstheoretiker nachgesagt, <strong>und</strong> wenn ein<br />

moderner Politiker »über Leichen geht«, um seine Ziele zu<br />

erreichen, bezichtigt ihn der gebildete Kritiker gerne<br />

»machiavellischer Methoden«. Doch im Gegensatz zur Legende<br />

scheint der 1469 geborene Machiavelli ein fre<strong>und</strong>licher <strong>und</strong><br />

ungemein sozial eingestellter Mensch gewesen zu sein, dem das<br />

Wohl seiner Mitbürger sehr am Herzen lag. <strong>Das</strong> Negativste, was<br />

sich aus korrekter historischer Sicht über ihn sagen lässt, ist die<br />

Vermutung, dass er wohl ein Realist war, der die Menschen<br />

nicht rosiger färbte als sie eben waren. Dies führte zu seinen<br />

Ratschlägen an die Herrschenden, in denen er ein geeintes <strong>und</strong><br />

friedliches Land nur unter der Voraussetzung etlicher<br />

Kompromisse für möglich hielt. Seine Maxime scheint es<br />

gewesen zu sein, unter zwei Übeln das kleinere zu wählen - im<br />

Bewusstsein seiner Gegner blieb allerdings nicht der<br />

Kompromiss, sondern nur das ausgewählte Übel haften. Zwar<br />

sind seine Methoden zur Staatssanierung heute höchst<br />

umstritten, doch war Machiavelli ganz sicher kein<br />

unmoralischer Mann, <strong>und</strong> letztlich fühlten sich seine zahlreichen<br />

Feinde wohl in erster Linie durch seine Zweifel an der<br />

menschlichen Moral provoziert. Ihre Reaktion auf seine Ideen<br />

dürfte diese Zweifel allerdings noch verstärkt haben. Auch der<br />

berühmte Ausspruch »Divide et impera« (teile <strong>und</strong> herrsche)<br />

wurde ihm nur in den M<strong>und</strong> gelegt - der Urheber war er<br />

-141-


nachweislich nicht.<br />

M wie Mandeln<br />

Ebenso wie der Blinddarm (siehe Stichwort<br />

»Blinddarmentzündung«) gelten auch die Mandeln als höchst<br />

überflüssig, ihre operative Entfernung ist eher ein notwendiges<br />

Übel als ein wirklicher Verlust. Dies ist jedoch nicht ganz<br />

richtig, denn die moderne Medizin hat ermittelt, dass die<br />

Rachenmandeln vor örtlichen Infektionen schützen <strong>und</strong><br />

entscheidenden Anteil am Kampf gegen die Invasion von<br />

Krankheitserregern haben können. Wenn sie sich allerdings<br />

allzu häufig entzünden, ist es sogar ratsam, sie zu entfernen.<br />

Zum einen haben sie ihre eigene Wirksamkeit damit verloren,<br />

zum <strong>andere</strong>n können sie auch <strong>andere</strong> Organe »anstecken«:<br />

Entzündete Mandeln wirken sich unter Umständen auf die<br />

Augen sowie auf Herz <strong>und</strong> Kreislauf nachteilig aus.<br />

M wie Mann<br />

Weiter geht der erbarmungslose Kahlschlag im Wald der<br />

beliebtesten Vorurteile, <strong>und</strong> an dieser Stelle widmet sich das<br />

vorliegende Buch einem männlichen »Lieblingsirrtum«: <strong>Das</strong><br />

Gehirn <strong>des</strong> Mannes sei größer als das der Frau. Abgesehen<br />

davon, dass die Größe <strong>des</strong> Gehirns für seine Qualität keine<br />

wirkliche Rolle spielt (siehe Stichwort »Gehirn«), ist diese<br />

Behauptung auch noch falsch. Gemessen an den Größen <strong>und</strong><br />

Gewichtsverhältnissen der Körper, haben die Gehirne der<br />

Geschlechter im statistischen Mittel so ziemlich das gleiche<br />

relative Gewicht. Die Grammzahlen schwanken je nach Rasse<br />

<strong>und</strong> Alter - nicht aber nach Männlein oder Weiblein.<br />

-142-


M wie Manna<br />

Der legendäre »Münchner im Himmel« verlangte lautstark<br />

nach seinem »Manna«, schon allein dadurch wird die<br />

legendenumrankte Bedeutung dieser angeblichen »Götterspeise«<br />

auch den bekanntlich unbelehrbaren Preußen klar.<br />

Nun neigt der aufgeklärte Abendländer erfahrungsgemäß<br />

dazu, das Alte Testament nicht allzu wörtlich zu nehmen <strong>und</strong><br />

bezweifelt auch die entsprechenden Textpassagen im 2. Buch<br />

Moses. Dort steht nämlich geschrieben, dass »Manna vom<br />

Himmel« fiel, um die aus Ägypten ausziehenden Juden zu<br />

stärken. Sie dürfen dem »aufgeklärten Abendländer« jetzt eine<br />

lange Nase drehen <strong>und</strong> sagen »Ätsch - möglich wäre es doch«.<br />

Denn die »Mannaflechte«, ein essbares Bodengewächs, das vor<br />

allem in den Steppen <strong>und</strong> Wüsten Nordafrikas zuhause ist, kann<br />

vom Wind leicht abgelöst <strong>und</strong> weite Strecken durch die Luft<br />

getragen werden. <strong>Ei</strong>ne einzige dieser Pflanzen wiegt nicht<br />

einmal ein halbes Gramm, <strong>und</strong> essbar ist sie auch. Also - Manna<br />

kann es durchaus regnen, doch bei aller Euphorie sind wir bereit<br />

einzuräumen, dass diese kugelförmige, federleichte Pflanze<br />

wohl kaum als »göttliche Speise« <strong>und</strong> wohl auch nicht als<br />

Nahrung für ein Heerlager voller Menschen gedient haben<br />

dürfte. <strong>Das</strong> »Manna«, von dem die Bibel spricht, ist wohl eher<br />

der eingedickte Honigtau der Manna-Schildlaus, <strong>und</strong> ob der<br />

jemals vom Himmel fiel, muss bezweifelt werden.<br />

M wie Marathon<br />

Nur selten wird der historische Ursprung <strong>des</strong> Marathon-<br />

Laufes in Zweifel gezogen, <strong>und</strong> dabei gäbe es doch für Skepsis<br />

jede Menge Anlass. So soll ein gewisser Thersippos aus Eroia<br />

im Jahre 490 v. Chr. aus der Ebene um Marathon bis auf den<br />

Athener Marktplatz gerannt sein - nur um den Hauptstädtern die<br />

-143-


Nachricht vom Sieg <strong>des</strong> griechischen Heeres gegen die Perser<br />

mitzuteilen. Auf besagtem Marktplatz - so die Legende soll er<br />

dann nach den Worten »Freut euch, wir haben gesiegt« vor<br />

Erschöpfung tot umgefallen sein.<br />

Mittlerweile haben sich natürlich auch Ethnologen <strong>und</strong><br />

Sportwissenschaftler mit dieser Geschichte beschäftigt <strong>und</strong><br />

übereinstimmend kommen sie zu der Ansicht, dass ein Lauf von<br />

über 40 Kilometern binnen dreier St<strong>und</strong>en für einen normalen<br />

Mann dieser Zeit kaum machbar gewesen wäre. Schließlich<br />

wissen wir spätestens seit der Wiederaufnahme der<br />

Olympischen Spiele, dass die Marathon-Distanz selbst an<br />

ausgezeichnet trainierte <strong>und</strong> spezialisierte Spitzenläufer enorme<br />

Anforderungen stellt, <strong>und</strong> über Thersippos ist lediglich bekannt,<br />

dass er ein einfacher Soldat war. Wesentlich wahrscheinlicher<br />

ist, dass ein leicht verw<strong>und</strong>eter <strong>und</strong> damit nutzloser Krieger auf<br />

einem Pferd oder einem Streitwagen zurückgeschickt wurde,<br />

dass sein Beförderungsmittel im Laufe der vielen Kilometer<br />

seinen Geist aufgegeben hat <strong>und</strong> er die restliche Strecke<br />

schließlich zu Fuß zurücklegte. <strong>Das</strong>s diese Strapazen in<br />

Kombination mit der angeblich glühenden Hitze seiner<br />

Verw<strong>und</strong>ung nicht zuträglich waren, dürfte jedermann<br />

einleuchten. Damit wäre auch sein tödlicher Kollaps nach der<br />

Ankunft zu erklären.<br />

M wie Mars<br />

Seit mittlerweile über 100 Jahren hält sich hartnäckig das<br />

Gerücht, auf dem Mars - unserem Nachbarplaneten - gäbe es<br />

Kanäle. Wilde Spekulationen <strong>und</strong> Theorien ranken sich um<br />

diese vermeintlichen Bauwerke, wobei vor allem deren<br />

regelmäßige <strong>und</strong> scheinbar schachbrettartige Musterung die Mär<br />

von den kleinen grünen Männchen (Kanalarbeitern?) nährte.<br />

Doch eigentlich kam man der Wahrheit schon 1924 auf die<br />

-144-


Spur: Anhand verschiedener psychologischer Experimente wies<br />

der Astronom Kühl nach, dass es sich bei den »Marskanälen«<br />

schlicht um eine optische Täuschung handelt. Sogenannte<br />

»Marsflecken«, die in unregelmäßigen Abständen auf der<br />

Oberfläche <strong>des</strong> Planeten auftauchen <strong>und</strong> auf<br />

Gebirgsverwerfungen oder Tiefebenen gleichermaßen hindeuten<br />

können, verbindet das menschliche Auge ungewollt mit<br />

imaginären Linien. Aufnahmen von Raumsonden, die in den<br />

80er Jahren unter <strong>andere</strong>m auch den Mars photographierten,<br />

beendeten die letzten Hoffnungen der Aliengläubigen: Keine<br />

Spur von Wasser, keine Spur von Kanälen <strong>und</strong> schon gar keine<br />

Spur von intelligenten Lebewesen.<br />

M wie Maulwurf<br />

In zahlreichen kleinen Bildgeschichten ist er verewigt: Der<br />

Maulwurf, der Schrecken aller Gärtner. Doch seinen Ruf als<br />

bösartiger Pflanzenschädling trägt der blinde Nager zu Unrecht,<br />

denn er ist eigentlich ein ausgewiesener Insektenfresser. Wenn<br />

man Maulwurfskanäle immer ausgerechnet unter Pflanzen mit<br />

abgefressenen Wurzeln findet, so liegt das daran, dass der<br />

Maulwurf just hier Jagd auf die wahren Schädlinge gemacht hat:<br />

Pflanzenfressende Würmer.<br />

M wie May<br />

Er war schon ein Fabulierer <strong>und</strong> Lügenbeutel vor dem Herrn:<br />

Der aus Sachsen stammende Fließbandschreiber Karl May. Ihm<br />

verdankt die Welt den Winnetou, er erschuf Kara Ben Nemsi<br />

<strong>und</strong> Hadschi Halef Omar. Fiktion <strong>und</strong> Wirklichkeit vermochte er<br />

manchmal nicht so recht zu trennen <strong>und</strong> behauptete naiven<br />

Fragestellern gegenüber jahrelang, bei seinen Abenteuer-<br />

-145-


Geschichten handele es sich um Reiseerzählungen <strong>und</strong> viel<br />

davon habe er selbst erlebt. Zwar wurde er schon zu Lebzeiten<br />

als Aufschneider entlarvt, doch entgegen der heute<br />

vorherrschenden Ansicht darf man nicht behaupten, Karl May<br />

sei niemals selbst in Amerika gewesen. 1908, im Alter von 66<br />

Jahren, besuchte er erstmals die USA, <strong>und</strong> zwei Jahre später<br />

weilte er in Begleitung seiner Frau Klara noch einige Wochen<br />

im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Seine Romane hatte<br />

er allerdings schon lange vor diesen Reisen veröffentlicht <strong>und</strong><br />

im Nahen Osten, in dem ebenfalls etliche seiner Bücher spielen,<br />

ist er nachweislich nie gewesen.<br />

M wie Mehltau<br />

… hat rein gar nix mit Mehl zu tun, auch wenn Name <strong>und</strong><br />

Aussehen diese Vermutung nahe legen. Der weißliche<br />

Schimmelüberzug auf Blättern leitet seinen Namen vom<br />

mittelhochdeutschen Wort »miltou« ab, wobei »mil« »Honig«<br />

bedeutet <strong>und</strong> das »tou« für Tau steht. <strong>Ei</strong>gentlich heißt der<br />

Mehltau also Honigtau.<br />

M wie Mens sana<br />

Viel Schindluder wurde mit dem Zitat »Mens sana in corpore<br />

sano« getrieben, <strong>und</strong> es mag als gutes Beispiel dafür gelten, wie<br />

die Worte eines Satirikers missgedeutet <strong>und</strong> ihr Sinn ins<br />

Gegenteil verkehrt werden kann. Der Satz <strong>des</strong> römischen<br />

Schriftstellers Juvenal wird heute nämlich nur unvollständig<br />

wiedergegeben - aus dem Zusammenhang gerissen - <strong>und</strong> lautet<br />

eigentlich wie folgt: »Orandum est ut sit mens sana in corpore<br />

sano« (Es wäre zu wünschen, dass in einem ges<strong>und</strong>en Körper<br />

auch ein ges<strong>und</strong>er Geist stecken möge). Juvenal verstand diese<br />

-146-


Textpassage als eine Attacke auf den schon im alten Rom<br />

grassierenden Körperkult <strong>und</strong> Fitnesswahn <strong>und</strong> bezweifelte, dass<br />

Menschen, die soviel Zeit auf ihren Körper verwenden, auch<br />

noch klar denken können. Die Behauptung, dass ein kluger Kopf<br />

über einem perfekten Körper zu sitzen habe, lag weder in<br />

Juvenals Absicht, noch hat sie allzu viel mit der Realität zu tun.<br />

M wie Meuterei<br />

Was ist das verwerflichste Verbrechen auf hoher See?<br />

»Meuterei natürlich«, werden jetzt die meisten von Ihnen sagen,<br />

doch eigentlich gibt es diesen Begriff in der maritimen<br />

Gesetzgebung gar nicht. Im internationalen Seerecht ist lediglich<br />

von einem »Nichtbefolgen dienstlicher Anordnungen« die Rede,<br />

was mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet<br />

werden kann. Der Begriff »Meuterei« taucht also in der Kriegs-<br />

oder Handelsmarine offiziell nicht auf. Zulässig ist er - auch im<br />

juristischen Sinne - bei sogenannten Gefängnisrevolten oder im<br />

Militärstrafrecht, wenn sich mehrere Soldaten der<br />

Gehorsamsverweigerung schuldig machen. In diesen Fällen<br />

spricht die Strafgerichtsbarkeit vom Tatbestand der »Meuterei«.<br />

M wie Mona Lisa<br />

<strong>Das</strong> mutmaßlich berühmteste Gemälde der Welt trägt<br />

wahrscheinlich einen falschen Namen. Denn das mit »Mona<br />

Lisa« betitelte Bild, das zu den Schätzen <strong>des</strong> Pariser Louvre<br />

zählt, zeigt allem Anschein nach gar nicht wie ursprünglich<br />

angenommen - die Frau <strong>des</strong> Kaufmanns Francesco del<br />

Giocondo. Diese hieß zwar Mona Lisa, <strong>und</strong> tatsächlich hat<br />

Leonardo da Vinci auch von ihr <strong>und</strong> ihrem Gatten Portraits<br />

angefertigt, doch diese beiden Bilder gelten als verschollen.<br />

-147-


<strong>Das</strong>s sich der falsche Name dennoch in der Kunstwelt etablieren<br />

konnte, geht auf ein Missverständnis aus dem 16. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

zurück. Damals berichtete der italienische Kunsthistoriker<br />

Vasari, dass da Vinci ein Bild der besagten Kaufmannsgattin<br />

gemalt habe. Dieses »unvergleichliche« Werk befinde sich jetzt<br />

im Besitz <strong>des</strong> französischen Königs.<br />

Doch die Beschreibung, die Vasari weiter von dem Gemälde<br />

gibt, ähnelt dem Louvre-Kunstwerk eigentlich gar nicht. So sei<br />

es »unvollendet« <strong>und</strong> weise eine unglaublich ausdrucksvolle<br />

Augenbrauenpartie auf - Merkmale, die auf die uns bekannte<br />

Mona Lisa gar nicht zutreffen. Offensichtlich hat Vasari 30<br />

Jahre nach da Vincis Tod ein wenig den Überblick verloren <strong>und</strong><br />

zwei Bilder schlicht verwechselt.<br />

Nach vorherrschender Meinung der Kunsthistoriker zeigt da<br />

Vincis Gemälde Isabella von Aragon. Schließlich lebte<br />

Leonardo jahrelang als Hofmaler in ihrer unmittelbaren<br />

Umgebung, <strong>und</strong> zudem weist das berühmte Bild auch etliche<br />

signifikante Ähnlichkeiten mit <strong>andere</strong>n Abbildungen der<br />

Herzogin auf.<br />

M wie Mond<br />

Auf dem Mars gibt es keine Kanäle (siehe Stichwort »Mars«)<br />

<strong>und</strong> auf dem Mond keine Meere. Letztgenanntes dürfte<br />

mittlerweile zwar ins allgemeine Bewusstsein gerückt sein, doch<br />

nach wie vor hält sich das Gerücht, die dunklen Flecken auf der<br />

Mondoberfläche könnten in grauer Vorzeit einmal Wasser<br />

enthalten haben. Nein, nein <strong>und</strong> nochmals nein. Den Mann im<br />

Mond gab es auch als Fischwesen nicht, <strong>und</strong> bei den dunklen<br />

Flecken handelt es sich um Tiefebenen, die aufgr<strong>und</strong> der<br />

umliegenden Berge <strong>und</strong> Krater fast permanent im Schatten<br />

liegen. Manche davon könnten auch auf Meteoriteneinschläge<br />

zurückzuführen sein.<br />

-148-


M wie Mormonen<br />

So mancher Pascha träumt nach wie vor von einem Leben als<br />

Mormone. Gr<strong>und</strong>: Diese dürfen angeblich mehrere Frauen<br />

heiraten. Wir enttäuschen natürlich nur ungern diese<br />

Wunschträume, doch haben sie mit der Realität leider schon<br />

lange nicht mehr viel zu tun. Schon 1890 nämlich verzichtete<br />

die, von Joseph Smith im Jahr 1830 gegründete, Kirche der<br />

»Heiligen der Letzten Tage« auf ihren Anspruch der<br />

Vielweiberei. Bis dato hatten ohnehin nur etwa 20 Prozent der<br />

männlichen Kirchenmitglieder von diesem Privileg Gebrauch<br />

gemacht. Hintergr<strong>und</strong> für den Verzicht waren massive<br />

Interventionen durch die amerikanischen Bun<strong>des</strong>behörden, die<br />

sich mit der legalen Polygamie überhaupt nicht anzufre<strong>und</strong>en<br />

vermochten <strong>und</strong> der Sekte mit weiterführenden Verboten<br />

drohten. Nach gesetzlich anerkanntem Ritus dürfen Mormonen<br />

also nach wie vor nur eine einzige Frau ehelichen <strong>und</strong> haben erst<br />

nach deren Tod oder nach einer Scheidung die Möglichkeit, eine<br />

weitere Ehe einzugehen. Doch »Nebenfrauen« sind von der<br />

Sekte nach wie vor erlaubt, auch wenn sie von Staats wegen<br />

keinen eheähnlichen Status haben. Etwa 10 Prozent der<br />

Mormonen machen von dieser Möglichkeit heute noch<br />

Gebrauch.<br />

M wie Morse<br />

Er war zweifellos einer der ganz großen Amerikaner: Samuel<br />

Morse. <strong>Ei</strong>n brillanter Gelehrter, ein talentierter Maler <strong>und</strong> ein<br />

erfolgreicher Unternehmer. Nur eines war Morse nicht: ein<br />

Erfinder. Die Ironie der Geschichte will es, dass er ausgerechnet<br />

aufgr<strong>und</strong> einer vermeintlichen Erfindung im Gedächtnis der<br />

Menschen blieb, doch zu seiner Ehrenrettung sei gesagt, dass er<br />

sich um die Erfindung <strong>des</strong> »Morseapparats« <strong>und</strong> <strong>des</strong><br />

-149-


»Morsealphabets« sehr große Verdienste erworben hat. Diese<br />

beiden revolutionären Entwicklungen wurden also nicht zu<br />

Unrecht nach ihm benannt.<br />

Blicken wir zurück ins Jahr 1832. Samuel Morse, Sohn <strong>des</strong><br />

berühmten Geistlichen <strong>und</strong> Geographen Jedediah Morse, kehrte<br />

nach einem dreijährigen Europaaufenthalt nach Amerika zurück.<br />

Auf dem alten Kontinent hatte er sich ziemlich erfolglos als<br />

Maler versucht - sein Talent wurde zwar anerkannt, doch zum<br />

finanziellen Durchbruch reichte dies noch lange nicht. Auf der<br />

Schiffsreise erzählte ihm ein Mitreisender von einem vor<br />

kurzem entwickelten Apparat, bei dem man mittels<br />

Magnetismus über eine Kupferdrahtspule einen Impuls am<br />

<strong>andere</strong>n Ende der »Leitung« auslösen könne. Morse besaß<br />

genug Phantasie, um sich die Anwendungsmöglichkeiten eines<br />

solchen Apparates ausmalen zu können. Zurück in den<br />

Vereinigten Staaten suchte er Mitarbeiter, die über genügend<br />

technisches Knowhow verfügten, um seine vagen Pläne Gestalt<br />

annehmen zu lassen. In den beiden jungen Technikern Joseph<br />

Henry <strong>und</strong> Arthur Vail wurde er schließlich fündig, <strong>und</strong><br />

während er an der Universität von New York als ordentlicher<br />

Professor wirkte, bastelten die beiden unermüdlich am ersten<br />

»Telegraphen«. 1838 war dann ein erster Prototyp fertiggestellt,<br />

doch einsatzfähig war dieser noch nicht: Es fehlte nämlich an<br />

einer »Übersetzungsmöglichkeit« für die ausgelösten Impulse,<br />

<strong>und</strong> es dauerte noch weitere Monate, ehe Arthur Vail ein<br />

Zeichensystem aus unterschiedlich langen Strichen entwickelt<br />

hatte: <strong>Das</strong> »Morsealphabet« war erf<strong>und</strong>en.<br />

Vail <strong>und</strong> Henry hatten im Auftrag Samuel Morses gearbeitet.<br />

Er hatte sie finanziert - folgerichtig bekam er das <strong>Pat</strong>ent, <strong>und</strong><br />

nach zähem Ringen konnte er auch die Politiker überzeugen:<br />

1841 ließ der Kongress der USA die erste Telegraphenstrecke<br />

bauen.<br />

-150-


M wie Motten<br />

In den Zeiten der Insektensprays <strong>und</strong> Mottenpülverchen hat<br />

die Angst vor überraschenden Löchern in abgehängter Kleidung<br />

zunehmend an Bedeutung verloren. Doch immer noch kann es<br />

vorkommen, dass Sie im Sakko, das säuberlich im Schrank<br />

verstaut war, unliebsame Bissspuren finden, <strong>und</strong> natürlich lautet<br />

dann der erste Ruf: »Aha - Motten!« Doch verantwortlich für<br />

den Schaden sind in Wirklichkeit nicht die kleinen Falter mit<br />

den gezackten Flügeln, sondern ihre unmündigen Kinder. Denn<br />

nur die Larven der Motten knabbern in ihrer unersättlichen Gier<br />

nach Futter an Teppichen, Stoffen <strong>und</strong> Polstergarnituren - wenn<br />

sie ausgewachsene Motten sind, stellen sie fürs textile Hab <strong>und</strong><br />

Gut keinerlei Bedrohung mehr dar.<br />

M wie Mozart<br />

Legenden ranken sich um Wolfgang Amadeus Mozart,<br />

Legenden der unterschiedlichsten Art. <strong>Ei</strong>ne der beliebtesten<br />

behauptet, Mozart sei Zeit seines Lebens von den Mächtigen<br />

ausgebeutet <strong>und</strong> gedemütigt worden <strong>und</strong> schließlich als<br />

mittelloser <strong>und</strong> entkräfteter Mann gestorben.<br />

Die Wahrheit sieht ein wenig anders aus. Schon als Kind<br />

konnte Mozart für Klavierkonzerte fürstliche Honorare<br />

verlangen <strong>und</strong>, »gemanagt« von seinem Vater, tat er dies auch<br />

nach Kräften. Später berechnete er für eine einzige<br />

Klavierst<strong>und</strong>e den Preis von zwei Gulden, was in etwa dem<br />

Monatslohn eines gewöhnlichen Arbeiters entsprach. Für einen<br />

öffentlichen Auftritt forderte <strong>und</strong> bekam er 1000 Gulden - eine<br />

Summe, die sich bestenfalls mit den heute üblichen Salären<br />

mancher Sportgrößen vergleichen lässt. Sein Jahreseinkommen<br />

belief sich auf umgerechnet knapp 400000 Mark, eine Summe,<br />

mit der es sich gut hätte leben lassen.<br />

-151-


Doch zum einen war Mozart nicht nur ein begnadeter Pianist<br />

<strong>und</strong> Komponist, sondern auch ein »genialer« Verschwender, <strong>und</strong><br />

zum <strong>andere</strong>n verlor er einen erklecklichen Teil seiner<br />

<strong>Ei</strong>nnahmen beim Spiel. Regelmäßig ließ er sich von »guten<br />

Fre<strong>und</strong>en« beim Kartenspiel über den Tisch ziehen <strong>und</strong> so<br />

virtuos er auch am Klavier war, so überaus mittelmäßig war er<br />

am Billardtisch. Da er aber gleichzeitig zu einer gewissen<br />

Selbstüberschätzung neigte, hinderte ihn dies nicht daran, immer<br />

wieder sein Glück gegen stärkere Gegner zu versuchen <strong>und</strong> zu<br />

verlieren.<br />

Bei seinem Tod war Mozart tatsächlich ein armer Mann, doch<br />

nicht etwa missgünstige Adelige hatten ihn still <strong>und</strong> heimlich im<br />

Armengrab verscharren lassen. Verantwortlich dafür war<br />

vielmehr seine Witwe Constanze, die zu Lebzeiten ihres Mannes<br />

auch nicht eben durch Sparsamkeit geglänzt hatte. Aufgr<strong>und</strong> <strong>des</strong><br />

vorhandenen Schuldenberges lehnte sie das Erbe ab, weigerte<br />

sich, für das Begräbnis irgendwelche Zahlungen zu leisten <strong>und</strong><br />

ließ den Körper <strong>des</strong> Genies auf einem Armenfriedhof begraben.<br />

Dort allerdings wurde er wenige Jahrzehnte später wieder<br />

ausgebuddelt <strong>und</strong> anschließend stan<strong>des</strong>gemäß in der<br />

»Prominenten-Ecke« <strong>des</strong> Wiener Zentralfriedhofs noch einmal<br />

beigesetzt.<br />

M wie München<br />

Zwei Versionen gibt's zum Münchner Stadtwappen. Die eine<br />

behauptet, darauf sei das sogenannte »Münchner Kindl«<br />

abgebildet, die <strong>andere</strong> spricht von einem Mönch. Bei<strong>des</strong> ist<br />

falsch. Die Wahrheit liegt - wie so oft - in der Mitte. Denn<br />

tatsächlich handelt es sich bei dem Symbol um eine Art<br />

»graphisches Zwitterwesen« zwischen Mönch <strong>und</strong> Mädchen.<br />

<strong>Ei</strong>n Geistlicher hatte im 13. Jahrh<strong>und</strong>ert das erste offizielle<br />

Stadtwappen geziert - kein W<strong>und</strong>er bei einer Kommune, die im<br />

-152-


Althochdeutschen einfach »Bei den Mönchen« hieß. Erst 1807<br />

wurde der altgediente Tonsurträger, der stets mit Kapuze <strong>und</strong><br />

Bibel in der Hand dargestellt worden war, demontiert: Die<br />

Säkularisation machte die bildliche Darstellung katholischer<br />

Geistlicher zeitweise äußerst unbeliebt. Vorübergehend wurde<br />

ein Löwe zum Wappentier erkoren, doch König Ludwig I.<br />

entschied sich wieder für den Würdenträger, der nun allerdings<br />

harte Konkurrenz bekam. Denn als inoffizielles Symbol war das<br />

»Münchner Kindl« zwischenzeitlich schon sehr beliebt<br />

geworden, <strong>und</strong> schließlich entschieden sich die Stadtväter in der<br />

Mitte <strong>des</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>erts für den unglaublichen Kompromiss:<br />

Dem »Kindl«, das bis dato fröhlich einen Maßkrug gestemmt<br />

hatte, wurde eine Heilige Schrift in die Hand gedrückt, es bekam<br />

Mönchskutte <strong>und</strong> Kapuze übergeworfen <strong>und</strong> wurde damit zum<br />

einzigen zweigeschlechtlichen Humanoiden in einem der<br />

bekanntesten Wappen dieser Welt.<br />

M wie Münchhausen<br />

Und es hat ihn doch gegeben. Der »Lügenbaron«<br />

Münchhausen selbst war keine Lüge oder Erfindung, sondern<br />

eine durchaus reale Gestalt, der der Göttinger Dichter Gottfried<br />

August Bürger zu Weltruhm verhalf. Geboren im Jahre 1720 im<br />

Städtchen Bodenwerder, wurde Karl Friedrich Hieronymus<br />

Freiherr von Münchhausen zunächst Page am Braunschweiger<br />

Hof, als 18jähriger Kürassier im Regiment <strong>des</strong> Prinzen Anton<br />

Ulrich von Braunschweig <strong>und</strong> schließlich wohlhabender<br />

Privatier auf ausgedehnten Ländereien. Seine Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Gäste<br />

pflegte der begabte Erzähler mit augenzwinkernder Heiterkeit<br />

durch fabelhafte Geschichten <strong>und</strong> Lügenmärchen zu erheitern,<br />

<strong>und</strong> einige dieser überlieferten »Stories« benutzte G. A. Bürger<br />

als Gr<strong>und</strong>lage für seine »Lustigen Abenteuer <strong>des</strong> Freiherrn von<br />

