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KARL V.

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Kaiser Karl V. vertrat in der ersten Hälfte des 16. Jahrhun-<br />

derts noch einmal den Anspruch des Universalherrschers über<br />

die ganze Christenheit. Dieses traditionsbewußte Selbstver-<br />

ständnis wurde durch die europäischen Konflikte der Zeit zu-<br />

tiefst in Frage gestellt. Als Herrscher „zwischen den Zeiten“<br />

war Karl V. deshalb weder ein „mittelalterlicher“ noch ein<br />

„moderner“ Monarch. Das Buch zeigt die ganze Vielschich-<br />

tigkeit dieses Kaisers und seiner Zeit.<br />

Luise Schorn-Schütte ist Professorin für Neuere Geschichte an<br />

der Universität Frankfurt/Main. In der Reihe C.H.Beck Wis-<br />

sen liegt von ihr vor: „Die Reformation“ (bsr 2054).


Luise Schorn-Schütte<br />

<strong>KARL</strong> V.<br />

Kaiser zwischen Mittelalter<br />

und Neuzeit<br />

Verlag C.H.Beck


Notker Hammerstein<br />

zum 3.10.2000<br />

Mit 4 Abbildungen und 2 Karten<br />

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme<br />

Schorn-Schütte, Luise:<br />

Karl V. : Kaiser zwischen Mittelalter und Neuzeit /<br />

Luise Schorn-Schütte. – Orig.-Ausg. – München :<br />

Beck, 2000<br />

(C.H. Beck Wissen in der Beck’schen Reihe ; 2130)<br />

ISBN 3 406 44730 9<br />

Originalausgabe<br />

ISBN 3 406 44730 9<br />

Umschlagentwurf von Uwe Göbel, München<br />

© C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung (Oscar Beck), München 2000<br />

Druck und Bindung: C. H. Beck’sche Buchdruckerei, Nördlingen<br />

Printed in Germany


Inhalt<br />

I. Einleitung .................................................................... 7<br />

II. Biographische Prägungen und Persönlichkeit ......... 10<br />

1. Biographisches......................................................... 10<br />

2. Selbstdarstellung und Persönlichkeit ....................... 18<br />

III. Der Kaiser und Europa – der Kaiser in Europa...... 24<br />

1. König von Spanien................................................... 24<br />

2. Kampf der Dynastien oder Mächtekonflikt?............ 32<br />

3. Kaiser und Papst ...................................................... 39<br />

4. Aufstand in Gent...................................................... 44<br />

IV. Der Kaiser und das Reich – der Kaiser im Reich .... 47<br />

1. Frömmigkeit und Luthersache ................................. 48<br />

2. Der Kaiser und die protestantischen Stände............. 54<br />

3. Konzil, Schmalkaldischer Krieg und Interim........... 61<br />

4. Ungehorsam oder ständisches Widerstandsrecht? ... 70<br />

V. Rückzug: Ein Kaiser dankt ab .................................. 75<br />

1. Fürstenopposition im Reich ..................................... 75<br />

2. Reichstag zu Augsburg 1555 ................................... 79<br />

3. Resignation und Rückzug ........................................ 81<br />

VI. Kaisermemoria in Deutschland................................. 84<br />

1. Konfessionelle Geschichtsschreibung seit Ranke .... 84<br />

2. Mittelalterlicher Kaiser<br />

oder frühabsolutistischer Herrscher?........................ 86<br />

3. Aktuelle Forschungsfragen ...................................... 88<br />

Zeittafel ............................................................................. 91<br />

Glossar .............................................................................. 93<br />

Literaturverzeichnis......................................................... 98<br />

5


Abbildungsverzeichnis..................................................... 104<br />

Register ............................................................................. 105


I. Einleitung<br />

Im Sinne der gemeinsamen Erinnerung war Kaiser Karl V. ein<br />

europäischer Herrscher: Als König von Spanien, Herzog von<br />

Burgund und (bis 1522) Erzherzog von Österreich war er zwi-<br />

schen 1519 und 1556 zugleich Kaiser des Heiligen Römischen<br />

Reichs deutscher Nation. Schaut man auf die Landkarte jener<br />

Jahrzehnte, so wird verständlich, warum der noch junge Kai-<br />

ser mit der Überheblichkeit des Zwanzigjährigen seinen Wahl-<br />

spruch wählte: plus ultra, d.h. ,über alles andere hinaus stre-<br />

bend’. Die Fülle der Macht, die der Kaiser in seiner Person<br />

verband, bedeutete zugleich eine Fülle von Problemen. In ih-<br />

rer explosiven Mischung allerdings überstiegen diese das übli-<br />

che Maß. Nicht nur, daß die spanischen Stände die Innen-<br />

und Außenpolitik ihres Königs mit Unzufriedenheit verfolg-<br />

ten, auch mit den Ständen des Reichs hatte der Kaiser zu<br />

kämpfen. Hier wie dort ging es um die Klärung der zeit-<br />

genössischen Machtfrage: War der Kaiser/König oder waren<br />

die Stände als „Vertretung des Landes“ die eigentlichen Herr-<br />

schaftsträger? Die Historiker haben diese Auseinandersetzun-<br />

gen als erste Stufe auf dem Weg zum modernen Staat bezeich-<br />

net; je nach Sichtweise wurde Karl V. dann als mittelalterli-<br />

cher oder als Kaiser beschrieben, der den Weg in die Moderne<br />

geebnet habe.<br />

Hinzu trat das allmählich alles dominierende Problem der<br />

Glaubensspaltung, das in Wittenberg 1517 seinen Anfang ge-<br />

nommen hatte. Die ernsthafte Sorge des Kaisers um die Be-<br />

wahrung der Einheit der Christenheit entsprang seinem ganz<br />

spezifischen Herrscherverständnis, wonach er der weltliche<br />

Hirte der Christenheit zu sein habe (Brandi 1937, Bd. 1, S.<br />

424). In der zeitgenössischen Diskussion wurde diese Sicht-<br />

weise als Verteidigung des Prinzips der monarchia universalis<br />

charakterisiert. Karl fand damit auch unter den Altgläubigen<br />

keineswegs nur Sympathien: Der sehr alte Konflikt mit dem<br />

Papst um den Vorrang der weltlichen vor der geistlichen Zen-<br />

tralgewalt in der damaligen Christenheit lebte wieder auf.<br />

7


Lediglich angesichts der Türkengefahr, die als Bedrohung al-<br />

ler Christen durch die Ungläubigen empfunden wurde, konn-<br />

ten so tiefgreifende Gegensätze überdeckt werden. Schließlich<br />

spitzte sich der Gegensatz zu Frankreich zum Dauerkonflikt<br />

zu: Einem derart umfassenden Herrschaftsanspruch konnte<br />

sich der französische König nur verweigern.<br />

Erneut begegnen wir hier dem Problem der Charakterisie-<br />

rung der kaiserlichen Herrschaftsführung: Handelte es sich<br />

bei der Auseinandersetzung zwischen dem Habsburger und<br />

dem französischen König um einen Dynastienkonflikt, oder<br />

kann hier der Beginn moderner europäischer Außenpolitik<br />

vermutet werden, sozusagen der Anfang des Kampfs um die<br />

Hegemonie?<br />

Die Existenz dieser offenen Forschungsfragen, die eigentlich<br />

Fragen nach den Kriterien historischen Urteilens sind, ver-<br />

weist uns auf eine durch Konfession und Nation unterschie-<br />

dene Kaisermemoria: In der deutschen Tradition gilt die Re-<br />

gierungszeit des Kaisers als Zeit der konfessionellen Spaltung,<br />

die die nationale Einheit in weite Ferne schob. Für die Spanier<br />

dagegen ist „Karl der Schöpfer der modernen staatlichen Ein-<br />

heit“ (Seibt 1990, S. 10). In der französischen Erinnerung gilt<br />

seine Regierungszeit als Behinderung der französischen<br />

Ostexpansion, und in der niederländischen Tradition wird der<br />

Kaiser als der „letzte gemeinsame Herrscher, der [...] die süd-<br />

lichen und nördlichen Provinzen zusammenbrachte“ (Seibt<br />

ebd.), betrachtet.<br />

Die Auflösung derart festgeschriebener Deutungsmuster ist<br />

nur sehr allmählich und mit Behutsamkeit möglich. An ihre<br />

Stelle werden sicher nicht die unerschütterlichen Einsichten<br />

darüber treten, „wie es eigentlich gewesen“ (L. v. Ranke). Hi-<br />

storiker bleiben Zeitgenossen, und auch die gegenwärtige<br />

historische Forschung folgt zeitgebundenen Leitbildern. Diese<br />

Einsicht macht historische Forschung keineswegs überflüssig.<br />

Es wird lediglich deutlich, daß sie der – jeder Generation<br />

zustehende – Versuch ist, ihre eigene Vergangenheit neu zu<br />

konstruieren. Die Sichtung der angehäuften Generationendeu-<br />

tungen ist Gegenstand historischen Forschens; damit ist die<br />

8


Notwendigkeit und Legitimität des wissenschaftlichen Um-<br />

gangs auch mit solch fernen Zeiten, wie es das 16. Jahrhun-<br />

dert für den Leser des beginnenden 21. Jahrhunderts unzwei-<br />

felhaft darstellt, formuliert.<br />

Das hier vorliegende Büchlein zielt auf solche Verständi-<br />

gung über die europäischen historischen Grundlagen der<br />

Gegenwart. In seinem Aufbau folgt es den skizzierten For-<br />

schungsfragen; es löst sich deshalb wiederholt vom chronolo-<br />

gischen, Vollständigkeit anstrebenden Muster einer Biogra-<br />

phie.