Münchhausen«. <strong>Das</strong> Werk erschien 1786 - also noch 13 Jahre<br />

-153-


vor dem Tod <strong>des</strong> adligen Fabulierers, der beim Lesen seiner<br />

ausgeschmückten Anekdoten sicherlich seine helle Freude<br />

gehabt haben wird. Dies aber dürfte der einzige Spaß im Alter<br />

<strong>des</strong> Barons gewesen sein, denn durch Pech <strong>und</strong> einige<br />

Fehlspekulationen hatte er sich um sein gesamtes Vermögen<br />

gebracht <strong>und</strong> starb schließlich einsam <strong>und</strong> verbittert in seiner<br />

Geburtsstadt Bodenwerder.<br />

M wie Muscheln<br />

Nicht nur phantasiebegabte oder hörgeschädigte Zeitgenossen<br />

vermeinen im Inneren einer Strandmuschel das Rauschen <strong>des</strong><br />

Meeres vernehmen zu können. Doch obwohl das Geräusch so<br />

deutlich zu vernehmen ist, ist es doch nicht mehr als eine<br />

akustische Täuschung. Es ist vielmehr das Echo <strong>des</strong> eigenen<br />

Blutes, <strong>des</strong>sen normalerweise unhörbares Rauschen von den<br />

glatten Muschelwänden reflektiert <strong>und</strong> hörbar gemacht wird.<br />

-154-


13. Von Nachtwache bis Nordpol<br />

N wie Nachtwache<br />

Neben dem »Mann mit Goldhelm« ist »Die Nachtwache« das<br />

vermutlich berühmteste Gemälde <strong>des</strong> niederländischen Malers<br />

Rembrandt <strong>und</strong> gleichzeitig ein gutes Beispiel dafür, wie die<br />

Jahre Auffassungen <strong>und</strong> Ansichten verändern können. Als<br />

Rembrandt das Bild 1642 fertiggestellt hatte, wurde er mit<br />

Schimpf <strong>und</strong> Spott überhäuft. Er hatte nämlich die »Compagnie<br />

<strong>des</strong> Hauptmanns Frans Banningh Cocq« gemalt <strong>und</strong> das Bild<br />

auch so betitelt. Doch einige Mitglieder der verewigten<br />

Bürgerwehr fühlten sich völlig falsch wiedergegeben, <strong>andere</strong><br />

monierten, dass zuviel Schatten auf ihre Gesichter falle, <strong>und</strong> mit<br />

den gewählten Farben war eigentlich überhaupt niemand<br />

zufrieden. So geriet es lange Zeit in Vergessenheit <strong>und</strong> setzte in<br />

dunklen Kellergewölben mit der Zeit deutlich <strong>Pat</strong>ina an. 1891<br />

entschloss sich das Amsterdamer Rijksmuseum dann doch, das<br />

Bild auszustellen - schließlich war Rembrandt mittlerweile einer<br />

der anerkanntesten <strong>und</strong> berühmtesten der großen Meister <strong>und</strong><br />

nannte es »Nachtwache«. 1911 stürmte ein junger Wirrkopf auf<br />

das Gemälde zu, <strong>und</strong> bevor er überwältigt werden konnte, hatte<br />

er mit einem Messer schon verheerenden Schaden angerichtet.<br />

Doch aus dem vermeintlichen Unglück wurde durch die<br />

fachk<strong>und</strong>ige <strong>und</strong> liebevolle Restauration ein wahrer Segen. Die<br />

Fachleute entfernten beim sorgfältigen Zusammenflicken<br />

nämlich gleich noch einige Firnisschichten <strong>und</strong> entdeckten, dass<br />

das Bild längst nicht so düster war, wie man lange Zeit vermutet<br />

hatte. Im Gegenteil: <strong>Das</strong> 4,35 Meter breite <strong>und</strong> 3,95 Meter hohe<br />

Kolossalgemälde wies ungeheuer leuchtende Farben auf, <strong>und</strong><br />

schlagartig verwandelte sich die Nacht- in eine »Tagwache«.<br />

-155-


<strong>Das</strong> Bild wurde im weiteren Verlauf <strong>des</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>erts noch<br />

zweimal attackiert, doch heute ist es in Amsterdam wieder in<br />

seiner ganzen Pracht <strong>und</strong> Schönheit zu besichtigen.<br />

N wie Nadelbaum<br />

Der Tannenbaum »grünt« bekanntlich nicht nur zur<br />

Sommerszeit, sondern behält seine schmucke Zier das gesamte<br />

Jahr hindurch. Doch es gibt auch in Deutschland einen<br />

Nadelbaum, der in der kalten Jahreszeit sein »Gefieder« verliert.<br />

Hätten Sie's gewusst? Es ist die Lärche. Sie wirft im Winter ihre<br />

Nadeln ab <strong>und</strong> bildet sie im Frühling neu.<br />

N wie Napoleon<br />

<strong>Ei</strong>nig sind sich alle ernstzunehmenden Historiker darüber,<br />

dass das Ende der napoleonischen Glückssträhne mit dem<br />

ominösen Russlandfeldzug begann. Doch wie so viele große<br />

Männer hatte auch der kleine Korse sofort eine plausible<br />

Entschuldigung parat, um die Niederlage seiner glorreichen<br />

französischen Armee <strong>und</strong> damit sein eigenes Scheitern zu<br />

erklären. Seitdem wurde diese Ausrede vom Gros der<br />

Geschichtsschreiber widerspruchslos übernommen: Der<br />

unerwartet harte russische Winter soll schuld gewesen sein.<br />

Doch die verbreitete Untugend, das eigene Versagen auf die<br />

Unbilden <strong>des</strong> Wetters zu schieben, vermag in diesem Fall<br />

eigentlich nicht zu überzeugen. Denn der betreffende Winter<br />

war keinesfalls härter als gewöhnlich - mit derartigen<br />

Bedingungen hätten die französischen Truppen eigentlich<br />

rechnen müssen. Die große Kälte, die Napoleon in seinen<br />

Erinnerungen notierte, brach in Wahrheit erst wesentlich später<br />

ein - der Feldzug fand zunächst eher bei vergleichsweise<br />

-156-


angenehmer Witterung statt. Ursächlich für die Niederlage war<br />

vielmehr eine miserable Logistik. Zum einen hatte Bonaparte<br />

den Kampfeswillen der russischen Armee offensichtlich<br />

unterschätzt <strong>und</strong> <strong>des</strong>halb hatte sich der Marsch auf Moskau<br />

schon über Gebühr verzögert. Die Armee war also bereits<br />

geschwächt, als sie vor der russischen Hauptstadt stand, <strong>und</strong> als<br />

sich dort abzeichnete, dass deren Mauern längst nicht so einfach<br />

zu erstürmen waren wie vermutet, ging man in einen ziemlich<br />

ungeordneten Rückzug über. Als »Panikreaktion« wird dieser<br />

Aufbruch von Wissenschaftlern heute interpretiert, <strong>und</strong><br />

tatsächlich vergaßen die Verantwortlichen beinahe alles, was<br />

man für eine strategisch sinnvolle Rückwärtsbewegung benötigt<br />

hätte. So hatte die Vorratsabteilung zwar ausreichende Mengen<br />

an Lebensmitteln für die Soldaten im Gepäck, doch mangelte es<br />

an Pferdefutter <strong>und</strong> warmen Decken. Binnen zweier Wochen<br />

krepierten somit Tausende von Vierbeinern elendig an Hunger<br />

<strong>und</strong> Erschöpfung <strong>und</strong> die von ihnen gezogenen Wagen <strong>und</strong><br />

Kanonen fielen fast kampflos dem nachrückenden Feind in die<br />

Hände. Dieser benutzte das unerwartete Geschenk natürlich<br />

dankbar, um den abziehenden Franzosen noch die eigene<br />

Munition hinterher zu schicken, <strong>und</strong> so gelang nur wenigen<br />

Soldaten der Grande Nation der Heimweg. Ganz am Ende dieser<br />

chaotischen Flucht kam es dann wirklich zum Ausbruch jener<br />

großen Kälte, die das Thermometer zeitweise auf unter -20 Grad<br />

sinken ließ. Die Berichte der wenigen Heimkehrer schienen die<br />

Version <strong>des</strong> Kaisers also zu bestätigen - für eine genauere<br />

Überprüfung fehlte den meisten Zeitgenossen ohnehin Muße<br />

<strong>und</strong> Mut.<br />

N wie Nasenbluten<br />

Die verbreitetste Reaktion ist auch die verkehrteste: Bei<br />

Nasenbluten soll man nämlich den Kopf nicht in den Nacken<br />

-157-


legen, weil dem Betroffenen das Blut dann in den Rachen laufen<br />

kann. Besser ist es, sich möglichst aufrecht hinzusetzen <strong>und</strong> den<br />

Kopf nach vorne zu neigen. Um die Blutung zu stoppen, stecken<br />

Sie sich ein Wattebäuschchen oder einen kleinen Teil eines<br />

Papiertaschentuchs ins Nasenloch <strong>und</strong> drücken einige Minuten<br />

dagegen.<br />

N wie Nero<br />

<strong>Ei</strong>n Narr dürfte er gewesen sein, ein schlechter Sänger<br />

obendrein. Den »Tyrannen <strong>und</strong> Despoten« könnte man unter<br />

Umständen auch noch durchgehen lassen, <strong>und</strong> ein richtig netter<br />

Mensch war er auf keinen Fall. Doch eines war Kaiser Nero auf<br />

keinen Fall: ein irrer Brandstifter.<br />

Schon kurz nach Neros Tod waren erste Gerüchte entstanden,<br />

der eigenwillige Kaiser selbst habe im Jahre 64 n. Chr. die<br />

Hauptstadt <strong>des</strong> römischen Reiches eigenhändig in Brand<br />

gesteckt <strong>und</strong> die Schuld anschließend den Christen in die<br />

Schuhe geschoben. Schon der Geschichtsschreiber Tacitus<br />

zitiert diese Vermutung als vages Gerücht, <strong>und</strong> spätestens mit<br />

dem Sieg <strong>des</strong> Christentums (so etwa ab dem fünften<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert) hatte sich die Legende endgültig etabliert. Und<br />

dies, obwohl die Geschichte doch offensichtlich nicht wahr sein<br />

konnte. Am Tag <strong>des</strong> Bran<strong>des</strong> nämlich, am 18. Juli 64, hielt sich<br />

Nero zusammen mit Teilen seines Hofstaats in seinem Landhaus<br />

in Antium auf - r<strong>und</strong> 60 Kilometer von Rom entfernt. Als er in<br />

Rom eintraf, stand die Stadt schon in hellen Flammen, durch die<br />

auch sein eigener Palast <strong>und</strong> seine über alles geliebte<br />

Kunstsammlung in Asche <strong>und</strong> Rauch aufgingen. <strong>Das</strong>s er dafür<br />

selbst verantwortlich gewesen sein soll, ist doch in hohem Maße<br />

unwahrscheinlich.<br />

Es ist sogar überliefert, dass Nero tatkräftig <strong>und</strong> eigenhändig<br />

bei den Löscharbeiten geholfen haben soll <strong>und</strong> den obdachlos<br />

-158-


Gewordenen Tempel, Paläste <strong>und</strong> Gärten über Wochen <strong>und</strong><br />

Monate hinweg als Ausweichquartiere zur Verfügung stellte.<br />

<strong>Das</strong>s er aber mit schaurigschönen Moritaten das brennende Rom<br />

besungen hat, bemerkte kein einziger Zeitgenosse - auch diese<br />

Fabel entstand erst Jahrh<strong>und</strong>erte später. Richtig ist wohl<br />

lediglich, dass Nero ein Mann war, der seine eigenen<br />

musikalischen Fähigkeiten maßlos überschätzte <strong>und</strong> seine<br />

wehrlosen Höflinge <strong>und</strong> Gäste gerne <strong>und</strong> oft mit<br />

selbstkomponierten Liedern »folterte«. Im übrigen galt Nero zu<br />

seiner Zeit als durchaus maßvoller, wenn auch nicht allzu<br />

intelligenter Herrscher. Er hatte eine Vorliebe für alles<br />

Griechische, was sich auch in seinen Prachtbauten manifestierte,<br />

<strong>und</strong> außerdem keinen besonders ausgeprägten Sinn für Politik.<br />

Von grausamen Folterungen, ungewöhnlich vielen<br />

Hinrichtungen oder sexuellen Perversionen in seinem Palast<br />

berichten Zeitzeugen allerdings nicht. Andere Kaiser vor <strong>und</strong><br />

nach ihm hatten schon wesentlich schlimmer gewütet - mit<br />

Caligula darf Nero nun wirklich nicht verglichen werden.<br />

N wie New York<br />

Die Hauptstadt <strong>des</strong> amerikanischen Bun<strong>des</strong>staates New York<br />

ist…? Albany! Und zwar schon seit 1797. Albany, 220<br />

Kilometer nördlich <strong>des</strong> »Big apple«, liegt ebenfalls am Hudson-<br />

River, aber das ist eigentlich schon die einzige Gemeinsamkeit<br />

beider Städte. In Albany dominieren nämlich Ruhe <strong>und</strong><br />

Beschaulichkeit - ähnliches lässt sich von New York nun<br />

wirklich nicht behaupten.<br />

Auch eines der vermeintlichen Wahrzeichen der Stadt können<br />

die Bewohner New Yorks gar nicht für sich reklamieren. Die<br />

»Statue of Liberty« auf »Liberty Island« steht nämlich auf dem<br />

Territorium <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>staates New Jersey.<br />

-159-


N wie Nordkap<br />

Allgemein gilt das Nordkap als nördlichste Landmasse<br />

Europas. Doch auch wenn der Name so schön danach klingt,<br />

haben Vermessungen ergeben, dass die benachbarte Landspitze<br />

der Halbinsel Knivskjellodden dem Nordpol noch r<strong>und</strong> 1700<br />

Meter näher ist als das Nordkap.<br />

N wie Nordpol<br />

Es ist nicht angenehm, große <strong>und</strong> berühmte Männer als<br />

Lügenbeutel entlarven zu müssen, doch im Falle <strong>des</strong><br />

amerikanischen Offiziers Richard E. Byrd kommen wir nicht<br />

darum herum. Dieser hat nämlich zeitlebens behauptet,<br />

zusammen mit seinem Co-Piloten Floyd Bennett als erster<br />

Mensch den Nordpol überflogen zu haben. Am 9. Mai 1926<br />

waren die beiden von Spitzbergen aus gestartet <strong>und</strong> 15 ½<br />

St<strong>und</strong>en später wieder auf ihrem Ausgangsflughafen gelandet.<br />

Für Byrd zahlte sich die angebliche Pionierleistung aus. Er<br />

machte als berühmter Mann in der amerikanischen Marine<br />

schnell Karriere, wurde schließlich sogar Admiral <strong>und</strong> starb<br />

hochgeachtet <strong>und</strong> hochdekoriert mit 68 Jahren an einem<br />

Herzleiden.<br />

Im Jahre 1971 ließ ein gewisser Richard Montegue, Redakteur<br />

einer amerikanischen Wochenzeitung, die Bombe platzen. Er<br />

hatte gründlich nachrecherchiert <strong>und</strong> eine Fülle von Material<br />

zusammengetragen, die einwandfrei bewies, dass Byrd <strong>und</strong><br />

Bennett den Pol unmöglich überflogen haben konnten. Für erste<br />

Zweifel hatte der Flieger selbst gesorgt. Nach der Landung in<br />

Spitzbergen hatte Byrd den atemlos lauschenden Journalisten<br />

nämlich erzählt, dass kurz nach dem Start ein Triebwerk der<br />

dreimotorigen Focker ausgefallen war <strong>und</strong> man phasenweise nur<br />

mit zwei Dritteln der Höchstgeschwindigkeit habe fliegen<br />

können. Nur günstigem Rückenwind sei es zu verdanken<br />

-160-


gewesen, dass man es doch noch bis zum Pol geschafft habe.<br />

<strong>Ei</strong>ne Überprüfung der Wetterkarten ergab jedoch rasch, dass der<br />

entsprechende Wind an jenem Tag unmöglich geweht haben<br />

konnte. Auch hatten Flugexperten schon frühzeitig vermutet,<br />

dass die Strecke vom norwegischen Spitzbergen bis zum<br />

geographischen Pol in den notierten 15 ½ St<strong>und</strong>en unter den<br />

geschilderten Bedingungen kaum zu schaffen war, doch die<br />

aufkommende leise Skepsis wurde als Neid <strong>und</strong> Missgunst<br />

abgetan. Noch weit mehr ins Gewicht als alle theoretischen<br />

Zweifel an der technischen Durchführbarkeit fällt allerdings das<br />

Geständnis, das Co-Pilot Bennett einem <strong>andere</strong>n Flieger<br />

anvertraut hat. Gegenüber dem Norweger Bernt Baichen gab<br />

Bennett zu, dass Byrd nach dem Ausfall <strong>des</strong> Motors den<br />

Versuch abgebrochen habe <strong>und</strong> zunächst wieder in Richtung<br />

Spitzbergen geflogen sei. Als dann aber die beiden <strong>andere</strong>n<br />

Triebwerke keine Schwächen zeigten, kehrte er noch mal um<br />

<strong>und</strong> die beiden flogen insgesamt über 14 St<strong>und</strong>en einfach immer<br />

wieder hin <strong>und</strong> her. Die Route zum Pol noch einmal<br />

einzuschlagen, wagten sie nicht mehr. Baichen wollte dies in<br />

seiner Autobiographie bereits in den 50er Jahren<br />

veröffentlichen, doch Byrds Bruder, der Senator Harry Flood<br />

Byrd, setzte ihn massiv unter Druck, diese Fassung nicht auf den<br />

Markt zu bringen. Statt <strong>des</strong>sen erschien eine »bereinigte«<br />

Ausgabe, in der das Kapitel über Byrds Lüge einfach ausgespart<br />

worden war.<br />

Somit ist nun einwandfrei erwiesen, dass der Norweger Roald<br />

Am<strong>und</strong>sen <strong>und</strong> der Italiener Umberto Nobile zusammen mit<br />

ihrer dreizehnköpfigen Besatzung die ersten waren, die den<br />

Nordpol überquerten. Ihnen gelang das in einem gewaltigen<br />

Luftschiff - ganze drei Tage nach Byrds angeblichem Rekord.<br />

Gestartet waren sie ebenfalls von Spitzbergen aus, <strong>und</strong> nach<br />

70stündiger Fahrt landete das gewaltige Flugobjekt namens<br />

»Norge« in Alaska. Damit hatten Menschen auch zum<br />

allerersten Mal das gesamte Polargebiet überquert.<br />

-161-


O wie Obst<br />

14. Von Obst bis Oscar<br />

Nach dem Genuss von Obst soll man kein Wasser trinken -<br />

diese Regel scheint so lange zu existieren, wie es Mütter <strong>und</strong><br />

Großmütter gibt. Angeblich verursacht nämlich der übermäßige<br />

Genuss kalten Wassers nach dem Äpfelchen arges<br />

Bauchgrimmen - eine Behauptung, die wir jetzt ein für allemal<br />

ins Reich der Fabel verweisen. Allerdings hatte die Warnung bis<br />

vor etlichen Jahrzehnten noch ihre Berechtigung, denn damals<br />

gab es noch keine Kläranlagen <strong>und</strong> selbst das bestmögliche<br />

Trinkwasser war mit Keimen durchsetzt. Diese wiederum<br />

brachten die Früchte im Kindermagen zum Gären, was die<br />

bekannten, höchst unangenehmen Folgen haben konnte: Da<br />

endete ein Tag schon mal auf dem »Donnerbalken«. Heute<br />

jedoch ist unser Trinkwasser in der Regel porentief rein, so dass<br />

wir zumin<strong>des</strong>t in Mitteleuropa auch nach Obstgenuss literweise<br />

Wasser trinken können. In manchen Ländern Afrikas, Asiens<br />

oder Südamerikas sollten Sie da jedoch wesentlich vorsichtiger<br />

sein <strong>und</strong> die mütterliche Mahnung stets im Gedächtnis behalten.<br />

O wie Odyssee<br />

»Ach«, pflegte mein alter Lateinlehrer zu schwärmen, »Sie<br />

hätten Altgriechisch statt dieses stupiden Französisch belegen<br />

sollen. Homers llias, Homers Odyssee im Original sind das<br />

einfach unvergleichliche Werke.« Tja - Herr Brune, diese Werke<br />

mögen tatsächlich unvergleichlich sein <strong>und</strong> vielleicht hätte der<br />

Schreiber dieser Zeilen im Griechischen auch mehr reüssiert als<br />

-162-


in der schwierig auszusprechenden Sprache unserer gallischen<br />

Fre<strong>und</strong>e, doch die beiden von Ihnen zitierten Epen stammen<br />

leider nur zum Teil von Homer. <strong>Ei</strong>nwandfrei erwiesen ist, dass<br />

der »blinde Sänger« Homer zwar die llias verfasst hat, doch die<br />

Odyssee entstand erst Jahrzehnte nach seinem Tod. Allerdings<br />

haben der oder die unbekannten Verfasser sich alle erdenkliche<br />

Mühe gegeben, ganz in Stil <strong>und</strong> Sprache Homers zu bleiben,<br />

doch ganz ist ihnen das nicht gelungen. Sprach- <strong>und</strong><br />

Literaturforscher wiesen anhand etlicher Feinheiten zweifelsfrei<br />

nach, dass sich vor allem die inhaltliche Gliederung deutlich<br />

vom Homerschen Stil unterscheidet, auch wenn sie nicht<br />

weniger eindrucksvoll gelungen ist. Auch weisen winzige<br />

Details - vor allem bei diversen Metaphern - darauf hin, dass an<br />

der Odyssee mehrere Autoren gearbeitet haben müssen.<br />

O wie Ohrwurm<br />

<strong>Ei</strong>n Wort mit zwei Bedeutungen: Zum einen wird mit<br />

»Ohrwurm« eine eingängige Melodie bezeichnet zum <strong>andere</strong>n<br />

ein Wurm, der sich's angeblich gerne im menschlichen Ohr<br />

gemütlich macht. Die Beurteilung der Metapher obliegt uns an<br />

dieser Stelle nicht, doch die zweite Behauptung ist schlichtweg<br />

Unsinn. Zum einen ist der »Ohrwurm« gar kein Wurm, sondern<br />

ein geflügeltes Insekt, zum <strong>andere</strong>n hat er überhaupt keinen<br />

Gr<strong>und</strong>, sich in Menschenohren einzunisten. Er lebt schließlich<br />

von Blättern <strong>und</strong> kleineren Insekten <strong>und</strong> würde unser<br />

Ohrenschmalz in höchstem Maße »unappetitlich« finden. Seinen<br />

Namen hat er von den Hinterflügeln, die einer Hörmuschel sehr<br />

ähnlich sehen.<br />

-163-


O wie Oktober<br />

Der Oktober ist ein häufig missverstandener Monat. Zum<br />

einen ist er in unseren Breiten als nass <strong>und</strong> unfre<strong>und</strong>lich<br />

verschrieen <strong>und</strong> das, obwohl sein Regendurchschnitt unter dem<br />

<strong>des</strong> »Wonnemonats« Mai liegt. Zum zweiten glauben die<br />

meisten Ausländer <strong>und</strong> Norddeutschen immer noch, im Oktober<br />

starte das gleichnamige Münchner Volksfest, obwohl die<br />

»Wiesn« traditionell schon in der letzten Septemberwoche in die<br />

Vollen geht. Und zum dritten ist die sogenannte<br />

»Oktoberrevolution«, die Lenins berühmter Aufruf »An die<br />

Bürger Russlands« einläutete, eigentlich eine November-<br />

Revolution. Denn der gregorianische Kalender wurde in<br />

Russland erst im Februar 1918 eingeführt <strong>und</strong> Lenins<br />

Rotgardisten hatten Petrograd bereits ein halbes Jahr vorher<br />

besetzt. Der Startschuss zur bolschewistischen Revolte fiel nach<br />

der alten Zeitrechnung am 25. Oktober, doch nach dem heute<br />

gültigen Kalender verschiebt sich dieses Datum auf den 7.<br />

November. Doch der Begriff »Oktoberrevolution« hatte sich<br />

schnell eingebürgert warum etwas ändern, was sich bestens<br />

bewährt hat?<br />

O wie Olympische Spiele<br />

Warum ist der Satz »Die nächste Olympiade findet in<br />

So<strong>und</strong>so statt« gr<strong>und</strong>verkehrt?…Geben Sie's auf - da kommen<br />

Sie nie drauf. Im ursprünglichen, altgriechischen Sinn meint das<br />

Wort Olympiade nämlich einen Zeitraum von vier Jahren, der<br />

im Jahr der Spiele begann. Die 25. Olympischen Spiele könnte<br />

man also bestenfalls als »Spiele der 25. Olympiade« bezeichnen,<br />

aber nicht einfach als »Olympiade«.<br />

Mit einem <strong>andere</strong>n Mythos haben wir schon beim Stichwort<br />

»Amateur« gründlich aufgeräumt. Auch die Sportheroen der<br />

-164-


Antike waren nämlich Profis, die sich ihren Lorbeerkranz<br />

angemessen »versilbern« ließen <strong>und</strong> nicht nur um Ruhm <strong>und</strong><br />

Ehre kämpften.<br />

O wie Oscar<br />

Was hat sich Hollywood da nur entgehen lassen: Da hat man<br />

schon einen Filmpreis namens »Oscar«, <strong>und</strong> kein Mensch<br />

kommt auf die Idee, eine spannende Story um einen<br />

großzügigen Gönner zu erfinden, der sich nach dem Hochgenuss<br />

eines grandiosen filmischen Meisterwerks selbst ein Denkmal<br />

setzen wollte <strong>und</strong> die kleine goldfarbene Statue stiftete. Aber<br />

nein, die Wahrheit ist ebenso bekannt wie banal, wenngleich<br />

auch nicht ohne eine gewisse heitere Note. <strong>Ei</strong>nen Stifter namens<br />

»Oscar« hat es nie gegeben - vielmehr glaubte eine betrunkene<br />

Angestellte einer Produktionsfirma in dem kleinen<br />

Goldmännchen eine Abbildung ihres Lieblingsonkels erkennen<br />

zu können <strong>und</strong> der hieß nun einmal Oscar. Die korrekte<br />

Bezeichnung für die Trophäe, die die Akademie der Filmkünste<br />

<strong>und</strong> -Wissenschaften alljährlich in diversen Sparten vergibt,<br />

lautet »Academy Award«. Bis zur Drucklegung dieses Buches<br />

war der Monumentalschinken »Ben Hur« mit elf von zwölf<br />

möglichen Oscars der Rekordhalter. Mit sieben beziehungsweise<br />

neun Oscars folgen »Schindlers Liste« <strong>und</strong> »Der englische<br />

<strong>Pat</strong>ient«.<br />

-165-


15. Von Panama-Hut bis Pyramiden<br />

P wie Panama-Hut<br />

… hat mit Panama nix am Hut. Diese breitkrempige, elegante<br />

Kopfbedeckung für den sommerlichen Flanierer von Welt wird<br />

aus den getrockneten Blättern der sogenannten Panama-Palme<br />

hergestellt. Diese wächst allerdings nicht im<br />

mittelamerikanischen »Kanalstaat«, sondern in Bolivien <strong>und</strong><br />

Peru. Hergestellt werden die Hüte heute zumeist in Ecuador -<br />

dort hatte die Produktion zu Beginn <strong>des</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>erts auch<br />

ihre Ursprünge.<br />

P wie Papagei<br />

Zum Thema »Papagei« gilt es gleich zwei verbreitete<br />

Missverständnisse aufzuklären. Zum einen kann nicht jeder<br />

Papagei sprechen - selbst mit viel Liebe <strong>und</strong> Geduld werden Sie<br />

einige Arten niemals dazu bringen, menschliche Laute<br />

nachzuplappern. Zum <strong>andere</strong>n werden Papageien in der Regel<br />

auch nicht uralt - nur der Kakadu kann im extremen <strong>Ei</strong>nzelfall<br />

die 100-Jahre-Marke knacken. Die übrigen Arten der bunten<br />

Urwaldvögel sterben wesentlich früher, <strong>und</strong> vor allem<br />

Käfigvögel erreichen selten mehr als 30 Jahre.<br />

P wie Pfefferkuchen<br />

Von den Bäckern <strong>des</strong> Mittelalters durfte man bei der<br />

Namensgebung nicht allzu viel Kreativität erwarten, <strong>und</strong> so<br />

-166-


kommt es, dass der Pfefferkuchen seinen Namen einzig <strong>und</strong><br />

allein der Tatsache verdankt, dass bei seiner Erfindung alle<br />

exotischen Gewürze einfach als »Pfeffer« bezeichnet worden<br />

waren. Die wirklichen, damals recht exotischen Zutaten - Zimt,<br />

Nelken, Piment, Safran, Muskat <strong>und</strong> Ingwer - wurden also der<br />

<strong>Ei</strong>nfachheit halber unter dem Begriff »Pfeffer« zusammengefasst.<br />

Wirklichen Pfeffer enthält das leckere<br />

Lebkuchengebäck natürlich nicht - würde wahrscheinlich auch<br />

komisch schmecken.<br />

P wie Pferde<br />

»Liegt ein Pferd auf dem Boden, dann ist es entweder<br />

gestolpert oder tot.« Diesen Satz hört man oft auch von<br />

sogenannten Pferdekennern, die häufig der felsenfesten<br />

Überzeugung sind, ihr vierbeiniger Liebling schlafe stets im<br />

Stehen. Pferde können dies zwar, doch wenn sie sich sicher<br />

genug vor eventuellen Gefahren fühlen - also beispielsweise im<br />

gewohnten Stall - bevorzugen sie zum Schlummern eine<br />

bequemere Haltung: Sie knicken zuerst die Vorderbeine ab <strong>und</strong><br />

lassen sich dann aus dieser »knienden« Position auf die Seite<br />

plumpsen.<br />

P wie Pflanzen<br />

Es gibt Menschen, die reden beruhigend auf ihre<br />

Zimmerpflanzen ein <strong>und</strong> behaupten steif <strong>und</strong> fest, dies bewirke<br />

Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> besseres Wachstum. Ohne das ausführlich zu<br />

begründen, dürfen wir diese abenteuerliche Mär mit Bausch <strong>und</strong><br />

Bogen ins Reich der Fabel verweisen: Ausführliche<br />

Experimente haben ergeben, dass menschliche Gegenwart - so<br />

angenehm <strong>und</strong> zartfühlend sie auch sein mag - von Pflanzen<br />

-167-


jedweder Art ignoriert wird. Doch die wenigsten Hobby-<br />

Botaniker wissen, dass es Pflanzen gibt, die in einem<br />

bestimmten Bereich tatsächlich höchst humanoide Züge<br />

entwickeln können: Wenn sie krank sind, bekommen sie Fieber.<br />

<strong>Das</strong> klingt unglaublich, aber amerikanische Wissenschaftler<br />

haben doch nachgewiesen, dass die Blätter kranker Pflanzen<br />

eine um drei bis fünf Grad höhere Temperatur aufweisen als die<br />

ihrer ges<strong>und</strong>en Artgenossen. Die Begründung für dieses<br />

Phänomen lieferten die Forscher gleich mit. Die Beschädigung<br />

an den Wurzeln führt zu einer massiven Störung bei der<br />

lebensnotwendigen Aufnahme von Wasser, was nicht nur<br />

»Hunger« bedeutet, sondern auch einen Verlust der inneren<br />

Kühlung.<br />

P wie Pilatus<br />

Der arme Pontius Pilatus: Er wäre nun wirklich einer<br />

gewesen, der sich die Hände hätte in Unschuld waschen können,<br />

doch die Christenheit hat ihn schon seit ewigen Zeiten auf dem<br />

Kieker. Der römische Statthalter Judäas soll es gewesen sein,<br />

der Jesus dereinst zum Tod am Kreuz verurteilte. Doch Pilatus<br />

hatte mit der Angelegenheit wirklich kaum etwas zu tun. Er<br />

hatte Jesus zunächst sogar »freigesprochen«, doch der hatte seit<br />

seiner »Rausschmiss-Aktion« im Tempel bei der Jerusalemer<br />

Bevölkerung keine rechte Lobby mehr. Die aufgebrachte<br />

Volksmenge forderte Pilatus ultimativ auf, Jesus dem Urteil <strong>des</strong><br />

sogenannten »Hohen Rats« zu unterstellen, <strong>und</strong> dieser oberste<br />

Gerichtshof der Juden verurteilte den Religionsgründer<br />

schließlich zum Tode. Den Vorsitz dieses Gerichts, <strong>des</strong>sen<br />

Urteil von der römischen Verwaltung aus diplomatischen<br />

Gründen (man wollte keinen Aufstand provozieren)<br />

notgedrungen bestätigt wurde, führte der Hohepriester Kaiphas.<br />

Pilatus hatte nur die unangenehme Aufgabe, das rechtmäßig<br />

-168-


ergangene Urteil vollstrecken zu lassen. Er tat dies wesentlich<br />

weniger grausam, als ihm lange unterstellt wurde. So musste<br />

Jesus entgegen den meisten Schilderungen keineswegs sein<br />

ganzes Kreuz auf Golgathas Höhen schleppen: Historiker<br />

wiesen nach, dass es damals lediglich üblich war, die<br />

Delinquenten den Querbalken tragen zu lassen. Und dass<br />

Pontius Pilatus in diesem Fall vom üblichen Vorgehen abwich,<br />

ist nicht zu vermuten, denn unter Zeitgenossen galt er als<br />

gerechter <strong>und</strong> korrekter Politiker.<br />

P wie Pilze<br />

Insekten - gleich welcher Art - gelten nicht unbedingt als<br />

Krönung der Schöpfung, sondern im allgemeinen als höchst<br />

lästige Lebewesen. Doch abgesehen davon, dass sie für den<br />

biologischen Kreislauf unverzichtbar sind, haben einige von<br />

ihnen dem Menschen auch etwas voraus: Sie züchten nämlich<br />

schon seit Jahrtausenden Pilze. Nun mögen Sie einwenden, dies<br />

sei doch keine große Kunst, doch dem Menschen gelang es erst<br />

kurz vor Drucklegung dieses Buches, nämlich im Februar 1997,<br />

erstmals essbare Pilzkulturen eigenhändig zu züchten. <strong>Ei</strong>n Team<br />

von schwedischen <strong>und</strong> amerikanischen Wissenschaftlern vollzog<br />

dieses höchst komplizierte Experiment unter Laborbedingungen.<br />

Doch beispielsweise die Blattschneider-Ameise erweist sich<br />

schon von jeher als perfekter »Pilzzüchter«, denn sie benutzt<br />

feinzerkaute Pflanzenteile als Nährboden für Pilzkulturen. Beim<br />

Heranwachsen werden bestimmte Stellen der Pflanzen<br />

systematisch abgebissen, <strong>und</strong> die ständige »gärtnerische« Pflege<br />

führt tatsächlich zum gewünschten Wuchs. Auch Termiten<br />

züchten Pilze, wobei sie als Dünger ihren eigenen, sehr<br />

nährstoffreichen Kot benutzen. <strong>Das</strong> Resultat ist eine sehr<br />

spezielle Form, die auf natürlichem Wege nie <strong>und</strong> nimmer<br />

zustande gekommen wäre.<br />

-169-


P wie Piraten<br />

Nicht alle Piraten waren wilde, barbarische Raubritter der<br />

Meere, <strong>und</strong> noch weniger von ihnen waren edle Gestalten, wie<br />

Errol Flynn sie einst verkörperte. Die Wahrheit ist - es gab<br />

solche <strong>und</strong> solche. Neben denjenigen, die unter der<br />

Totenkopfflagge so ziemlich je<strong>des</strong> schwächere Schiff angriffen,<br />

versenkten oder kaperten <strong>und</strong> alles mitnahmen, was nicht niet-<br />

<strong>und</strong> nagelfest war (einschließlich die bedauernswerten Frauen an<br />

Bord - die männlichen Gefangenen wurden zumeist ermordet),<br />

existierten tatsächlich auch die »guten« Piraten. Sie nannten sich<br />

in der Regel »Korsaren« oder »Freibeuter« <strong>und</strong> waren in<br />

offiziellem Auftrag unterwegs. Der berühmteste unter ihnen war<br />

Sir Francis Drake, der es nach seiner Freibeuter-Laufbahn<br />

immerhin zum Vizeadmiral der britischen Flotte brachte <strong>und</strong><br />

vom König für seine Verdienste geadelt wurde. Ausgestattet mit<br />

einem »Kaperbrief« ihrer Regierung, waren die Korsaren damit<br />

beauftragt, den jeweiligen Feind oder Kriegsgegner abseits der<br />

üblichen Routen <strong>und</strong> fernab der großen Seeschlachten zu jagen,<br />

zu schwächen <strong>und</strong> auszurauben. Mit eventuellen Gefangenen<br />

wurde dabei normalerweise höchst ritterlich umgegangen,<br />

wenngleich natürlich bessergestellte Passagiere um die Zahlung<br />

eines Lösegelds nicht herumkamen. Korsaren waren also ein Art<br />

»selbstständige Unternehmer in Sachen Raub«, wobei sie<br />

zwischen 60 <strong>und</strong> 70 Prozent der Beute an ihre jeweilige<br />

Regierung abzuliefern hatten. Der Rest der »Prise« ging zur<br />

Hälfte an den Kapitän - der verbleibende Teil wurde unter der<br />

Mannschaft aufgeteilt. Ihre Blütezeit erlebten Piraten <strong>und</strong><br />

Korsaren zwischen dem 14. <strong>und</strong> dem 19. Jahrh<strong>und</strong>ert, doch auch<br />

heute gibt es (vor allem im südchinesischen Meer) einzelne<br />

Seeräuber, die sich allerdings vor allem an kleinen<br />

Fischerbooten oder wehrlosen Dschunken gütlich tun.<br />

-170-


P wie »Play it again, Sam«<br />

Zumin<strong>des</strong>t diejenigen unter den Cineasten, die den Kultfilm<br />

»Casablanca« schon mehr als dreimal gesehen haben (<strong>und</strong><br />

davon gibt es viele), müssten eigentlich wissen, dass der<br />

berühmte Satz »Play it again, Sam« nie gefallen ist. Weder der<br />

unvergleichliche Humphrey Bogart noch die betörende Ingrid<br />

Bergman hatten diesen Ausspruch in ihrem Text. <strong>Das</strong><br />

angebliche Zitat ist lediglich eine sehr stark verkürzte Version<br />

einer Bergman'schen Aufforderung an den Klavierspieler Sam:<br />

»Play it once, Sam, for old time's sake« (Spiel es noch einmal,<br />

Sam - um der alten Zeiten willen).<br />

P wie Plumpudding<br />

Wie freute sich der Schreiber dieser Zeilen, als ihm die<br />

beleibte Haushälterin zur Feier seines 10. Geburtstags am Abend<br />

einen schönen »Plumpudding« versprach. <strong>Ei</strong>nen ganzen<br />

Schultag lang malte er sich die zweifelsohne süße Köstlichkeit<br />

aus, die ihn am Abend erwarten würde - doch wie groß war<br />

schließlich die Enttäuschung. Denn die kochfreudige Dame war<br />

Britin, <strong>und</strong> leider verstand sie unter »pudding« etwas völlig<br />

<strong>andere</strong>s als der naive Spross der Familie. Dieser bekam nämlich<br />

am Abend eine Mischung aus Mehl, Nierenfett, ein wenig<br />

Hackfleisch, Weißbrot <strong>und</strong> Nüssen serviert. <strong>Das</strong> Ganze wurde<br />

perverserweise auch noch in einer Puddingform zubereitet,<br />

enthielt Sherry <strong>und</strong> wurde mit zuckersüßer Vanillesauce<br />

übergössen. Nach einem Höflichkeitsbissen schützte das<br />

jugendliche Geburtstagskind eine leichte Magenverstimmung<br />

vor (die bei weiterem Verzehr wahrscheinlich auch bittere<br />

Realität geworden wäre) <strong>und</strong> verließ fluchtartig die Küche.<br />

Seitdem weiß der Autor, dass der britische »pudding« nichts mit<br />

der gleichnamigen deutschen Süßspeise gemein hat. Bei »black<br />

-171-


pudding« handelt es sich beispielsweise um eine Art bittere<br />

Blutwurst.<br />

P wie Poker<br />

Nicht etwa in den Saloons von Kalifornien oder Texas ist das<br />

Pokerspiel entstanden, sondern schon vor etwa 3000 Jahren im<br />

alten Persien. <strong>Das</strong> Spiel nannte sich »As« <strong>und</strong> bezog seinen Reiz<br />

schon damals aus der als »Bluffen« bekannten Hochstapelei.<br />

Auf seinem Weg nach Europa fand das Spiel schnell neue<br />

Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> wurde unter <strong>andere</strong>m in Griechenland, Italien <strong>und</strong><br />

Frankreich gepflegt. Von der französischen Version »Boulotte«<br />

leitete sich dann das amerikanische »Poker« in seinen<br />

verschiedenen Varianten ab.<br />

P wie Pompeji<br />

Nicht etwa die heiße Lava <strong>des</strong> Vesuv besiegelte den<br />

Untergang Pompejis, sondern die meisten Bewohner fanden den<br />

Tod durch giftige Dämpfe, die der Vulkan produzierte. Wäre<br />

nämlich der heiße Magmastrom tatsächlich - wie in so manchem<br />

Katastrophenschinken dargestellt - als alles verzehrende<br />

Feuerwalze über die antike Stadt hereingebrochen, so hätten die<br />

Archäologen <strong>des</strong> 19. <strong>und</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>erts kaum noch so gut<br />

erhaltene Überreste der Stadt gef<strong>und</strong>en. Die Lava hätte<br />

vermutlich keinen einzigen Stein auf dem <strong>andere</strong>n gelassen.<br />

Begraben wurde Pompeji im Jahre 79 n. Chr. von einem<br />

gewaltigen Aschenregen, über <strong>des</strong>sen Ausmaß man heute nur<br />

noch spekulieren kann. Fest steht, daß der dunkle »Mantel« über<br />

den Mauern <strong>und</strong> Ruinen (viele Häuser waren schon durch die<br />

Erschütterungen <strong>des</strong> Ausbruchs eingestürzt) fast acht Meter dick<br />

war. Durch heftige Regenfälle, die wahrscheinlich durch die<br />

-172-


egionalen Wetterveränderungen nach der Eruption ausgelöst<br />

wurden, klebte die Asche zu einer zähen Masse zusammen <strong>und</strong><br />

»konservierte« die tote Stadt somit für die Nachwelt.<br />

P wie Potemkinsche Dörfer<br />

... hat es nie gegeben. Sie waren eine böswillige Unterstellung<br />

eines grantigen deutschen Diplomaten namens Heibig <strong>und</strong><br />

wurden von der europäischen Presse <strong>des</strong> 18. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

bereitwillig übernommen <strong>und</strong> verbreitet. Nach einer Reise<br />

durchs russische Hinterland, zu der man den eigenwilligen<br />

Diplomaten nicht eingeladen hatte, verbreitete er eine<br />

abenteuerliche Geschichte. Demnach habe der Fürst Gregor<br />

Alexandrowitsch Potemkin, ein Feldmarschall <strong>und</strong> Baumeister,<br />

seiner Zarin Katharina der Großen falsche Tatsachen<br />

vorgespiegelt. So habe er am Straßenrand »Dörfer« aus<br />

buntbemalten Holzfassaden errichten lassen - lauter<br />

Scheinfassaden ohne Substanz <strong>und</strong> echtes Leben. Abgesehen<br />

von der Frage, ob ein solch ungeheurer logistischer Aufwand<br />

durchführbar gewesen wäre, ohne daß die Zarin davon gehört<br />

hätte, ist es auch sehr unwahrscheinlich, daß sich eine derart<br />

plumpe Täuschung hätte durchführen lassen. Andere<br />

zeitgenössische Quellen berichten jedenfalls an keiner Stelle von<br />

einem derart dreisten Bubenstück Potemkins. Dieser Günstling<br />

der Zarin galt vielmehr als ungeheuer kluger <strong>und</strong> vitaler Mann,<br />

der zahlreiche »echte« Städte begründet hat. Seiner Initiative<br />

sind unter <strong>andere</strong>m Cherson <strong>und</strong> Sewastopol zu verdanken. Daß<br />

die Lüge über die Potemkinschen Dörfer sowohl in Europa als<br />

auch in Moskau selbst so schnell zur eingängigen<br />

»Latrinenparole« wurde, ist nachvollziehbar: Im Westen<br />

beobachtete man den schnellen Aufstieg Russlands zur<br />

Weltmacht mit Argwohn <strong>und</strong> Neid, hatte man den »russischen<br />

Bären« doch zeitlebens als »hinterwäldlerisches, tapsiges<br />

-173-


Dummerchen« dargestellt. Leistungen, wie Potemkin sie<br />

tatsächlich erbrachte, hätten diese Ansicht womöglich<br />

untergraben, <strong>und</strong> da kam es der westeuropäischen Politik gerade<br />

recht, das gepriesene Genie als Hochstapler »entlarven« zu<br />

können. Und in Moskau war man ohnehin neidisch auf den<br />

Feldmarschall, der trotz zahlreicher gegen ihn gesponnener<br />

Intrigen nach wie vor zu den Lieblingen Katharinas gehörte. Die<br />

Zarin selbst hat das Märchen von den Potemkinschen Dörfern<br />

übrigens nie für bare Münze genommen - einigen Andeutungen<br />

in verschiedenen Quellen zufolge soll sie sich darüber sogar sehr<br />

geärgert haben.<br />

P wie Potenz<br />

Wir wollen an dieser Stelle nicht darüber spekulieren, ob es<br />

tatsächlich potenzsteigernde oder erhaltende Mittelchen gibt, die<br />

den männlichen Homo sapiens zu sexuellen Höchstleistungen<br />

anspornen. »Tigerhoden« sind es jedenfalls nicht. Feststellen<br />

müssen wir aber, dass so mancher Mann, der freiwillig auf ein<br />

solches »W<strong>und</strong>ermittel« zurückgreift, es eigentlich gar nicht<br />

nötig hätte. Denn die Ansicht, dass man mit zunehmendem Alter<br />

auch automatisch seine »starre« Männlichkeit einbüße, entbehrt<br />

der Gr<strong>und</strong>lage. So wurde der amerikanische Arzt Dr. James D.<br />

Hullinger im stolzen Alter von 92 Jahren noch Vater - erlebte<br />

sein Kind anschließend allerdings nur noch drei Monate. Ob er<br />

durch den Zeugungsakt seine letzten Reserven verbraucht hat,<br />

wissen wir natürlich nicht, doch ganz sicher ist, dass sehr viele<br />

Männer noch nach ihrem achtzigsten Lebensjahr die Fähigkeit<br />

zum Beischlaf besitzen. Ob sich die rechte »Lust« in diesem<br />

Alter noch einstellt, ist eine <strong>andere</strong> Frage, doch wo kein Wille<br />

vorhanden, ist auch kein Verlust zu beklagen. Theoretisch kann<br />

auch der Senior noch durchaus »seinen Mann stehen« -<br />

medizinisch spricht jedenfalls nichts dagegen.<br />

-174-


P wie Prager Fenstersturz<br />

Der »Prager Fenstersturz« war der Auslöser für den<br />

30jährigen Krieg. Dies ist zwar richtig, doch selbst in<br />

Historikerkreisen wird oft übersehen, dass der »Prager<br />

Fenstersturz« kein einmaliges Ereignis war, sondern dass es 200<br />

Jahre zuvor schon einmal ein fast identisches Geschehen<br />

gegeben hatte. Am 30. Juli 1419 nämlich stürmten Anhänger <strong>des</strong><br />

Reformators Hus das Rathaus der Prager Neustadt <strong>und</strong> warfen<br />

aus Wut über die hussitenfeindliche Politik von König Wenzel<br />

etliche Ratsherren aus den Fenstern. Die daraus entstandenen<br />

Prozesse <strong>und</strong> Verwicklungen mündeten schließlich in die<br />

Hussitenkriege, die bis ins Jahr 1436 andauerten.<br />

Am 23. Mai 1618 dann warfen böhmische Protestanten zwei<br />

Statthalter <strong>des</strong> deutschen Kaisers von einem Fenster der Prager<br />

Burg in den darunter liegenden Graben <strong>und</strong> läuteten damit den<br />

protestantischen Aufstand ein. Der 30jährige Krieg hatte<br />

begonnen.<br />

P wie Pyramiden<br />

Den Begriff »Pyramide« assoziiert man in aller Regel mit<br />

Ägypten, dem Wüstensand <strong>und</strong> dem Nil. Dabei vergisst man<br />

allzu häufig, dass es Pyramiden auch im heutigen Mexico gab<br />

<strong>und</strong> gibt <strong>und</strong> dass die Azteken sogar die allergrößte Pyramide<br />

der Welt errichteten. Unweit <strong>des</strong> Städtchens Cholula - 108<br />

Kilometer südlich <strong>des</strong> Stadtzentrums von Mexico-City - steht<br />

das gewaltige Bauwerk, das allerdings noch immer nicht<br />

vollständig freigelegt wurde. Die Pyramide ist in vier gewaltigen<br />

Stufen angelegt, sie ist 54 Meter hoch <strong>und</strong> umspannt eine<br />

Gr<strong>und</strong>fläche von 18 Hektar. Mit einem Rauminhalt von 3,3<br />

Millionen Kubikmetern ist sie fast ein Drittel größer als die<br />

berühmte Cheops-Pyramide in Ägypten.<br />

-175-


R wie Raben<br />

16. Von Raben bis Ruhrgebiet<br />

Völlig zu Unrecht gelten Raben als schlechte Eltern. Der<br />

Begriff »Rabeneltern« basiert auf der Annahme, dass die<br />

schwarzgefiederten Vögel ihre Brut aus dem Nest werfen, wenn<br />

es ihnen zu lästig wird, die Kleinen durchzufüttern. Doch genau<br />

das Gegenteil ist richtig: Raben sind höchst fürsorgliche Eltern.<br />

Sie leisten beim Ausschlüpfen intensive »Geburtshilfe«, decken<br />

ihre Jungen zärtlich zu, wenn es denen zu kalt wird <strong>und</strong> sorgen<br />

mit rührender Anteilnahme dafür, dass der Nachwuchs niemals<br />

Hunger leidet. Warum sie dennoch so einen schlechten Ruf<br />

haben? Nun - Rabeneltern sorgen tatsächlich dafür, dass ihre<br />

Jungen so schnell wie möglich flügge werden; sobald die<br />

kleinen Raben ihre Flügel gebrauchen können, werden sie auch<br />

schon aus dem Nest geschubst. <strong>Das</strong> hat allerdings nichts mit<br />

Überdruss zu tun, sondern viel mehr mit weiser Voraussicht.<br />

Junge Raben sind nämlich für so manchen Raubvogel ein<br />

gef<strong>und</strong>enes Fressen; um schnell fliehen <strong>und</strong> sich einem<br />

Schwarm angliedern zu können, müssen sie so schnell wie<br />

möglich selbständig werden. In der Regel klappt das auch prima<br />

- jedenfalls hat noch niemand beobachtet, dass die aus dem Nest<br />

geschubsten Jungraben wie Steine zu Boden plumpsen. Zwar<br />

sehen die ersten Flugversuche noch etwas wacklig aus, aber<br />

letztlich behält der Instinkt die Oberhand <strong>und</strong> alle landen sicher<br />

wieder auf dem nächsten Ast.<br />

-176-


R wie Rattenfänger<br />

Wie so viele Volkssagen scheint auch die vom »Rattenfänger<br />

von Hameln« einen wahren Kern zu haben. Am 26. Juni 1284<br />

soll ein eleganter Jüngling in Hameln erschienen sein <strong>und</strong> den<br />

Stadtvätern der rattengeplagten Kommune ein Angebot<br />

unterbreitet haben: Für 1000 Taler wolle er die Stadt von der<br />

Rattenplage befreien. Die Bürger waren einverstanden <strong>und</strong><br />

beobachteten staunend, wie der Fremde mittels einer silbernen<br />

Flöte die Ratten aus ihren Verstecken »heraustrillerte« <strong>und</strong> sie in<br />

die Weser lockte, wo sie allesamt ertranken. Doch dann schien<br />

den Hamelnern der zuvor ausgehandelte Lohn zu hoch zu sein<br />

<strong>und</strong> sie trieben den Fremden aus ihren Toren. Aber der Pfeifer<br />

kam wieder, spielte erneut seine Flöte <strong>und</strong> lockte diesmal 130<br />

Kinder aus dem Osttor, die den Klängen seiner Musik wie<br />

hypnotisiert folgten. Anschließend verschwand er mit dem Zug<br />

der Kinder <strong>und</strong> ward nie mehr gesehen.<br />

So weit die Sage, doch der Studiendirektor Heinrich Spanuth,<br />

ein waschechter Hamelner, mochte sich um 1950 mit dieser<br />

Version der Legende nicht so recht anfre<strong>und</strong>en. <strong>Das</strong> intensive<br />

Studium alter handschriftlicher Quellen <strong>und</strong> Berichte brachte ihn<br />

schließlich auf die richtige Spur. Richtig schien demnach das<br />

genannte Datum zu sein, <strong>und</strong> auch der Auftritt <strong>des</strong> eleganten<br />

jungen Mannes ist verbürgt. Doch hatten die Übersetzer aus dem<br />

Mittelhochdeutschen das Wort »kint« mit dem modernen<br />

»Kind« gleichgesetzt, obwohl es ursprünglich nicht nur<br />

Unmündige bezeichnet hat, sondern auch junge Männer <strong>und</strong><br />

Frauen. Spanuth kam nun zu Hilfe, dass der Würzburger<br />

Stadtarchivar Wolfgang Wann bei seinem Geschichtsstudium in<br />

Prag ebenfalls auf alte Handschriften gestoßen war, die<br />

belegten, dass unweit der mährischen Stadt Brunn zum<br />

fraglichen Zeitpunkt im 13. Jahrh<strong>und</strong>ert eine Stadt namens<br />

Hamlingow gegründet worden war - die slawische Version von<br />

»Hamlingen«, das heute Hameln heißt. <strong>Das</strong> Rätsel war somit<br />

-177-


gelöst: Beim eleganten Jüngling handelte es sich offensichtlich<br />

um einen Werber, der im Auftrag <strong>des</strong> Bischof von Olmütz<br />

unterwegs war. Da um das damalige Hameln seinerzeit akute<br />

Platznot herrschte, hatte der »Rattenfänger« keine Probleme,<br />

junge Leute zu bewegen, ihm in neue Siedlungsgebiete zu<br />

folgen. Am 26. Juni 1284 formierten sich dann tatsächlich die<br />

Aussiedler auf dem Hamelner Marktplatz <strong>und</strong> zogen unter der<br />

Führung <strong>des</strong> legendären Pfeifers durch das Osttor aus der Stadt.<br />

Hameln war allerdings nicht die einzige Stadt, die ihre »Kinder«<br />

in diesen Jahren nach Osten entließ: Insgesamt fast 30000 junge<br />

Männer <strong>und</strong> Frauen folgten der Verlockung <strong>des</strong> wohlfeilen<br />

Lands in Mähren <strong>und</strong> Pommern <strong>und</strong> ließen sich dort nieder.<br />

R wie Rauchen<br />

»Niemand ist intoleranter als ein ehemaliger Raucher«,<br />

behaupten Tabakanhänger oft <strong>und</strong> gerne, <strong>und</strong> um diesen<br />

»leisen« Vorwurf zu widerlegen, möchte der Autor an dieser<br />

Stelle eine Lanze für die Raucher brechen. So ist beispielsweise<br />

die Pauschalverurteilung <strong>des</strong> Rauchens als »stets<br />

ges<strong>und</strong>heitsschädlich« nicht ganz korrekt. Durch den<br />

Zigarettenkonsum nämlich werden - so jedenfalls<br />

wissenschaftliche Studien - Krankheiten wie »Parkinson« <strong>und</strong><br />

»Alzheimer« gebremst oder sogar verhindert. Dabei spielt<br />

wahrscheinlich die Kombination von Nikotin <strong>und</strong> einer<br />

chemischen Substanz namens Acetylcholin, die elektrische<br />

Impulse von Gehirnzelle zu Gehirnzelle leitet, eine<br />

entscheidende Rolle: Der Alterungsprozess der kleinen grauen<br />

Zellen wird verlangsamt.<br />

Dies soll jetzt allerdings nicht bedeuten, dass Nichtraucher<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich früher »verblöden« oder gar, dass Raucher länger<br />

leben. Im Gegenteil - die krebserregende Wirkung <strong>des</strong> Rauchens<br />

ist unumstritten, <strong>und</strong> selbst amerikanische Zigarettenhersteller<br />

-178-


gaben jüngst offiziell zu, dass Glimmstängel süchtig machen.<br />

Doch die wachsende Legion der Nichtraucher führt noch ein<br />

<strong>andere</strong>s Argument für den Tabakverzicht ins Feld, das einer<br />

exakten Prüfung nicht standhält. Der Raucher belastet angeblich<br />

unser Ges<strong>und</strong>heitswesen über Gebühr. Sorry, liebe Tabak-<br />

Gegner, aber wenn man nur die nackten Zahlen zugr<strong>und</strong>e legt,<br />

stimmt dies einfach nicht. Richtig ist, dass ein Raucher im<br />

Schnitt früher <strong>und</strong> häufiger krank wird <strong>und</strong> zu Lebzeiten die<br />

Krankenkassen wesentlich mehr kostet als ein gleichaltriger<br />

Nichtraucher. Traut man den Statistiken, macht der »blaue<br />

Dunst« pro Jahr 100000 Deutsche zu Frühinvaliden <strong>und</strong><br />

verursacht r<strong>und</strong> ein Drittel aller Krebsgeschwüre.<br />

Beeindruckende Zahlen, sicherlich, doch der Raucher stirbt eben<br />

auch wesentlich früher. Langjährige Studien haben ergeben,<br />

dass der Gewohnheitsqualmer im Durchschnitt vier bis sechs<br />

Jahre früher den »Löffel abgibt« - bei Kettenrauchern kann der<br />

Unterschied sogar zwölf Jahre betragen. Dies wiederum<br />

bedeutet, dass die Versicherungen für diese Gruppe ihrer<br />

Mitglieder eine deutlich kürzere Zeitspanne zu sorgen haben<br />

<strong>und</strong> letztlich deutlich günstiger fahren als mit den<br />

nichtrauchenden Versicherten. Hinzu kommt der Aspekt der<br />

Sozialversicherung: Da Zigarettenkonsumenten früher sterben,<br />

haben sie in der Regel zwar kräftig in die Rentenkasse<br />

eingezahlt holen aber häufig - mangels Gelegenheit - kaum noch<br />

etwas heraus. Zählt man dazu nun noch die Tabaksteuer, auf die<br />

der Finanzminister wohl kaum verzichten möchte, muss man<br />

konstatieren, dass Raucher in erster Linie sich selbst schaden.<br />

R wie Reis<br />

Betont schlicht verpackt dient der »braune Reis« heute so<br />

manchem Naturkostladen als Zierde <strong>des</strong> Sortiments. »Besonders<br />

ges<strong>und</strong>« sei er, schwärmt der makrobiotisch ernährte<br />

-179-


Strickpulloverträger hinter dem Ladentisch <strong>und</strong> natürlich<br />

»absolute Vollwert-Nahrung«. Bedauerlicherweise müssen wir<br />

dem sympathischen Vollbart energisch widersprechen. Braunem<br />

Reis fehlen nämlich die wichtigen Vitamine A, C <strong>und</strong> B 12, <strong>und</strong><br />

auch der Gehalt von <strong>Ei</strong>sen <strong>und</strong> Kalzium ist denkbar gering.<br />

Sollten Sie also tatsächlich erwägen, sich einige Wochen nur<br />

von den braunen Körnern ernähren zu wollen, tun Sie's auf<br />

eigene Gefahr: Ges<strong>und</strong> ist es jedenfalls nicht.<br />

R wie Ringe <strong>des</strong> Saturn<br />

Seit seiner Entdeckung zu Beginn <strong>des</strong> 18. Jahrh<strong>und</strong>erts waren<br />