10<br />

II. Biographische Prägungen und Persönlichkeit<br />

1. Biographisches<br />

Am 24. Februar des Jahres 1500 wurde Karl in Gent geboren:<br />

Er war Enkel des Kaisers Maximilian I. (1459–1519), Sohn<br />

des Herzogs v. Burgund Philipp, genannt der Schöne (1478–<br />

1506) und der Prinzessin von Aragon und Kastilien Johanna<br />

(1479–1555). Im gleichen Jahr starb sein Vetter Michael<br />

(*1498), zukünftiger Erbe der spanischen Kronen ebenso wie<br />

derjenigen von Portugal; die Erbfolge ging an Karls Mutter<br />

über. Seitdem war klar, daß Karl in nicht allzu ferner Zukunft<br />

Erbe der spanischen Reiche werden würde. Und da er von<br />

seinem Vater die österreichischen Besitzungen des Hauses<br />

Habsburg übernehmen würde, zeichnete sich schon in seinen<br />

ersten Lebensjahren ab, welch bedeutende Machtfülle auf den<br />

Heranwachsenden wartete. Der frühe Tod des Vaters (1506)<br />

und die Gemütskrankheit der Mutter führten Karl recht rasch<br />

in die politische Verantwortung. Bereits 1515 hatte er in Bur-<br />

gund die Herrschaft übernommen, jener Verbindung von rei-<br />

chen Landschaften, die wir Heutigen nur noch als Nieder-<br />

lande, Belgien, Elsaß, Lothringen, Luxemburg, Savoyen und<br />

die Provence kennen. 1516 übertrug man dem jungen Prinzen<br />

auch in Spanien die Regentschaft für beide Reiche. Er nahm<br />

sie für seine immer weniger einsatzfähige Mutter bis zu deren<br />

Tod (1555) wahr.<br />

Nach dem Ermessen der Zeit trat der junge Karl diese Auf-<br />

gaben wohlgerüstet an. Sein erster Lehrer – er erhielt ihn im<br />

Alter von 9 Jahren – war Adrian von Utrecht (1459–1523),<br />

ein gelehrter burgundischer Theologe, damals Dekan der Kir-<br />

che St. Peter in Löwen. Wie etliche seiner Generation hatte er<br />

seine Prägungen durch die „Brüder vom gemeinsamen Leben“<br />

erfahren, die zu jener Frömmigkeitsbewegung des ausgehen-<br />

den Mittelalters gehörten, die als devotio moderna bezeichnet<br />

wird und Frömmigkeit als Lebenshaltung, nicht als dogma-<br />

tische Lehre verstanden wissen wollte. Über diesen Lehrer<br />

scheint auch Karl der devotio moderna nahe gekommen zu


sein: Seine „wesenhafte Frömmigkeit kann wohl nur hier ihre<br />

Wurzeln haben“, formulierte der Biograph der dreißiger Jahre<br />

unseres Jahrhunderts, K. Brandi (Brandi 1937, Bd. 1, S. 41).<br />

Selbst wenn die Skepsis jüngerer Historikergenerationen an-<br />

gebracht erscheint, ob Karl ebenso wie sein Lehrer ein wirkli-<br />

ches Devotenleben überhaupt hätten führen mögen (Seibt<br />

1990, S. 28) – schließlich wurde Adrian von Utrecht Kardinal,<br />

im Winter 1521/22 gar Papst –, so ist doch der enge Kontakt<br />

mit dieser Reformbewegung für den späteren Kaiser entschei-<br />

dend geworden.<br />

Die eigentliche politische Erziehung des jungen Prinzen, die<br />

zudem eine Einführung in die Sitten und Gebräuche des Hofes<br />

umfaßte, lag in den Händen vornehmlich adliger spanischer<br />

und niederländischer Herren, allen voran Wilhelms von Croy,<br />

Herrn von Chievres (1458–1521). Seit 1509 war er Gouver-<br />

neur und erster Kämmerer des angehenden Königs, vom kai-<br />

serlichen Großvater Maximilian dazu berufen. In dessen enge-<br />

rer Umgebung hatte er als Rat und Kammerherr, zudem als<br />

Ritter des Goldenen Vlies bereits seit gut zehn Jahren gedient.<br />

Chievres’ Zugehörigkeit zum altburgundischen Adel prägte<br />

seine politische Philosophie, sofern dieses große Wort hier<br />

zulässig ist: Der Dienst am Hofe des Herrschers bedeute<br />

keineswegs das Ende ständischen Selbstverständnisses und<br />

Selbstbewußtseins. Diese Haltung hat er an seinen Schützling<br />

weitergegeben. Sie äußerte sich im Bemühen des burgundi-<br />

schen Adligen, stets den Ausgleich mit den benachbarten gro-<br />

ßen Mächten England und Frankreich zu suchen, um den Be-<br />

stand des jungen Herrschaftsgebildes, das seine Einheit<br />

zunächst der herrschenden Dynastie verdankte, zu sichern.<br />

Im Gegensatz dazu stand die Position der herzoglichen Tan-<br />

te Margarethe von Österreich, verwitwete Erzherzogin von<br />

Savoyen (1480–1530), die nach dem Tode Philipps des Schö-<br />

nen mit der mütterlichen Betreuung der fast elternlosen Kin-<br />

der ihres Bruders (lediglich Karls Bruder Ferdinand (1503-<br />

1564) wuchs beim Großvater Ferdinand (1452–1516) in Spa-<br />

nien auf) in deren ersten Lebensjahren ebenso betraut worden<br />

war wie mit der Regentschaft im Herzogtum Burgund. Ihre<br />

11


Option war eine engere Anlehnung an England, einerseits ver-<br />

mutlich in der Hoffnung, den Einfluß des altburgundischen<br />

Adels am Hofe und auf die Regentschaft zu vermindern, an-<br />

dererseits um den für das Herzogtum wichtigen Handel mit<br />

den Engländern zu stabilisieren. Karl hat diese Spannungen<br />

selbstverständlich kennengelernt, eine souveräne Entschei-<br />

dung für die eine oder andere Seite aber war von einem kaum<br />

Fünfzehnjährigen nicht zu erwarten. Trotz seiner Parteinahme<br />

für die Adelsfronde, die sich 1514 gegen die Regentin gebildet<br />

hatte, blieb seine Zuneigung zur Tante ungebrochen. Wohl<br />

auch deshalb hat er sie in späteren Jahren (seit 1522) mit der<br />

Statthalterschaft im niederländisch-burgundischen Herzogtum<br />

betraut. Umgekehrt war auch Margarethe ihrem königlichen<br />

Neffen sehr zugetan, eine Sympathie, die sich zudem, was<br />

nicht selbstverständlich ist, aus dynastischer Solidarität speiste<br />

(Seibt 1990, S. 37f.). Historiker aller Generationen und Cou-<br />

leur haben ihre Klugheit und ihren politischen Verstand ge-<br />

rühmt. Ihr Eingreifen in die europäische Politik, das mit dem<br />

Abschluß des sogenannten „Damenfriedens von Cambrai“<br />

(1529) ein Ende der Konflikte zwischen Deutschland, Frank-<br />

reich und Spanien bewirken sollte, war bemerkenswert, ob-<br />

wohl der Frieden nicht hielt.<br />

Ob es wirklich von Bedeutung war, daß in Karls Biographie<br />

neben der Tante noch seine Schwester Maria (1505–1558),<br />

verwitwete Königin von Ungarn, und schließlich seine natürli-<br />

che Tochter Margarete von Parma (1522–1586) eine über das<br />

Private hinausgehende Funktion erfüllten (so Seibt 1990, S.<br />

44), abgesehen natürlich von der offensichtlich glücklichen<br />

Rolle, die seine Ehefrau, Isabella von Portugal (1503–1539),<br />

in seinem Leben einnahm? Es scheint, daß diese Tatsache<br />

nicht das Ungewöhnliche, sondern das Selbstverständliche be-<br />

stätigt: die zentrale Funktion der adligen „Hausmutter“ neben<br />

derjenigen des adligen „Hausvaters“ (in seiner Rolle als Lan-<br />

desvater) auch und gerade am Hof des 16. Jahrhunderts, der<br />

sich in seinen Strukturen erst zu finden begann.<br />

Mit der feierlichen Proklamation seiner Volljährigkeit im<br />

Ständesaal des Brüsseler Hofs am 5.1.1515 trat Herzog Karl<br />

12


in das Licht zunächst der niederländisch-burgundischen poli-<br />

tischen Öffentlichkeit. Der junge Herrscher formte seine poli-<br />

tische Umgebung zwar neu, aber nicht anders als seine Vor-<br />

gänger; eine Hofordnung von 1515 gibt Zeugnis davon. Zu-<br />

sammen mit Adrian von Utrecht und dem Großkanzler Jean<br />

Sauvage, Seigneur d’Escaubecq (1455–1518), einem gelehrten<br />

flandrischen Rat, bildete Chievres den engsten Rat, während<br />

zum weiteren Rat alle Ritter des Ordens vom Golden Vlies<br />

gehörten. Als Neunjähriger war der burgundische Erbprinz<br />

zum Oberhaupt des Ordens ernannt worden, und er schien<br />

sich mit dieser Gemeinschaft zu identifizieren, denn das Or-<br />

denszeichen findet sich stets, wenn auch am Rande, in seinen<br />

Portraits. Diese Mitgliedschaft stellte Beziehungen her zu ei-<br />

ner ritterlich geprägten Vereinigung von Männern sozialer<br />

Führungsgruppen seines Herzogtums. An deren Ordensideale<br />

war Karl durch seinen Großkämmerer Chievres herangeführt<br />

worden; ritterliche Lebensweise im Turnier und eine tapfere<br />

Lebensführung gehörten hinzu. Anders als die spätmittelalter-<br />

lichen Mönchsorden oder die religiöse Aufbruchbewegung der<br />

devotio moderna waren „Ritterorden wie der vom Goldenen<br />

Vlies im Spätmittelalter ein neues gesellschaftliches Führungs-<br />

instrument für die sich festigenden Nationalmonarchien und<br />

zugleich ein neuer Weg der Selbstdarstellung einzelner Mit-<br />

glieder der ,Familie des Königs’“ (Seibt 1990, S. 40/41).<br />

Nach dem Tode des spanischen Großvaters Ferdinand<br />

(23.1.1516) und seiner Proklamation zum spanischen König<br />

in Brüssel (13.3.1516) reiste Karl über England nach Spanien,<br />

wo er im September 1517 eintraf. Erstmals nach Jahren sahen<br />

sich die Brüder Karl und Ferdinand wieder. Der jüngere hatte<br />

sein bisheriges Leben vornehmlich in Spanien zugebracht, er<br />

war vom spanischen Großvater als heimlicher Nachfolger<br />

,aufgebaut’ worden. Wie konnte sich das Verhältnis zwischen<br />

beiden entwickeln? Im Interesse der dynastischen Geschlos-<br />

senheit hatte stets Einvernehmen darüber bestanden, daß<br />

Ferdinand Spanien verlassen sollte, wenn Karl als König die-<br />

ses Land betreten würde (Brandi 1937, Bd. 1, S. 71). Denn die<br />

Gefahr, daß sich adlige Gruppierungen für den im Lande auf-<br />

13


gewachsenen Prinzen und gegen den als landfremd empfun-<br />

denen neuen König bilden würden, war groß und sollte ver-<br />

mieden werden. Die Brüder haben diese keineswegs leichte<br />

Aufgabe offensichtlich mit gemeinsamem Taktgefühl und ge-<br />

tragen von der klaren Akzeptanz der Erbfolgeregelungen weit-<br />

gehend reibungslos gemeistert. Verabredungsgemäß reiste Fer-<br />

dinand nach einigen gemeinsamen Monaten in Spanien in das<br />

niederländisch-burgundische Herzogtum, um den älteren Bru-<br />

der zu vertreten. Erst im Jahr der Hochzeit Ferdinands mit der<br />

Prinzessin Anna von Ungarn (1503–1547), also 1521, kamen<br />

die Brüder in den sogenannten Brüsseler Verträgen überein,<br />

dem Jüngeren die österreichischen Herzogtümer (Ober- und<br />

Niederösterreich, Kärnten, Steiermark und Krain) in voller<br />

landesherrlicher Gewalt zu überlassen. In allen übrigen Funk-<br />

tionen sollte der Jüngere den Älteren vertreten. Wie schon im<br />

Verhältnis zur Tante Margarethe trug nun auch im Verhältnis<br />

zum Bruder das dynastische Prinzip der Solidarität.<br />

Eheschließungen dienten in den Fürstenfamilien des späten<br />

Mittelalters und der frühen Neuzeit der Absicherung von<br />

Herrschaft und der dynastischen Stabilisierung. Doch war<br />

dieses Prinzip keineswegs nur dort gebräuchlich, es galt auch<br />

im Bürgertum, unter den wohlhabenden Bauern und im nie-<br />

deren Adel. Das Gelingen einzelner Ehen unterlag demnach<br />

weit anderen Kriterien, als sie für die Menschen des 20. Jahr-<br />

hunderts gelten. Es war deshalb auch ganz selbstverständlich<br />

gewesen, für den noch jungen Karl Eheverbindungen zu pla-<br />

nen, die allein der dynastisch-politischen Vernunft folgten.<br />

Letztlich aber kamen sie alle nicht zustande. Die Verlobung<br />

mit seiner minderjährigen englischen Cousine Maria Tudor<br />