Astronomen überzeugt davon, beim Saturn auf ein einmaliges<br />

Phänomen gestoßen zu sein. In seinen Ausmaßen fast 700mal so<br />

groß wie die Erde, besteht der Planet aus einem relativ<br />

bescheidenen Gaskern <strong>und</strong> einer Tausende von Kilometern<br />

dicken Hülle aus <strong>Ei</strong>s <strong>und</strong> Gas. Insofern ähnelt er dem Jupiter,<br />

doch wie wir alle wissen, ist der Saturn von Ringen umgeben.<br />

Diese sind wahrscheinlich Überreste eines <strong>andere</strong>n<br />

Himmelskörpers, der der Anziehungskraft <strong>des</strong> Riesen nicht<br />

gewachsen war <strong>und</strong> dadurch buchstäblich in Stücke gerissen<br />

wurde.<br />

Doch tatsächlich ist der Saturn nicht der einzige Planet, der<br />

von derartigen Ringen umkreist wird - ja, nicht einmal der<br />

einzige unseres Sonnensystems. 1977 wurde mit Hilfe von<br />

Raumsonden ermittelt, dass auch Uranus <strong>und</strong> Jupiter Ringe<br />

(wenn auch nicht so gewaltige) besitzen, <strong>und</strong> einige Forscher<br />

gehen mittlerweile davon aus, dass sogar die Sonne selbst von<br />

einigen ringförmigen Trümmerteilen umkreist wird.<br />

-180-


R wie Ritter<br />

»Ach, wie ritterlich«, denkt sich die schöne junge Dame mit<br />

den empfindlichen Schuhen, als der jugendlich feurige Galan<br />

sich das Sakko vom Leib reißt, es über die Pfütze legt <strong>und</strong> damit<br />

für ihre trockene Straßenüberquerung sorgt. Doch Gott helfe der<br />

Lady, wenn sich der charmante Kavalier wirklich »ritterlich«<br />

verhält. Dann würde er ihr nämlich wahrscheinlich zunächst die<br />

Perlenkette vom Hals reißen, sie dann unsanft um die Taille<br />

packen, auf seinen breiten Rücken schwingen <strong>und</strong> bei nächster<br />

Gelegenheit den erzwungenen Beischlaf praktizieren. Entgegen<br />

der heute landläufigen Meinung, waren die meisten Ritter<br />

zwischen dem 6. <strong>und</strong> dem 16. Jahrh<strong>und</strong>ert nämlich weder edle<br />

Minnesänger noch tapfere Duellanten, sondern Räuber, Diebe,<br />

Totschläger, Vergewaltiger <strong>und</strong> Tyrannen. Von der Obrigkeit<br />

ursprünglich für zweifelhafte Verdienste auf dem Schlachtfeld<br />

mit dem Rittertitel ausgezeichnet <strong>und</strong> diesen von Generation zu<br />

Generation vererbend, plünderten sie systematisch die kleinen<br />

Leute aus, forderten <strong>und</strong> erhielten von reisenden Kaufleuten<br />

horrende Wegzölle <strong>und</strong> machten auch vor Nonnenschändungen<br />

<strong>und</strong> Menschenhandel nicht halt. Beheimatet waren sie zumeist<br />

auf kleinen Burgen, die sie sich von versklavten Untertanen<br />

hatten errichten lassen, <strong>und</strong> lediglich wenn ein höhergestellter<br />

Adliger sie an ihre kriegerischen Pflichten erinnerte,<br />

unterbrachen sie ihr barbarisches Treiben eine Weile <strong>und</strong><br />

mordeten statt <strong>des</strong>sen auf diversen Schlachtfeldern. <strong>Das</strong><br />

»deutsche Rittertum« erfuhr erst durch den »Allgemeinen<br />

Landfrieden« von Kaiser Barbarossa eine gewisse Besserung,<br />

<strong>und</strong> als der Heilige Stuhl dann zum Kampf gegen die Heiden <strong>des</strong><br />

Morgenlan<strong>des</strong> aufrief, machten sie sich scharenweise zu den<br />

Kreuzzügen auf. Militärisch geführt, entdeckten etliche der<br />

vormaligen Schlächter dadurch eine etwas gesittetere Lebensart,<br />

auch wenn viele lediglich mitgezogen waren, um sich mit der<br />

Kriegsbeute aus dem heiligen Land die eigene Kasse<br />

-181-


aufzufüllen.<br />

<strong>Das</strong> Bild vom »edlen Ritter« geht auf einige wenige<br />

Ausnahmeerscheinungen zurück, wobei hier natürlich in erster<br />

Linie die Artus-Sage zu nennen ist. Die Ritter der legendären<br />

Tafelr<strong>und</strong>e dürften dem heute vorherrschenden Ideal recht nahe<br />

gekommen sein.<br />

R wie Robinson Crusoe<br />

…war beileibe keine reine Erfindung <strong>des</strong> britischen Autors<br />

Daniel Defoe. Allerdings hieß der schicksalsgeplagte Seemann<br />

nicht Robinson, sondern Alexander Selkirk. Der Schotte war im<br />

Jahre 1704 nach einer Revolte an Bord seines Schiffes auf der<br />

Insel Juan Fernandez ausgesetzt worden. Auf dem<br />

menschenleeren <strong>Ei</strong>land, fernab der üblichen Schifffahrtsrouten,<br />

hauste er vier Jahre <strong>und</strong> vier Monate, ehe ihn ein gewisser<br />

Kapitän Jason Rogers von diesem öden <strong>Das</strong>ein erlöste. Rogers<br />

war es auch, der einige Zeit später einen ersten Bericht über das<br />

Inselleben <strong>des</strong> Alexander Selkirk veröffentlichte, diesen Aufsatz<br />

benutzte Defoe für seinen Roman. Allerdings nahm er sich<br />

etliche dichterische Freiheiten heraus. Aus Alexander wurde<br />

Robinson, aus vier Jahren wurden 28, <strong>und</strong> einen gewissen<br />

Freitag hat der »echte Insulaner« auch nie getroffen.<br />

R wie Roland<br />

<strong>Ei</strong>n junger, strahlender Held soll Roland gewesen sein, als er<br />

sich fast allein einer Horde wildentschlossener Barbaren in den<br />

Weg stellte <strong>und</strong> im Sterben noch sein »Rolandshorn« blies, um<br />

die Armee <strong>des</strong> Kaisers zu warnen <strong>und</strong> zur Hilfe zu rufen.<br />

Zeitgenössische Quellen jedoch beweisen, dass große Teile<br />

<strong>des</strong> Rolandslie<strong>des</strong> frei erf<strong>und</strong>en sind. »Hruodland«, ein Neffe<br />

-182-


Karls <strong>des</strong> Großen, hatte diesen bei einem Feldzug gegen die<br />

Mauren begleitet. Bei der Rückkehr über die Pyrenäen wurde<br />

die Nachhut <strong>des</strong> Heeres von einer <strong>Ei</strong>nheit baskischer Christen<br />

überfallen <strong>und</strong> unterlag den Angreifern in einem kurzen, aber<br />

blutigen Scharmützel. Hruodland, ein offensichtlich recht<br />

mittelmäßig begabter Kämpfer <strong>und</strong> weithin unbekannter<br />

Adliger, starb bei diesem Gefecht ebenso wie der Senneschall<br />

<strong>des</strong> Königs, Eggibert, <strong>und</strong> ein gewisser Pfalzgraf Anshel.<br />

Hruodland, zu dieser Zeit Präfekt der Bretagne, wurde wohl<br />

aufgr<strong>und</strong> seiner reichen Erfahrung der Nachhut zugeteilt - so<br />

jung, wie uns das Rolandslied weismachen möchte, kann er<br />

wohl kaum gewesen sein. Im übrigen wird der ganze Vorfall<br />

vom Hofbiographen Karls <strong>des</strong> Großen nur in einem einzigen<br />

Satz erwähnt, <strong>und</strong> <strong>andere</strong> Quellen finden das Ereignis nicht<br />

einmal einer Erwähnung wert. Von einem Rolandshorn ist also<br />

ebenso wenig die Rede wie von einer entscheidenden Attacke<br />

der heidnischen Mauren.<br />

R wie Rom<br />

…gilt wahlweise als »Ewige Stadt« oder als »Die Stadt auf<br />

den sieben Hügeln«. Über die erste, höchst subjektive, Metapher<br />

wollen wir hier nicht urteilen, doch beim zweiten Bild bleibt uns<br />

nichts <strong>andere</strong>s übrig als einzuhaken. Denn entweder hat sich da<br />

jemand ganz gewaltig verzählt oder es liegt ein klarer<br />

»Übertragungsfehler« vor: Schon zu Regierungszeiten<br />

Konstantins (306-337), in denen die Sieben-Hügel-Phrase zum<br />

ersten Mal verwendet wurde, waren es nachweislich min<strong>des</strong>tens<br />

zwölf Hügel, auf denen Rom erbaut worden war. Und wenn man<br />

die Ausdehnung der Stadt heute sieht <strong>und</strong> die Definition <strong>des</strong><br />

Wortes »Hügel« ein bisschen großzügiger auffasst, dann sind es<br />

mittlerweile r<strong>und</strong> 25.<br />

-183-


R wie Romeo <strong>und</strong> Julia<br />

Auch wenn es dem Touristenbüro von Verona in der Seele<br />

weh tun mag: Romeo <strong>und</strong> Julia haben nie gelebt. Die beiden<br />

tragischen Liebenden sind allerdings auch keine Erfindung <strong>des</strong><br />

englischen Dichters Shakespeare, sondern wurden bereits um<br />

1450 vom italienischen Barden Massucio Salernitano ersonnen.<br />

Weitere italienische Poeten griffen den Stoff in der Folgezeit<br />

begeistert auf <strong>und</strong> strickten ihre eigenen Versionen. Erst 1597<br />

veröffentlichte William Shakespeare sein weltberühmtes Drama.<br />

Kompliment dem veronesischen Fremdenverkehrsverband:<br />

Man kann in der norditalienischen Stadt das angebliche Haus<br />

der Julia besichtigen, den Sarg der toten Schönen <strong>und</strong> natürlich<br />

auch Romeos Elternhaus. Nach einem »Echtheitszertifikat«<br />

werden Sie allerdings vergeblich suchen.<br />

R wie Roter Platz<br />

Nicht etwa zu Ehren der dereinst siegreichen Kommunisten<br />

oder der Roten Garden heißt der zentrale Platz Moskaus »Roter<br />

Platz«. Im Russischen lautet die Bezeichnung nämlich<br />

»Krasnaja Plotschtschad«, <strong>und</strong> das Wörtchen »krasnaja«<br />

bedeutet »rot« ebenso wie »schön«. Nun ließe sich sicherlich<br />

trefflich darüber spekulieren, warum »rot« <strong>und</strong> »schön« im<br />

Russischen den gleichen Wortlaut haben, doch können wir dies<br />

getrost den Linguisten überlassen. Der Russe verbindet mit<br />

Moskaus Zentrum jedenfalls einfach »Schöner Platz«.<br />

R wie Rotes Tuch<br />

Allen ängstlichen Spaziergängern sei hiermit ausdrücklich<br />

versichert: Dem Stier auf der Weide ist es völlig egal, welche<br />

-184-


Farbe Ihr Mantel hat. Er kann gelb, grün oder auch knallrot sein.<br />

In der Arena wird der farbenblinde Vierbeiner nämlich nicht<br />

vom grellen Rot <strong>des</strong> Tuchs gereizt, sondern nur durch das wilde<br />

Schwenken <strong>des</strong>selben durch einen zappeligen Torero. Wenn Sie<br />

sich also plötzlich Aug in Aug mit acht Zentnern gehörnter<br />

Masse wiederfinden, sollten Sie vor allem hastige Bewegungen<br />

vermeiden.<br />

R wie ruchlos<br />

Gäbe es eine Zeitmaschine, so würden wir uns über so<br />

manche Wortwahl unserer Vorfahren sehr w<strong>und</strong>ern. <strong>Ei</strong>n<br />

perfektes Beispiel dafür ist das Wort »ruchlos«, das heute für<br />

»gottlos«, »frevelhaft« oder »gemein« steht. Es hatte nämlich<br />

ursprünglich eine völlig <strong>andere</strong> Bedeutung. <strong>Ei</strong>n »ruchloser<br />

Gesell« war bis zum 17. Jahrh<strong>und</strong>ert lediglich ein<br />

»unbekümmerter Bursche« <strong>und</strong> eine »ruchlose Tat« war<br />

höchstens »sorglos« zu nennen. Den negativen »Touch« erhielt<br />

das Wort erst durch die Kirche: Denn »Ruchlosigkeit«<br />

(Sorglosigkeit) gegenüber dem, was heilig ist, wurde natürlich<br />

als Blasphemie empf<strong>und</strong>en.<br />

R wie Ruhrgebiet<br />

Noch heute wird - vor allem von sozialdemokratischen<br />

Politikern - gerne der Irrglauben genährt, das Ruhrgebiet sei<br />

eine reine Arbeiterregion. Tatsache ist, dass nur etwa ein Fünftel<br />

der dortigen Arbeitnehmer im ausgehenden 20. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

noch in Bergbau <strong>und</strong> Industrie beschäftigt sind. Die<br />

überwiegende Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung rechnet<br />

sich zu den Angestellten im Dienstleistungssektor.<br />

Im Sauerland arbeiten prozentual gesehen wesentlich mehr<br />

-185-


Menschen im industriellen Bereich: Teilweise sind es dort<br />

zwischen 30 <strong>und</strong> 50 Prozent.<br />

-186-


S wie Salome<br />

17. Von Salome bis Strauss<br />

Wieder mal eine historische Gestalt mit einem schlechten<br />

Ruf: Salome, so munkelt heute der gläubige <strong>und</strong> einigermaßen<br />

belesene Kirchgänger, war schuld an der Enthauptung Johannes<br />

<strong>des</strong> Täufers. Doch verantwortlich war nicht die schöne Tänzerin,<br />

sondern vielmehr ihre Mutter. Nachzulesen ist dies beim<br />

Evangelisten Markus (6,24.): Der beschreibt nämlich, dass<br />

König Hero<strong>des</strong> von Salomes Tanzkunst so beeindruckt war, dass<br />

er ihr einen Wunsch freistellte. Da das Mädchen offenbar nicht<br />

so recht wusste, was sie sich nun wünschen solle, ging sie <strong>und</strong><br />

fragte - wie es brave Kinder eben tun - ihre Mutti. Die Dame<br />

namens Herodias sagte »<strong>Das</strong> Haupt Johannes <strong>des</strong> Täufers«, <strong>und</strong><br />

tatsächlich war damit das To<strong>des</strong>urteil über Johannes gesprochen.<br />

Warum Salomes Mutter diesen grausigen Wunsch äußerte, ist<br />

beim jüdischen Geschichtsschreiber Flavius Josephus<br />

nachzulesen: Herodias war nämlich ursprünglich die Frau <strong>des</strong><br />

Bruders von König Hero<strong>des</strong>, doch der Monarch war von seiner<br />

schönen Schwägerin so beeindruckt, dass er sie seinem Bruder<br />

einfach wegnahm. Die Dame zeigte sich darüber sehr<br />

geschmeichelt, statt angemessene Gegenwehr zu leisten - <strong>und</strong><br />

genau diese unmoralische Haltung hatte ihr Johannes der Täufer<br />

öffentlich vorgehalten. Dies erboste die schöne Mutter derart,<br />

dass sie seinen Tod forderte.<br />

-187-


S wie Salz<br />

Bis in die jüngste Vergangenheit wurde von wohlmeinenden<br />

Betreuern oder Trainern empfohlen, nach schweißtreibenden,<br />

sportlichen Aktivitäten doch bitteschön etwas Salz zu sich zu<br />

nehmen. Die Begründung: Schweiß entzieht dem Körper Salz.<br />

<strong>Das</strong> ist zwar nicht falsch, doch Salz entzieht dem Körper noch<br />

zusätzlich Flüssigkeit, <strong>und</strong> damit mag dann zwar der<br />

Salzhaushalt wieder ausgeglichen sein - der körpereigene<br />

Wasserhaushalt ist es sicher nicht. Salzzufuhr direkt nach dem<br />

Sport kann sogar zu völliger Entkräftung <strong>und</strong> einem<br />

Kreislaufkollaps führen.<br />

S wie salziger Boden<br />

Viele Kleingärtner beklagen ihren »salzigen Boden« <strong>und</strong><br />

behaupten, darauf könne ohnehin nichts wachsen. Doch manche<br />

Pflanzen fühlen sich gerade auf einem salzreichen Terrain<br />

besonders wohl wie zum Beispiel das Kalisalzkraut, der Queller<br />

oder die Strandnelke. <strong>Ei</strong>nes haben diese Vertreter der Flora<br />

allerdings gemein - sie wirken eher karg <strong>und</strong> sind nicht<br />

unbedingt eine Zier für den gepflegten Vorgarten.<br />

S wie Samowar<br />

Vor allem überzeugte Kaffeetrinker sind der Meinung, der<br />

Samowar sei eine Art »russische Teemaschine«. Teeliebhaber<br />

wissen es natürlich besser, denn bei einem Samowar handelt es<br />

sich um ein zuweilen malerisch geschmücktes, kesselartiges<br />

Gefäß, das über einer Art Grill thront. Im Samowar wird<br />

lediglich das Wasser erhitzt - hochkonzentrierter Tee-Extrakt<br />

-188-


wird in einem Extraschälchen offeriert. Davon schüttet man sich<br />

etwas in die Tasse - die Menge hängt natürlich davon ab, wie<br />

stark Sie ihren Tee wünschen - <strong>und</strong> lässt dann aus dem Samowar<br />

das kochende Wasser darüber laufen.<br />

S wie Sauerstoff<br />

Noch immer herrscht die Meinung, die Atemluft bestünde<br />

zum größten Teil aus Sauerstoff. Wenn dem so wäre, wären wir<br />

alle entweder ständig »high« oder hätten <strong>andere</strong> Atemorgane.<br />

Tatsächlich besteht Luft nämlich zu 78 Prozent aus Stickstoff<br />

<strong>und</strong> nur zu 21 Prozent aus Sauerstoff. <strong>Das</strong> restliche Prozent wird<br />

mit sogenannten »Edelgasen« aufgefüllt: Neon, Helium, Argon -<br />

Kohlensäure <strong>und</strong> Wasserdampf. Übrigens: Auch Wasser enthält<br />

Sauerstoff, denn auch Fische müssen atmen. Sie filtern das<br />

kostbare Gas durch ihre Kiemen in die Körper.<br />

S wie Schinderhannes<br />

Curd Jürgens verkörperte den »Schinderhannes« dereinst als<br />

eine Art »Rächer der Enterbten«, <strong>und</strong> auch zahlreiche Novellen<br />

<strong>und</strong> Romane sehen in dem Räuberhauptmann Johannes Bückler<br />

eine Art deutschen Robin Hood. Der romantischen Verklärung<br />

zum Trotz wiesen Historiker jedoch schon vor geraumer Zeit<br />

nach, dass am ehemaligen Pfer<strong>des</strong>chlachter (damals »Schinder«)<br />

kaum edle Charakterzüge zu entdecken waren. Schon als<br />

15jähriger klaute er Geld <strong>und</strong> Vieh <strong>und</strong> mit 16 Jahren schloss er<br />

sich im Hunsrück einer wilden Räuberbande an. Bereits nach<br />

kurzer Zeit erwies er sich als besonders rücksichtslos <strong>und</strong><br />

wagemutig <strong>und</strong> wurde zu einer Art »Hauptmann« der<br />

gesetzlosen Meute. Nach zahlreichen Diebstählen, Raubzügen<br />

<strong>und</strong> <strong>Ei</strong>nbrüchen, bei denen er wenig Rücksicht auf Leib <strong>und</strong><br />

-189-


Leben seiner Opfer nahm, wurde er 1802 bei Limburg<br />

festgenommen <strong>und</strong> später enthauptet. <strong>Das</strong>s er so schnell zum<br />

Helden verklärt wurde, mag an der Schadenfreude der »kleinen<br />

Leute« gelegen haben. Schließlich klaute der »Schinderhannes«<br />

am liebsten da, wo es etwas zu holen gab, <strong>und</strong> dies war nun<br />

einmal beim reichen Bürgertum oder in adligen Häusern.<br />

S wie Schlaf<br />

Sie kennen das sicherlich: Am Samstag morgen will die<br />

Familie in den Urlaub aufbrechen. Griechenland soll das Ziel<br />

der Reise sein, <strong>und</strong> man hat sich für das Auto als<br />

Transportmittel entschieden. Es steht also eine lange Autofahrt<br />

bevor <strong>und</strong> am Freitag Abend verabschiedet Papi sich schon um<br />

19 Uhr ins Bett. Er will auf Vorrat schlafen. Tja - probieren<br />

kann er's schon, doch klappen wird das nicht. Denn der<br />

menschliche Schlaf kann als »Erholungsphase« nicht<br />

konserviert werden.<br />

Schlaf ist eine Reaktion <strong>des</strong> Körpers auf Müdigkeit, <strong>und</strong> diese<br />

tritt naturgemäß schneller ein, wenn der Körper hohe oder<br />

ungewohnte Belastungen zu verkraften hat. Wenn Sie also am<br />

Morgen vor einer »langen Nacht« einige St<strong>und</strong>en länger liegen<br />

bleiben, schaffen Sie sich keinen Vorrat an. Der Körper ist nach<br />

der üblichen Schlafration nicht mehr müde - es besteht kein<br />

Regenerationsbedürfnis.<br />

<strong>Ei</strong>n weiterer Irrtum zum Thema Schlafen betrifft die Träume.<br />

Egal, wie überzeugend Ihnen manche Zeitgenossen versichern,<br />

sie schliefen absolut traumlos glauben Sie ihnen kein Wort. Dies<br />

würde nämlich bedeuten, dass der Betreffende seine<br />

Hirntätigkeit vollständig eingestellt hat, <strong>und</strong> dies wiederum<br />

hieße, dass er nicht schläft, sondern mausetot ist. <strong>Das</strong>s aber<br />

dennoch viele Menschen glauben, nicht zu träumen, liegt daran,<br />

dass sie sich einfach nicht an ihre Träume erinnern. Denn diese<br />

-190-


haben häufig keine logische Abfolge <strong>und</strong> besitzen damit auch<br />

keinen »roten Faden«, an dem sich das Gedächtnis langfristig<br />

orientieren kann. <strong>Das</strong>s der Mensch allerdings sein Bewusstsein<br />

in den Schlaf »hinüberretten« kann, beweisen etliche<br />

Langzeitstudien. Demnach können besonders willensstarke<br />

Menschen im Verlauf eines Alptraums durchaus wahrnehmen,<br />

dass es sich nur um einen Traum handelt, <strong>und</strong> <strong>des</strong>sen Verlauf<br />

entscheidend ändern oder aufwachen. Und wenn Sie sich an Ihre<br />

Träume erinnern wollen, kann es durchaus helfen, sich dies vor<br />

dem <strong>Ei</strong>nschlafen fest vorzunehmen: <strong>Das</strong> Gehirn wird damit<br />

sozusagen auf Erinnerung programmiert.<br />

S wie Schlangen<br />

Nach statistischen Erhebungen ekeln oder fürchten sich r<strong>und</strong><br />

70% der Deutschen vor Schlangen. Und dies, obwohl unsere<br />

Republik zu den »schlangenärmsten« Gegenden der Welt<br />

gezählt werden darf <strong>und</strong> vor allem die giftigen unter diesen<br />

Reptilien zum größten Teil schon lange ausgerottet sind.<br />

Allerdings gibt es hierzulande nicht - wie oftmals behauptet -<br />

nur eine giftige Schlangenart: Außer der vielzitierten Kreuzotter<br />

existiert vereinzelt auch noch die Juraviper. In der Regel sind<br />

allerdings beide Bisse für einen erwachsenen Menschen nicht<br />

tödlich - kleine Kinder sollten sich jedoch in acht nehmen.<br />

Obwohl das Risiko also minimal ist, lebt die Schlangenphobie<br />

im Volksbewusstsein weiter. In Ermangelung eigener Schlangen<br />

projiziert man seine Ängste nun auf die exotischen Vertreter der<br />

Spezies, <strong>und</strong> so wird beispielsweise behauptet, dass<br />

Riesenschlangen ihre Opfer buchstäblich zu Tode würgen. Diese<br />

Vorstellung mag zwar nahe liegen, doch entspricht sie zumeist<br />

nicht der Realität. <strong>Ei</strong>ne Python oder eine Boa constrictor<br />

nämlich umfassen ihr Opfer zunächst ganz zärtlich, wobei die<br />

Schlange allerdings bei jedem Atemzug der Beute die Schlinge<br />

-191-


ein bisschen enger zieht. Dies dauert eine ganze Weile <strong>und</strong><br />

allmählich geht dann dem hilflosen Gefangenen die Puste aus.<br />

Um ein »Erwürgen« im landläufigen Sinne handelt es sich<br />

allerdings ganz sicher nicht.<br />

Legendenumrankt sind auch die Klapperschlangen, denen<br />

man nachsagt, vor dem tödlichen Biss übermütig zu rasseln. <strong>Das</strong><br />

wäre jedoch ziemlich blöd, denn damit würde das Raubtier<br />

schließlich je<strong>des</strong> mit Hörorganen ausgestattete Beutetier warnen.<br />

Klapperschlangen wollen durch das »Klappern« vielmehr den<br />

gegenteiligen Effekt erzielen: Nicht verwert- oder verdaubare<br />

potentielle Feinde sollen vor der Anwesenheit <strong>des</strong> giftigen<br />

Kriechtieres gewarnt werden. Übersetzen ließe sich das wilde<br />

Rasseln also am ehesten mit: »Mach dich vom Acker oder ich<br />

beiß dich.«<br />

S wie Schnee<br />

Lassen Sie doch bitte mal die folgende Szenerie vor Ihrem<br />

geistigen Auge entstehen: <strong>Ei</strong>n Lawinenopfer, beide Beine<br />

gebrochen, hat sich aus den Schneemassen nach oben gebuddelt<br />

<strong>und</strong> liegt nun in sibirischer Kälte hilflos am steilen Abhang. Die<br />

Minus-Grade fordern ihren Tribut, denn der Verletzte spürt<br />

deutlich, wie manche Körperstellen auskühlen <strong>und</strong> erfrieren.<br />

Doch Rettung naht: <strong>Ei</strong>n Skitourist nähert sich dem<br />

Leidgeprüften <strong>und</strong> wie's der Zufall will, hat er vor Jahrzehnten<br />

einen Erste-Hilfe-Kurs der Bergrettung besucht. Unverzüglich<br />

beginnt er, die erfrorenen Gliedmaßen mit Schnee abzurubbeln.<br />

Sie können sich die Szene vorstellen? Ja? Hätten Sie's<br />

genauso gemacht? Ja? Dann hätte der Verletzte doppeltes Pech<br />

<strong>und</strong> Sie wären der fahrlässigen Körperverletzung schuldig. Zwar<br />

hat man früher tatsächlich behauptet, erfrorene Arme oder Beine<br />

müssten mit Schnee eingerieben werden, doch das war auch<br />

schon früher Blödsinn. Durch den kalten Schnee kommt es<br />

-192-


nämlich zu weiterer Abkühlung. <strong>Ei</strong>gentlich logisch, oder?<br />

Sinnvoll ist es vielmehr, den Verunglückten mit warmen,<br />

trockenen <strong>und</strong> rauen Tüchern abzureiben.<br />

Auch heiße Getränke sind empfehlenswert - vorausgesetzt sie<br />

enthalten keinen Alkohol. Völlig verkehrt wäre es übrigens<br />

auch, die betroffenen Gliedmaßen auf einem mollig warmen<br />

Ofen zu lagern oder sie von einem Heizlüfter intensiv bestrahlen<br />

zu lassen. Damit wären zusätzliche Gewebeverletzungen<br />

vorprogrammiert.<br />

S wie Schokolade<br />

Egal ob sie nun von lila Kühen stammt oder von<br />

pausbäckigen Elitekickern beworben wird: Schokolade ist zwar<br />

nach wie vor beliebt, genießt aber vor allem bei Eltern <strong>und</strong><br />

Erziehern einen denkbar schlechten Ruf. Als leidenschaftlicher<br />

Schokoladenesser sieht sich der Autor demzufolge genötigt,<br />

einige »rufschädigende« Vorurteile aus dem Weg zu räumen.<br />

So ist Schokolade nicht automatisch schlecht für die Zähne.<br />

<strong>Ei</strong>ne Untersuchung <strong>des</strong> renommierten Massachusetts Institute of<br />

Technology hat unlängst ergeben, dass Kakaopulver sogar eine<br />

Kariesbremse ist. Allerdings ist zu bedenken, dass Schokolade<br />

zu etwa 40 Prozent aus Zucker besteht, <strong>und</strong> der ist natürlich<br />

nicht gerade vorteilhaft für unsere Beißerchen. Damit wären wir<br />

schon beim nächsten Punkt. Schokolade macht dick. Na ja -<br />

eigentlich machen alle Süßigkeiten dick, wenn man nicht<br />

rechtzeitig mit dem Essen aufhört, doch Schokolade ist<br />

keineswegs schlimmer als Bonbons, Lakritze oder Zuckerwatte.<br />

Man sollte aber wissen, dass Zucker nicht den Hauptanteil der<br />

schokoeigenen Kalorien ausmacht: 50 Prozent rühren vom Fett<br />

im schmackhaften Riegelchen. Abschließend noch ein<br />

beruhigender Hinweis für alle Leckermäuler im Teeny-Alter:<br />

Schokolade verursacht keine Pickel. Dies ergab bereits in den<br />

-193-


60er Jahren ein Langzeitversuch eines amerikanischen<br />

Mediziners, der eine Gruppe von Teenagern über Wochen<br />

hinweg mit Schokolade geradezu voll stopfte. <strong>Ei</strong>ne <strong>andere</strong><br />

Gruppe bekam ein Ersatzprodukt, das genauso schmeckte <strong>und</strong><br />

aussah, aber eben keine Schokolade war. Am Ende hatten beide<br />

Probandengruppen genauso viel oder genauso wenig Pickel - es<br />

war kein signifikanter Unterschied auszumachen.<br />

S wie Schwarzpulver<br />

<strong>Ei</strong>n deutscher Mönch namens Berthold Schwarz wird in den<br />

meisten Lexika nach wie vor als Erfinder <strong>des</strong> »Schwarzpulvers«<br />

bezeichnet. Doch auch wenn der Nachname <strong>des</strong> Ordensbruders<br />

die Vermutung nahe legt <strong>und</strong> er auch tatsächlich mit diversen<br />

chemischen Experimenten »durchschlagende« Erfolge erzielte,<br />

war die »Geisel der Menschheit« doch nicht seine Erfindung.<br />

Schon die Chinesen verwendeten im 7. <strong>und</strong> 8. Jahrh<strong>und</strong>ert die<br />

Mischung aus Kalisalpeter (ca. 75 Prozent), Holzkohle (ca. 15<br />

Prozent) <strong>und</strong> Schwefel (ca. 10 Prozent) als Antriebsmittel für<br />

ihre Feuerwerkskörper, <strong>und</strong> schon um 1300 war das teuflische<br />

Gemisch auch in Europa bekannt. Der besagte Berthold Schwarz<br />

lebte jedoch erst um 1380, <strong>und</strong> zeitgenössische Chroniken<br />

berichten lediglich, dass er »die chunst aus püchsen zu<br />

schyssen« (die Kunst aus Büchsen zu schießen) verbessert habe.<br />

Die Methode als solche war allerdings vor dem Geistlichen<br />

schon bekannt, wenngleich auch noch nicht allzu verbreitet. Und<br />

selbst den Namen <strong>des</strong> Pülverchens gab es schon vor dem<br />

frommen Mann, denn das »Schwarzpulver« wurde nicht nach<br />

ihm benannt, sondern einfach nach seiner Farbe.<br />

-194-


S wie Schwein<br />

Der Esel gilt gemeinhin als dumm, der Stier als wild <strong>und</strong> das<br />

Schwein als schmuddelig. Des Stieres haben wir uns schon beim<br />

Stichwort »Rotes Tuch« angenommen, den Intelligenz-<br />

Quotienten eines Esels überlassen wir Ihrer Beurteilung - doch<br />

für das Hausschwein werfen wir uns hier in die Bresche.<br />

Entgegen der landläufigen Auffassung sind Schweine nämlich<br />

höchst reinliche Tiere, die möglichst niemals das eigene Nest<br />

beschmutzen. Selbst das häufig zu beobachtende Suhlen im<br />

Schlamm ist nicht etwa eine Vorliebe für dreckigen Matsch,<br />

sondern entspricht einem uralten Instinkt. Die Wildschweine<br />

nämlich wälzten sich, um ihrem Körper eine Kruste aus<br />

Schlamm zu verpassen. Diese bot Schutz gegen lästige<br />

Insektenstiche aller Art <strong>und</strong> hielt zudem noch ordentlich warm.<br />

S wie Schweizer Sprachen<br />

Nicht nur drei, sondern sogar vier Sprachen werden in der<br />

Schweiz gesprochen. Neben Deutsch, Französisch <strong>und</strong><br />

Italienisch existiert auch das sogenannte Rätoromanisch. Diese<br />

als »Bergbauernlatein« verspottete Hinterlassenschaft <strong>des</strong><br />

römischen Weltreichs konnte sich allerdings nur noch in einigen<br />

wenigen abgeschiedenen Alpentälern halten <strong>und</strong> verliert immer<br />

mehr an Bedeutung. Nur noch r<strong>und</strong> 0,5 Prozent der Schweizer<br />

sprechen oder verstehen diese uralte Version <strong>des</strong> Lateinischen.<br />

Und dies, obwohl sie 1938 sogar offiziell zur vierten<br />

Nationalsprache erhoben wurde.<br />

-195-


S wie Schwimmen<br />

Als überzeugter Nichtschwimmer hat sich der Schreiber<br />

dieser Zeilen mit der folgenden Begründung oft <strong>und</strong> gerne vor<br />

dem nachmittäglichen Bad im Baggersee gedrückt: »Ach weißt<br />

du, ich hab' gerade gegessen <strong>und</strong> dann soll man ja nicht<br />

schwimmen. <strong>Das</strong> ist unges<strong>und</strong>«. Zukünftig können Sie eine<br />

derartige Behauptung mit einer lässigen Handbewegung beiseite<br />

schieben, denn sie entbehrt jeder Gr<strong>und</strong>lage. Selbst<br />

Hochleistungsschwimmer drehen direkt nach dem Essen ihre<br />

R<strong>und</strong>en - bislang wurden noch keine ges<strong>und</strong>heitlichen Folgen<br />

entdeckt. Wenn Sie aber nach einem opulenten Festmahl in den<br />

See hüpfen <strong>und</strong> einige flotte Kraulr<strong>und</strong>en drehen, kann Ihnen<br />

durchaus eine gewisse Übelkeit drohen. <strong>Das</strong> würde Ihnen aber<br />

auch beim Fußball, Tennis oder Joggen passieren.<br />

S wie Schule<br />

»Non scholae sed vitae discimus.« Selbst Nicht-Lateiner<br />

kennen diesen Satz <strong>und</strong> seine deutsche Bedeutung: »Nicht für<br />

die Schule, sondern für das Leben lernen wir«, soll der römische<br />

Philosoph Seneca gesagt haben, <strong>und</strong> so mancher Lehrer<br />

rechtfertigt damit heute noch den allerlangweiligsten<br />

Unterrichtsstoff. <strong>Das</strong> nervt - vor allem wenn man bedenkt, dass<br />

Seneca einfach falsch zitiert wird. Der hat nämlich genau das<br />

Gegenteil gesagt: Nicht für das Leben, sondern für die Schule<br />

lernen wir. Irgendein schlauer Pädagoge hat den Satz dann<br />

einfach umgedreht - welch verantwortungsloser Umgang mit der<br />

Klassik. Seneca allerdings würde sich bestätigt fühlen, denn<br />

dem Vernehmen nach hielt er nicht allzu viel von Schulen <strong>und</strong><br />

Lehrern.<br />

-196-


S wie Seepferdchen<br />

Männer müssen (können) keine Kinder kriegen. Dies mag den<br />

einen oder <strong>andere</strong>n männlichen Menschen schmerzen <strong>und</strong> den<br />

<strong>andere</strong>n belasten, doch Tatsache ist, dass es nicht für alle<br />

Lebewesen gilt. Denn bei den Seepferdchen, lustig aufrecht im<br />

Wasser stehenden Fischen mit einer Art Stachelpanzer, legt das<br />

Weibchen seine <strong>Ei</strong>er einfach im Brutbeutel <strong>des</strong> männlichen<br />

Partners ab <strong>und</strong> macht sich dann 'nen schönen Lenz. Im<br />

Brutbeutel wachsen die Jungen - im Höchstfall immerhin r<strong>und</strong><br />

500 Exemplare - dann heran <strong>und</strong> mannhaft erträgt der glückliche<br />

(?) Vater nach r<strong>und</strong> zwei Monaten auch die Geburtswehen.<br />

S wie Sex<br />

Jede Wette: Wenn Sie dieses Buch nach interessanten<br />

Stichworten durchforstet haben, dann sind Sie wahrscheinlich<br />

zunächst bei diesem hängen geblieben. Machen Sie sich nichts<br />

draus - Sex zieht eben immer.<br />

Damit wir Ihre Erwartungen nicht enttäuschen, widerlegen<br />

wir hiermit ein ganz besonders spektakuläres Gerücht: Sexuelle<br />

Enthaltsamkeit erhöht die Lebenserwartung. Quatsch - das<br />

Gegenteil ist wahrscheinlich eher richtig. Unfreiwillige Askese<br />

kann sogar zu Angst oder Zwangsneurosen führen, kann<br />

Impotenz, Frigidität <strong>und</strong> Hysterie zur Folge haben <strong>und</strong> durch<br />

diese Stressfaktoren das Leben deutlich verkürzen. Der<br />

Irrglaube rührt wahrscheinlich daher, dass Mönche <strong>und</strong> Nonnen<br />

im Schnitt tatsächlich deutlich länger leben als ihre weltlichen<br />

Brüder <strong>und</strong> Schwestern. Dies liegt allerdings daran, dass sie<br />

einen wesentlich gesünderen Lebenswandel (ohne Zigaretten,<br />

Drogen oder Alkohol) pflegen <strong>und</strong> sich zum <strong>andere</strong>n freiwillig<br />

zum Verzicht entschlossen haben. Wenn die geistige<br />

Auseinandersetzung nämlich abgeschlossen ist, kann der<br />

-197-


Verzicht auf die Verlockungen <strong>des</strong> Fleisches durchaus eine<br />

stresshemmende Wirkung haben. Wenn Sie allerdings kein<br />

Gelübde abgelegt haben, dürfen Sie ihren Trieben weiter frönen.<br />

Vorausgesetzt, Sie übertreiben's nicht.<br />

S wie Siebenschläfer<br />

Wie die meisten Bauernregeln ist auch der »Siebenschläfer-<br />

Spruch« blanker Nonsens. So soll schlechtes Wetter am 27.<br />

Juni, dem sogenannten »Siebenschläfer-Tag«, bedeuten, dass es<br />

auch die nächsten sieben Wochen schlecht bleibt. Für diese<br />

Theorie gab es allerdings in den vergangenen drei Jahrzehnten<br />

keinen einzigen Beleg, auch wenn die alte Regel durchaus einen<br />

realen Hintergr<strong>und</strong> haben könnte: Schließlich kann eine<br />

Kaltfront aus Westen in dieser Jahreszeit durchaus eine längere<br />

Niederschlagsperiode mit sich bringen, auch wenn es bisher nur<br />

in den allerseltensten Fällen tatsächlich sieben Wochen waren.<br />

Der »Siebenschläfer-Tag« hat seinen Namen übrigens von<br />

einer alten christlichen Legende. So sollen im dritten<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert nach Christus sieben Brüder vor ihren römischen<br />

Verfolgern in eine Höhle bei Ephesus geflüchtet sein. Dort<br />

wurden sie eingemauert, schliefen 200 Jahre lang <strong>und</strong> erstanden<br />

von den Toten dann wieder auf. Wenn Sie an diese Sage<br />

glauben, dürfen Sie auch den Bauernkalender zukünftig für bare<br />

Münze nehmen.<br />

S wie Silbermünzen<br />

… bestehen zumin<strong>des</strong>t hierzulande nicht aus Silber. Vom<br />

Fünfzig-Pfennig-Stück bis zur heutigen Fünf-Mark-Münze<br />

enthält unser »Silbergeld« kein einziges Gramm Silber, sondern<br />

besteht aus sogenannten Kupfer-Nickel-Legierungen. Lediglich<br />

-198-


das alte Fünf-Mark-Stück enthielt bis 1974 noch einen Zwei-<br />

Drittel Silberanteil.<br />

<strong>Ei</strong>ne Ausnahme bilden die sogenannten Gedenkmünzen, die<br />

allerdings kaum als Zahlungsmittel verwendet werden. Deren<br />

Silberanteil entspricht noch den alten Gepflogenheiten. Die<br />

Bezeichnung »Silbergeld« jedenfalls ist de facto überholt.<br />

S wie Sintflut<br />

Und die Bibel hat doch recht: Recht fahrlässig wird heute oft<br />

behauptet, die Sintflut habe niemals stattgef<strong>und</strong>en. Doch bei<br />

Ausgrabungen im ehemaligen Mesopotamien (westlich <strong>des</strong><br />

Persischen Golfs) stießen Archäologen auf F<strong>und</strong>e, die das<br />

Gegenteil zu beweisen scheinen. Sie entdeckten eine<br />

zweieinhalb Meter dicke Lehmschicht mit den Fossilien kleiner<br />

Meerestiere. Für eine Lehmschicht derart gewaltigen Ausmaßes<br />

muss in der betreffenden Region das Wasser über einen längeren<br />

Zeitraum min<strong>des</strong>tens acht bis zehn Meter hoch gestanden haben;<br />

heute geht man davon aus, dass um das Jahr 4000 v. Chr.<br />

tatsächlich eine gewaltige Flutkatastrophe ein Gebiet von etwa<br />

600 Kilometern Länge <strong>und</strong> 160 Kilometern Breite heimgesucht<br />

hat. In der Bibliothek von Ninive entdeckte man außerdem ein<br />

Epos über einen gewissen Utnapischtim, der mit seiner Sippe<br />

auf einer Arche diese Sintflut überlebt haben soll. Stattgef<strong>und</strong>en<br />

hat die Katastrophe also wahrscheinlich wirklich, doch war sie<br />

zumin<strong>des</strong>t regional begrenzt <strong>und</strong> überspülte keineswegs die<br />

ganze Welt. (Sollten Sie Interesse daran haben, eine regionale<br />

Sintflut zumin<strong>des</strong>t literarisch zu erfahren, so empfehlen wir das<br />

höchst amüsante Buch von T. H. White: »Mr. White treibt auf<br />

der reißenden Liffey nach Dublin«, erschienen beim Eugen<br />

Diederichs Verlag.)<br />

-199-


S wie Skalpieren<br />

Diese grausige Praxis bestätigte jahrzehntelang den furchtbar<br />

schlechten Ruf der Indianer, doch die Amerikaner übersahen<br />

dabei geflissentlich, dass es die Weißen waren, die diese<br />

»schlechte Angewohnheit« eingeführt hatten. Historiker nämlich<br />

bezweifeln heute, dass das »Skalpieren« vor der Ankunft der<br />

Europäer in Nord-Amerika überhaupt bekannt war. Berühmt<br />

<strong>und</strong> berüchtigt wurde es erst, nachdem weiße Siedler<br />

Kopfprämien auf Indianer ausgelobt hatten <strong>und</strong> die Abenteurer<br />

der Pionierzeit für jeden mitgebrachten »Skalp« ihren Obulus<br />

erhielten. Diesen »schönen Brauch« übernahmen die Indianer<br />

dann prompt <strong>und</strong> gingen dabei wesentlich konsequenter als ihre<br />

unfreiwilligen Vorbilder zu Werke. Sie betrachteten die Skalps<br />

der getöteten Feinde nämlich als Zeichen kriegerischer Würde<br />

<strong>und</strong> hängten sie sich an die Felle ihrer Wigwams oder an den<br />

Gürtel.<br />

Übrigens war die Jagd nach »Skalps« schon lange vor der<br />

Entdeckung Amerikas ein Thema. Die Skythen, ein antikes,<br />

recht kriegerisches Völkchen, sollen »dem Schädel die Haut<br />

abgezogen haben, indem sie rings um die Ohren einen Schnitt<br />

machten, dann die Haare fassten <strong>und</strong> den Kopf herausschütteln.«<br />

So jedenfalls notierte es der griechische Geschichtsschreiber<br />

Herodot.<br />

S wie Sklaven<br />

Nicht die Europäer <strong>und</strong> schon gar nicht die Amerikaner waren<br />

die Erfinder <strong>des</strong> Sklavenhandels. Die größten Sklavenhändler<br />

waren vielmehr die Araber, die diese barbarische Tradition<br />

schon im 7. Jahrh<strong>und</strong>ert etablierten <strong>und</strong> erst im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

beendeten. 14 bis 15 Millionen Opfer soll die Sklaverei<br />

gefordert haben. Die Europäer begannen erst wesentlich später<br />

-200-


mit dem Sklavenhandel <strong>und</strong> stellten ihn »schon« zu Beginn <strong>des</strong><br />

16. Jahrh<strong>und</strong>erts offiziell wieder ein. Zehn Millionen junge<br />

Afrikaner hatten bis dahin durch die »Kulturnationen« Europas<br />

ihre Freiheit <strong>und</strong> zuweilen auch ihr Leben verloren. <strong>Das</strong>s heute<br />

die Europäer weltweit als Erfinder <strong>des</strong> Handels mit Menschen<br />

gelten, hat einen ebenso simplen wie paradoxen Gr<strong>und</strong>: Sie<br />

behandelten ihre »menschliche Fracht« vergleichsweise besser<br />

<strong>und</strong> damit überlebten wesentlich mehr Sklaven als bei den<br />

Arabern. In den arabischen Nationen starben die Unterjochten<br />

zumeist früh <strong>und</strong> die Männer wurden für gewöhnlich kastriert.<br />

Zum Thema »Sklaverei« ist auch noch anzumerken, dass sie<br />

nicht die Ursache für den amerikanischen Bürgerkrieg war.<br />

Präsident Abraham Lincoln hatte zu Beginn <strong>des</strong> Krieges (1861)<br />

in erster Linie die <strong>Ei</strong>nheit der Nation im Sinn, auch wenn er den<br />

Sklavenhandel schon frühzeitig öffentlich verurteilte. Für den<br />

Süden der USA, auf <strong>des</strong>sen ausgedehnten Baumwollplantagen<br />

die meisten amerikanischen Schwarzen lebten <strong>und</strong> schufteten,<br />

war Lincolns Ablehnung der Sklaverei nur der Tropfen, der das<br />

Fass zum Überlaufen brachte. Die eigentlichen Gründe für den<br />

Versuch der Abspaltung vom Norden lagen in einer tiefen<br />

Rivalität zwischen dem industriellen <strong>und</strong> progressiven Norden<br />

<strong>und</strong> dem konservativen, landwirtschaftlich geprägten Süden.<br />

Nachdem der Sezessionskrieg allerdings ausgebrochen war,<br />

wollte der Norden auch in der Frage der Sklavenhaltung keinen<br />

Fußbreit mehr nachgeben. Lincoln darf sich also zu Recht als<br />

Befreier der Afroamerikaner feiern lassen.<br />

S wie Sonne<br />

Die Planeten drehen sich um die Sonne. <strong>Das</strong> dürfen wir als<br />

bekannt voraussetzen. Doch wussten Sie, dass sich auch die<br />

Sonne selbst bewegt. Mit r<strong>und</strong> 250 Kilometer in der Sek<strong>und</strong>e<br />

rotiert sie um den Mittelpunkt der Milchstraße <strong>und</strong> zusätzlich<br />

-201-


auch noch um ihre eigene Achse. <strong>Ei</strong>ne Umdrehung dauert am<br />

»Äquator« r<strong>und</strong> 27 Tage.<br />

S wie SOS<br />

<strong>Das</strong> international gültige Alarmsignal SOS wird häufig als<br />

Kurzform von »Save our souls« interpretiert. Zugegeben - das<br />

klingt logisch <strong>und</strong> sogar ein wenig poetisch, doch die Erfinder<br />

hatten wesentlich pragmatischere Gründe für ihren Code. Der<br />

Morserhythmus mit drei Punkten, drei Strichen <strong>und</strong> wiederum<br />

drei Punkten lässt sich nämlich aus dem weltweiten<br />

»Wellensalat« besonders gut heraushören <strong>und</strong> bekommt damit<br />

leichter die gebührende Aufmerksamkeit.<br />

S wie Spaghetti<br />

Neben der Pizza gelten die »Spaghetti« als das italienischste<br />

aller Gerichte. Was für ein Schock für den Koch von Venedig,<br />

welch Erschauern für den Gourmet in Verona, wenn er erfährt,<br />

dass die langen Nudeln gar keine Kreation seiner Heimat sind.<br />

Tatsächlich stammen sie aus dem fernen China <strong>und</strong> wurden erst<br />

im 13. Jahrh<strong>und</strong>ert von Marco Polo importiert.<br />

S wie Sphinx<br />

Es gibt zwei bekannte Erklärungen dafür, warum der riesige<br />

steinerne Löwe mit den menschlichen Gesichtszügen - bekannt<br />

als die »Sphinx« <strong>und</strong> fast ebenso populär wie die benachbarten<br />

Pyramiden keine Nase mehr hat. Asterix-Leser bevorzugen die<br />

Version, nach der der dicke Obelix das gigantische Riechorgan<br />

beim Klettern abgebrochen hat - weniger Comicinteressierte<br />

-202-


sprechen von Erosion. Falsch sind beide Theorien, denn<br />

tatsächlich wurde die Nase im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert von türkischen<br />

Soldaten buchstäblich »abgeschossen«. Diese hatten bei ihrem<br />

Ägypten-Feldzug im Tal von Gizeh Zielübungen mit ihrer<br />

Artillerie veranstaltet.<br />

S wie Spinat<br />

Die meisten Kinder hassen ihn, die meisten Eltern füttern ihn:<br />

Spinat. Die Begründung für die kulinarische Quälerei liefern die<br />

Erziehungsberechtigten gleich mit. Spinat enthält angeblich<br />

besonders viel <strong>Ei</strong>sen <strong>und</strong> soll <strong>des</strong>halb für Heranwachsende<br />

besonders ges<strong>und</strong> sein. Tatsächlich sind im gekochten Spinat<br />

ziemlich genau 2,2 Milligramm <strong>Ei</strong>sen enthalten. Zum Vergleich:<br />

Gekochte Bohnen enthalten 2,7 Milligramm, Mandeln bringen<br />

es auf 4,6 <strong>und</strong> Schokolade kann mit 6,7 Milligramm protzen.<br />

Der Irrglauben basiert auf einem schlichten Tippfehler, denn bei<br />

der allerersten Analyse <strong>des</strong> »leckeren«(?) Gemüses rutschte ein<br />

Komma um eine Stelle zu weit nach rechts, was den <strong>Ei</strong>sengehalt<br />

gleich verzehnfachte. Zwar wurde der Irrtum schnell bemerkt<br />

<strong>und</strong> berichtigt, doch hatte sich das Gerücht schon in den Köpfen<br />

festgesetzt. Spinatliebhaber (auch die soll es geben) seien aber<br />

ausdrücklich beruhigt: Ges<strong>und</strong>heitsschädlich ist die grüne<br />

Pampe auch nicht.<br />

S wie Stachelschwein<br />

…trägt seinen Namen völlig zu Unrecht, denn eigentlich hat<br />

es mit Schweinen ungefähr ebenso viel zu tun wie mit See-<br />

Elefanten. <strong>Das</strong> stachelige Tierchen gehört der Familie der<br />

Nagetiere an, dass man es landläufig mit dem Terminus<br />

»Schwein« belegt hat, kommt wahrscheinlich nur von seinen<br />

-203-


ähnlich klingenden Grunzlauten. <strong>Das</strong> r<strong>und</strong> 70 Zentimeter lange<br />

Tier kommt ursprünglich aus Südostasien <strong>und</strong> Afrika <strong>und</strong> wurde<br />

von den Römern nach Südeuropa eingeführt. Bewehrt ist der<br />

harmlose Pflanzenfresser mit bis zu 40 Zentimeter langen,<br />

spitzen Dornen, die sich bei drohender Gefahr aufrichten, um<br />

potentielle Gegner abzuschrecken.<br />

S wie Steine<br />

Entgegen festgefügten Überzeugungen gibt es auch biegsame<br />

Steine. Die Regel sind sie allerdings nicht, wie uns der Test mit<br />

einem beliebigen Flusskiesel eindrucksvoll beweist. Doch im<br />

brasilianischen Regenwald existiert ein Gestein namens<br />

Itakolumit, das sich biegen lässt, als wäre es aus Gummi oder<br />

dünnem Blech. Der glimmerhaltige Sandstein enthält nämlich<br />

gelenkartige, ineinander verzahnte Quarzkristalle, die das<br />

übliche Brechen oder Zerbröseln verhindern.<br />

S wie Steuben<br />

Was haben der ehemalige US-Außenminister Henry<br />

Kissinger, der Fußballjongleur Franz Beckenbauer, das<br />

Fräulein-W<strong>und</strong>er Steffi Graf, der Physiker Albert <strong>Ei</strong>nstein <strong>und</strong><br />

ein gewisser Friedrich Wilhelm von Steuben gemeinsam? Nun -<br />

sie entstammen allesamt deutschen Landen <strong>und</strong> werden von den<br />

Amerikanern dennoch grenzenlos als »quasieinheimische«,<br />

nationale Ikonen verehrt. (Kissinger wurde in Nürnberg<br />

geboren, <strong>Ei</strong>nstein in Ulm.) Wir wollen uns an dieser Stelle<br />

jedoch dem Letztgenannten dieser illustren Reihe widmen.<br />

Friedrich Wilhelm von Steuben, so wird es heute noch an<br />

amerikanischen Colleges gelehrt, war im Siebenjährigen Krieg<br />

der Adjutant <strong>des</strong> deutschen Königs Friedrich der Große, einer<br />

-204-


der besten Fre<strong>und</strong>e <strong>des</strong> Monarchen <strong>und</strong> General der preußischen<br />

Armee. 1777 kam er dann in die USA <strong>und</strong> trat dort in die<br />

Kolonialarmee ein, die er mit preußischem Drill zu militärischen<br />

Höchstleistungen führte <strong>und</strong> deren berühmtester <strong>und</strong><br />

erfolgreichster General er wurde. <strong>Das</strong> Ende der Geschichte ist<br />

absolut richtig, denn Steuben erwarb sich in den USA<br />

tatsächlich große Verdienste um die Unabhängigkeit <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong><br />

<strong>und</strong> starb 1794 als legendäre Gestalt. Der Anfang jedoch ist frei<br />

erf<strong>und</strong>en, denn Steuben war weder General noch <strong>des</strong> Königs<br />

Intimus <strong>und</strong> nicht einmal adlig. <strong>Ei</strong>gentlich hieß »von Steuben«<br />

nur Steube - das »von« hatte sein Großvater hinzugedichtet, der<br />

der Familie auch gleich noch einen hübsch anzusehenden, aber<br />

leider nur frech erdichteten Stammbaum bescherte. <strong>Das</strong>s er<br />

damit über Generationen durchkam, mag schon als kleines<br />

W<strong>und</strong>er gelten, doch dass auch der Rest der »von Steuben«-<br />

Saga nie hinterfragt wurde, ist womöglich noch überraschender.<br />

Tatsächlich hatte der junge Offizier zwar im Siebenjährigen<br />

Krieg gedient, doch war er nicht besonders aufgefallen <strong>und</strong><br />

quittierte den Dienst lediglich als »Kapitän«. Die hohen Orden,<br />

mit denen er angeblich ausgezeichnet worden war, bestanden<br />

nur auf leidlich gefälschten Dokumenten, <strong>und</strong> seine Überfahrt<br />

nach Amerika galt weniger dem großen Ziel <strong>des</strong><br />

Freiheitskampfes, sondern war durch die fehlende persönliche<br />

Perspektive in Europa begründet. <strong>Das</strong>s er die amerikanischen<br />

Revolutionsarmisten so schnell auf Vordermann brachte, ist im<br />

übrigen kein W<strong>und</strong>er. Schließlich rekrutierte sich diese<br />

»Armee« zum Zeitpunkt von Steubens Ankunft aus einem<br />

wilden Haufen ungeübter Freiwilliger, denen preußische<br />

Disziplin <strong>und</strong> militärische Strategien völlig fremd waren.<br />

Steuben war also genau der richtige Mann zur richtigen Zeit am<br />

richtigen Ort.<br />

-205-


S wie Storchschnabel<br />

Mit »Storchschnabel« bezeichnet man nicht den langen<br />

Schnabel <strong>des</strong> »Meister Adebar«, denn dieser müsste korrekt<br />

»Storchenschnabel« betitelt werden. Ohne die Silbe »en« in der<br />

Mitte ist mit dem Wort ein sogenannter »Pantograph« gemeint -<br />

ein Apparat, der Zeichnungen proportional vergrößern oder<br />

verkleinern kann.<br />

S wie Strauß<br />

Abgesehen davon, dass Strauße schnell rennen können (bis zu<br />

80 km/h wurden schon gemessen), glaubt man von ihnen auch<br />

zu wissen, dass sie bei Gefahr den Kopf in den Sand stecken.<br />

Dies jedoch wäre höchst unlogisch, weil sich das Tier damit <strong>des</strong><br />

Vorteils seiner schnellen Beine berauben <strong>und</strong> außerdem<br />

jämmerlich ersticken würde. Schließlich atmet der Strauß, wie<br />

die meisten <strong>andere</strong>n Tiere, bevorzugt mit Organen, die am Kopf<br />

beheimatet sind, <strong>und</strong> diese sind - im Sand vergraben - zur<br />

Regungslosigkeit verdammt. <strong>Das</strong> Gerücht basiert<br />

wahrscheinlich auf einem Beobachtungsfehler, denn häufig<br />

werden Strauße gesehen, die ihren Kopf ganz dicht über dem<br />

Boden halten. Durch <strong>des</strong>sen Vibrationen können sie sich<br />

nämlich ein recht genaues Bild von Menge <strong>und</strong> Ausmaß der<br />

anrückenden Zwei- oder Vierbeiner machen.<br />

-206-


18. Von Tabak bis Traubenzucker<br />

T wie Tabak<br />

<strong>Ei</strong>n verbreiteter Irrtum zum Thema »Tabakgenuss« ist die<br />

Meinung, jeder Tabak enthalte automatisch ein gewisses<br />

Quantum Nikotin. Doch Überzeugungsraucher können seit<br />

geraumer Zeit auf den sogenannten »Atrotabak« zurückgreifen.<br />

Diesen gewinnt man, indem man gewöhnliche Tabakpflanzen<br />

auf Stechapfel- oder <strong>andere</strong> Nachtschattengewächse<br />

»aufpfropft«. Beim »normalen« Tabak nämlich bildet sich das<br />

hochgiftige Nikotin, <strong>des</strong>sen »pure« <strong>Ei</strong>nnahme schon bei Mengen<br />

von wenigen Milligramm tödlich ist, in der Wurzel <strong>und</strong> gelangt<br />

von dort aus in feinen Dosierungen in die Blätter. Bei der<br />

»Pfropf-Methode« ist dies ausgeschlossen. Atrotabak wird<br />

derzeit bevorzugt in Südosteuropa angebaut <strong>und</strong> hat noch einen<br />

angenehmen Nebeneffekt: Samen <strong>und</strong> Blätter <strong>des</strong> Stechapfels<br />

wurden nämlich schon seit jeher zu einer Essenz verarbeitet, die<br />

in Verbindung mit <strong>andere</strong>n Tinkturen entscheidend mithelfen<br />

kann, Asthmaleiden zu mildern. In Kombination mit diesen<br />

<strong>andere</strong>n Wirkstoffen (Ihr Apotheker berät Sie sicher gern) darf<br />

man Atrotabak also mit Fug <strong>und</strong> Recht als »ges<strong>und</strong>«<br />

bezeichnen, <strong>und</strong> Sie können dem<br />

Bun<strong>des</strong>ges<strong>und</strong>heitsministerium mit Ihrer neuen Selbstgedrehten<br />

ein echtes Schnippchen schlagen.<br />

T wie Tanzmaus<br />

Wir sprechen hier nicht von rheinischen »Gardemädeln« oder<br />

besonders ausdauernden Disco-Queens: Nein, die Tanzmaus, die<br />

-207-


hier gewürdigt werden soll, ist eine echte Maus. Allerdings ist<br />

nicht je<strong>des</strong> dieser possierlichen Tiere automatisch eine<br />

»Tanzmaus«, sobald es dressiert wurde. Zwar kann theoretisch<br />

jeder kleine Nager mit entsprechender Zuwendung dazu<br />

gebracht werden, »Männchen« zu machen oder bestimmte<br />

Pirouetten zu drehen, doch die »Berufsbezeichnung Tanzmaus«<br />

gebührt ausschließlich einer japanischen Mutation. Durch eine<br />

genetisch bedingte Missbildung im inneren Gehörgang ist bei<br />

diesen Tieren der Gleichgewichtssinn erheblich gestört, so dass<br />

sie dazu neigen, ständig im Kreis herumzulaufen. Manchmal<br />

drehen sich die kleinen Racker auch wie wild auf der Stelle, <strong>und</strong><br />

wenn man dazu flotte Musik auflegt, wirkt es tatsächlich so, als<br />

würde das Mäuschen tanzen.<br />

T wie Taschentuch<br />

Respektlos schnäuzen wir im Schnupfenfall<br />

infektionsgeplagten Bazillenmutterschiffe ins Taschentuch <strong>und</strong><br />

geben uns der Überzeugung hin, dass es dazu schließlich auch<br />

erf<strong>und</strong>en worden sei. Falsch, denn ursprünglich war das zarte<br />