(1516–1558), Tochter Heinrichs VIII. (1491–1547), hatte Karl<br />

zwar 1522 noch einmal bestätigt; angesichts der Notwendig-<br />

keit aber, die Eheschließung auch als Geldquelle für den beab-<br />

sichtigten Italienfeldzug zu nutzen, konnte Karl auf die noch<br />

kindliche Braut nicht länger warten. Deshalb warb er um die<br />

wohlhabende und schöne Isabella v. Portugal, auch sie seine<br />

Cousine. Eine Verbindung mit ihr war zudem aus innenpoliti-<br />

schen Gründen hochwillkommen. Nach langem Bemühen er-<br />

14


folgte am 10.3.1526 die Trauung in Sevilla. Das Brautpaar<br />

hatte Glück: Was als dynastisches Kalkül begonnen hatte,<br />

führte in eine, so hat es den Anschein, gelingende Ehe, die von<br />

wechselseitigem Respekt und allmählich wachsender Zunei-<br />

gung getragen wurde. Seine ersten drei Ehejahre verbrachte<br />

das Paar in Granada, 1527 wurde der Thronfolger Philipp,<br />

1528 die älteste Tochter Maria geboren. Seit den 1530er Jah-<br />

ren zwangen die politischen Pflichten den Kaiser zur häufigen<br />

Abwesenheit. In einer sehr viel später formulierten Instruktion<br />

an seinen Sohn Philipp (4./6.5.1543) bezeichnete er es als<br />

wichtige Bedingung für eine gute Herrscherehe, daß die ge-<br />

meinsame Zeit nie zu lange währen sollte (Seibt 1990, S. 96).<br />

Die Menschen des 20. Jahrhunderts würden das vermutlich<br />

als Rationalisierung charakterisieren. Aber hatte sie nicht ihr<br />

Recht, wenn die Beteiligten damit zufrieden waren?<br />

Der Tod seiner Frau – sie starb am 1.5.1539 wenige Tage<br />

nach der Totgeburt ihres siebten Kindes – bewegte den Kaiser<br />

tief. An seinen Bruder schrieb er kurz danach: „Er habe bei<br />

diesem großen und höchsten Verlust keinen anderen Trost als<br />

ihr gutes und katholisches Leben und ihren heiligmäßigen<br />

Tod. Er tue alles, sich in den Willen Gottes zu fügen, den er<br />

gebeten habe, sie zu sich in sein Paradies zu nehmen, wo sie<br />

nun gewißlich weile“ (Brandi 1937, Bd. 1, S. 362). Und um<br />

der Trauer Raum zu geben, zog er sich für mehrere Tage in<br />

ein Hieronymitenkloster bei Toledo zurück. Zu Recht ist<br />

jüngst auf die Parallele zu seiner eigenen Todeserwartung hin-<br />

gewiesen worden: In unmittelbarer Nähe zum Hieronymi-<br />

tenkloster Yuste verbrachte Karl seine letzten Lebensjahre.<br />

Vermutlich war es die Verbindung von Armut (im Sinne der<br />

Franziskaner) und Eremitendasein, von Seelsorge, Meditation<br />

und Studium, was ihn an diesem Orden anzog – wir können<br />

darüber nur spekulieren. Was bleibt, ist der Eindruck einer<br />

ernsthaften Persönlichkeit, zumindest in diesen sehr persönli-<br />

chen Grenzerfahrungen fern aller kaiserlicher Stilisierung, fern<br />

damit auch seines übermütig-jugendlichen Wahlspruchs: plus<br />

ultra.<br />

15


16<br />

Karl V., Portrait 1548, Gemälde von Tizian


Isabella von Portugal, Bildnis von Tizian<br />

17


2. Selbstdarstellung und Persönlichkeit<br />

Wie nähern sich Zeitgenossen, wie Historiker einem Kaiser?<br />

Das Problem der parteiischen Färbung aller Berichte über<br />

einflußreiche, mächtige Persönlichkeiten stellt sich selbstver-<br />

ständlich auch bei der Würdigung Karls V. Die Fülle der Be-<br />

richte der Zeitgenossen wird ergänzt durch die Fülle der hi-<br />

storiographischen Deutungen durch die nachfolgenden<br />

Generationen, die zudem in zwei feindlichen Lagern auftre-<br />

ten: die antikaiserliche Propaganda und Geschichtsschreibung<br />

ist ebenso umfangreich wie die prokaiserliche. Karls Herr-<br />

schaftsübung wirkte polarisierend. Das kann nicht erstaunen<br />

angesichts der konfessionellen Verwerfungen seit dem ersten<br />

Drittel des 16. Jahrhunderts, angesichts der außenpolitischen<br />

Polarisierungen, durch die seine Regierungszeit geprägt war,<br />

angesichts schließlich des „übergroßen Wirkungsbereiches“<br />

(E. Schulin 1999), den er auszufüllen hatte und dessen regio-<br />

nale Identitäten nicht in einer überregionalen Einheit aufge-<br />

hen konnten, geschweige denn aufgehen wollten.<br />

Wenn auch die Herrschaftspraxis polarisierende Wirkung<br />

hatte, die Persönlichkeit des Kaisers besaß sie ganz offensicht-<br />

lich nicht! Folgen wir dem Bericht des Venezianischen Ge-<br />

sandten aus dem Jahre 1525, dann zeichneten den Kaiser Be-<br />

scheidenheit, Gerechtigkeit und eine sichtbar ernst gemeinte<br />

Religiosität aus. „Im Grunde seines Wesens ist er schwermü-<br />

tig, aber nicht temperamentlos, und seine ganze Veranlagung<br />

entspricht dieser Gesamthaltung. Er ist ein sehr religiöser<br />

Mensch, sehr gerecht, frei von jedem Laster und nicht, wie<br />

andere junge Leute der Wollust ergeben, er kennt auch sonst<br />

keine anderen Vergnügungen“ (Kohler, Quellen, 1990, S.<br />

114). Bemerkenswert erscheint dem Berichterstatter, daß der<br />

Kaiser nur hin und wieder auf die Jagd gehe, „selten genug“,<br />

wie er schreibt. Auch gemessen am zeitgenössischen Ideal des<br />

höfischen Lebensstils schien der Kaiser maßvoll: ausufernde<br />

Lebensformen waren ihm – mit Ausnahme seiner Eßgewohn-<br />

heiten – fremd, das traditionale Ritterideal lag ihm näher als<br />

die beginnende Hofkultur seiner eigenen Zeit.<br />

18


Diese positiven Züge finden sich in mehreren Berichten<br />

auch der folgenden Jahre; sie trafen einen offensichtlich wah-<br />

ren Kern. In den zeitgenössischen Berichten fehlen allerdings<br />

auch die negativen Charakterzüge nicht. Der Kaiser wird als<br />

verschlossen beschrieben, als unnahbar, spröde und nachtra-<br />

gend, was sich auf seine politischen Entscheidungen u.a. in<br />

der Auseinandersetzung mit den deutschen Protestanten als<br />

konfliktverschärfend erwies. „Er erweist sich als wenig leut-<br />

selig und eher schnell zugeknöpft als großzügig, daher ist er<br />

nicht übermäßig beliebt [...]. Wie [...] sein Beichtvater [...]<br />

sagte, behält der Kaiser ihm einmal zugefügte Beleidigungen<br />

im Gedächtnis und kann sie nicht so leicht vergessen“ (Koh-<br />

ler, ebd., S. 115). Diese Eigenschaften verschärften sich im<br />

Laufe der Jahre, möglicherweise auch als Folge der Enttäu-<br />

schung und Resignation, die den Kaiser in seinen letzten Re-<br />

gierungsjahren zeichneten. Karl wurde nicht altersweise, ganz<br />

im Gegenteil. Nach Berichten aus seinen letzten Lebenstagen<br />

verschärfte sich seine Haltung gegenüber den Protestanten,<br />

den Ketzern, wie er sie nun nur noch nannte, zu einer Un-<br />

barmherzigkeit, die in den Tagen der direkten.Konfrontation<br />

beim Kaiser unbekannt gewesen war. „Ich bitte ihn und bürde<br />

es ihm auf“, so schrieb Karl in seinem letzten Brief an seinen<br />

Sohn Anfang September 1558, „mit aller Inständigkeit und<br />

Dringlichkeit und wie ich es nur kann und wie es meine<br />

Pflicht ist: ich befehle es ihm als sein liebender Vater und um<br />

des Gehorsams willen, den er mir schuldig ist, als Wichtigstes<br />

und Hauptsächliches, daß die Ketzer vernichtet und bestraft<br />

werden mit allem nur möglichen Nachdruck der Gewalt, ohne<br />

Ausnahme und ohne Barmherzigkeit [...], und zu meiner größ-<br />

ten Entlastung und Beruhigung.“ Aus diesen Sätzen spricht<br />

Enttäuschung über die Vergeblichkeit seiner Ausgleichs- und<br />

Reformbemühungen, die Verletzung also desjenigen, der sich<br />

mißverstanden sieht. So viel Schärfe im Urteil läßt auch auf<br />

Einsamkeit und fehlenden Austausch mit einem als gleich-<br />

rangig akzeptierten Partner schließen. Daß der Kaiser diese<br />

Kommunikation, das Nachdenken über Herrschaftsübung<br />

und -praxis gerade in seinen letzten Lebensjahren suchte, zeigt<br />

19


20<br />

Karl V. über das Feld bei Mühlberg reitend, Gemälde von Tizian


Karl V., Portrait mit Dogge, Gemälde von Tizian<br />

21


die Notiz seines nächtlichen Vorlesers, Guillaume van Male<br />

(† 1560), die von der Vorliebe des Kaisers für die Psalmen<br />

des Alten Testaments als der christlichen Herrschafts- und<br />

Tugendlehre zeugt. „Häufig haben wir in den Psalmen gele-<br />

sen, und der klare Geist des König David hat den Kaiser im-<br />

mer wieder neu angeregt“ (Reiffenberg, 1843, Nr. 44 vom<br />

5.5.1551).<br />

Sehr bewußt hat der Kaiser versucht, das Bild zu prägen,<br />

das sich die Zeitgenossen von ihm machten. Das war Herr-<br />

schertradition, nichts Illegitimes, von der Umgebung und den<br />

Untertanen des Kaisers vielmehr erwartet. Neben der Hofhi-<br />

storiographie und der Formulierung seiner Autobiographie<br />

nutzte der Kaiser zielgerichtet die Möglichkeiten der zeitge-<br />

nössischen Malerei. Es ist durchaus angebracht, diese Funk-<br />

tionalisierung der bildenden Kunst als Propaganda zu be-<br />

zeichnen. Auch das Bild der Historiker des 20. Jahrhunderts<br />

ist damit bis zu einem gewissen Grad durch Karl selbst be-<br />

stimmt.<br />

Die besondere Rolle, die der venezianische Malerfürst Tizi-<br />

ano Vecellio (um 1488–1576) in dieser Selbstinszenierung<br />

spielte, begann erst in der Mitte der dreißiger Jahre des 16.<br />

Jahrhunderts. 1533 fertigte Tizian eine Kopie des von J. Sei-<br />

senegger erstellten Bildnisses des Kaisers mit einer Ulmer<br />

Dogge, die den Kaiser von der Kunst des Venezianers über-<br />

zeugte. Wenig später ernannte er ihn zum Ritter des goldenen<br />

Sporn; diese soziale Aufwertung erleichterte ihm den Umgang<br />

am kaiserlichen Hof. Anläßlich der Augsburger Reichstage<br />

1547/48 und 1550/51 begegneten sich Kaiser und Künstler<br />

persönlich und über einen längeren Zeitraum. Hier entstand<br />

das berühmte Reiterbild, das den Kaiser nach der Schlacht bei<br />

Mühlberg, dem Sieg über die Protestanten im Reich, darstell-<br />

te. Im Selbstverständnis des Kaisers und seiner Umgebung er-<br />

schien Karl hier als defensor fidei, als Verteidiger des Glau-<br />

bens. Aber der Kaiser wirkt erschöpft, sein Gesicht drückt<br />

nicht Siegesfreude oder Kampfgeist aus, sondern ist gezeichnet<br />

von den Anstrengungen der vergangenen Jahre, von der<br />

Energie, die er aufbringt, um den Ritt zu vollenden. Weder<br />

22


Menschen sind zu sehen noch Fahnen und Kanonen: Die gan-<br />

ze Darstellung ist auf den Kaiser, seinen Gesichtsausdruck<br />

konzentriert. Auch die kaiserlichen Insignien stehen im Hin-<br />

tergrund. „Ohnehin wird alle Beigabe durch die schlichte<br />

Kleidung verdrängt. Jeder Vergleich, auch wenn man von der<br />

Kunst Tizians dabei absieht, hebt die Bilder Karls weit über<br />

die seiner europäischen Standesgenossen [...]. Wie unendlich<br />

überlegen wirkt all jenen gegenüber der blasse Karl mit seinen<br />

sensiblen Händen, dem Tizian alle Ausdruckskraft in die Au-<br />

gen legte“ (Seibt 1990, S. 35).<br />

Und eben darin bestand das Selbstverständnis des Kaisers:<br />

Die Verteidigung des Glaubens war Aufgabe des „ersten Für-<br />

sten der Christenheit“. Tizian gab dem Anspruch zu einem<br />

Zeitpunkt seinen künstlerischen Ausdruck, an dem die Reali-<br />

sierungschancen des politischen Konzepts der monarchia uni-<br />

versalis, der Universalmonarchie, immer unwahrscheinlicher<br />

wurden. War es Weltferne, die den Kaiser an jenem Konzept<br />

festzuhalten veranlaßte?