Stofftuch ausschließlich für dekorative Zwecke gedacht. Als es<br />

im 15. Jahrh<strong>und</strong>ert in Italien modern wurde, diente der helle<br />

Stofffetzen in erster Linie dazu, geziertes Gestikulieren anmutig<br />

zu untermalen. Erst in der Mitte <strong>des</strong> 18. Jahrh<strong>und</strong>erts wurde das<br />

Ziertuch dann allmählich prosaischeren Zwecken zugeführt, ehe<br />

es zwischenzeitlich erneut zur Dekoration mutierte: Die<br />

Herrenmode versah den Gentleman mit einem farblich exakt<br />

abgestimmten Tüchlein in der Brusttasche <strong>des</strong> Sakkos, in das<br />

zumeist auch noch das persönliche Monogramm eingestickt war.<br />

Zum Schnäuzen viel zu schade!<br />

-208-


T wie Tauben<br />

Warum ausgerechnet die Tauben zum Friedenssymbol<br />

ernannt wurden, weiß wahrscheinlich nicht einmal der Geier.<br />

Allerdings ist diese Symbolik keine Erfindung unserer Tage.<br />

<strong>Ei</strong>ne Taube unterrichtete Noah mittels Ölzweig vom Ende der<br />

Sintflut, Tauben steigen seit alters her aus den Zylindern <strong>und</strong><br />

Hüten der Zauberer <strong>und</strong> im Orient galt das Töten einer Taube<br />

Jahrh<strong>und</strong>erte lang als Sakrileg ersten Ranges. Besonders<br />

friedlich sind Tauben jedoch nicht, denn Verhaltensforscher<br />

haben ermittelt, dass bei ihnen eine strenge »Hackordnung«<br />

herrscht: Der Stärkere setzt seine vermeintlichen Rechte<br />

durchaus auch mit Gewalt durch <strong>und</strong> der spitze Schnabel wird<br />

gegen <strong>andere</strong>, kleinere Vögel gerne als Waffe verwendet.<br />

T wie Teflon<br />

Kommt man heute auf die enormen Kosten der bemannten<br />

Raumfahrt zu sprechen, rechtfertigen Befürworter <strong>des</strong><br />

»Abenteuers Weltraum« ihre Vorliebe zumeist mit dem<br />

angeblichen Nutzen der schwerelosen Forschung. Als<br />

Lieblingsbeispiel wird dann das »Teflon« angeführt, das ein<br />

Entwicklungsprodukt der Raumfahrtindustrie sein soll. Zwar<br />

gehört auch der Autor zu den begeisterten Science-Fiction-<br />

Lesern <strong>und</strong> würde bedenkenlos für den nächsten Flug zum Mars<br />

eine Kabine buchen, doch die Teflon-Story wird er als<br />

Begründung für den Sinn der aufwendigen Technologie<br />

tunlichst vermeiden.<br />

Entdeckt wurde Teflon, das ursprünglich<br />

»Polytetrafluorethylen« hieß, bereits in den 30er Jahren <strong>des</strong> 20.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts. Chemiker besetzten die freien Wertigkeiten von<br />

Kohlenstoff ketten mit Fluoratomen <strong>und</strong> schufen damit einen<br />

neuen Stoff, der allerdings zunächst recht nutzlos schien. 1954<br />

-209-


stieß der Franzose Marc Gregoire per Zufall erneut auf das<br />

mittlerweile fast in Vergessenheit geratene Material, erkannte<br />

<strong>des</strong>sen Anwendungsmöglichkeiten <strong>und</strong> gründete die Firma<br />

Tefal. Fortan hieß die Beschichtung seiner Pfannen »Teflon«<br />

<strong>und</strong> wurde vor allem in den Vereinigten Staaten ein echter<br />

Verkaufsschlager. Zwar behaupten die Amerikaner heute, dass<br />

schon 1950 Töpfe <strong>und</strong> Pfannen mit »Teflon« (noch unter dem<br />

alten, komplizierten Namen) beschichtet gewesen sein sollen,<br />

doch auch aufwendige Nachforschungen erbrachten dafür keine<br />

Bestätigung.<br />

Auf den Trick mit der »Raumfahrttechnologie« dürften<br />

übrigens geschickte Marketing-Manager gekommen sein. Im<br />

Zuge unserer Nachforschungen stießen wir auch auf einen alten<br />

amerikanischen Werbeprospekt aus dem Jahre 1970, in dem<br />

Teflon als NASA-Produkt angepriesen wurde. Der Prospekt<br />

stammte übrigens von einem New-Yorker Großhändler, der vor<br />

allem Produkte der Firma Tefal im Sortiment führte. Wenn das<br />

kein Zufall ist…<br />

T wie Telefon<br />

<strong>Das</strong> beliebteste Kommunikationsmittel unserer Tage wurde<br />

nicht von Alexander Graham Bell erf<strong>und</strong>en. So steht's zwar in<br />

beinahe jedem Nachschlagewerk, doch hatte bereits im Jahre<br />

1860 ein deutscher Lehrer namens Johann Philipp Reis aus<br />

Friedrichsdorf die Idee für das Telefon. Er verwendete einen<br />

Violinenkasten als Resonator, den hohlen Sp<strong>und</strong> eines<br />

Bierfasses als »Sprechmuschel« <strong>und</strong> für die Membran benutzte<br />

er eine straff gespannte Wursthaut. Den wenigen<br />

Aufzeichnungen, die aus diesen Tagen existieren, ist jedoch zu<br />

entnehmen, dass es seinen Schallübertragungsversuchen an<br />

Verständlichkeit gebrach. 1876 bediente sich Bell dann der<br />

Elektrizität, um die Methode <strong>des</strong> Deutschen zu verfeinern, <strong>und</strong><br />

-210-


schaffte es tatsächlich, die menschliche Stimme hörbar <strong>und</strong><br />

verständlich auf die Reise zu schicken. Seine erste Botschaft an<br />

seinen Assistenten lautete übrigens: »Watson, kommen Sie mal<br />

rüber. Ich brauche Sie.«<br />

T wie Tell<br />

Auch wenn die Schweizer hartnäckig an der Legende vom<br />

»Freiheitskämpfer Wilhelm Tell« festhalten, müssen wir<br />

unseren alpenländischen Nachbarn ein für allemal erklären, dass<br />

der angebliche Meisterschütze nie gelebt hat. Die Sage wurde<br />

allerdings auch nicht, wie wiederum die Deutschen gerne<br />

behaupten, vom Dichterfürsten Friedrich Schiller erf<strong>und</strong>en,<br />

sondern vom Schweizer Dramatiker Aegidius Tschudi. Schiller<br />

»schmückte« Tschudis Version noch weiter aus <strong>und</strong> brachte<br />

neue Elemente mit hinein.<br />

Nach Tschudi <strong>und</strong> Schiller soll der besagte Tell, auf Geheiß<br />

<strong>des</strong> habsburgischen Landvogts Hermann Geßler, seinem eigenen<br />

Sohn mit der Armbrust einen Apfel vom Kopf geschossen<br />

haben. Anschließend »revanchierte« er sich mit einem weiteren<br />

Pfeil für den willkürlichen <strong>und</strong> gefährlichen Befehl <strong>und</strong> tötete<br />

den Tyrannen. Damit sei der Aufstand der Schweizer gegen die<br />

verhasste Herrschaft der Habsburger ausgelöst worden.<br />

Wie gesagt - alles reine Erfindung, doch Schweizer Historiker<br />

wiesen nach, dass Tschudi zumin<strong>des</strong>t ein konkretes Beispiel im<br />

Kopf hatte, als er sein Heldenepos erfand. Demnach soll ein<br />

gewisser Rudolf Stauffacher um 1290 den Landvogt Konrad von<br />

Tillendorf erschlagen haben, weil dieser ihn zwingen wollte,<br />

dem auf dem Markt von Altdorf aufgestellten Hut <strong>des</strong> Vogts<br />

seine Hochachtung zu erweisen. Stauffacher hielt von dieser<br />

Idee offensichtlich nicht allzu viel, doch seinen »Totschlag im<br />

Affekt« überlebte er nicht lange: Er wurde ohne viel Federlesens<br />

hingerichtet, <strong>und</strong> bis zum Schweizer Freiheitskampf vergingen<br />

-211-


noch viele Jahre.<br />

T wie Tempel<br />

Geldwechsler <strong>und</strong> angebliche Wucherer im Tempel zu<br />

Jerusalem - nicht nur Jesus fand's verwerflich <strong>und</strong> wollte sie mit<br />

Bausch <strong>und</strong> Bogen aus den heiligen Hallen verbannen. Doch<br />

während wir heute zustimmend mit dem Kopf nicken <strong>und</strong> ihm<br />

das moralische Recht zu seinem Wutausbruch attestieren, stieß<br />

sein Verhalten bei seinen Zeitgenossen zumeist auf<br />

verständnisloses Kopfschütteln. Denn schließlich waren Tempel<br />

in diesen Tagen nicht nur Heiligtümer, sondern auch<br />

Kreditinstitute.<br />

Diese Tradition wurde schon im alten Ägypten begründet <strong>und</strong><br />

von Griechen, Römern <strong>und</strong> eben auch Juden übernommen.<br />

<strong>Ei</strong>gentlich logisch, denn schon immer brauchte man zum Bau<br />

eines Tempels Geld, <strong>und</strong> auch die Priester, Tempeldiener <strong>und</strong><br />

das »Fußvolk« der Bediensteten konnten von Gotteslohn allein<br />

nicht leben. So hatte es sich beispielsweise im antiken<br />

Griechenland eingebürgert, dass sich das Heiligtum Olympia<br />

fast ausschließlich über gewonnene Kriege <strong>des</strong> Staates<br />

finanzierte. Zehn Prozent jeder Kriegsbeute sollen an den<br />

Tempel gegangen sein, der damit weit mehr hatte, als er zur<br />

Instandhaltung <strong>und</strong> für das Leben seiner »Insassen« brauchte.<br />

Doch die Priesterkaste revanchierte sich dafür wieder, denn<br />

wenn der attische Staat seinerseits Geld für einen neuen Krieg<br />

oder wichtige Bauprojekte brauchte, dann bekam er vom<br />

Tempel einen besonders zinsgünstigen Kredit. Auch<br />

Privatpersonen nutzten die unangreifbaren Heiligtümer als<br />

sichere Aufbewahrungshorte für ihr persönliches Vermögen,<br />

<strong>und</strong> tatsächlich zahlten die Tempel für bestimmte Anlageformen<br />

sogar Zinsen aus.<br />

Der Jerusalemer Tempel war zu Jesus' Zeiten wahrscheinlich<br />

-212-


der reichste der Welt. Jeder Jude, egal wo er lebte, war<br />

gesetzlich verpflichtet, eine Tempelsteuer zu bezahlen. Vom<br />

eingenommenen Geld finanzierten die Priester den Kauf großer<br />

Ländereien, die sie gewinnbringend verpachteten. Für steten<br />

Geldfluss war also gesorgt. Jesus dürfte sich weniger über die<br />

pekuniären Aktivitäten <strong>des</strong> Gotteshauses geärgert haben, als<br />

vielmehr über <strong>des</strong>sen mangelhafte soziale <strong>Ei</strong>nstellung.<br />

Geschenkt gab's vom Tempel nämlich gar nichts, <strong>und</strong> selbst die<br />

Ärmsten der Armen kamen um die Tempelsteuer nicht herum.<br />

T wie Tetanus<br />

W<strong>und</strong>starrkrampf, auch als »Tetanus« bekannt, wird nicht<br />

durch Rost übertragen. Verantwortlich ist einzig <strong>und</strong> allein das<br />

Bakterium »Clostridium Tetani«, das vor allem in der Darmflora<br />

pflanzenfressender Tiere gedeiht <strong>und</strong> <strong>des</strong>halb durch deren Kot<br />

übertragen werden kann. Die Meinung, dass die<br />

W<strong>und</strong>starrkrampf-Gefahr besonders hoch sei, wenn man sich<br />

eine W<strong>und</strong>e an einem scharfkantigen oder spitzen, rostigen<br />

Gegenstand zuziehe, ist also durch nichts zu belegen.<br />

T wie Titanic<br />

<strong>Ei</strong>ne Serie von kleineren Rissen im Rumpf <strong>und</strong> nicht etwa ein<br />

großes Loch hat nach Expertenmeinung den Untergang der<br />

legendären Titanic verursacht. <strong>Ei</strong>n internationales Team von<br />

Tauchern <strong>und</strong> Wissenschaftlern hat nämlich 1996 festgestellt, so<br />

die renommierte New York Times, dass der eigentliche Schaden<br />

am Rumpf <strong>des</strong> gewaltigen Schiffes erstaunlich gering gewesen<br />

sei. Sie berichteten von sechs relativ schmalen Öffnungen, durch<br />

die das Wasser ins Schiff eingedrungen sein muss. Bei der<br />

Katastrophe im Jahr 1912 waren auf der Jungfernfahrt <strong>des</strong><br />

-213-


Ozeanriesen insgesamt über 1500 Menschen ums Leben<br />

gekommen. Lange Zeit galt es als unumstößlich, dass nur ein<br />

gewaltiges Leck das schnelle Sinken <strong>des</strong> Schiffes habe<br />

verursachen können. Doch die mit Hilfe von Schallwellen<br />

festgestellten Beschädigungen weisen insgesamt lediglich einen<br />

Umfang von etwa ein bis zwei Quadratmetern auf. Wie die<br />

Wissenschaftler allerdings ergänzend feststellten, hat der hohe<br />

Druck <strong>des</strong> einströmenden Wasser dennoch sehr rasch für den<br />

schnellen Untergang <strong>des</strong> Schiffes gesorgt.<br />

T wie Tollkirsche<br />

Die »Atropa Belladonna« ist bei uns weithin unter dem<br />

Namen »Tollkirsche« bekannt <strong>und</strong> damit vor allem für Kinder<br />

nicht ohne Risiko. Wenn diese nämlich lediglich den Namen <strong>des</strong><br />

hübschen roten Nachtschattengewächses erfahren, könnten sie<br />

durchaus losstürmen <strong>und</strong> ein paar der vermeintlichen<br />

Leckerbissen kosten. Davon wird allerdings dringend abgeraten,<br />

denn schon der Genuss dreier Früchte kann tödliche Folgen<br />

haben.<br />

Ihren Namen trägt die »Tollkirsche« übrigens zu Unrecht,<br />

denn - wie gesagt - es handelt sich bei ihr nicht um ein<br />

Kernobstgewächs <strong>und</strong> damit auch nicht um eine Kirschenart.<br />

Allerdings sieht vor allem die Schwarze Tollkirsche, deren<br />

Sträucher knapp zwei Meter hoch werden können, einer dunklen<br />

Kirsche sehr ähnlich, <strong>und</strong> somit ist auch die Bezeichnung nicht<br />

weiter verw<strong>und</strong>erlich.<br />

Den Zusatz »toll« erhielt die Pflanze schon im Mittelalter.<br />

Damals stellte man fest, dass der Verzehr einer einzigen dieser<br />

»Pseudokirschen« den Esser geradezu »toll« (wirr, wild,<br />

unempfindlich) machen kann: Soldaten spürten auf einmal keine<br />

Schmerzen mehr, Arbeiter vergaßen ihre Müdigkeit. Gr<strong>und</strong><br />

dafür ist der hohe Alkaloidgehalt der Pflanze, die vor allem<br />

-214-


Hyoscamin, Scopolamin <strong>und</strong> Atropin enthält - Essenzen, die<br />

mittlerweile auf keiner ordentlichen Dopingliste fehlen dürfen.<br />

Doch heute profitiert auch die Medizin von der Tollkirsche: Ihr<br />

Saft wird als krampflösen<strong>des</strong>, gefäß- <strong>und</strong> pupillenerweitern<strong>des</strong><br />

Mittel geschätzt.<br />

T wie Totes Meer<br />

Der heilige Hieronymus irrte sich, als er den Salzsee im<br />

Jordangraben vor r<strong>und</strong> 1500 Jahren zum ersten Mal als »Totes<br />

Meer« bezeichnete. Allerdings müssen wir dem Mann natürlich<br />

zugute halten, dass er weder über eine Lupe noch gar über ein<br />

Mikroskop verfügte <strong>und</strong> mit bloßem Auge die Abwesenheit<br />

jeglichen Lebens festzustellen glaubte. Doch auch in dieser<br />

Salzlake, die mit ihren 393 Metern unter dem Meeresspiegel die<br />

tiefste freiliegende Senke aller Landgebiete der Erde darstellt,<br />

wimmelt es noch von Bakterien, die vor allem Cellulose<br />

abbauen. Schwimmen kann man im »Toten Meer« übrigens nur<br />

sehr mühsam <strong>und</strong> untergehen schon gar nicht. <strong>Das</strong> Wasser<br />

besteht nämlich zu 25 Prozent aus Chlormagnesium,<br />

Chlorkalzium <strong>und</strong> Chlornatrium, was wiederum zur Folge hat,<br />

dass Salz sich darin nicht mehr auflösen kann. Kein Fisch <strong>und</strong><br />

kein Krustentier können in dieser Mischung existieren. Beim<br />

»Toten Meer« handelt es sich übrigens nicht um ein »echtes«<br />

Meer, sondern um einen See mit einer 940 Quadratkilometer<br />

großen Wasserfläche. Er wird vom Fluss Jordan gespeist.<br />

T wie Traubenzucker<br />

Obwohl es scheinbar unmöglich ist zu ermitteln, woher der<br />

Name letztlich stammt, können wir mit Bestimmtheit sagen,<br />

dass Traubenzucker nicht aus Trauben gemacht wird. Er ist zwar<br />

-215-


auch in Weintrauben enthalten, doch in allen <strong>andere</strong>n süßen<br />

Früchten auch. Der heute verkaufte Traubenzucker wird<br />

industriell zumeist aus Kartoffeln <strong>und</strong> Maisstärke gewonnen <strong>und</strong><br />

ist der biologisch bedeutsamste Zucker. Seinen Ruf als<br />

»Energielieferant« trägt er völlig zu Recht. Normalerweise liegt<br />

die Menge Traubenzucker im Blut bei etwa 0,1 Prozent, <strong>und</strong><br />

wenn dieser Anteil fällt, kann dies durchaus dramatische Folgen<br />

haben. Der Traubenzucker ist nämlich der einzige<br />

Energielieferant <strong>des</strong> Gehirns <strong>und</strong> ohne ihn würden unsere<br />

kleinen grauen Zellen schnell ihren Dienst verweigern.<br />

-216-


19. Von Unabhängigkeitserklärung bis<br />

Völkerwanderung<br />

U wie Unabhängigkeitserklärung<br />

Der 4. Juli ist der amerikanische Nationalfeiertag, denn an<br />

diesem Datum <strong>des</strong> Jahres 1776 sagten sich 13 britische Kolonien<br />

in Nordamerika vom »Mutterland« England los. Denkste!!<br />

<strong>Ei</strong>gentlich müssten die Amerikaner den 2. Juli feiern, denn an<br />

diesem Tag beschloss der »2. Kontinentalkongress« beinahe<br />

einstimmig, sich der britischen Fesseln ein für allemal zu<br />

entledigen. Zwei Tage später, also am 4. Juli, wurde dieser<br />

Beschluss auch vom Kongress ratifiziert, doch die Entscheidung<br />

war schon zuvor gefallen.<br />

U wie Unfehlbarkeit<br />

Die katholische Kirche mag ihre Fehler <strong>und</strong><br />

Unzulänglichkeiten haben <strong>und</strong> vieles von dem, was man ihr<br />

heute vorwirft, ist sicherlich auch berechtigt. Doch dass das<br />

sogenannte »Unfehlbarkeitsdogma« <strong>des</strong> Papstes erst in jüngster<br />

Zeit eingeführt worden ist <strong>und</strong> <strong>des</strong>halb auf keinerlei religiös<br />

motivierte Tradition zurückblicken kann, ist falsch. Denn schon<br />

die allerersten Päpste haben diesen Anspruch erhoben, <strong>und</strong><br />

somit ist dieses Dogma beinahe so alt wie die christliche Kirche<br />

selbst. <strong>Das</strong> Vertrauen <strong>des</strong> Papstes in die eigene Vollkommenheit<br />

ist sozusagen eine Dienstpflicht <strong>und</strong> basiert auf der festen<br />

Überzeugung, dass Gott selbst seine Schäfchen in<br />

Glaubensdingen vor <strong>Irrtümer</strong>n <strong>und</strong> Missverständnissen bewahrt.<br />

Auf dem ersten Vatikanischen Konzil (1870), das viele heute für<br />

-217-


die Geburtsst<strong>und</strong>e <strong>des</strong> Dogmas halten, wurden nur die<br />

Richtlinien <strong>und</strong> Bedingungen für die Unfehlbarkeit noch einmal<br />

ausdrücklich festgeschrieben. Demnach gelten nicht nur der<br />

Papst, sondern auch die Gesamtheit der Bischöfe <strong>und</strong> ein Konzil<br />

als unfehlbar - vorausgesetzt, sie entscheiden einstimmig.<br />

V wie Vampire<br />

Schon beim Stichwort »Dracula« haben wir uns mit dem<br />

schaurigschönen Thema Vampire beschäftigt. Ohne Sie jetzt<br />

unnötig erschrecken zu wollen, müssen wir Ihnen mitteilen: Es<br />

gibt sie wirklich. <strong>Ei</strong>nschränkend sei allerdings hinzugefügt, dass<br />

es sich nicht um Untote handelt, die nur mit Hilfe spitzer<br />

Holzpflöcke von ihrem ewigen <strong>Das</strong>ein erlöst werden können,<br />

<strong>und</strong> dass sie für Menschen in der Regel auch nicht gefährlich<br />

sind. Richtig ist an der verbreiteten Legende allerdings der<br />

Fledermaus-Faktor, denn die Vampire, von denen wir hier<br />

berichten, gehören tatsächlich zur Gattung der geflügelten<br />

Nager. Sie leben vorzugsweise in den feuchten Urwäldern <strong>des</strong><br />

Amazonas-Beckens, hausen in modrigen Höhlen oder<br />

Baumstämmen <strong>und</strong> leben vom Blut <strong>andere</strong>r Säugetiere.<br />

Nachts nämlich verlassen sie ihren Unterschlupf (… um<br />

Mitternacht hob sich knarrend der Sargdeckel…) <strong>und</strong> machen<br />

sich auf die Jagd nach vierbeinigen Opfern. Mit<br />

rasiermesserscharfen Schneide- <strong>und</strong> Eckzähnen suchen sie sich<br />

dann eine möglichst unbehaarte Stelle aus (…oooh, wie glatt<br />

war dieser Alabasterhals…), säbeln blitzschnell eine kleine<br />

W<strong>und</strong>e in die Haut <strong>und</strong> lecken das austretende Blut auf. Dies<br />

geht normalerweise so schnell, dass die Betroffenen außer einem<br />

ganz leichten Piekser überhaupt nichts davon mitbekommen.<br />

Gefährlich kann ein derartiger Biss nur <strong>des</strong>halb sein, weil die<br />

Tiere natürlich auch Krankheiten, wie beispielsweise die<br />

Tollwut, übertragen können.<br />

-218-


V wie Vandalen<br />

Wenn von jugendlichen Kleinkriminellen <strong>des</strong> Nachts sinnlose<br />

Verwüstungen begangen werden, so spricht der Polizeibericht<br />

gerne davon, dass die Unbekannten »wie die Vandalen«<br />

hausten. Nun möchten wir aber unsere wackeren Gesetzeshüter<br />

<strong>und</strong> jeden <strong>andere</strong>n in aller Bescheidenheit davon in Kenntnis<br />

setzen, dass der germanische Volksstamm der Vandalen seinen<br />

schlechten Ruf zu Unrecht trägt.<br />

Während der Völkerwanderung waren die Vandalen<br />

(zuweilen auch Wandalen) aus dem Gebiet <strong>des</strong> heutigen<br />

Schlesien quer durch Europa über Spanien bis nach Nordafrika<br />

gezogen. Dort ließ sich das wehrhafte Völkchen zunächst<br />

häuslich nieder, <strong>und</strong> ihr damaliger König Geiserich errichtete in<br />

der sogenannten »Kornkammer« <strong>des</strong> weströmischen Reiches<br />

tatsächlich einen unabhängigen Germanenstaat. Mit Kaiser<br />

Valentinian schloss Geiserich einen Friedensvertrag, in dem sich<br />

beide Seiten zu friedlicher Kooperation verpflichteten <strong>und</strong> rege<br />

Handelsbeziehungen unterhielten. Doch dann wurde Valentinian<br />

in Rom ermordet, <strong>und</strong> Geiserich betrachtete dies als das Ende<br />

aller Formalitäten. Überraschend segelte er mit seiner<br />

ansehnlichen Flotte in Richtung Rom, <strong>und</strong> als er vor der<br />

Tibermündung gesichtet wurde, versetzte dies Valentinians<br />

Nachfolger Maximus derart in Panik, dass er seinem Hofstaat<br />

<strong>und</strong> den »besseren Kreisen« die Parole »Rette sich wer kann«<br />

ausgab. Fast ohne Widerstand konnten die überraschten<br />

Vandalen also Rom besetzen, <strong>und</strong> dies scheint ihnen die<br />

Kampfeslust ein wenig genommen zu haben. Zwar plünderten<br />

sie nach Kräften, doch vom vielzitierten »Morden,<br />

Brandschatzen <strong>und</strong> Schänden« ist in zeitgenössischen<br />

Überlieferungen nirgendwo die Rede, <strong>und</strong> dass nach ihrem<br />

Abzug (schon nach knapp zwei Wochen) kein Stein mehr auf<br />

dem <strong>andere</strong>n war, ist ebenfalls frei erf<strong>und</strong>en.<br />

<strong>Das</strong>s den Vandalen trotzdem soviel Schlechtes nachgesagt<br />

-219-


wird, mag zum einen an ihrer germanischen Gründlichkeit<br />

gelegen haben: Sie nahmen nämlich wirklich alles mit, was<br />

irgendwie von Wert sein konnte, <strong>und</strong> deckten dabei sogar das<br />

goldene Dach <strong>des</strong> Jupitertempels ab. Außerdem verschleppten<br />

sie eine stattliche Anzahl Gefangener, darunter auch die<br />

Kaiserin <strong>und</strong> deren Tochter, die sich wenig später mit Geiserichs<br />

Sohn Hunerich vermählt fand.<br />

Zum <strong>andere</strong>n könnte der »Rufmord« an den Vandalen auch<br />

damit zusammenhängen, dass die berühmteste Stadt der<br />

bekannten Welt so einfach überfallen <strong>und</strong> besiegt worden war.<br />

Schnell reimten sich die Menschen überall zusammen, dass dies<br />

nur durch besondere Brutalität <strong>und</strong> Rücksichtslosigkeit möglich<br />

gewesen sein konnte, <strong>und</strong> damit hatten die Vandalen, die sich<br />

hochzufrieden <strong>und</strong> schwer bepackt in ihren Heimathäfen feiern<br />

ließen, ihren miserablen Ruf auch schon weg.<br />

V wie Vatikan<br />

Wenn Sie sich beim Lesen <strong>des</strong> vorliegenden Buches an die<br />

alphabetische Reihenfolge gehalten haben, dann ist Ihnen sicher<br />

noch geläufig, dass die Ansprüche der Stadt Hamburg auf den<br />

Titel »Freie Hansestadt« auf einer Menge gefälschter Urk<strong>und</strong>en<br />

basieren. <strong>Ei</strong>n weiteres gutes Beispiel für den ehedem recht<br />

sorglosen <strong>und</strong> höchst unmoralischen Umgang mit Dokumenten<br />

ist eine der moralischsten Instanzen der Welt: der Vatikan.<br />

Der kleine Kirchenstaat im Herzen Roms hatte nicht immer<br />

diese relativ bescheidenen Ausmaße. <strong>Ei</strong>nstmals nannte der<br />

»Vatikanstaat« ausgedehnte Ländereien <strong>und</strong> Besitztümer in ganz<br />

Italien sein eigen. Seinen Anspruch begründete der »Heilige<br />

Stuhl« Jahrh<strong>und</strong>erte lang mit der sogenannten Konstantinischen<br />

Schenkung, die als Urk<strong>und</strong>e dem Frankenkönig Pippin um 760<br />

präsentiert wurde. Diesem Pippin, dem mächtigsten Mann <strong>des</strong><br />