24<br />

III. Der Kaiser und Europa –<br />

der Kaiser in Europa<br />

Gerade die Jugend des burgundischen Herzogs und spani-<br />

schen Königs weckte die Hoffnungen zahlreicher Zeitgenos-<br />

sen. Am bekanntesten ist der Karl gewidmete Fürstenspiegel<br />

des ,Humanistenfürsten’ Erasmus von Rotterdam (um 1466-<br />

1536) aus dem Jahr 1516. In betonter Abkehr von den bur-<br />

gundischen Ritteridealen, zu denen sich der junge König<br />

als Oberhaupt des Ordens vom Goldenen Vlies bekannte,<br />

formulierte der niederländische Gelehrte Erziehungsregeln für<br />

einen christlichen Fürsten. Es war ein Aufruf an den jungen<br />

Herrscher, Konflikte auf friedlichem Wege zu bewältigen. In<br />

seiner Vorstellung sollten die christlichen Fürsten eine christli-<br />

che Gemeinschaft, die res publica christiana, bilden, deren<br />

Grundsatz die Friedenswahrung zu sein hatte. Erasmus stand<br />

nicht allein mit seiner Erwartung: Zu Beginn des 16. Jahr-<br />

hunderts gab es eine weitgespannte Debatte unter Europas<br />

Humanisten über den Wert und die Möglichkeiten des Frie-<br />

dens und der religiösen Toleranz (Seibt 1990, S. 92; Guggis-<br />

berg 1984). Ob Karl von diesen Diskussionen berührt wurde,<br />

ist unbekannt. Aber sein plus ultra signalisierte politischen<br />

Gestaltungswillen. Seine Ideale waren die ritterlichen, zu de-<br />

nen aber auch die Wahrung des Friedens zählte. Karl hat dies<br />

in seinen berühmten Reflexionen von 1525 (Brandi 1937, Bd.<br />

1, S. 189f.) selbst formuliert, zugleich aber hinzugesetzt: „Das<br />

ist etwas Schönes auszusprechen, aber schlecht zu haben,<br />

denn jeder weiß, daß man ihn [den Frieden, d. Verf.] ohne<br />

Zustimmung des Feindes nicht haben kann“ (Brandi 1937,<br />

Bd. 1, S. 190).<br />

1. König von Spanien<br />

Das aktuelle Aufgabenfeld für Karl war zunächst Spanien.<br />

Dies erforderte eine Politik des Ausgleichs und der Befriedung<br />

im Innern, mit deren Hilfe das in großen Teilen des Adels


vorhandene Mißtrauen gegen den neuen, landfremden König<br />

zu beseitigen war. In der Forschung werden diese Bemühun-<br />

gen Karls als Teil des von ihm allmählich aufgebauten<br />

„politischen Systems“ charakterisiert (Lutz 1982), mit des-<br />

sen Hilfe er die Vielzahl und Vielfalt der räumlich weit von-<br />

einander getrennten Herrschaftskomplexe zusammenzubin-<br />

den versuchte. Gegensätzlich bleibt bislang die Wertung der<br />

Bemühungen. Während der Kölner Historiker P. Rassow die<br />

universalistischen Aspekte dieser Politik herausgestellt hat,<br />

deren Wurzeln im Mittelalter lägen (Rassow 1932; 1957),<br />

wiesen sowohl K. Brandi als auch die Wiener und Konstanzer<br />

Historiker H. Lutz (1964) und H. Rabe (1971) darauf hin,<br />

daß sich das politische Instrumentarium Karls auch als dasje-<br />

nige eines „frühabsolutistischen Herrschers“ (Rabe 1982, S.<br />

162) bezeichnen lasse. Die beiden hierfür geltend gemachten<br />

Kriterien: Zurückdrängung der Stände einerseits und Intensi-<br />

vierung der herrschaftlichen Zentralverwaltung andererseits<br />

müssen angesichts eines gewandelten Blickwinkels der Histo-<br />

riker neu gewichtet werden. Denn worin bestand das Zurück-<br />

drängen der Stände, und was blieb von der Intensivierung der<br />

Zentralverwaltung, wenn man nach deren Durchsetzungs-<br />

vermögen gegenüber der adligen bzw. städtischen Basis fragt?<br />

Seit Beginn seiner Regierungszeit bestand Unmut unter den<br />

altspanischen Adelsfamilien darüber, daß Karl einige nicht-<br />

spanische Berater am Hof mit heimischen Gütern belehnt hat-<br />

te (Brandi 1937, B. 1, S. 74f.). Der Ärger äußerte sich auf der<br />

ersten Versammlung der Stände Kastiliens (Cortes), die nach<br />

dem Regierungsantritt des neuen Königs 1517/18 in Vallado-<br />

lid tagte. Gemäß nicht nur spanischer, sondern gesamteuro-<br />

päischer Tradition hatte der König zu schwören, daß er die<br />

hergebrachten Rechte und Privilegien der Stände wahren wer-<br />

de; als gleichberechtigte Antwort darauf mußten die Stände<br />

(hier in Gestalt der Cortes als Vertreter von Adel, Geistlich-<br />

keit und Städten) dem neuen König huldigen, womit sie ihren<br />

Gehorsam dokumentierten. Karl absolvierte beides: am<br />

5.2.1518 seinen Eid, am 7.2.1518 empfing er die ständische<br />

Huldigung. Auf den Ständeversammlungen der übrigen Teil-<br />

25


eiche (Aragon und Katalonien) wiederholte sich dieser Vor-<br />

gang in den folgenden Wochen. Für alle sichtbar hatte er<br />

damit den traditionellen Vertragscharakter der Herrschafts-<br />

übung auch und gerade im Königreich Spanien bestätigt.<br />

Hinweise auf eine Ablehnung dieser Legitimitätsgrundlage<br />

durch Karl hat es nie gegeben. Strikt eingebunden in die poli-<br />

tischen Ordnungsvorstellungen seiner Zeit, war auch für ihn<br />

unbestritten, daß Herrschaft an ständische Beteiligung gebun-<br />

den war. Dazu gehörte andererseits, daß ein christlicher, d. h.<br />

Gott gehorsamer Herrscher von seinen Untertanen gleichfalls<br />

Gehorsam erwarten durfte. Nicht die Begründung (früh-)ab-<br />

solutistischer Herrschaftsübung war das Thema jener Zeit –<br />

auch der Zeitgenosse Machiavelli (1469–1527) hat Herrschaft<br />

nicht als absolute legitimiert –, sondern der Umfang der Herr-<br />

schaftsübung, die der pater patriae, d.h. der Herrscher als<br />

Landesvater, für sich in Anspruch nehmen durfte.<br />

Die Stände in Valladolid überreichten ihre Forderungen in<br />

88 Artikeln, in denen allgemeine und konkrete Mißstände zur<br />

Sprache kamen (Brandi 1937, Bd. 1, S. 76). Sie betrafen Un-<br />

regelmäßigkeiten im Gerichtswesen, Probleme im kirchlichen<br />

Abgabenwesen ebenso wie bei der Vergabe geistlicher Ämter.<br />

Damit wurde die Forderung verbunden, auch weltliche Äm-<br />

ter/Pfründen (u.a. am Hof) nur an heimische Adlige zu ver-<br />

geben. Auch sollte die Sprache am Hof und diejenige des<br />

Königs Spanisch sein. Schließlich forderten die Stände, regel-<br />

mäßig einberufen zu werden.<br />

Zwei Strukturprobleme der spanischen Gesellschaft des<br />

frühen 16. Jahrhunderts wurden damit angesprochen: zum ei-<br />

nen die ungeklärten Verhältnisse zwischen geistlicher und<br />

weltlicher Herrschaftsübung – ein Problem mithin, das die<br />

spanische Gesellschaft keineswegs allein bewegte; zum ande-<br />

ren das Verhältnis zwischen heimischem Adel und landfrem-<br />

den Amtsträgern, die im Umkreis des Königs erhebliche poli-<br />

tische Macht auszuüben begannen. Auch dieses Problem ist<br />

kein spezifisch spanisches gewesen, selbst wenn es sich durch<br />

die langen Abwesenheiten des Königs verschärft darstellte.<br />

Was sich hier artikulierte, war ein Strukturwandel in der<br />

26


Herrschaftsübung. Den vornehmlich adligen Ständen drohte<br />

das unbestrittene Recht der Beteiligung an Herrschaft ge-<br />

nommen zu werden und zwar durch Kompetenzverlagerung<br />

auf neue soziale Führungsgruppen, die aufgrund der Amtsver-<br />

gabe vom König abhängig waren. Im Spanien der frühen<br />

zwanziger Jahre zeichnete sich dies ab; deshalb wuchs der<br />

Protest, deshalb auch war die Forderung nach Regelmäßigkeit<br />

der ständischen Sitzungen zentral: Eine Institutionalisierung<br />

ständischer Mitregierung sollte damit durchgesetzt werden.<br />

Seit dem Tod des Kaisers Maximilian (12.1.1519) ver-<br />

schärfte sich das Problem der inneren Machtbalance weiter.<br />

Da die Chancen des jungen Königs groß waren, die Kaiser-<br />

würde zu erhalten, stellte sich die Frage nach der Vereinbar-<br />

keit von königlicher und kaiserlicher Herrschaftsübung. Muß-<br />

te nicht notwendigerweise das Interesse des spanischen König-<br />

reichs vor dem Anspruch des Kaisertums zurückstehen? Über<br />

die Möglichkeiten einer Verbindung beider Interessen ent-<br />

stand sogleich eine rege öffentliche Diskussion, die zwischen<br />

den Vertretern des Königshofs und den Vertretern der Stände<br />

vor allem Kastiliens geführt wurde. Sie war ein Streit um die<br />

zeitgenössische Kaiseridee.<br />

Gewichtige politische Denker der Zeit haben sich darin zu<br />

Wort gemeldet. Selbst die Ratgeber des Königs waren nicht<br />

einer Meinung. Der Kern der Frage lautete: Hat das Kaiser-<br />

tum einen legitimen universalen Anspruch, weil es die Einheit<br />

der Christenheit bewahren soll, oder handelt es sich um die<br />

Rechtfertigung von Expansionsbestrebungen? Geht es um das<br />

weltliche imperium oder um die sakrale monarchia universa-<br />

lis? Der Kaiser und sein seit dem 15.10.1518 amtierender<br />

Großkanzler Mercurino Gattinara (1465–1530) betonten die<br />

sakrale Bedeutung der Universalmonarchie. Demgegenüber<br />

warnten der Hofprediger des Königs Antonio de Guevara<br />

(1486–1546), sein späterer zeitweiliger Beichtvater Pedro de<br />

Soto (1495–1560), Mitglied der damals führenden spanischen<br />

Philosophenschule an der Universität von Salamanca, und de-<br />

ren ,Haupt’ Francisco de Vitoria (ca. 1485–1546) vor der im-<br />

perialen Verführung der universalen Kaiseridee. In ihrer Sicht<br />

27


ging es darum, die Grundsätze einer theologisch fundierten<br />

Herrschaftsethik zu reformulieren, was zudem im Rahmen<br />

der spanischen Kolonialpolitik dringend erforderlich war (H.<br />

Lutz 1964, S. 27f.). Vitoria betonte die Gleichwertigkeit aller<br />

politischen Bildungen innerhalb der Christenheit. Mit Verweis<br />

auf die Staatslehre des Thomas v. Aquin (1224–1274) bestritt<br />

er jede theologische oder rechtliche Legitimation der monar-<br />

chia universalis, sofern sie als imperium auftrete.<br />

In inhaltlicher Verbindung dazu entstand Vitorias Argu-<br />

mentation, die den nicht-christlichen Bewohnern der neuen<br />

Welt, den neuen Untertanen des spanischen Königs also, un-<br />

veräußerliche natürliche Rechte zuerkannte. Sie besaßen ein<br />

eigenes Verfügungsrecht über ihren Körper, d.h. persönliche<br />

Freiheit (Pagden 1987, S. 81). Die Eroberung Amerikas konn-<br />

te deshalb nur gerechtfertigt sein, wenn die Ureinwohner diese<br />

Rechte durch eigene Handlungen verwirkt hätten. Der Kaiser<br />

hat diese bemerkenswert differenzierten Argumentationen<br />

seines zeitweiligen Beichtvaters gewiß gekannt. Und wohl<br />

deshalb war Karl mit den spanischen Eroberern einig im Be-<br />

wußtsein, rechtmäßig zu handeln, denn ihm und vielen ande-<br />

ren ging es nicht um Zerstörung. Eroberung hieß Anerken-<br />

nung sozialer Gemeinschaften, die die Ureinwohner gebildet<br />

hatten. In der Theorie ging man sogar von der Duldung nicht-<br />

christlicher Herrschaftsordnungen aus. Das Konzept der<br />

monarchia universalis vertrug sich damit sehr gut, denn Be-<br />

kehrung zum Christentum war ja keineswegs untersagt.<br />

Auch deshalb betonte der Kaiser, anders als Vitoria, die<br />

Legitimität der Universalmonarchie. Sie umfasse ein geistli-<br />

ches und ein weltliches Aufgabenfeld, in beiden habe der Kai-<br />

ser für das Wohl aller zu sorgen. Der Universalmonarch sei<br />

protector und advocatus ecclesiae, deshalb müsse er den Krieg<br />

gegen die Ungläubigen ebenso führen, wie er die Kirchenre-<br />

form zu betreiben und die Ketzer zu verfolgen habe. Seine Be-<br />

gründungen standen in der langen Tradition alttestamentli-<br />

cher Kontinuitätsvorstellungen, der Kaiser sah sich als<br />

Friedenskaiser, als katechon, der den Zerstörer der Welt auf-<br />

halte. Nach Gottes Gebot müsse die Vielzahl menschlicher<br />

28


Herrschaften unter einem Herrscher zusammengeführt wer-<br />

den; deshalb sei die Existenz der einen Monarchie gewollt, die<br />

Vielzahl der Herrscher dagegen Folge der Erbsünde (Bosbach<br />

1988, S. 13 u.ö.).<br />

In seiner Proklamation vor den Cortes in La Coruña hatte<br />

Karl diese Gedanken am 20.4.1520 angedeutet (Rassow<br />

1957, S. 17f.), er wollte die Diskussionen um die Unverein-<br />

barkeit von spanischem Königtum und Kaisertum im positi-<br />

ven Sinne beenden. Knapp vier Wochen später verließ er das<br />

keineswegs befriedete Land mit seinen engsten Beratern be-<br />

reits wieder in Richtung Niederlande. Daß es kurze Zeit dar-<br />

auf (29.7.1520) zum offenen Ausbruch einer Ständerevolte<br />

kam mit dem erklärten Ziel, die Wahrnehmung spanischer In-<br />

teressen durch die spanischen Stände selbst zu sichern, war<br />

angesichts dieses Problemdrucks nicht verwunderlich.<br />

Innere Gegensätze zwischen den am Aufstand beteiligten<br />

Gruppen und das militärische Übergewicht der vom Statthal-<br />

ter des Königs Adrian von Utrecht zusammengezogenen Trup-<br />

pen führten schließlich zum Scheitern der Erhebungen. Von<br />

einer Befriedung im Sinne des Ausgleichs der vielfältigen und<br />

berechtigten Forderungen der ständischen Opposition konnte<br />

selbst am Ende der Regierungszeit Karls kaum gesprochen<br />

werden. Als er im Sommer 1522 nach Spanien zurückkehrte,<br />

ging es zunächst um die Bestrafung der Aufständischen; er<br />

selbst verkündete am 2.11.1522 in Valladolid die Urteile.<br />

Neben der Todesstrafe für die Anführer wurden für weitere<br />

Beteiligte auch mildere Urteile ausgesprochen; die umfangrei-<br />

chen Güterkonfiskationen aber trafen die beteiligten Adels-<br />

und Stadtbürgerfamilien empfindlich.<br />

Das labile Gleichgewicht, das seitdem in Spanien zwischen<br />

König und Ständen bestand, läßt sich kaum als Zurückdrän-<br />

gung der ständischen Beteiligungsansprüche charakterisieren,<br />

zumindest nicht solange Karl regierte. In einer Thronrede, die<br />

er vor den Cortes im Juli 1523 hielt, entwickelte er ein Pro-<br />

gramm patriarchalischer Herrschaftsübung: Schutz der ka-<br />

tholischen Religion, Verteidigung der Rechte des Landes im<br />

Innern und nach außen. Die Aufgaben der Cortes charakteri-<br />

29


sierte er dabei als selbstverständliche Teilhabe am Reform-<br />

prozeß im Lande (Brandi 1937, Bd. 1, S. 180). In den folgen-<br />

den Jahren bemühte er sich als Antwort auf die ständischen<br />

Unruhen (bis 1529 war Karl ohne Unterbrechung im Lande)<br />

um den Aufbau einer funktionierenden spanischen Zentral-<br />

verwaltung. Erste Ansätze dazu gab es bereits aus den Zeiten<br />

seiner Großeltern, die sich aber nicht als besonders effektiv<br />

erwiesen hatten. Es muß deshalb festgehalten werden, daß<br />

auch Karls Anstrengungen nur mühsam vorankamen. Das<br />

Nebeneinander von Kompetenzen in regionalen und ständi-<br />

schen Gremien sowie in solchen Gremien, die der Zentrale<br />

zuarbeiten sollten, unterscheidet sich in der fehlenden Ver-<br />

mittlung zu den Betroffenen nicht von entsprechenden Struk-<br />

turen, die in den letzten Jahren auch für andere europäische<br />

Regionen beschrieben worden sind. Das spanische Königreich<br />

war eine ständisch strukturierte Herrschaftsordnung; alle Be-<br />

mühungen, deren Funktionieren zu verbessern, stellten den<br />

akzeptierten Grundkonsens nicht in Frage. Niemand vertrat<br />

diese Position klarer als der König selbst: In der Kontroverse<br />

um die Kaiseridee betonte er die Traditionslinie, in der die<br />

monarchia universalis stehe. Die Kontroversen der Zeit, so-<br />

wohl diejenigen um die Strukturen ständischer Herrschaft, als<br />

auch diejenigen um das Konzept der Universalmonarchie, wa-<br />

ren Auseinandersetzungen innerhalb eines von allen akzeptier-<br />

ten Rahmens, den die Historiker gerne als traditional be-<br />

zeichnen. Unterschiedliche Positionen erweisen sich deshalb<br />

als graduelle Abweichungen innerhalb eines Grundkonsenses,<br />

nicht aber als Kontroversen zwischen mittelalterlicher und<br />

frühmoderner Staatlichkeit!<br />

Nicht nur für die politiktheoretischen, innerspanischen<br />

Diskussionen spielte die Verbindung zwischen Kaiseridee und<br />

Kolonialreich eine Rolle; die spanischen Besitzungen in Über-<br />

see erhielten in der Regierungszeit Karls V. auch eine wach-<br />

sende Bedeutung als ökonomische Absicherung seiner Europa<br />

umgreifenden Herrschaftsübung. Für ihn waren die Übersee-<br />

gebiete in dieser Funktion wichtig; deshalb war er an der Fä-<br />

higkeit ihrer Verwaltung, Abgaben und Erträge einzufordern,<br />

30


sehr interessiert. Die Probleme, die sich aus der rücksichtslo-<br />

sen Ausbeutung und Eroberung der Kolonialgebiete für deren<br />

Leistungsfähigkeit, ja Überlebensfähigkeit ergaben, waren<br />

dem Kaiser allerdings sehr bewußt; die skizzierten innerspani-<br />

schen Diskussionen prägten und sensibilisierten ihn. Die<br />

Überseepolitik während seiner Regierungszeit zielte deshalb<br />

darauf, Kompromißlösungen zwischen den Interessen der<br />

spanischen Siedler und derjenigen der Ureinwohner durchzu-<br />

setzen. Während der Versammlung der Cortes 1520 in La<br />

Coruña ergriff Karl die Initiative: Das umstrittene System der<br />

Encomienda, durch das die Indios zu harter körperlicher Ar-<br />

beit zwangsverpflichtet werden konnten, wurde verändert.<br />

Die Ureinwohner sollten nurmehr mit ihrem Einverständnis<br />

zu bestimmten Arbeiten herangezogen werden können, die<br />

spanischen Kolonialbeamten mußten auf diese Art der Ver-<br />

wendung der Indios gänzlich verzichten. Die Kritik des Do-<br />

minikanerpaters Bartolomé de las Casas (1474–1566) führte<br />

bereits 1518 zur Reform der Verwaltung der Gebiete in Über-<br />

see, indem ein kollegiales System mit einem eigenen Sekretär<br />

in Sevilla eingerichtet wurde. Dieses wurde 1524 zum Indien-<br />

rat (Consejo Real y Supremo de las Indias) erhoben.<br />

Dennoch erwies sich die Durchsetzung der Reformgesetze<br />

als äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich; viele der<br />

spanischen Eroberer, allen voran Hernán Cortés (1485–1547),<br />

hielten sich schlicht nicht an die Vorgaben. Dem konnte die<br />

spanische Krone (insbesondere der Indienrat) nicht jahrelang<br />

untätig zusehen. Der Kaiser berief deshalb 1539 eine Kom-<br />

mission, vor der die verschiedenen Positionen zur Lösung der<br />

sozialen und wirtschaftlichen Probleme der Überseegebiete<br />

vorgetragen wurden. Nach diesen „Disputationen von Valla-<br />

dolid und Barcelona“ von 1542/43 wurden die Vorgaben von<br />

1520 erneuert und verschärft (Leyes nuevas); insbesondere<br />

verbot man die erbliche Encomienda. Der nun an Heftigkeit<br />

noch zunehmende Widerstand der Encomenderos in den Ko-<br />

lonialgebieten war Ursache gravierender sozialer und wirt-<br />

schaftlicher Krisen in den beiden Vizekönigtümern Peru und<br />

Neu-Spanien. Sie zwangen den Kaiser, bereits im Oktober<br />

31


1542 das Erblichkeitsverbot der Encomiendas wieder aufzu-<br />

heben, so daß die zentrale Bestimmung der „Neuen Gesetze“<br />

hinfällig wurde. Dennoch gelang es in den folgenden Jahren,<br />

die Zwangsmaßnahmen gegenüber den Indios einer stärkeren<br />

Kontrolle durch die königliche Verwaltung zu unterwerfen.<br />

Damit wurde dem Anliegen des Kaisers entsprochen, das er in<br />

der Augsburger Instruktion von 1548 nachdrücklich formu-<br />

liert hatte: Die Anerkennung eines natürlichen Rechts auch<br />

für die Indios führt zum Schutz ihrer rechtmäßigen Ordnun-<br />

gen vor Willkürmaßnahmen durch die spanischen Eroberer.<br />

2. Kampf der Dynastien oder Mächtekonflikt?<br />

Spätestens seit der Niederlage des französischen Königs Franz<br />

I. (1494–1547) bei der Kaiserwahl 1519 wurde der Gegensatz<br />

zwischen den Häusern Valois (der Herrscherdynastie Frank-<br />

reichs) und Habsburg (der Herrscherdynastie Österreichs)<br />

zum Dauerthema der europäischen Machtbeziehungen im 16.<br />

Jahrhundert. „Er geriet zu einem militärischen und ideologi-<br />

schen Dauerkonflikt, der erst 1559, nach fünf Kriegen ein<br />

Ende fand“ (Kohler, Reich, 1990, S. 8). In der Abwehr der<br />

Bedrohung durch die Osmanen waren sich französische und<br />

habsburgische Überlegungen zur Stärkung einer Universal-<br />

monarchie noch im Vorfeld der Kaiserwahl sehr nahegekom-<br />

men. Auch die europäische Öffentlichkeit betrachtete diese<br />

Ideen bei aller Kritik insbesondere aus dem Kreis der spani-<br />

schen Philosophenschule von Salamanca (s.o. S. 27) mit Sym-<br />

pathie. Nach der Wahl Karls zum Kaiser allerdings entfaltete<br />

das universale Herrschaftskonzept eine antifranzösische<br />

Stoßrichtung, die zur Polarisierung in Europa maßgeblich bei-<br />

trug. Praktische geopolitische Grundlage der monarchia uni-<br />

versalis war nach der Vorstellung des Kaisers und seines<br />

Großkanzlers Gattinara zum ersten die Kaiserwürde und zum<br />

zweiten die Herstellung einer „Landbrücke [...] zwischen den<br />

spanischen, italienischen und deutschen Herrschaftsbereichen<br />

der Habsburger auf Kosten Frankreichs, das solcherart auf die<br />

Stellung einer zweitrangigen Macht in Europa zurückgewor-<br />

32


fen worden wäre“ (Rabe 1991, S. 224f.). Es ist einsichtig, daß<br />

dies den französischen Unwillen hervorrief. Darüber hinaus<br />

ging es dem französischen König darum, die Niederlage bei<br />

der Kaiserwahl durch territoriale Gewinne an anderer Stelle<br />

auszugleichen. An eine Abtretung der oberitalienischen Gebie-<br />

te war deshalb nicht zu denken. Statt dessen erhob er seiner-<br />

seits Ansprüche auf die 1512 an Spanien verlorenen Teile des<br />

Königreichs Navarra. Machterweiterung war also auch für<br />

Frankreich maßgebliche Handlungsmaxime.<br />

Den ersten Schritt in die skizzierte Richtung tat der Kaiser<br />

mit der Eroberung Mailands im November 1521; bis zum<br />

Mai 1522 hatte er ganz Oberitalien in seiner Hand. Allerdings<br />

wechselte der militärische Erfolg rasch: Im Sommer 1524<br />

konnten die Franzosen Teile Oberitaliens wieder zurücker-<br />

obern. Bemerkenswert war zudem, daß die kaiserlichen Erfol-<br />

ge in den italienischen Mittel- und Kleinstaaten einen „anti-<br />

habsburgischen Patriotismus“ entstehen ließen, der sich in der<br />

öffentlichen Meinung als profranzösische Stimmung äußerte<br />

(Rabe 1991, S. 225; Kohler, Reich, 1990, S. 10). Dennoch<br />

gelang den kaiserlichen Truppen am 25. Geburtstag Karls der<br />

entscheidende Sieg bei Pavia. Der französische König geriet in<br />

kaiserliche Gefangenschaft.<br />

Der Sieg traf den Kaiser unerwartet. Seine Reaktion war<br />

sehr verhalten, alle Feiern am Hof wurden untersagt, er selbst<br />

begab sich als Zeichen religiöser Demut auf eine Wallfahrt zu<br />

einem der großen Wallfahrtsorte Spaniens: Unserer Lieben<br />

Frau von Guadalupe. Wenige Wochen vor dem Sieg seiner<br />

Truppen hatte sich der Kaiser in einer Denkschrift selbst Re-<br />

chenschaft über seine bisherigen Erfolge und möglichen Ziele<br />

abgelegt; er war zu einem eher zurückhaltenden Urteil ge-<br />

kommen (Seibt 1990, S. 90f.). Nun hatte die Realität die Plä-<br />

ne überholt. Seine nachdenklichen Äußerungen aber signali-<br />

sieren, wie wichtig dem Kaiser ein militärischer Erfolg zur<br />

Wahrung seines Nachruhms, seiner Ehre war! „[...] und in-<br />

dem ich sehe und fühle, daß die Zeit vergeht“, schrieb Karl<br />

nieder, „und daß wir bald vergehen mit ihr, und da ich nicht<br />

so vergehen möchte ohne eine rühmliche Erinnerung an mich<br />

33


zurückzulassen, und da das, was heute verloren wird, morgen<br />

nicht zurückzugewinnen ist, und da ich bisher nichts geleistet<br />

habe, das zur Ehre meiner Person gereicht, was so lange hin-<br />

ausgeschoben zu haben ich recht zu tadeln wäre – aus all die-<br />

sen Ursachen und vielen anderen würde ich keinen Grund se-<br />

hen, der mich hinderte, etwas Großes zu tun“ (Brandi 1937,<br />

Bd. 1,S. 191).<br />

Der Erfolg und damit der Ruhm hatten sich eingestellt; an-<br />

ders als sein Großkanzler Gattinara sah der Kaiser nun aber<br />

keinen Grund mehr, den Besiegten allzusehr zu demütigen.<br />

Während Gattinara mit Konsequenz die Verwirklichung des<br />

imperialen Anspruchs der Universalmonarchie verfolgte und<br />

deshalb auch eine Auflösung der französischen Monarchie in<br />

Kauf genommen hätte, überwog beim Kaiser ebenso wie bei<br />

den burgundischen und spanischen Adligen seiner Umgebung<br />