Abendlan<strong>des</strong>, hatte die Kurie das Dokument vorgelegt, in dem<br />

-220-


der einstige Kaiser <strong>des</strong> Römischen Reiches, Konstantin, erklärte,<br />

durch Papst Silvester vom Aussatz geheilt worden <strong>und</strong> dadurch<br />

zum christlichen Glauben bekehrt worden zu sein. Als Dank<br />

habe er die römische Kirche über sein eigenes Kaiserreich<br />

erhoben <strong>und</strong> den Bischof von Rom zum Herren aller Bischöfe<br />

der Welt gemacht. Außerdem habe er der römischen Kurie<br />

sämtliche Provinzen Italiens unterstellt.<br />

Obwohl Pippin die Urk<strong>und</strong>e sicherlich mit Skepsis gelesen<br />

haben dürfte <strong>und</strong> sie wahrscheinlich auch nicht ganz so ernst<br />

nahm, wagte der fromme Christ doch auch nicht, sie öffentlich<br />

in Zweifel zu ziehen. Außerdem waren seine politischen<br />

Interessen in Italien äußerst gering <strong>und</strong> folgerichtig bestätigte er<br />

bereitwillig den erhobenen Anspruch. Die römische Kirche hatte<br />

ihr Ziel erreicht: Sie etablierte sich als bestimmende Gemeinde<br />

<strong>und</strong> ihren Bischof als »Fürsten aller Bischöfe«. Dagegen hatten<br />

sich bisher <strong>andere</strong> Bischöfe stets gewehrt, doch nun wagte<br />

niemand mehr, gegen den römischen Führungsanspruch<br />

aufzubegehren.<br />

Erst zu Beginn <strong>des</strong> 16. Jahrh<strong>und</strong>erts, also r<strong>und</strong> 750 Jahre nach<br />

Pippin, entlarvte der Humanist Lorenzo Valla die<br />

»Konstantinische Schenkung« als recht plumpe Fälschung.<br />

Valla wies zweifelsfrei nach, dass Papst Silvester sich niemals<br />

als Heiler betätigt hat, dass Kaiser Konstantin an keinerlei<br />

Aussatz gelitten <strong>und</strong> niemals auch nur im Traum daran gedacht<br />

hat, riesige Teile seines Reichs an eine damals noch skeptisch<br />

beäugte Religionsgemeinschaft abzutreten. Außerdem deckte er<br />

sprachliche <strong>und</strong> stilistische Fehler auf, die Konstantins<br />

Schreibern sicher nicht passiert wären. Doch zu diesem<br />

Zeitpunkt war der Zweck der Fälschung schon erreicht: Die<br />

Führung der christlichen Kirche saß in Rom <strong>und</strong> scheffelte<br />

Reichtümer.<br />

-221-


V wie vegetarisch<br />

Im Gegensatz zu dem, was Vegetarier gerne behaupten, hat<br />

der Mensch schon immer Fleisch verzehrt. Die vegetarische<br />

Ernährungsweise mag zwar gesünder sein (auch dazu gibt es<br />

verschiedene Standpunkte), doch »natürlicher« ist sie <strong>des</strong>halb<br />

noch lange nicht. Zoologen behaupten sogar, dass nur die<br />

gemeinsame Jagd den Homo sapiens zu dem gemacht hat, was<br />

er heute ist: ein wehrhaftes, rudelerfahrenes Raubtier.<br />

Schon die Urwaldaffen, von denen wir abstammen (wenn<br />

auch nicht in gerader Linie), bevorzugten neben Blättern,<br />

Beeren <strong>und</strong> Früchten vor allem rohe Käfer, <strong>Ei</strong>dechsen <strong>und</strong><br />

kleine Säugetiere, wobei sich die Jagd auf letztgenannte<br />

schwierig gestaltet haben dürfte. Mit dem »Auszug« unserer<br />

Vorfahren vom Urwald in die Steppe wurde das »Fleisch-<br />

Essen« noch wesentlich wichtiger - schon allein <strong>des</strong>halb, um<br />

gegen die mit Zähnen <strong>und</strong> Beinen besser ausgestatteten Wölfe,<br />

Bären oder Raubkatzen bestehen zu können. Wie wir heute<br />

wissen, war der Mensch dabei erfolgreicher als alle <strong>andere</strong>n<br />

Arten - ob dies positiv zu bewerten ist, lassen wir dahingestellt.<br />

Festzustehen scheint in<strong>des</strong>, dass der Homo sapiens als reiner<br />

Vegetarier in seiner jetzigen Form wohl kaum existieren würde.<br />

V wie Venedig/Venezuela<br />

»Papa, Papa - liegen Venedig <strong>und</strong> Venezuela nebeneinander«,<br />

fragt der Sprössling seinen geographieerfahrenen Erzeuger.<br />

»Aber nein, mein Kind. Venedig ist eine Stadt <strong>und</strong> Venezuela<br />

ein Land. Die haben nichts miteinander zu tun«, antwortet dieser<br />

<strong>und</strong>… liegt voll daneben. Zwar stimmt der erste Teil seiner<br />

Antwort der mit der Stadt <strong>und</strong> dem Land - aber was kaum<br />

jemand weiß, ist, dass Venezuela seinen Namen tatsächlich von<br />

der norditalienischen Lagunenstadt ableitet.<br />

-222-


Als der spanische Entdecker Alonso de Hojeda nämlich 1499<br />

zu einer Halbinsel am Karibischen Meer kam, entdeckte er<br />

Pfahlbauten, in denen die einheimischen Indianer wohnten.<br />

Diese Häuser erinnerten ihn stark an Venedig, so dass er das<br />

Land als »Klein-Venedig« - Venezuela - bezeichnete.<br />

V wie Venus von Milo<br />

Wer schuf die berühmte Statue »Venus von Milo«. 99 Prozent<br />

aller Befragten halten dies für eine Scherzfrage <strong>und</strong> antworten<br />

mit einem breiten Lächeln: »Na, Milo natürlich.« Nun mag es<br />

zwar dereinst einen Milo gegeben haben, doch die<br />

Frauengestalt, die als Verkörperung klassischer Schönheit gilt<br />

<strong>und</strong> seit 1820 im Louvre zu bew<strong>und</strong>ern ist, leitet ihren Namen<br />

einfach von ihrem F<strong>und</strong>ort ab. Sie wurde nämlich bei<br />

Ausgrabungen auf der griechischen Insel Melos - italienisch<br />

Milo - entdeckt.<br />

V wie Verbrennungen<br />

Bei Verbrennungen aller Art greift der »Doityourself-<br />

Mediziner« gerne zur Brandsalbe. Dies jedoch hat keinerlei<br />

heilende Wirkung, sondern kann die Gewebeverletzungen sogar<br />

zu bleibenden Schäden werden lassen. Zumin<strong>des</strong>t hässliche<br />

Narben sind beinahe garantiert. Statt <strong>des</strong>sen raten die Ärzte<br />

dazu, die betroffene Körperpartie so schnell wie möglich bis zu<br />

20 Minuten lang mit fließendem eiskalten Wasser zu kühlen.<br />

Anschließend soll man die W<strong>und</strong>e mit einem<br />

Brandw<strong>und</strong>enverbandtuch oder mit keimfreien Tüchern<br />

abdecken <strong>und</strong> schleunigst einen Spezialisten aufsuchen. Erst<br />

nach dieser Sofort-Behandlung lohnt der Griff zur Brandsalbe.<br />

Dann nämlich entwickelt sie eine langfristig kühlende <strong>und</strong> damit<br />

-223-


schmerzlindernde Wirkung.<br />

V wie Vertrag<br />

Um einen Vertrag rechtsgültig zu gestalten, bedarf es nicht<br />

der schriftlichen Form. Entgegen landläufiger Meinung genügt<br />

in der Regel schon eine mündliche Absprache, wobei man<br />

allerdings darauf achten sollte, dass Zeugen anwesend sind. Dies<br />

ist zwar nicht zwingend vorgeschrieben, doch wenn sich eine<br />

Partei nicht an die Abmachungen geb<strong>und</strong>en fühlt, muss das<br />

Gericht entscheiden. Und der Richter tut sich naturgemäß<br />

leichter, wenn er Dritte zum Inhalt der geschlossenen<br />

Vereinbarung befragen kann.<br />

<strong>Ei</strong>nige Verträge müssen allerdings schriftlich abgeschlossen<br />

werden. In Deutschland sind dies Ausbildungsverträge,<br />

Schenkungsversprechen, Ratenzahlungsvereinbarungen <strong>und</strong><br />

Bürgschaften. In den meisten <strong>andere</strong>n Ländern der Europäischen<br />

Gemeinschaft kommen noch Pacht- <strong>und</strong> Kreditverträge hinzu.<br />

V wie Visitenkarte<br />

Der schwungvolle Griff zur eleganten Visitenkarte kann<br />

gesellschaftlich durchaus ein »Missgriff« sein. Wenn man<br />

nämlich die Etikette befolgt, darf man seine Karte zumin<strong>des</strong>t bei<br />

gesellschaftlichen Anlässen (<strong>Ei</strong>nladungen, Feiern u. ä.) nicht<br />

persönlich übergeben. Die Vorstellung beim Gastgeber<br />

übernimmt jemand, der mit beiden Betroffenen bekannt ist, <strong>und</strong><br />

überreicht dabei auch die Visitenkarte.<br />

-224-


V wie Vitamine<br />

Vitamine kann man gar nicht genug zu sich nehmen, lautet ein<br />

weit verbreiteter Irrtum der Ges<strong>und</strong>heits-Fetischisten. Doch<br />

unser Körper kann nur seinen »echten« Bedarf an Vitaminen<br />

verarbeiten - alles, was darüber hinausgeht, ist überflüssig <strong>und</strong><br />

zuweilen sogar gefährlich. So kann das berühmte Vitamin C in<br />

hohen Dosierungen zu Nierensteinen führen, große Mengen von<br />

Vitamin A verursachen bei einigen Menschen Kopfschmerzen,<br />

Gliederreißen <strong>und</strong> Haarausfall, <strong>und</strong> zuviel Vitamin D kann in<br />

dramatischen Fällen eine Dehydrierung <strong>des</strong> Körpers zur Folge<br />

haben, die mit Übelkeit, Erbrechen <strong>und</strong> Durchfall einhergeht.<br />

Man sollte also nur so viele Vitamine zu sich nehmen, wie der<br />

Körper wirklich benötigt. <strong>Ei</strong>ne entsprechende Übersicht liefert<br />

Ihnen in der Regel ein guter Hausarzt.<br />

Zum Thema Vitamine gleich noch eine Anmerkung: Viele der<br />

angeblichen Heilwirkungen sind blanker Unsinn. So hat Vitamin<br />

A keinerlei Auswirkungen auf schlechte Augen, <strong>und</strong> Vitamin C<br />

senkt weder den Blutdruck noch hilft es beim Auskurieren einer<br />

Erkältung entscheidend weiter. <strong>Ei</strong>ne Besserung können Sie nur<br />

dann spüren, wenn Sie bislang zu wenig Vitamine<br />

aufgenommen haben.<br />

V wie Vögel<br />

Fische leben im Wasser <strong>und</strong> sind uns wahrscheinlich <strong>des</strong>halb<br />

oft fremd (siehe Stichwort »Fische«). Vögel fliegen in der Luft<br />

<strong>und</strong>… ergänzen Sie bitte den Rest. Wie schon bei unseren<br />

geschuppten Fre<strong>und</strong>en kommen wir nun auch bei unseren<br />

gefiederten Kumpanen unserer Pflicht nach <strong>und</strong> korrigieren<br />

einige elementare <strong>Irrtümer</strong>. <strong>Ei</strong>ner davon steckte schon im<br />

vorangegangenen Satz, denn beileibe nicht alle Vögel können<br />

sich in die Lüfte erheben. Der Vogel Strauß (siehe auch<br />

-225-


Stichwort »Strauß«) bleibt am Boden kleben <strong>und</strong> kompensiert<br />

seine nur rudimentären Stummelflügelchen mit seinen langen<br />

Beinen <strong>und</strong> einer erstaunlichen Laufgeschwindigkeit. <strong>Ei</strong>n<br />

<strong>andere</strong>s Beispiel ist der Pinguin, der zwar <strong>Ei</strong>er legt <strong>und</strong> ebenfalls<br />

Flügel hat, sich aber viel lieber im Wasser tummelt. Dabei sind<br />

ihm seine »angedeuteten Schwingen« als Seitenruder behilflich.<br />

Und gleich noch ein Irrtum hinterher: Vögel erfrieren im<br />

Winter. Nein, nein <strong>und</strong> nochmals nein. Ihr dichtes Federkleid<br />

befähigt sie ohne weiteres, auch arktische Temperaturen<br />

einigermaßen unbeschadet zu überstehen. <strong>Ei</strong>n <strong>andere</strong>s Problem<br />

ist allerdings die Futtersuche bei einer dichten Schnee- oder<br />

<strong>Ei</strong>sdecke, denn Verhungern können die sangesfreudigen<br />

Gesellen allemal.<br />

V wie Vogelspinne<br />

Der Verfasser dieser Zeilen bekennt offen, an Arachnophobie<br />

(Angst vor Spinnen) zu leiden, <strong>und</strong> schon der Anblick einer<br />

Vogelspinne lässt ihm das Blut in den<br />

Adern gefrieren. Doch auch wenn es viele behaupten - der<br />

Biss dieses behaarten Spinnentiers ist nicht tödlich. Erstens sind<br />

die bis zu zwölf Zentimeter langen Tiere recht scheu <strong>und</strong> beißen<br />

nur im äußersten Notfall, zum <strong>andere</strong>n hat ihr Gift auf den<br />

Menschen ungefähr dieselbe Wirkung wie ein Bienenstich. Nur<br />

Säuglinge könnten mit einer Vogelspinnen-Attacke größere<br />

ges<strong>und</strong>heitliche Probleme haben.<br />

V wie Völkerwanderung<br />

Es waren keine »Völker«, die in den bewegten Zeiten<br />

zwischen dem dritten <strong>und</strong> dem sechsten Jahrh<strong>und</strong>ert quer durch<br />

Europa zogen <strong>und</strong> sich fernab ihrer ursprünglichen Heimat<br />

-226-


niederließen. In erster Linie waren es germanische Stämme,<br />

wobei sich die vagab<strong>und</strong>ierenden Massen nicht etwa aus<br />

einzelnen, fest umrissenen Gruppen zusammensetzten, sondern<br />

jeweils aus mehreren unterschiedlichen Stammeseinheiten<br />

bestanden. Sie folgten in aller Regel einer oder mehreren<br />

charismatischen Führungspersönlichkeiten <strong>und</strong> wurden durch<br />

die gemeinsame Flucht aus dem alten, übervölkerten<br />

Lebensraum zu einer neuen <strong>Ei</strong>nheit zusammengeschweißt. Der<br />

Begriff Völkerwanderung basiert auf einer missverständlichen<br />

Interpretation <strong>des</strong> Wortes »Volk«. So wurden beispielsweise die<br />

Goten, die aus r<strong>und</strong> 25 verschiedenen Stämmen bestanden <strong>und</strong><br />

nachweislich völlig unterschiedliche Sprachen, Dialekte <strong>und</strong><br />

Bräuche pflegten, gerne als »Volk« bezeichnet. Dies lässt sich<br />

aber mit der heutigen Definition nicht mehr vereinbaren.<br />

Korrekt müsste man die »Völkerwanderung« also als<br />

»Stämmewanderung« bezeichnen.<br />

-227-


W wie Wasser<br />

20. Von Wasser bis Wüste<br />

Wasser ist Leben. Um dies zu bemerken, muss man nicht<br />

unbedingt in der Wüste fassungslos die leere Feldflasche<br />

schütteln. Es reicht, sich zu vergegenwärtigen, dass der<br />

menschliche Körper zu zwei Dritteln aus Wasser besteht, dass<br />

die Erdoberfläche zu drei Vierteln von Wasser bedeckt wird <strong>und</strong><br />

dass Wasser die Basis jeder trinkbaren Flüssigkeit ist. <strong>Ei</strong>nes aber<br />

ist Wasser nicht: <strong>des</strong> Menschen ureigenes Element. Und<br />

wahrscheinlich haben sich <strong>des</strong>halb im Laufe der Jahre einige<br />

Halbwahrheiten zum Thema »Wasser« eingeschlichen, die es zu<br />

berichtigen gilt. Beispielsweise wird behauptet, Wasser koche<br />

exakt bei 100 Grad Celsius. Dies stimmt aber nur dann, wenn<br />

der Luftdruck bei exakt einem bar liegt, <strong>und</strong> das ist natürlich in<br />

den seltensten Fällen so. Auf dem Gipfel eines hohen Bergs ist<br />

der Luftdruck beispielsweise wesentlich geringer, <strong>und</strong> <strong>des</strong>halb<br />

köchelt Ihr »Süppchen« dort womöglich schon bei einer<br />

Temperatur von 90 Grad. An einem Ort, der unter Meereshöhe<br />

liegt - zum Beispiel im »Tal <strong>des</strong> To<strong>des</strong>« in den Vereinigten<br />

Staaten -, müssen Sie hingegen schon r<strong>und</strong> 110 Grad Hitze<br />

erzeugen. Wasser kann sogar bei 0 Grad kochen. Wenn Sie<br />

beispielsweise mittels einer Pumpe den Luftdruck innerhalb<br />

eines Wassertopfs auf zwei H<strong>und</strong>ertstel <strong>des</strong> normalen Wertes<br />

verringern, kocht Ihr Wasser exakt bei der Temperatur, bei der<br />

es unter normalen Bedingungen beginnen würde zu gefrieren.<br />

Außerdem wiegt ein Liter Wasser keineswegs immer genau<br />

ein Kilogramm. Als Berechnungsgr<strong>und</strong>lage dürfen Sie diese<br />

»Eselsbrücke« zwar getrost weiterhin benutzen, doch ganz<br />

korrekt ist sie nicht. <strong>Ei</strong>n Liter wiegt bei einer Temperatur von<br />

-228-


genau 0 Grad exakt 999,8 Gramm. Wenn dieser Liter nun<br />

allmählich erwärmt wird, steigt die Dichte zunächst an <strong>und</strong><br />

erreicht bei vier Grad Celsius das erste <strong>und</strong> einzige Mal die<br />

»<strong>Ei</strong>n-Kilogramm-Marke«. Von nun an nimmt die Dichte jedoch<br />

wieder ab, <strong>und</strong> wenn 20 Grad erreicht sind, wiegt der Liter nur<br />

noch 998 Gramm.<br />

So richtig verblüffend wird es, wenn der Liter bei<br />

Minusgraden gefrorene Konsistenz angenommen hat also zu <strong>Ei</strong>s<br />

wurde. Dann nämlich hat sich seine Dichte rapide verringert,<br />

<strong>und</strong> er wiegt nur noch knapp 917 Gramm. Nur <strong>des</strong>halb<br />

schwimmt <strong>Ei</strong>s nämlich auf der Wasseroberfläche.<br />

Abschließend noch ein wichtiger Ges<strong>und</strong>heitstipp:<br />

Destilliertes Wasser eignet sich keinesfalls als Trinkwasser.<br />

Normales Brunnen- oder Quellwasser nämlich ist reich an<br />

Mineralien <strong>und</strong> keinesfalls chemisch rein. Diese mineralischen<br />

Bestandteile jedoch benötigt der Körper unbedingt, um das<br />

aufgenommene Wasser ablagern <strong>und</strong> verarbeiten zu können -<br />

beim Genuss von <strong>des</strong>tilliertem Wasser kann es zu osmotischen<br />

Reaktionen kommen, die zur Sprengung der Körperzellen<br />

führen. Übrigens - auch Regenwasser enthält normalerweise<br />

herzlich wenig Mineralstoffe <strong>und</strong> ist folgerichtig auch nicht<br />

unbedingt - zumin<strong>des</strong>t nicht in größeren Mengen - zum Trinken<br />

geeignet.<br />

W wie Wasserdampf<br />

Was sieht man, wenn ein Topf mit Wasser auf dem Herd<br />

kocht, zur Decke steigen? »Natürlich den Wasserdampf«, lautet<br />

die übliche Antwort, doch die ist falsch. Wasserdampf ist<br />

vollständig unsichtbar, <strong>und</strong> wer's nachprüfen will, sollte den<br />

Kochtopf im entscheidenden Moment mal genau über der<br />

Öffnung unter die Lupe nehmen: Dort sieht er nämlich gar<br />

nichts. Bei den aufsteigenden »Wolken« handelt es sich um<br />

-229-


winzige Wassertröpfchen, die dadurch entstehen, dass der<br />

Dampf blitzschnell abkühlt. Doch nur Sek<strong>und</strong>en nach ihrer<br />

Entstehung sind sie auch schon wieder verschw<strong>und</strong>en, denn<br />

infolge ihrer vergleichsweise großen Oberfläche verdunsten sie<br />

sehr schnell.<br />

W wie Wasserfälle<br />

Die größten Wasserfälle der Welt hat noch kein menschliches<br />

Auge je erblickt. Anders als beinahe alle Nachschlagewerke<br />

behaupten, sind nämlich nicht die Angelsfalls in Venezuela mit<br />

ihrer stolzen Höhe von knapp 1000 Metern die höchsten<br />

Wasserfälle <strong>und</strong> schon gar nicht die berühmten Niagara-Fälle in<br />

Nordamerika. Die gewaltigsten Wasserfälle erreichen eine<br />

Breite von etwa 200 Kilometern, eine Höhe von min<strong>des</strong>tens<br />

4000 Metern <strong>und</strong> lassen pro Sek<strong>und</strong>e r<strong>und</strong> fünf Millionen<br />

Kubikmeter in die Tiefe stürzen. Sie verlaufen unter der<br />

Meeresoberfläche zwischen Island <strong>und</strong> Grönland, wo das kalte<br />

<strong>und</strong> schwere Nordpolwasser mit atemberaubender Wucht auf<br />

das tiefer gelegene, wärmere Atlantikwasser stürzt.<br />

W wie Wasserwaage<br />

…enthält überhaupt kein Wasser. <strong>Das</strong> Glasröhrchen, das<br />

»Libelle« genannt wird, ist mit Alkohol gefüllt.<br />

W wie Weihnachten<br />

Am 25. Dezember feiert die vereinte Christenheit einmütig<br />

den Geburtstag <strong>des</strong> Heilands. Doch dieses Datum ist<br />

vollkommen willkürlich festgelegt worden, denn in den<br />

-230-


Anfängen <strong>des</strong> Christentums feierten die einzelnen Gemeinden<br />

an ganz unterschiedlichen Daten. Tatsache ist, dass keine<br />

einzige Überlieferung darüber Aufschluss gibt, wann Jesus<br />

tatsächlich geboren wurde, <strong>und</strong> auch in der Bibel findet sich<br />

kein konkreter Hinweis. In der Mitte <strong>des</strong> 4. Jahrh<strong>und</strong>erts einigte<br />

man sich erstmals auf den 25. Dezember, denn man glaubte zu<br />

wissen, dass Marias Empfängnis zum Jahresanfang<br />

stattgef<strong>und</strong>en hatte. Nach dem alten, babylonischen Kalender,<br />

aus dem später auch die jüdische Zeiteinteilung entstand (ca.<br />

400 v. Chr.) <strong>und</strong> der in den nichtchristlichen Ländern <strong>des</strong><br />

Vorderen Orients nach wie vor Bestand hat, war dies der 25.<br />

März. Nach der Kalenderreform der Römer, die ihrerseits die<br />

ägyptische Zeitrechnung übernommen <strong>und</strong> modifiziert hatten<br />

(Julianischer Kalender), musste man nun neun Monate dazu<br />

addieren <strong>und</strong> kam folgerichtig auf den 25. Dezember. (Die<br />

nächste, große Kalenderreform erfolgte dann im Jahre 1582 -<br />

siehe auch Stichwort »Kalender«.) Wenn man aber den<br />

Schriften <strong>des</strong> Evangelisten Lukas Glauben schenkt, dann dürfte<br />

selbst die Theorie vom »Jahresanfang« falsch sein, denn bei ihm<br />

»lagerten die Hirten auf freiem Feld <strong>und</strong> hielten Nachtwache bei<br />

ihrer Herde«. Dafür dürfte es jedoch auch in <strong>und</strong> um Bethlehem<br />

im Dezember deutlich zu kalt gewesen sein - im Winter blieb<br />

das Vieh normalerweise durchgehend in den Ställen.<br />

W wie Wein<br />

Um sich auf dem glatten gesellschaftlichen Parkett möglichst<br />

geschmeidig zu bewegen, ist es fast unumgänglich, sich als<br />

»Weinkenner« zu zeigen, denn schließlich gilt der Wein seit<br />

geraumer Zeit als »Kulturgetränk«.<br />

Folgerichtig sollten die folgenden <strong>Irrtümer</strong> im Zuge<br />

unverbindlicher Partyplaudereien unbedingt vermieden werden:<br />

Weißwein wird nicht ausschließlich aus weißen Trauben<br />

-231-


hergestellt. Im Gegenteil: Zu 75 Prozent basiert auch »der<br />

Weiße« auf roten Trauben, wobei der Unterschied zum Rotwein<br />

vor allem in der Herstellungsart liegt. Beim Rotwein nämlich<br />

lässt man den Most ungekeltert auf der Traubenmaische stehen.<br />

Bei der Gärung löst sich die rote Farbe der Trauben <strong>und</strong> geht in<br />

den Most über. Beim Weißwein hingegen wird der Most von der<br />

Maische getrennt <strong>und</strong> in großen Bottichen aufgefangen. Von<br />

dort gelangt er dann in die Gärfässer <strong>und</strong> bleibt demzufolge<br />

wesentlich farbloser als sein roter »Kollege«.<br />

<strong>Ei</strong>n <strong>andere</strong>s wichtiges Thema ist die richtige Trinktemperatur.<br />

Häufig wird behauptet, einen guten Rotwein müsse man bei<br />

»Zimmertemperatur« genießen. Dies jedoch stammt aus Zeiten,<br />

in denen die Räumlichkeiten noch lange nicht so gut geheizt<br />

waren wie in unseren Tagen, denn die Temperatur in den<br />

deutschen Wohnstuben schwankt heutzutage zwischen 20 <strong>und</strong><br />

23 Grad. Wenn man den Wein tatsächlich mit dieser Temperatur<br />

servierte, würde er reichlich lauwarm <strong>und</strong> abgestanden<br />

schmecken. Die korrekte Temperatur liegt je nach Sorte -<br />

zwischen 12 <strong>und</strong> 18 Grad Celsius.<br />

Noch einmal zurück zur Farbe. Rosewein wird nicht, wie<br />

häufig angenommen, aus rotem <strong>und</strong> weißem Wein gemixt. Rosé<br />

wird in der Regel aus roten Trauben gewonnen <strong>und</strong> nach dem<br />

Vermaischen so gekeltert, dass nur ein kleiner Teil der<br />

Beerenfarbe in den Most gelangt. <strong>Ei</strong>ne Ausnahme machen nur<br />

die rosefarbenen Sorten von Sekt <strong>und</strong> Champagner. Diese<br />

basieren ohnehin auf Weinmischungen, <strong>und</strong> hier entsteht die<br />

Farbe tatsächlich durch eine Kombination aus roten <strong>und</strong> weißen<br />

Weinen.<br />

W wie Weißbrot<br />

<strong>Das</strong> Weißbrot hat seinen Namen nicht wegen seiner hellen<br />

Farbe, sondern hieß ursprünglich Weizenbrot. »Weizen« wurde<br />

-232-


im Mittelhochdeutschen nämlich »Weiße« genannt. Daraus<br />

entstand zunächst »Weißenbrot« <strong>und</strong> später das heute verkaufte<br />

»Weißbrot«.<br />

W wie Wellen<br />

Skeptiker bleiben zumeist felsenfest bei ihrer Überzeugung,<br />

sogenannte »Riesenwellen« seien bloßes »Seemannsgarn«.<br />

Doch es kann tatsächlich zu Meereswellen kommen, die sich bis<br />

auf eine Höhe von knapp 40 Metern »hochschaukeln«. Vor<br />

allem im Atlantik, aber auch im Pazifik wurden solche<br />

gigantischen »Freakwaves« schon mehrmals gesichtet. Am<br />

Rande von Meeresströmungen muss mit ihnen gerechnet<br />

werden, wobei vor allem die Agulhas-Strömung vor Südafrika<br />

berüchtigt ist für ihre alles zermalmenden Wellen, die sogar<br />

Riesentanker <strong>und</strong> die allergrößten Passagierschiffe in ernste<br />

Schwierigkeiten bringen können.<br />

W wie Wikinger<br />

Vor allem in Deutschland lebt die Legende vom Wikinger als<br />

»edlem Wilden« noch heute fort. Für uns gutgläubige Germanen<br />

stellen die Wikinger wohl das Pendant zu den Indianern dar,<br />

doch erklärbar ist dies lediglich mit einer romantischverklärten<br />

Sicht der Geschichte.<br />

In Wirklichkeit waren die Wikinger ein Volk, das seinen einst<br />

miesen Ruf völlig zu Recht hatte. Mit ihren unvergleichlich<br />

schnellen <strong>und</strong> wendigen Schiffen beherrschten sie zwischen dem<br />

9. <strong>und</strong> dem 11. Jahrh<strong>und</strong>ert die europäischen Meere <strong>und</strong> nutzten<br />

dies weidlich aus. Von Skandinavien führten ihre wilden<br />

Raubzüge sie nach England, Irland, Frankreich <strong>und</strong> Spanien bis<br />

nach Italien. Über die Ostsee wurden auch Polen <strong>und</strong> Russland<br />