die ständische und dynastische Solidarität. Der Kompromiß-<br />

frieden, der dem französischen König angeboten wurde, war<br />

zwar immer noch hart, aber es war ein Angebot zur endgülti-<br />

gen Beilegung der Konflikte. Es wird an dieser Stelle deutlich,<br />

welche Unterschiede im Verständnis des Konzeptes der mon-<br />

archia universalis zwischen Kaiser und Kanzler bestanden. In<br />

der Forschung ist die hier beschriebene Reaktion des Kaisers<br />

stets als Zaudern gedeutet worden. Konsequenter aber er-<br />

scheint es, sie als Reaktion desjenigen zu deuten, der die sa-<br />

krale Gestalt der Universalmonarchie in den Vordergrund<br />

stellte. Diese wies dem Kaiser die Funktion des Hirten für die<br />

ganze Christenheit zu, gebot also gegenüber dem Besiegten<br />

den Schutz des guten Herrschers: „Denn erlittenes Unrecht zu<br />

verzeihen, halte ich für größer, als es zu rächen; außerdem ist<br />

das Rächen die Sache Gottes“, so formulierte Karl selbst in<br />

einer späteren Rede (September 1528, Zitat nach Kohler,<br />

Quellen, 1990, S. 137).<br />

Wohl auch in diesem Sinne war es Karl bei seinen Refle-<br />

xionen vor Pavia um die Führung eines ,guten Krieges’ gegan-<br />

gen. Der Konflikt mit Frankreich bestätigt die Annahme, daß<br />

es aus der Sicht des Kaisers um einen Konflikt der Dynastien<br />

ging, der schließlich auch mit deren spezifischen Mitteln bei-<br />

34


gelegt werden sollte. Trifft diese Aussage zu, dann kann von<br />

einem „Europa nationaler Mächte“ im Zeitalter Karls V.<br />

noch nicht gesprochen werden.<br />

Franz I. hat den Friedensschluß, der ihm in Madrid am<br />

14.1.1526 vorgelegt wurde, trotz aller Verbindlichkeit als äu-<br />

ßerst hart empfunden. Er akzeptierte ihn zwar, widerrief ihn<br />

jedoch nach seiner Freilassung sogleich. Damit war er hinfäl-<br />

lig geworden. Getragen von der antihabsburgischen Oppositi-<br />

on in Europa gelang es dem französischen König, mit dem<br />

Papst, dem Herzog von Mailand, Venedig und Florenz einen<br />

Verteidigungsbund (Heilige Liga von Cognac 22.5.1526) zu<br />

schließen. Der Kaiser behielt dennoch die Oberhand: Im<br />

„Damenfrieden von Cambrai“ vom 3.8.1529 (s.o. S. 12) ei-<br />

nigte man sich auf die Aufgabe aller gegenseitigen Restituti-<br />

onsansprüche. In Zukunft sollte eine Verständigung über den<br />

Weg der Heiratspolitik erreicht werden, auch dies ein Zeichen<br />

dafür, daß es dem Kaiser nicht um unerbittliche Machtpolitik<br />

im Sinne seines Kanzlers Gattinara ging.<br />

Aber auch der Frieden von Cambrai war keine Dauerlö-<br />

sung, die Konflikte um die Vorherrschaft in Europa gingen<br />

weiter. Daß sie zunächst ein wenig in den Hintergrund traten,<br />

war auch darauf zurückzuführen, daß das Vordringen der<br />

Osmanen eine gemeinsame Gefahr für das christliche Europa<br />

darstellte.<br />

Diese Auseinandersetzung mit dem osmanischen Reich trug<br />

für den Kaiser andere Züge als der Kampf um die Hegemonie<br />

mit dem französischen Königshaus. Denn hier ging es um den<br />

Kampf mit den „Abgewichenen vom Glauben“; damit klingt<br />

das Kreuzzugsmotiv an, das für Karl stets ein dominantes<br />

gewesen und geblieben ist. In einem Brief vom August 1522,<br />

also zu Beginn seines Kaiser- und Königtums, schrieb er an<br />

einen burgundischen Adligen zur Erklärung seiner militäri-<br />

schen Absichten gegen die Türken: „[...] und um immer mehr<br />

zu beweisen, daß wir niemals einen anderen Wunsch gehabt<br />

haben als unsere Kräfte gegen diese gottlosen Ungläubigen<br />

einzusetzen, sind wir zu dem Schluß gelangt und haben be-<br />

funden, und zwar als erster Fürst der Christenheit, als wahrer<br />

35


Beschützer und Verteidiger des hl. Glaubens und der christli-<br />

chen Religion, als Anwalt und ältester Sohn unserer Mutter,<br />

der hl. Kirche, bei Unterbleiben und Rücknahme jeder Aus-<br />

flucht, in Erfüllung unserer Pflicht und in Anbetracht dessen,<br />

daß wir dies Gott, der uns so große Gnaden und Wohltaten<br />

erwiesen hat, schuldig sind, ihm zu Hilfe zu kommen und in<br />

aller Eile für diese große Gefahr und Not Vorsorge zu treffen<br />

und uns zu befleißigen, daß jene Insel [...] erhalten bleiben,<br />

verteidigt und von diesen ungläubigen Feinden und Tyrannen<br />

befreit werden möge“ (Kohler, Quellen, 1990, S. 102).<br />

Diese Ausführungen faßten in Kürze Programm und Selbst-<br />

verständnis der sakralen Kaiseridee zusammen: Zu ihr gehör-<br />

ten Beschützung und Verteidigung des Glaubens gegen die<br />

Ungläubigen in allererster Linie. Da sich die Ungläubigen zu-<br />

dem von einem Tyrannen beherrschen ließen, wurde die Legi-<br />

timität des Krieges nur noch verstärkt; denn damit folgte der<br />

Kaiser dem Gebot des alten Testamentes ebenso wie den<br />

Traditionen der antiken Herrschaftslehre.<br />

Der Gegner des Kaisers, Süleyman der Prächtige (1494–<br />

1566), Sultan des osmanischen Großreichs von 1520 bis<br />

1566, verfolgte seinerseits einen „heiligen Krieg“ gegen den<br />

Westen Europas, einen Krieg, den sein Vater Selim I. (1467/<br />

70–1520) mit der Eroberung des Ostmittelmeeres bereits be-<br />

gonnen hatte. Erhebliche Beeinträchtigungen des für die euro-<br />

päischen Wirtschaftsbeziehungen unverzichtbaren Levante-<br />

Handels waren die Folge. Süleyman griff bis nach Belgrad<br />

(1521) und Ungarn aus (Schlacht bei Mohács 1526) und<br />

etablierte die türkische Seeherrschaft bis Rhodos (1522), Al-<br />

gier und Tunis (1531). Spanische und ungarische Interessen<br />

und damit beide habsburgische Brüder waren betroffen. Den<br />

Kampf auf dem Lande überließ Karl ausschließlich dem Bru-<br />

der Ferdinand, er selbst führte den Kampf gegen sie auf dem<br />

Meer – allerdings mit wechselndem Erfolg.<br />

Diese Zuordnung von Verantwortung belastete das Ver-<br />

hältnis der Brüder sichtlich (Rassow 1957, S. 35 f.). Denn seit-<br />

dem 1526 Ferdinand durch Erbfall König von Böhmen und<br />

Ungarn geworden war, hatte sich seine Machtbasis unabhän-<br />

36


gig vom kaiserlichen Bruder gefestigt. Zudem hatte sie auch<br />

außerhalb des Reichs eine Basis gefunden, denn das ungari-<br />

sche Königreich gehörte nicht zum Reichsverband. Waren<br />

also Ferdinands politische Wünsche für den Bruder nicht ein-<br />

fach mehr zu überhören, so verlangte die wie selbstverständ-<br />

liche Verteilung der Abwehrlasten gegen die Osmanen ein<br />

großes Maß an Duldsamkeit auf Seiten Ferdinands. Trotz er-<br />

heblicher Zurückhaltung der Reichsstände bei der Bewilligung<br />

der Hilfen für die Türkenabwehr gelang es dem Bruder des<br />

Kaisers, der türkischen Belagerung der Stadt Wien unter ih-<br />

rem Sultan Süleyman vom 26.9. bis 25.10.1529 standzuhal-<br />

ten. Nach dem Sieg über ein türkisches Heer bei Loebersdorf<br />

in der Nähe von Wien (19.9.1532) trat eine gewisse Entspan-<br />

nung ein. Der Vertrag von Großwardein, geschlossen am 38.<br />

Geburtstag Karls zwischen ihm, Ferdinand und dem von den<br />

Türken eingesetzten ungarischen Gegenkönig Johann Zápolya<br />

(1487–1540) beruhigte die Konflikte in Ungarn und stärkte<br />

zudem die ungarische Abwehr gegen die Osmanen.<br />

Mit Hilfe seines Erfolgs in Tunis (Juli/August 1535) unter-<br />

stützte der Kaiser die Abwehrkämpfe des Bruders allerdings<br />

deutlich. Der Sieg über den Barbareskenfürsten Chaireddin<br />

Barbarossa (um 1460–1546), der seit 1533 als Kapitän-<br />

Pascha die türkische Flotte führte, brachte das erst kurz zuvor<br />

von den Türken eroberte Tunis zurück in die kaiserliche<br />

Hand. Die Barbareskenflotte wurde erbeutet, die Hafen-<br />

festung La Goleta besetzt und angeblich 20 000 christliche<br />

Sklaven befreit. Die kaiserliche Seeherrschaft über das Mit-<br />

telmeer war wiederhergestellt, sie dauerte gut 40 Jahre.<br />

Der Angriff auf Algier (Oktober 1541), den zentralen Stütz-<br />

punkt des Barbarossa allerdings, den der Kaiser gegen alle Be-<br />

denken seiner militärischen und zivilen Berater durchsetzte,<br />

geriet zu einer grandiosen Niederlage. Schlechte Wetterver-<br />

hältnisse im Spätherbst führten zum Untergang von 150 Schif-<br />

fen. Trotz des Tuniserfolges blieben die Osmanen im Mittel-<br />

meer präsent.<br />

Kehren wir noch einmal zurück zum Sieg von Tunis. Er<br />

war auch deshalb ein besonderer Erfolg des Kaisers, weil er<br />

37


damit zugleich die französische Bündnispolitik traf. Denn un-<br />

geachtet des Friedens von Cambrai hatte Franz I. neue Bünd-<br />

nispartner gegen den Kaiser gesucht und in Gestalt eben jenes<br />

Barbareskenfürsten auch gefunden. Damit war ein anfangs<br />

nur mittelbares Bündnis mit den Türken geschlossen. Der Sieg<br />

des Kaisers wirkte an dieser Stelle allerdings kontraproduktiv:<br />

Nach Tunis ließ der Sultan sich auf ein Bündnis mit Frank-<br />

reich ein, das 1536 als Handelsabkommen zustande kam, tat-<br />

sächlich aber ein Offensivbündnis gegen den Kaiser darstellte<br />

und den Türken die französischen Seehäfen als Stützpunkte<br />

öffnete.<br />

In zwei weiteren Kriegen (1536–38 und 1542–44) wurde<br />

der Konflikt zwischen den beiden Dynastien weitergeführt, bis<br />

er endlich im Frieden von Crepy (September 1544) zu einem<br />

Ende kam, das zumindest für die Regierungszeit Karls defini-<br />

tiv war. Neben wichtigen territorialpolitischen Veränderun-<br />

gen (Verzicht des französischen Königs auf sein Bündnis mit<br />

dem Sultan; alle kaiserlichen Eroberungen in Frankreich wur-<br />

den wieder zurückgegeben, Savoyen blieb bei Frankreich, da-<br />

gegen verzichtete Franz I. auf alle Ansprüche an Flandern,<br />

Artois und Italien) verliehen vor allem die geheimen Neben-<br />

absprachen dem Friedensschluß seine weiter reichende Bedeu-<br />

tung. Franz I. nämlich hatte die Aufgabe seiner Blockade-<br />

politik im Reich zugesagt. Dies sollte dazu beitragen, die Be-<br />

endigung des Religionskampfs notfalls auch mit Waffenge-<br />

walt gegen die Protestanten durchzusetzen! Damit war es Karl<br />

V. gelungen, den französischen König sowohl von seinen tür-<br />

kischen als auch von den potentiellen protestantischen Ver-<br />

bündeten zu lösen. Diese Stoßrichtung macht deutlich, wie<br />

weit der Kaiser von der Verwirklichung seiner universalen<br />

Kaiseridee entfernt war, wie stark ihn allerdings deren Inhalte<br />

noch immer bestimmten: Die Verwirklichung des religiösen<br />

Friedens im Reich war ebenso Ziel der sakralen Kaiseridee<br />

wie die Abwehr der ,Ungläubigen’.<br />

38


3. Kaiser und Papst<br />

Karls Kaiseridee hatte, wir haben das erläutert, sakralen In-<br />

halt: Der Kaiser verstand sich als Schutzherr der Christenheit<br />

und leitete daraus den Anspruch einer monarchia universalis<br />

ab. Mußte er damit nicht notwendigerweise mit dem geistli-<br />

chen Schutzherrn der Christenheit zusammenstoßen, dem<br />

Papst? Dieses Dauerthema europäischer Geschichte des Mit-<br />

telalters war nämlich auch zu Beginn des 16. Jahrhunderts<br />

keineswegs gelöst. Seit den Reformkonzilien des 15. Jahrhun-<br />

derts war die innerkirchliche Autorität des Papsttums deutlich<br />

in Frage gestellt. Die Reformbewegungen des späten Mittelal-<br />

ters zielten auf eine Reform an Haupt und Gliedern, wobei<br />

der Akzent sehr wohl auf der Reform des Hauptes lag. Die<br />

tiefgreifende Verweltlichung der Geistlichen wurde insbeson-<br />

dere in der unmoralischen Lebensführung der Päpste und der<br />

Verwicklung der Kurie in internationale Finanzgeschäfte<br />

scharf angegriffen. Als Herr des Kirchenstaats allerdings blieb<br />

der Papst mit den politischen Konflikten des beginnenden 16.<br />

Jahrhunderts verbunden. Da er an der politischen Ordnung<br />

Italiens, dem Zankapfel zwischen Frankreich und dem Kaiser,<br />

beteiligt war, wurde das Papsttum selbst unter solchen Päp-<br />

sten, denen dies widerstrebte, in den Kampf um die monar-<br />

chia universalis hineingezogen. In jenen entscheidenden Jah-<br />

ren vom Ende des 15. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts war<br />