-233-


attackiert, <strong>und</strong> über die Elb- <strong>und</strong> die Wesermündung fielen sie<br />

regelmäßig auch über deutsche Städte her. Ihre Taktik dabei war<br />

ebenso simpel wie erfolgreich: Die Angriffe erfolgten<br />

blitzschnell <strong>und</strong> mit beeindruckender Brutalität. Jeder potentielle<br />

männliche Feind wurde möglichst sofort getötet - unabhängig<br />

davon, ob er bewaffnet war oder nicht. Frauen wurden häufig<br />

vergewaltigt <strong>und</strong> anschließend ermordet, zahlreiche Kinder<br />

wurden verschleppt <strong>und</strong> fanden sich später als Leibeigene auf<br />

skandinavischen <strong>Ei</strong>nödhöfen wieder. In den Städten, die sie<br />

heimsuchten, bemühten sich die »Wölfe <strong>des</strong> Nordens« nach<br />

einer gründlichen Plünderung, möglichst keinen Stein auf dem<br />

<strong>andere</strong>n zu lassen, <strong>und</strong> wenn ihnen dies zu langwierig erschien,<br />

legten sie einfach an mehreren Stellen Feuer <strong>und</strong> guckten sich<br />

die verzehrenden Brände frohgelaunt vom Deck ihrer davon<br />

segelnden Schiffe an.<br />

Manche Nationen wurden so oft <strong>und</strong> so unbarmherzig von<br />

verschiedenen Wikingerstämmen heimgesucht, dass sie<br />

schließlich sogar bereit waren, einen »Friedensobolus« zu<br />

entrichten. So zahlte der französische König Karl der Kahle im<br />

Jahre 845 nachweislich 7000 Pf<strong>und</strong> Silber - für damalige<br />

Verhältnisse eine schier unvorstellbare Summe -, damit sie<br />

wieder abzogen, <strong>und</strong> auch die Engländer sahen sich genötigt,<br />

Jahr für Jahr einen 10000-Pf<strong>und</strong>-Tribut an die Anführer der<br />

wilden Horden zu entrichten.<br />

Der Hauptumschlagsplatz für ihre Waren <strong>und</strong> ihre Sklaven<br />

war die Stadt Haithabu, unweit <strong>des</strong> heutigen Schleswig. Dorthin<br />

verschifften sie ihre Beute, wobei die Raubzüge immer<br />

müheloser <strong>und</strong> gleichzeitig lohnender wurden - allein ihr Ruf<br />

bescherte den Wikingern schon einen steten <strong>Ei</strong>nnahmefluss. So<br />

paradox dies klingen mag, so war es doch dieser mühelose<br />

Erfolg, der für sie den Anfang vom Ende bedeutete. Immer mehr<br />

der kriegerischen Nomaden wurden in Irland, der Normandie<br />

<strong>und</strong> in Süditalien sesshaft, immer mehr wurden friedliche<br />

Händler, die ein ungefährliches Leben bevorzugten, <strong>und</strong> etliche<br />

-234-


ließen sich sogar zum Christentum bekehren. Schon Ende <strong>des</strong><br />

12. Jahrh<strong>und</strong>erts waren die Raubzüge der Wikinger nur mehr<br />

Legende.<br />

W wie willensschwach<br />

Im Jahr 1996 existierte im Deutschen Fernsehen eine<br />

Sendung, in der vollständig normale Menschen minutenlang der<br />

festen Überzeugung waren, ein Staubsauger zu sein, <strong>und</strong><br />

tatsächlich auch die entsprechenden Geräusche <strong>und</strong><br />

Bewegungen vollführten. Sie waren freiwillige Opfer eines<br />

»Hypnotiseurs« <strong>und</strong> wurden von diesem mit eleganten Gesten<br />

der Lächerlichkeit preisgegeben. Die Sendung »überlebte« nicht<br />

lange - die Grenzen <strong>des</strong> guten Geschmacks schienen dem<br />

Publikum verletzt zu sein. Auch Kritiker schossen sich auf die<br />

neue Show ein, <strong>und</strong> in einer bekannten Programmzeitschrift<br />

schrieb einer von ihnen, dass es sich bei den Probanden um<br />

ausgesprochen willensschwache Hohlköpfe handeln müsse.<br />

Dies jedoch kann eigentlich kaum sein, denn entgegen der<br />

allgemeinen Ansicht sind willensschwache oder minderbegabte<br />

Menschen nur äußerst schwer zu hypnotisieren. Dies liegt daran,<br />

dass sie sich in der Regel nicht besonders gut konzentrieren <strong>und</strong><br />

ihre Gedanken in eine bestimmte Richtung lenken können. Die<br />

besten »Opfer« sind die Intellektuellen, die sich ganz <strong>und</strong> gar<br />

auf die Wirkung der Hypnose konzentrieren <strong>und</strong> sich<br />

demzufolge tatsächlich leichter manipulieren lassen.<br />

W wie Windstärken<br />

Im allgemeinen spricht man von zwölf Windstärken, doch ist<br />

dies ein Denkfehler. Tatsächlich gibt es nämlich 13, da die<br />

Messung bei Null (Windstille) beginnt <strong>und</strong> bei Zwölf (Orkan)<br />

-235-


endet.<br />

W wie Winterschlaf<br />

Zugegeben - in der Regel dauert ein Winterschlaf tatsächlich<br />

nur einige Monate - manchmal sogar nur Wochen. Doch an<br />

dieser Stelle sei erwähnt, dass auch schon ein über 100jähriger<br />

Winterschlaf nachgewiesen wurde. Bei Arbeiten in einer<br />

Goldmine Ostsibiriens entdeckten Bergleute einen<br />

Winkelzahnmolch, der im Dauerfrostboden im Inneren eines<br />

großen <strong>Ei</strong>sklumpens nachweislich mehr als zehn Dekaden<br />

geschlafen haben musste. Nachdem man das <strong>Ei</strong>s langsam<br />

weggeschmolzen hatte, erwachte das Tier aus der Gattung der<br />

Schwanzlurche zum Erstaunen aller Anwesenden wieder zum<br />

Leben. Es dürfte sich bei ihm damit um den ältesten Vertreter<br />

seiner Gattung gehandelt haben, denn Winkelzahnmolche haben<br />

normalerweise nur eine Lebenserwartung von etwa 15 Jahren.<br />

W wie Wodka<br />

Als »Kartoffelschnaps« wird Wodka gern bezeichnet, doch<br />

auch wenn er ursprünglich aus gepressten Erdäpfeln hergestellt<br />

wurde, so ist die Bezeichnung mittlerweile doch übertrieben.<br />

Denn Wodkahersteller achten peinlich genau darauf, ihr Produkt<br />

so zu <strong>des</strong>tillieren <strong>und</strong> zu filtern, dass überhaupt kein<br />

Geschmacksstoff erhalten bleibt, <strong>und</strong> nur durch das vollständige<br />

Fehlen sämtlichen Buketts ist die charakteristische Reinheit <strong>und</strong><br />

Weichheit von Wodka überhaupt zu erreichen. Man könnte<br />

durchaus sagen, dass es sich beim russischen Nationalgetränk<br />

um »gesäuberten Sprit« handelt, der erst durch das Hinzufügen<br />

von möglichst neutralem Wasser überhaupt trinkbar wird.<br />

Folgerichtig auch der Name: Wodka bedeutet »Wässerchen«.<br />

-236-


Übrigens gibt es noch einen »trinkbaren Sprit«: Rapsöl, von<br />

Landwirten produziert, kann zum Anmachen eines Salats ebenso<br />

verwendet werden wie zum Autofahren. Nötig ist allerdings ein<br />

leicht veränderter <strong>und</strong> umgerüsteter Motor, doch dann hat das<br />

dickflüssige Öl in etwa dieselben <strong>Ei</strong>genschaften wie Diesel-<br />

Kraftstoff.<br />

W wie Wölfe<br />

Zwei der am häufigsten gehörten Vorurteile über Wölfe<br />

lauten: »Sie jagen in Rudeln« <strong>und</strong> »sie attackieren Menschen<br />

gr<strong>und</strong>los«. Bei<strong>des</strong> trifft nicht zu: Lediglich im Winter, wenn das<br />

Futter knapp wird, schließen sich Wölfe bei der Jagd zu<br />

größeren <strong>und</strong> damit effizienteren Gruppen zusammen. Während<br />

der übrigen Zeit <strong>des</strong> Jahres fangen sie sich ihre <strong>Ei</strong>chhörnchen,<br />

Mäuse oder Kaninchen viel lieber allein, weil sie dann natürlich<br />

auch nicht teilen müssen. <strong>Ei</strong>ne Ausnahme bildet für eine Weile<br />

nur eine Wolfsfamilie, denn zumin<strong>des</strong>t die Mutter bleibt solange<br />

bei ihren Jungen, bis sie sicher ist, dass sie sich behaupten<br />

können.<br />

Auch die vielzitierten »Menschenfresser-Ambitionen« der<br />

Wölfe sind ein Märchen. Natürlich wurden in der Vergangenheit<br />

auch Menschen von den Wildtieren angefallen <strong>und</strong> getötet, doch<br />

dabei handelte es sich nicht um gewöhnliche Reisende, sondern<br />

zumeist um Jäger, die den Tieren zuvor nachgestellt hatten.<br />

Verhaltensforscher bezeichnen Wölfe heute als »sehr scheue<br />

Tiere«, denen man möglichst ohne Angst oder Aggression<br />

gegenübertreten sollte. Bei entsprechendem Verhalten können<br />

sie sogar Menschen in ihre Zweckgemeinschaft aufnehmen, was<br />

ein hessischer Wolfsforscher über mehrere Jahre hinweg<br />

eindrucksvoll bewiesen hat. Er »heulte« in einem riesigen<br />

Freigehege zusammen mit den Tieren, die ihn nach<br />

anfänglichem Misstrauen schließlich als »harmlosen<br />

-237-


Sonderling« akzeptierten. Die einzigen Kratzer, die er sich je<br />

zugezogen hat, stammten von spielerischen Balgereien.<br />

W wie Wolkenkratzer<br />

Angesichts der Skyline von Manhattan könnte dem Betrachter<br />

angst <strong>und</strong> bange werden um die New Yorker Halbinsel.<br />

Wolkenkratzer reiht sich da an Wolkenkratzer, <strong>und</strong> nicht wenige<br />

vermuten, dass je<strong>des</strong> weitere derartige Bauwerk zuviel für das<br />

bisschen Boden wird: Manhattan wird eines Tages versinken.<br />

Keine Panik: In Wirklichkeit ist der Boden New Yorks durch<br />

die Monumentalbauten weniger belastet als ohne sie. Für die<br />

F<strong>und</strong>amente mussten nämlich gewaltige Mengen von Granit<br />

ausgehoben <strong>und</strong> entfernt werden, <strong>und</strong> das ausgehobene Gewicht<br />

übertrifft das der Hochhäuser deutlich. Manhattan ist damit<br />

sogar »leichter« geworden als zuvor.<br />

W wie Wolpertinger<br />

Arme Preußen. Da tragt Ihr Jahr für Jahr Millionen Eures<br />

sauer verdienten Gel<strong>des</strong> ins idyllische bayerische Bergland <strong>und</strong><br />

dann werdet Ihr auch noch gnadenlos veralbert: Denn noch<br />

immer erzählen kernige Bergführer ihrer atemlos staunenden<br />

Touristenschar die Geschichte vom Fabeltier namens<br />

»Wolpertinger«. Je nach Region <strong>und</strong> Phantasie <strong>des</strong> Erzählers<br />

soll dieses Vieh eine Mischung aus Fuchs <strong>und</strong> Gemse, aus<br />

<strong>Ei</strong>chhörnchen <strong>und</strong> Katze oder aus Hecht <strong>und</strong> Drachen sein,<br />

wobei den Kombinationsmöglichkeiten kaum Grenzen gesetzt<br />

sind. Fangen ließe sich das scheue Tier nur von einem verliebten<br />

Paar im Vollmond, wobei lediglich eine Kerze <strong>und</strong> ein Sack als<br />

Hilfsmittel erlaubt sind.<br />

<strong>Ei</strong>n für allemal, liebe gutgläubige Pensionsgäste: Obwohl es<br />

-238-


mittlerweile ein »Wolpertinger-Museum«, mehrere<br />

wissenschaftliche Abhandlungen <strong>und</strong> erstaunlich unscharfe<br />

Photographien <strong>des</strong> gespenstischen Tieres gibt, hat <strong>und</strong> wird es<br />

nie existieren. Der »Wolpertinger« wurde ausschließlich für<br />

Euch erf<strong>und</strong>en. Tut mir leid.<br />

W wie Woodstock<br />

Über 200000 Menschen sollen im Sommer <strong>des</strong> Jahres 1969<br />

zum Rockkonzert von »Woodstock« gepilgert sein, um die Idole<br />

der Beat- <strong>und</strong> Hippieära »livehaftig« zu erleben. Mit einem<br />

derartigen Ansturm hatten die Veranstalter nie <strong>und</strong> nimmer<br />

gerechnet, <strong>und</strong> so musste man schließlich die Kassenhäuschen<br />

aufgeben <strong>und</strong> die anbrandende Menge umsonst aufs Gelände<br />

lassen. Ansonsten hätte man nämlich noch drei weitere Tage mit<br />

Kassieren verbracht.<br />

Doch Joe Cocker, Joan Baez, Carlos Santana <strong>und</strong> die <strong>andere</strong>n<br />

Musikgrößen dieser Tage waren gar nicht in Woodstock. Zwar<br />

spielten <strong>und</strong> sangen sie tatsächlich vor den enthusiastischen<br />

Massen, doch das Konzertgelände lag unweit der Stadt Bethel.<br />

Die Kommune »Woodstock« ist davon r<strong>und</strong> 100 Kilometer<br />

entfernt, aber die Plattenfirma fand, »Bethel« sei kein<br />

angemessener Titel für das hitparadenverdächtige Doppelalbum.<br />

W wie Wüste<br />

Mahnend hebt der Biologielehrer den Zeigefinger: «… doch<br />

selbst in der trockensten Wüste gibt es noch Spuren von Leben«,<br />

doziert er, <strong>und</strong> diejenigen seiner Eleven, die ihre Augen noch<br />

offen halten können, nicken beeindruckt. Was sie jedoch nicht<br />

wissen - der Mann irrt. Im Zentraliran existiert ein sogenannter<br />

»abiotischer« Bereich, eine Gegend, die für jedwede Form<br />

-239-


pflanzlichen oder tierischen Lebens zu trocken <strong>und</strong> zu windig<br />

ist. Der Name der ausgesprochen abweisenden, mehrere tausend<br />

Quadratkilometer großen Fläche lautet »Wüste Lut«.<br />

-240-


21. Von Xanthippe bis Zigarren<br />

X wie Xanthippe<br />

Als »Xanthippe« werden seit geraumer Zeit besonders<br />

kratzbürstige <strong>und</strong> streitlustige Ehefrauen bezeichnet. <strong>Das</strong> geht<br />

zurück auf die gleichnamige Ehefrau <strong>des</strong> griechischen<br />

Philosophen Sokrates. Doch nach <strong>des</strong>sen eigenen<br />

Aufzeichnungen war sein Weib alles <strong>andere</strong> als ein typischer<br />

Hausdrachen, sondern vielmehr eine durchaus treusorgende <strong>und</strong><br />

angenehme Gemahlin. <strong>Das</strong>s ihr Name dennoch als Synonym für<br />

»zänkische« Frauen herhalten muss, liegt an einigen<br />

schlampigen Übersetzungen <strong>und</strong> Fehlinterpretationen aus den<br />

Werken eines Sokrates-Schülers. Dieser, ein Mann mit Namen<br />

Xenophon, hatte die Frau seines Lehrmeisters in seinem Werk<br />

»Erinnerungen an Sokrates« mehrfach erwähnt. Neueren<br />

Übersetzungen ist jedoch zu entnehmen, dass Xanthippe<br />

(griechisch für »blon<strong>des</strong> Pferd«) offensichtlich keineswegs so<br />

streitsüchtig war, wie lange angenommen wurde.<br />

Z wie Zahnersatz<br />

Jahrh<strong>und</strong>erte lang war das Wissen verloren, doch die<br />

weißbekittelten Dentisten der Neuzeit haben es uns<br />

zurückgebracht: Noch im vergangenen Jahrh<strong>und</strong>ert war es ein<br />

Ding der Unmöglichkeit, ausgebrochene Zähne zu ersetzen, <strong>und</strong><br />

so mancher Mensch musste sich nach einem herzhaften Biss ins<br />

harte Kotelett für immer entstellt fühlen. Doch die Zahnärzte <strong>des</strong><br />

20. Jahrh<strong>und</strong>erts waren nicht die ersten, die um die<br />

Möglichkeiten von Brücken, Kronen, Stiftzähnen <strong>und</strong> Prothesen<br />

-241-


wussten. Schon die Etrusker <strong>und</strong> die alten Römer waren echte<br />

Künstler beim Anfertigen von Zahnersatz.<br />

In etruskischen Gräbern fanden Archäologen in den Schädeln<br />

der Toten raffinierte Brücken, bei denen zum Teil drei oder vier<br />

Zähne aus Elfenbein zwischen »echten« Zähnen geschickt<br />

eingeklemmt waren.<br />

Goldzähne gab es schon im alten Ägypten, wie dortige<br />

Gräberf<strong>und</strong>e bewiesen, <strong>und</strong> dass auch im blühenden Rom die<br />

Herstellung <strong>und</strong> das Tragen von Zahnersatz zum Alltag<br />

gehörten, lehrt uns die Literatur: In seinen Spottversen dichtete<br />

beispielsweise der Satiriker Martial (1. Jh. n. Chr.) von<br />

»gekauften Zähnen« <strong>und</strong> berichtet von Prothesen, »die du nachts<br />

beiseite legst, wie dein seidenes Kleid.« <strong>Das</strong>s das Wissen um<br />

künstliche Zähne so lange verschüttet war, liegt wahrscheinlich<br />

an der allmählichen Dominanz <strong>des</strong> Christentums. Schließlich<br />

war in dieser Lehre, die zunächst noch buchstabengetreu befolgt<br />

wurde, kein Raum für schnöden Schein. Künstliche Zähne<br />

wären wohl als »Teufelswerk« gebrandmarkt worden, <strong>und</strong> bevor<br />

sich die Kirche etwas weltlicher geben konnte, war's um große<br />

Teile der zahnärztlichen Kunst schon geschehen.<br />

Z wie Zauberberg<br />

Seine schöpferische Kraft in allen Ehren, doch alles konnte<br />

Thomas Mann sich doch nicht »aus den Fingern saugen«. Und<br />

somit gibt es, entgegen anderslautenden Behauptungen, für sein<br />

Berg-Sanatorium im Roman »Zauberberg« durchaus ein<br />

konkretes Vorbild.<br />

Man schrieb das Jahr 1912, als Manns kränkelnde Gattin<br />

notgedrungen ein Lungensanatorium unweit der Schweizer Stadt<br />

Davos aufsuchen musste. Für drei Wochen leistete ihr Thomas<br />

Mann dort Gesellschaft, was er in einem Brief an einen Fre<strong>und</strong><br />

unter <strong>andere</strong>m mit folgenden Worten beschrieb: »<strong>Ei</strong>n paar Tage<br />

-242-


machten mir die 1600 Meter Höhe sogar Fieber, so dass der<br />

Professor mich schon profitlich lächelnd für offenbar tuberkulös<br />

<strong>und</strong> einer längeren Kur bedürftig erklärte.« Nun - auf die Kur<br />

konnte der Schöpfer der »Buddenbrooks« <strong>und</strong> <strong>des</strong><br />

»Hochstaplers Felix Krull« verzichten, doch seine <strong>Ei</strong>ndrücke<br />

verarbeitete er in seiner fast drei Jahre dauernden Arbeit am<br />

berühmten »Zauberberg«.<br />

Z wie Zeit<br />

Seit jeher hat die Zeit die Menschen fasziniert <strong>und</strong><br />

beschäftigt. Ist sie nur ein Kunstgebilde <strong>des</strong> menschlichen<br />

Intellekts? Sind unsere Ansichten über Vergangenheit,<br />

Gegenwart <strong>und</strong> Zukunft richtig? Wie definiert man die<br />

Unendlichkeit? Am Versuch, diese philosophischen Fragen zu<br />

beantworten, sind schon klügere Köpfe gescheitert, doch es gibt<br />

einige »Schludrigkeiten« beim alltäglichen Umgang mit der<br />

Zeit, denen sich ohne weiteres auf den Zahn fühlen lässt.<br />

So gilt beispielsweise die Faustregel, dass je<strong>des</strong> vierte Jahr ein<br />

Schaltjahr ist. Zurückzuführen ist dies auf den Gregorianischen<br />

Kalender, der im Jahr 1582 eingeführt wurde <strong>und</strong> den Zeitraum<br />

eines Jahres exakt auf 365,2424 Tage festlegte. Die<br />

»Bruchteile« werden durch das <strong>Ei</strong>nschieben sogenannter<br />

»Schalttage« ausgeglichen <strong>und</strong> zwar in den Jahren, deren letzte<br />

beiden Zahlen durch vier teilbar sind. Demnach waren zum<br />

Beispiel 1988, 1992 <strong>und</strong> 1996 »Schaltjahre«. Der »Schalttag« ist<br />

jeweils der 29. Februar, der in den übrigen Jahren bekanntlich<br />

entfällt. Doch trotz dieses genialen Tricks wurde die Differenz<br />

noch nicht vollständig ausgeglichen, <strong>und</strong> <strong>des</strong>halb müssen in<br />

einem Zeitraum von 800 Jahren sechs Schaltjahre ausfallen.<br />

Diese »Ausfälle« werden jeweils auf den Jahrh<strong>und</strong>ertbeginn<br />

gelegt, <strong>und</strong> <strong>des</strong>wegen sind diejenigen »Säkularjahre«, deren<br />

Jahreszahl nicht durch Vier teilbar ist, keine Schaltjahre (z. B.<br />

-243-


1800, 1900, 2100).<br />

Übrigens beginnt unsere Zeitrechnung auch nicht mit dem<br />

Jahr von Christi Geburt. So paradox das klingen mag -<br />

Bibelwissenschaftler haben errechnet, dass Jesus im Jahre 6 v.<br />

Chr. geboren sein muss. Schließlich ist der Sohn <strong>des</strong> Herrn - laut<br />

Matthäus-Evangelium - in der Amtszeit <strong>des</strong> Königs Hero<strong>des</strong> zur<br />

Welt gekommen <strong>und</strong> nicht im Jahre 754 der alten, varronischen<br />

Zeitrechnung. Da war nämlich Hero<strong>des</strong> schon einige Jahre tot.<br />

Die Festlegung von Christi Geburt traf im Jahre 525 n. Chr. ein<br />

römischer Mönch namens Dionysius Exiguus. Heute müssen wir<br />

dem frommen Mann leider vorhalten, dass er sich verrechnet<br />

hat.<br />

Dazu passt auch die folgende Frage: »Nennen Sie mir doch<br />

einmal den ersten Tag <strong>des</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>erts.« Die Antwort lautet<br />

in 99,9 Prozent aller Fälle: »Na der erste Januar 1900,<br />

natürlich.« Genaugenommen ist dies falsch. Als nämlich der<br />

schon erwähnte Gregorianische Kalender aufgestellt wurde, ließ<br />

man - aus welchen Gründen auch immer - das Jahr Null einfach<br />

unter den Tisch fallen. Im Klartext: Dem Jahre 1 v. Chr. ließ<br />

man sogleich das Jahr 1 n. Chr. folgen, <strong>und</strong> dieser Fehler<br />

schleppt sich natürlich seit jenem Zeitpunkt durch die<br />

Jahrh<strong>und</strong>erte (siehe auch Stichwort »Kalender«).<br />

Z wie Zentralheizung<br />

Egal, was der Heizungsbauer sagt <strong>und</strong> was der Klempner<br />

denkt: Die Zentralheizung gab's schon lange vor der Etablierung<br />

<strong>des</strong> ungemein tüchtigen deutschen Handwerkerstan<strong>des</strong>. Schon<br />

die alten Römer kannten das sinnreiche Prinzip, das sie sogar in<br />

Form einer Fußbodenheizung verwirklicht hatten. Wie<br />

Ausgrabungen belegen, funktionierte das System mit Hilfe eines<br />

außerhalb <strong>des</strong> Hauses gelegenen Wärmeraumes (Formax), in<br />

dem permanent ein Feuer unterhalten wurde. Von diesem aus<br />

-244-


wurden Rohre <strong>und</strong> Kanäle verlegt, durch die die heißen Gase in<br />

einen Hohlraum unterhalb der zu beheizenden Räumlichkeit<br />

geführt wurden. An der entgegengesetzten Raumseite konnten<br />

Rauch <strong>und</strong> Gase durch einen Lüftungsschlitz wieder abziehen.<br />

Benutzt wurde diese Konstruktion vor allem in öffentlichen<br />

Bädern <strong>und</strong> in den Häusern wohlhabender Bürger. <strong>Ei</strong>n gewisser<br />

C. Sergius Orato soll das Prinzip im 1. Jahrh<strong>und</strong>ert v. Chr.<br />

erdacht <strong>und</strong> in die Tat umgesetzt haben.<br />

Z wie Zeppelin<br />

Fälschlich wird dem deutschen Adeligen Ferdinand Graf von<br />

Zeppelin die Erfindung <strong>des</strong> ersten lenkbaren Luftschiffs<br />

zugeschrieben. Sein Verdienst besteht lediglich darin, bereits<br />

bestehende Konstruktionen entscheidend verbessert zu haben.<br />

Schon im Jahre 1852 erhob sich ein Franzose namens Henry<br />

Giffard mit einem Gasballon in die Lüfte, der mittels eines<br />

Propellers auch gelenkt werden konnte, <strong>und</strong> im Jahr 1884<br />

machten es ihm seine Landsleute Renard <strong>und</strong> Krebs nach, die<br />

sogar schon recht exakt zu manövrieren wussten. 1898 sorgte<br />

dann der Brasilianer Alberto Santos-Dumont für Aufsehen, als<br />

er in Paris ein Luftschiff mit Benzinmotor vorstellte. Der junge<br />

Mann, von Beruf »reicher Sohn«, soll sogar die Champs-Elysees<br />

hinuntergeflogen sein <strong>und</strong> beim Café-Besuch sein Luftschiff per<br />

Seil an ein Geländer geb<strong>und</strong>en haben.<br />

Graf Zeppelin blieb es im Jahre 1900 vorbehalten, die<br />

Konstruktionen seiner Vorgänger entscheidend zu verbessern.<br />

Sein Luftschiff, das am 2. Juli zum Jungfernflug aufbrach, hatte<br />

riesige Dimensionen, da Zeppelin die berechtigte Hoffnung<br />

hatte, mit großen Ausmaßen auch viel Stabilität zu erreichen. Im<br />

Gegensatz zu den meisten <strong>andere</strong>n Pionieren verwendete er eine<br />

starre Außenhülle <strong>und</strong> Segeltuchsteuer an Bug <strong>und</strong> Stern.<br />

-245-


Z wie Zigarren<br />

Auch wenn's edel aussieht <strong>und</strong> angenehm versnobt wirkt:<br />

Zigarren müssen vor dem Genuss heute nicht mehr erwärmt<br />

werden. <strong>Das</strong> Ritual, eine Zigarre vor dem eigentlichen<br />

Anzünden über einer offenen Streichholzflamme hin <strong>und</strong> her zu<br />

drehen, stammt aus einer Zeit, in der das Deckblatt bestimmter<br />

spanischer Zigarren noch mit Tragantgummi angeklebt worden<br />

war. Dieser roch ein wenig streng, <strong>und</strong> <strong>des</strong>wegen gewöhnten es<br />

sich die »Edel-Paffer« an, den Geruch durch eine offene<br />

Flamme zu vertreiben.<br />

Mittlerweile werden die Deckblätter jedoch absolut geruchlos<br />

angeklebt - bei wahren Zigarrenkennern würde die vormals<br />

beschriebene Geste nur noch verständnisloses Kopfschütteln<br />

auslösen.<br />

-246-


Literatur<br />

Beim Schreiben dieses Buches stützte sich der Autor auf<br />

folgende Quellen:<br />

Asimov, Isaac: »Kleine Geschichte der Chemie«, München<br />

1969.<br />

Bergmann, Edgar: »Wie intelligent bin ich?«, Wiesbaden.<br />

Brandon, S. George Frederick <strong>und</strong> Heer, Friedrich (Hrsg.):<br />

»Meilensteine der Geschichte«, Ovelgönne<br />

Büchmann, Georg: »Geflügelte Worte«, München 1986.<br />

»Der DUDEN 7, <strong>Das</strong> Herkunftswörterbuch«, 1. Auflage,<br />

Mannheim 1963.<br />

»Der Sport-Brockhaus«, 5. Auflage, Mannheim 1989.<br />

Elias, Norbert: »Über den Prozeß der Zivilisation«, Band l<br />

<strong>und</strong> II, 1. Auflage, Frankfurt am Main 1976.<br />

»Flaggen, Wappen, Daten«, Wien 1975.<br />

Hansen, Walter: »Die Ritter«, Gütersloh 1977.<br />

Krämer, Waller <strong>und</strong> Trenkler, Götz: »Lexikon der populären<br />

<strong>Irrtümer</strong>«, Frankfurt am Main 1996.<br />

Krüger-Lorenzen, Kurt: »Deutsche Redensarten«, Wiesbaden.<br />

Michael, Roland (Hrsg.): »Wie, Was, Warum«, Augsburg<br />

1993.<br />

Mickel, Wolfgang W. (Hrsg.): »Politik <strong>und</strong> Gesellschaft«,<br />

Band l, 14. Auflage, Frankfurt am Main 1985.<br />

Morawetz, Werner: »Freude an Haus <strong>und</strong> Garten«, Bindlach<br />

1990.<br />

Morris, Desmond: »Der Mensch, mit dem wir leben«,<br />

München 1977.<br />

Nigg, Walter: »Große Heilige«, 10. Auflage, Zürich <strong>und</strong><br />

-247-


München 1981.<br />

Pförtner, Rudolf: »Die Wikinger Saga«, 6. Auflage, München<br />

1977.<br />

Prause, Gerhard: »Tratschkes Lexikon für Besserwisser«,<br />

München 1984. Toynbee, Arnold J.: »Der Gang der<br />

Weltgeschichte«, Band l <strong>und</strong> II, München 1970. Vester,<br />

Frederic: »Ausfahrt Zukunft«, 2. korrigierte Auflage, München<br />

1990.<br />

…sowie etliche Meldungen der Deutschen Presse Agentur<br />

(dpa), Veröffentlichungen im »Spiegel«, »Geo« <strong>und</strong> diverse<br />

Seiten <strong>des</strong> Internets.<br />

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