das Papsttum nicht in der Lage, seine eigentliche Aufgabe als<br />

geistliche Führungskraft des Christentums wahrzunehmen. Zu<br />

einem wirklichen Konflikt mit dem Anspruch des Kaisers<br />

konnte es aufgrund der mangelnden geistlichen Glaubwürdig-<br />

keit gar nicht kommen. Zu Konflikten um konkrete politische<br />

Entscheidungen kam es aber durchaus, insbesondere, wenn<br />

der Kaiser zu stark zu werden drohte. Deshalb hing für Karl<br />

V. viel von seinem persönlichen Verhältnis zu den jeweiligen<br />

Inhabern des Stuhles Petri ab.<br />

Mit der Wahl Adrians von Utrecht, des langjährigen Erzie-<br />

hers und politischen Beraters des Kaisers, zum Papst Hadrian<br />

VI. im Jahre 1521 schien eine glückliche Konstellation gege-<br />

39


en. In einem Glückwunschschreiben an den frisch Gewählten<br />

formulierte Karl: „Wir halten für gewiß, daß Gott selbst diese<br />

Wahl gemacht hat“ (Brandi 1937, Bd. 1, S. 143). In ihrer<br />

Kritik an den unglückseligen Verhältnissen in der Kirche wa-<br />

ren sich Hadrian und der Kaiser einig. Klare Worte fand der<br />

Papst im Rückblick auf die Amtszeiten seiner Vorgänger:<br />

„Das Laster an der Kurie [sei] so selbstverständlich geworden,<br />

daß die damit befleckten nicht einmal mehr den Gestank der<br />

Sünde wahrgenommen hätten“ (Rabe 1991, S. 150). Aber<br />

auch gegen die nach seiner Meinung „gefährliche lutherische<br />

Sekte“ im Reich sollte entschlossen gehandelt werden. Zu-<br />

gleich benannte er die Sünden der Kurie als Ursache der Ket-<br />

zerei: Indem man jene beende, werde auch diese beseitigt. In<br />

pastoralen Schreiben an den Kaiser betonte er die Notwen-<br />

digkeit von Verhandlungen mit Frankreich und legte Karl sei-<br />

ne Sorge vor der Gefahr durch die Ungläubigen ans Herz. Die<br />

Mahnung zum Frieden allerdings hatte keinen Erfolg. Weder<br />

der Kaiser noch der französische König wollten sich darauf<br />

einlassen. Die Sorge vor einem Bündnis Frankreichs mit den<br />

.ketzerischen’ Protestanten im Reich brachte im August 1523<br />

selbst diesen pastoralen Papst in ein politisches Bündnis gegen<br />

Frankreich. Sein überraschender Tod nur wenige Wochen<br />

später (14.9.1523) setzte einem vielversprechenden Reform-<br />

beginn ein rasches Ende.<br />

Sein Nachfolger Clemens VII. (1478–1534) war von den<br />

Reformnotwendigkeiten zwar überzeugt, verfolgte aber in<br />

schlechter Tradition die politischen Anliegen seiner Familie,<br />

der Medici, weit intensiver als seine pastoralen Pflichten. Für<br />

theologische Diskussionen interessierte er sich kaum. Sehr<br />

rasch wurde deutlich, daß Clemens – vielleicht aus Gründen<br />

der Machtbalance – der französischen Seite mehr zuneigte als<br />

der kaiserlichen. Seine Einbindung in die Heilige Liga von<br />

Cognac (1526) dokumentierte diese Parteinahme deutlich.<br />

Der Kaiser hat diese Koalition als Belastung des Friedens in<br />

der Christenheit mit den Mitteln der Diplomatie und in öf-<br />

fentlicher Stellungnahme scharf attackiert: „Der Papst handle<br />

nicht wie ein Vater, sondern wie ein Feind der Kirche, nicht<br />

40


wie ein Hirte, der er zu sein vorgebe, sondern wie ein Wolf“<br />

(Rabe 1991, S. 304). Dennoch wolle der Kaiser in der heiligen<br />

Kirche leben und sterben. Er beschwöre ihn deshalb, „die<br />

Waffen niederzulegen in einer Zeit, wo der Erzketzer Luther<br />

sich erhoben und jegliche Spaltung in der Christenheit ängst-<br />

lich zu vermeiden sei“ (Brandi 1937, Bd. 1, S. 208). Auch das<br />

Kardinalskollegium ließ der Kaiser im Dezember 1526 auf-<br />

fordern, den Papst vom Kampf gegen den Kaiser, „das vor-<br />

nehmste Glied der Kirche“ (Brandi ebd.), abzuhalten. Falls<br />

der Papst nicht einlenken wolle, sollten die Kardinale ein all-<br />

gemeines Konzil ausschreiben, um die Christenheit zu stärken.<br />

Es war der erfahrene Rat des Kanzlers Gattinara, der den<br />

Kaiser in seiner moderaten Haltung dem Papst gegenüber<br />

bestärkt hatte. Eine Verschärfung der Lage durch die Auf-<br />

nahme eines kirchenpolitischen Kampfes zwischen den beiden<br />

Schutzherren der Christenheit wäre für die kaiserlichen Inter-<br />

essen nur schädlich geworden. Auch deshalb richtete sich die<br />

militärische Strategie Karls nicht gegen den Papst. Es ging<br />

vielmehr darum, ihn zum Einlenken zu bewegen. Gewiß wa-<br />

ren es aber nicht allein politische Rücksichtnahmen, die Karl<br />

V. bewegten. Seine starke Einbindung in die Institution der<br />

Kirche, als deren vornehmstes Glied er sich bezeichnete, ist<br />

offenkundig. Damit ordnete er sich selbst ein in die Gemein-<br />

schaft der Christen, innerhalb derer er zwar eine herausgeho-<br />

bene Stellung beanspruchte, aber keine unbegrenzten Herr-<br />

schaftsrechte! In den zeitgenössischen Diskussionen um die<br />

Stellung der weltlichen Herrscher gegenüber der institutiona-<br />

lisierten Gemeinschaft der Gläubigen war diese Position rich-<br />

tungsweisend.<br />

In der Tat standen die Möglichkeiten, den Papst politisch<br />

umzustimmen, nicht schlecht angesichts weitreichender For-<br />

derungen seiner französischen Verbündeten in Italien. Der be-<br />

rüchtigte Sacco di Roma (6.5.1527) aber zerstörte derartige<br />

Annäherungen zunächst gründlich. Die aus Schweizern und<br />

Deutschen zusammengesetzten kaiserlichen Truppen in der<br />

Lombardei waren lange Wochen ohne Bezahlung geblieben,<br />

sie wurden immer unkontrollierbarer. Der verzweifelte Ver-<br />

41


such des deutschen Oberbefehlshabers Georg von Frundsberg<br />

(1473–1528), sie zu disziplinieren, scheiterte. Das Heer mar-<br />

schierte durch die Toskana auf Rom zu, um sich plündernd<br />

und raubend an den Reichtümern der Ewigen Stadt schadlos<br />

zu halten. Der Papst flüchtete in die Engelsburg, wo er zu-<br />

nächst sicher war. Am 7.6.1527 mußte er aber auch dort ka-<br />

pitulieren und wurde von den kaiserlichen Truppen gefangen-<br />

gesetzt. Der Kaiser behandelte ihn mit Achtung; bald wurde<br />

der Kirchenstaat wieder hergestellt, und der Papst erhielt seine<br />

Freiheit zurück. Der Sieg des Kaisers über Frankreich 1529<br />

führte im Vorfeld des Friedens von Cambrai Karl V. und<br />

Clemens VII. in einem Sonderfrieden von Barcelona (29.6.<br />

1529) schließlich doch zusammen.<br />

Wie zum Zeichen der endgültigen Aussöhnung zwischen<br />

weltlicher und geistlicher Autorität krönte ihn Clemens VII.<br />

am 22.2.1530 in Bologna zunächst zum König von Spanien<br />

und zwei Tage später, an seinem 30. Geburtstag, zum Kaiser.<br />

Zu Recht ist diese letzte Kaiserkrönung durch einen Papst<br />

„als Ausdruck des universalistischen Herrschaftswillens des<br />

Kaisers wie der tiefen Bindung dieses Kaisertums an die römi-<br />

sche Kirche“ (Rabe 1991, S. 306) charakterisiert worden. Der<br />

Kaiser selbst hatte diese Einbindung, wir haben es zitiert, mit<br />

dem Bild des „ersten Fürsten der Christenheit [...] des Anwalt<br />

und ältesten Sohn unserer Mutter, der hl. Kirche“ umschrie-<br />

ben.<br />

In den letzten Amtsjahren des Papstes nahm die Bereitschaft<br />

zur Zusammenarbeit mit dem Kaiser insbesondere in der<br />

Konzilsfrage stetig zu. In einem Treffen zur Jahreswende<br />

1532/33 in Bologna formulierten beide ein gemeinsames<br />

Schreiben, in dem die baldige Eröffnung eines Konzils zur Lö-<br />

sung der Glaubensfragen im Reich in Aussicht gestellt wurde.<br />

Für die päpstliche Seite war diese Formulierung sehr weitge-<br />

hend: Über Jahrzehnte hatten sich die Vorgänger von Clemens<br />

VII. vor der Zusage einer solchen Kirchenversammlung ge-<br />

scheut. Entscheidend war vermutlich die Formulierung der<br />

kaiserlichen Gesandten, wonach der Papst ein Konzil nicht zu<br />

fürchten brauche, „da Seine Majestät der Kaiser mehr Wert<br />

42


auf den Frieden in der Welt und in Italien lege, als auf die<br />

allzeit unberechenbare Haltung eines allgemeinen Konzils“<br />

(Brandi 1937, Bd. 1, S. 239). Das Konzil kam zwar auch jetzt<br />

nicht zustande, aber der Kaiser hatte erstmals eine päpstliche<br />

Absichtserklärung erhalten. Ihm lag daran trotz der gegentei-<br />

ligen Formulierungen seiner Diplomaten sehr viel!<br />

Noch eine weitere Frage war Gegenstand der kaiserlich-<br />

päpstlichen Gespräche: das Ehescheidungsbegehren des engli-<br />

schen Königs Heinrich VIII. Auf Drängen des Kaisers sicherte<br />

der schwankende Papst zu, daß eine solche tiefgreifende Ver-<br />

letzung des Sakraments der Ehe nicht akzeptiert werden kön-<br />

ne. Sicherlich ging es Karl auch im Sinne der dynastischen<br />

Solidarität um den Schutz seiner Tante Katharina von Aragon<br />

(1485–1536), der Ehefrau des englischen Königs, die durch<br />

eine kirchlich vollzogene Scheidung in ihrer Ehre zutiefst ver-<br />

letzt worden wäre. Ebenso ernst aber war es dem Kaiser um<br />

die klare Haltung des Papstes in der von Kirchenkritik ohne-<br />

hin bedrängten Zeit. Daß er sich damit die Gegnerschaft des<br />

englischen Königs zuzog, hat der Kaiser bewußt in Kauf ge-<br />

nommen. Der Schutz der Kirche, so hat dies P. Rassow beur-<br />

teilt (1957, S. 42), war eine höhere Pflicht als das Bündnis mit<br />

dem englischen Verwandten.<br />

Im September 1534 starb Clemens VII. Sein Nachfolger<br />

Papst Paul III. (1468–1549) stand allen kirchlichen Reform-<br />

bemühungen, insbesondere den Konzilsplänen, sehr aufge-<br />

schlossen gegenüber. Auch an seinem Willen zur politischen<br />

Neutralität bestand wenig Zweifel. Während seines Aufent-<br />

halts in Rom zu Ostern 1536 nahm der Kaiser die Gelegenheit<br />

wahr, vor Papst und Kardinalen in einer mehr als einstündi-<br />

gen Rede seine Haltung zu Frankreich, zum Konzil und zur<br />

Frage eines Kriegs gegen die Türken zu skizzieren. Er hatte<br />

die Rede selbst verfaßt, entsprechend verblüfft waren seine<br />

Berater über soviel Unabhängigkeit.<br />

Karl sprach bewußt nicht von einem universalen Herr-<br />

schaftsanspruch des Kaisers. Vielmehr betonte er seine Di-<br />

stanz zu jenem Begriff der Universalmonarchie, der in der<br />

zeitgenössischen Diskussion eine so große Rolle spielte:<br />

43


„Einige sagten, daß ich ein Universalmonarch zu sein versu-<br />

che, Monarco del mundo und meine Gedanken und meine<br />

Werke zeigen, daß ich das Gegenteil bin“ (Seibt 1990, S.<br />

127). Diese Formulierung war in all ihrer Unbestimmtheit<br />

keine endgültige Absage an das Konzept der monarchia uni-<br />

versalis: Der Kaiser nahm in seinen Formulierungen Rücksicht<br />

auf seine Zuhörer. Indem er aber in der Rede die Verbindun-<br />

gen Frankreichs zu den Türken und den Protestanten an-<br />

sprach und verurteilte, wurde doch deutlich, was das Gerüst<br />

seiner Politik ausmachte. Ein König, der wie der französische<br />

im Bündnis mit Ketzern und Ungläubigen gegen den Kaiser<br />

handelte, ließ die innerchristliche Disziplin außer acht. „Da-<br />

mit enthüllte Karl jedoch sein politisches Koordinatensystem,<br />

denn was anderes ist Universalmonarchie?“ (Seibt 1990, S.<br />

127f.).<br />

4. Aufstand in Gent<br />

Den Konflikt mit den spanischen Ständen hatte Karl 1522 als<br />

Auseinandersetzung um ihre Teilhabe an der Herrschafts-<br />

übung verstanden und zu beantworten versucht. In den Nie-<br />

derlanden stand diese Auseinandersetzung unter den besonde-<br />

ren Bedingungen einer durch ein wohlhabendes städtisches<br />

Bürgertum geprägten ständischen Gesellschaft noch bevor.<br />

Schon seit dem Ende des 15. Jahrhunderts hatten die bur-<br />

gundischen Herzöge als Landesherren wachsenden Einfluß<br />

auf die Zusammensetzung der Magistrate in den Städten<br />

Flanderns und Brabants nehmen können. Das entsprach einer<br />

allgemeinen Begrenzung der ständischen regionalen Autono-<br />

mie, des territorialen Partikularismus, der in den Niederlan-<br />

den sehr viel ausgeprägter existierte als in anderen Regionen<br />

jener Zeit. Dennoch blieb ein stolzes Selbstbewußtsein insbe-<br />

sondere des städtischen Bürgertums, das sich gegen alle Ver-<br />

suche des Landesherrn richtete, ihre Autonomie weiter zu be-<br />

grenzen.<br />

Die Forderung nach Zahlung einer allgemeinen Abgabe<br />

(Bede) in Höhe von 300 000 Gulden zur Finanzierung des<br />

44


Kriegs gegen Frankreich, die die Statthalterin Maria von Un-<br />

garn, Schwester des Kaisers, 1537 erhoben hatte, war durch<br />

die Generalstände bewilligt worden. Allein die Stadt Gent<br />

weigerte sich, ihren Anteil daran zu begleichen. Das traf die<br />

Finanzkassen der Statthalterin empfindlich, weil ganz Ost-<br />

flandern als Umland der Stadt nicht zahlte. Der aktuelle Fi-<br />

nanzstreit verwies auf tieferliegende soziale und wirtschaftli-<br />

che Probleme des flandrischen Städtetums, speziell der Stadt<br />

Gent. Denn von der sinkenden Bedeutung der Tuchindustrie<br />

war auch das sehr differenzierte Handwerkswesen betroffen.<br />

Die sozialen Gegensätze innerhalb der Stadt wuchsen, der<br />

Druck der Statthalterin von außen verschärfte die Spannun-<br />

gen. 1538 hatte Maria ihrem Bruder geschrieben, daß es<br />

nunmehr darum gehe, „ob Eure Majestät Herr oder Diener<br />

sein wird.“ Der offene Aufruhr, der anläßlich der Ernennung<br />

des neuen Magistrats 1539 ausbrach, zeigte, wie eng die in-<br />

nerstädtischen Spannungen mit dem Beharren auf der städti-<br />

schen Autonomie gegen den Landesherrn verknüpft waren.<br />

Der ganze Zorn der Zünfte (als Vertreter des Handwerks)<br />

richtete sich gegen den von der Statthalterin eingesetzten<br />

Magistrat. Damit war der Kaiser selbst angegriffen. Der drin-<br />

genden Bitte seiner Schwester, diesen Ungehorsam zu been-<br />

den, folgte der Kaiser im Februar 1540. Angesichts der inter-<br />

nen städtischen Gegensätze fiel es Karl nicht schwer, den<br />

Aufruhr niederzuschlagen. Die Anführer wurden hart bestraft,<br />

die Autonomie der Stadtverfassung noch weiter eingegrenzt.<br />

Der Konflikt um Gent, der in den zwanziger und dreißiger<br />

Jahren des Jahrhunderts Parallelen in anderen niederländi-<br />

schen Städten hatte, zeigt, wie gering die Durchsetzungsfähig-<br />

keit zentraler Herrschaft auch in diesen Regionen der habs-<br />

burgischen Länder unter Karl tatsächlich war. Der konkrete<br />

Konflikt konnte zwar mit harter Hand beendet werden, aber<br />

er war ja nicht der einzige. Es blieben zudem die Struktur-<br />

probleme ständischer Herrschaftsorganisation. Wenn wie in<br />

Gent die traditionellen städtischen Führungsgruppen wirt-<br />

schaftliche und soziale Probleme nicht mehr zu bewältigen<br />

vermochten, geriet sehr rasch das ganze Herrschaftssystem<br />

45


unter Druck – sogleich stellte sich die Frage nach seiner<br />

Rechtmäßigkeit (Legitimität). Karls Politik in den Niederlan-<br />

den zielte darauf, das traditionale Patriziat zu stützen, um die<br />

Frage nach der Legitimität gar nicht erst aufkommen zu las-<br />

sen. Damit allerdings stützte er auch jene Gruppen, die ihren<br />

ständischen Anteil an der Gesamtherrschaft nachhaltig ein-<br />

forderten. Auch wenn die Bedingungen in Spanien und in den<br />

Niederlanden deutliche Unterschiede aufwiesen, bleibt doch<br />

festzuhalten: Weder dort noch hier ging es um das Zurück-<br />

drängen mittelalterlicher Herrschaftsformen, die gar einem<br />

frühen Absolutismus unter Karl hätten weichen sollen. Der<br />

Grundkonsens über das Miteinander ständischer Herrschafts-<br />

übung hatte Bestand, dessen Differenzierung war das aktuelle<br />

Thema aller Politik.


IV. Der Kaiser und das Reich –<br />

der Kaiser im Reich<br />

Für das protestantische deutsche Geschichtsbewußtsein war<br />

Karl V. der große Gegenspieler des Wittenberger Reformators<br />

Martin Luther (1483–1546). Daß dies eine sehr eingeschränk-<br />

te nationale Perspektive war, die in ihrer Zeit durchaus Paral-<br />

lelen bei anderen Nationen hatte, ist der gegenwärtigen For-<br />

schung bewußt. Auch für die Zeitgenossen im Reich war der<br />

unerschrockene Luther im übrigen eine Persönlichkeit, auf der<br />

je nach sozialer oder regionaler Bindung große Hoffnungen<br />

lagen, wenn es um die Veränderung der unfrommen Kirche<br />

ging. Für den Kaiser aber war die Religionsfrage im Reich in<br />

den Anfangsjahren seiner Regierungszeit ohne eigentliche Be-<br />

deutung, er hatte in der Tat andere Sorgen. Und der Witten-<br />

berger Professor war ihm, nachdem er ihn überhaupt zur<br />

Kenntnis genommen hatte, eher lästig. Das lag nicht an einem<br />

Desinteresse des Kaisers an den Fragen der Kirchenreform<br />

und dem Ernst der Frömmigkeit bei Klerikern und Laien. Im<br />

Gegenteil: Karl war sicherlich ein Herrscher, für den gelebte<br />

Frömmigkeit und seine Verantwortung als christlicher Fürst<br />

eine ernstzunehmende Aufgabe darstellten. Aber er war ein<br />

traditioneller Christ. Veränderungen sollten, wenn überhaupt,<br />

nur in den vorhandenen Bahnen geschehen. Aber sind tradi-<br />

tionelle Christen weniger ernsthafte Christen?<br />

Sein Traditionsbewußtsein (oder war es eher Beharrungs-<br />

vermögen?) zeigte sich selbstverständlich auch angesichts der<br />

politischen Probleme des Reichs, die sich als Dauerkontrover-<br />

se um das Verhältnis zwischen den Reichsständen und dem<br />

Kaiser fassen lassen. Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts wa-<br />

ren die Forderungen nach einer Reichsreform nicht mehr ver-<br />

stummt. Die Zeitgenossen erhofften sich „von diesem jun-<br />

ge[n] edle[n] teutsche[n] Blut“, wie Luther nach der Wahl des<br />

Kaisers formulierte (Seibt 1990, S. 18), neuen Schwung bei<br />

der Bewältigung der aufgestauten Probleme des beginnenden<br />

Jahrhunderts.<br />

47


Die Verzahnung von Reichs- und Kirchenreform wurde<br />

zum Signum der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Damit<br />

waren die deutschen Probleme europäische Probleme. Ihnen<br />

konnte der Kaiser sich, wie er schließlich selbst erkannte,<br />

nicht durch Desinteresse entziehen, zumal sein kaiserliches<br />

Selbstverständnis die Schutzherrschaft für die ganze Christen-<br />

heit umfaßte.<br />

1. Frömmigkeit und Luthersache<br />

Über die Frömmigkeit des Kaisers ist in den bisher vorliegen-<br />

den großen Biographien bemerkenswert wenig reflektiert<br />

worden. Dies ist einerseits auf die Quellenlage zurückzufüh-<br />

ren, andererseits gewiß auch ein Stück konfessioneller Befan-<br />

genheit. Denn die Beschreibung von Frömmigkeit war zwi-<br />

schen den Konfessionen bis weit in unser Jahrhundert hinein<br />

eine umstrittene Sache. Wir wissen von den frühen Kontakten<br />

des jungen Prinzen mit der Reformbewegung der devotio mo-<br />

derna; ebenso wissen wir von der Faszination, die die spani-<br />

schen Hieronymiten auf den jungen König ausgeübt haben.<br />

Wir wissen von der Übereinstimmung zwischen Papst Hadri-<br />

an und dem jungen Kaiser in ihrer Kritik an der verdorbenen<br />

Lebensführung des hohen Klerus, der Kirchenführung insge-<br />

samt. Und wir wissen von der kirchentreuen Lebensführung<br />

des Kaisers als Ehemann (seine natürlichen Kinder wurden<br />

vor der Heirat mit Isabella oder nach deren Tod geboren)<br />

sowie des Kaisers als Gemeindeglied, wenn es um die Teil-<br />

nahme an Wallfahrten, Gebeten, Gottesdiensten u.a.m. ging.<br />

In den Augen der Zeitgenossen war der Kaiser also durchaus<br />

ein frommer Mann, einer, der den standardisierten Anforde-<br />

rungen der Kirche nach einem Gott wohlgefälligen Leben ins-<br />

besondere im Vergleich mit seinen fürstlichen Vettern in aus-<br />

geprägtem Umfang nachkam. Auch Luther hat den Kaiser als<br />

frommen Mann bezeichnet; und dieses Urteil war von der ste-<br />

ten Achtung gekennzeichnet, die der Reformator dem<br />

Reichsoberhaupt zeitlebens entgegenbrachte: „Wir haben ei-<br />

nen frommen Kaiser. Er hat einen Keil im Herzen, es hab’ ihn<br />

48


ihm dreingesteckt, wer da will. Er ist fromm und still. Ich<br />

halt, er rede in einem Jahr so viel als ich an einem Tag“<br />

(Luther, WA, Tischreden 9.6./12.7.1532).<br />

Zur Frage nach der Frömmigkeit des Kaisers gehört aber<br />

auch seine Auffassung vom Kaisertum als Schutzherr, als<br />

weltlicher Hirte der Christenheit. „Unlöslich hingen ihm sein<br />

weltliches und sein geistliches Amt mit verwandter Heiligkeit<br />

ineinander, [...] universales Kaisertum und hergebrachte<br />

weltumfassende Orthodoxie [im Sinne von Rechtgläubigkeit,<br />

d. Verf.]“, so hat Karl Brandi den Zusammenhang treffend<br />

charakterisiert (Brandi 1937, Bd. 1, S. 268f.). Dieses Amts-<br />

verständnis stellte die Verbindung her zwischen persönlicher<br />

Kirchentreue, die des Kaisers Frömmigkeit war, und seiner<br />

politischen Zielsetzung angesichts der stärker werdenden kir-<br />

chenkritischen, schließlich reformatorischen Strömungen im<br />

Reich und in Europa. Der Kaiser hielt es für seine Pflicht in<br />

dem ihm von Gott anvertrauten Amt, die Einheit der Chri-<br />

stenheit zu wahren. Etliche, auch schroffe Kritikpunkte an der<br />

Praxis der Kirche konnte er deshalb akzeptieren, auch dafür<br />

sorgen, daß diese Mißstände abgestellt wurden. Völlig indis-<br />

kutabel aber mußte ihm die grundsätzliche Infragestellung der<br />

Autorität des Papstes, des Konzils und der Kirchenväter er-<br />

scheinen, die von Luther anläßlich seiner Befragung in Worms<br />

1521 unüberhörbar für die ganze Christenheit vorgetragen<br />

worden war.<br />

Am 28.6.1519 war Karl zum Kaiser gewählt worden. Daß<br />

dazu die Fugger einen außerordentlich hohen finanziellen Bei-<br />

trag geleistet hatten, war bereits den Zeitgenossen bekannt.<br />

Fast eine Million Goldgulden waren aufzubringen gewesen,<br />

das meiste davon zur Bezahlung von Gratifikationen für die<br />

sieben Kurfürsten und deren Räte. Die Rechnungsbücher der<br />

Fugger weisen noch heute die Summen aus, die für diese<br />

Zwecke als Bargeld an den spanischen König verliehen wur-<br />

den. Aber nicht nur diese – inoffiziellen – finanziellen Voraus-<br />

setzungen der Wahl mußten geschaffen werden, es waren<br />

auch politische Verhandlungen zur Formulierung der soge-<br />

nannten Wahlkapitulation zu führen, und zwar vor der Krö-<br />

49


nung des Gewählten, da er jene vor der feierlichen Handlung<br />

zu unterschreiben hatte. Erst im Anschluß an die Unterzeich-<br />

nung erfolgte die Huldigung durch die Reichsstände. In den<br />

bereits kurz nach der Wahl am 3.7.1519 in Barcelona ausge-<br />

handelten Text der Wahlkapitulation war die Verpflichtung<br />

zum Schutz der Religion und des Reichs in den traditionellen<br />

Formulierungen aufgenommen worden. Sehr rasch wurde sie<br />

zum Gegenstand weiterer Verhandlungen zwischen Kaiser<br />

und Reichsständen.<br />

Im Vorfeld des bereits für Januar 1521 nach Worms einbe-<br />

rufenen Reichstags hatte Kurfürst Friedrich der Weise von<br />

Sachsen (1482–1556) dem Kaiser die Zusage abgenommen,<br />

den vom Papst gebannten Wittenberger Theologieprofessor<br />

und Augustinereremiten Martin Luther vor den Reichstag zu<br />

laden, um ihn über seine kirchenkritischen Äußerungen zu<br />

verhören. Diese Forderung, die der Kaiser schließlich unter<br />

Belastung seines Verhältnisses zum Papst im Interesse einer<br />

Harmonie mit den Reichsfürsten erfüllte – konnten diese doch<br />

nicht zuletzt auf die aufgewühlte öffentliche Meinung im<br />

Reich verweisen –, war mehr als ungewöhnlich: Sie entsprach<br />

nicht dem geltenden Reichsrecht! Denn der päpstlichen Ver-<br />

dammung Luthers (15.7.1520) hätte ohne weiteres die Reichs-<br />

acht folgen müssen. Zahlreiche Reichsfürsten aber drängten<br />

auf ein eigenes Verfahren zur Urteilsfindung auf der Ebene<br />

des Reichs. Dies war in allererster Linie Ausdruck des Miß-<br />

trauens gegenüber der Fairneß des Ketzerprozesses gegen Lu-<br />

ther in Rom. Es zeigte zudem den Verfall der Autorität des<br />

Papstes im Reich. Schließlich aber wurde mit der Durchset-<br />

zung des Verfahrens deutlich, daß das traditionelle Verhältnis<br />

von Reich und Kirche in Frage gestellt war; infolgedessen<br />

stand das Selbstverständnis des Reichs selbst auf dem Prüf-<br />

stand. „Damit trat zum ersten Mal die verfassungspolitische<br />

Sprengkraft der causa Lutheri ans Licht“ (Rabe 1991, S. 234).<br />

Eine Mitbestimmung der Reichsstände über die zunächst<br />

nur aufgeschobene Verhängung der Reichsacht wollte Karl<br />

selbstverständlich vermeiden; damit hätte er sogleich seine<br />

Autorität als Reichsoberhaupt in Frage gestellt. Offensichtlich<br />

50


aber hatte er die ständische Entschlossenheit unterschätzt,<br />

sich in der Luthersache den kirchenpolitischen Handlungs-<br />

spielraum nicht einengen zu lassen. Zwei kaiserliche Edikts-<br />

entwürfe, in denen die Stände gegen Luther und seine An-<br />

hänger sogleich festgelegt gewesen wären, wurden abgelehnt.<br />

Zur Vermeidung des nicht ungefährlichen Konflikts mit den<br />

Reichsständen gestand der Kaiser schließlich die mit dem<br />

sächsischen Kurfürsten ohnehin vereinbarte Ladung des Wit-<br />

tenbergers zu einem Verhör vor dem Reichstag unter Zusiche-<br />

rung freien Geleits zu. Die Entscheidung über die Reichsacht<br />

wurde vom Ausgang des Verhörs abhängig gemacht.<br />

Selbst wenn der Kaiser das kirchenpolitische Gewicht der<br />

Luthersache geringer einschätzte als die Mehrheit der Reichs-<br />

stände – für ihn war der Augustinereremit ein gebannter Ket-<br />

zer –, so blieb er doch in der Verfahrensweise korrekt: Den<br />

Vorschlag einer Verhaftung Luthers in Worms soll er mit der<br />

knappen Bemerkung zurückgewiesen haben, daß er nicht<br />

auch wie sein Vorgänger Sigismund (1368–1437) schamrot<br />

werden wolle (Seibt 1990, S. 61). Jener Vorgänger nämlich<br />

hatte den böhmischen Reformator Jan Hus (um 1370–1415)<br />

in Konstanz ungeachtet der Zusicherung freien Geleits verhaf-<br />

ten lassen. Schon am 17.4.1521 wurde Luther zum ersten Mal<br />

verhört – nicht während einer offiziellen Reichstagssitzung,<br />

sondern im Bischofshof, der Wohnung des Kaisers für die<br />

Dauer des Reichstags. Gewiß nicht ohne Absicht war damit<br />

der reichsrechtliche Status dieser Befragung offen gehalten.<br />

Für die Beantwortung der zweiten der beiden ihm vorgelegten<br />

Fragen erbat sich Luther Bedenkzeit, so daß das Verhör am<br />

18.4.1521 seine entscheidende Wendung nahm.<br />

Die Begegnung des kursächsischen Theologieprofessors mit<br />

dem deutschen Kaiser fand also nicht vor dem Reichstag statt<br />

– Geschichtsmythen sind langlebig –, aber um ein als histo-<br />

risch zu bezeichnendes Ereignis handelte es sich zweifellos,<br />

nicht nur aus der Sicht protestantischer Geschichtsschreibung.<br />

Sie war das sichtbare Dokument dafür, daß die Reichsstände<br />

sich dem Kaiser und damit auch dem Papst gegenüber be-<br />

hauptet hatten. Sie war weiterhin Zeichen dafür, daß der Kai-<br />

51


ser wie widerstrebend auch immer die breite Kirchenkritik in<br />

Deutschland ernst nehmen mußte und dies auch tat.<br />

Luthers Auftritt am zweiten Tag war, so berichten die Au-<br />

genzeugen, fest und deutlich. Die an ihn gerichtete Frage, ob<br />

er bei seinen veröffentlichten Meinungen bleiben wolle, be-<br />

antwortete er differenziert, aber eindeutig mit „ja“. Für den<br />

Fall allerdings, daß er aus der Schrift selbst widerlegt werden<br />

könne, werde er als erster seine Schriften verbrennen. Seine<br />

Darstellung des Papstes als „Antichrist“, die er bereits in sei-<br />

nen Schriften begründet hatte, waren für die Zeitgenossen in<br />

ihrer metaphysischen Verankerung klar: Das war der grausa-<br />

me Tyrann, der das Ende der Zeiten ankündigte (Seibt 1990,<br />

S. 62). Kaiser Karl selbst argumentierte mit dieser Figur, als<br />

deren katechon (Verhinderer) er sich verstand. Allerdings wä-<br />

re es ihm nicht in den Sinn gekommen, den Papst als diesen<br />

Tyrannen zu bezeichnen!<br />

Sowohl die Berufung auf das Schriftprinzip als auch die di-<br />

rekte Papstkritik führten zum Kern des lutherischen Anlie-<br />

gens: Kirchenväter, Konzilien und der Papst können irren;<br />

was sich als Kirche hierauf gründet, ist fehlbar wie alles<br />

Menschliche. Ob Luther annahm, daß diese Fundamentalkri-<br />

tik vom Kaiser, der sich selbst als Schutzherrn der Christen-<br />

heit verstand, aufgenommen werden würde, ist nicht bekannt.<br />

Signale aus dem Umkreis des Kaisers an den kursächsischen<br />

Kanzler Gregor Brück (1483–1557) scheint es allerdings ge-<br />

geben zu haben: Der Kaiser habe dafür plädiert, daß ein so<br />

gelehrter Mann wie Luther, an dessen Schriften auch er selbst<br />

interessiert sei, mit Milde behandelt werde, damit er wieder in<br />

die Kirche aufgenommen werden könne (Lutz 1979, S. 169<br />

ff). War dies ein Zeichen der Bereitschaft, auf die tiefgreifende<br />

Kritik einzugehen?<br />

Am Morgen des 19.4.1521 trat der Kaiser mit einer in der<br />

Nacht eigenhändig verfaßten Stellungnahme vor die Reichs-<br />

stände. Die nicht zu erschütternde Kritik Luthers an den<br />

Traditionen und Institutionen der Kirche hatte ihn getroffen,<br />

er fühlte sich selbst in seinem Schutzamt angegriffen. Ein Ein-<br />

gehen auf den Wittenberger war undenkbar, die Antwort<br />

52


hieß: Verteidigung und Bewahrung der als richtig befundenen<br />

Tradition. Mit dem Hinweis auf die Verankerung in der lan-<br />

gen dynastischen Tradition, in der er stand, begannen seine<br />

Ausführungen: „Ihr wißt, ich stamme ab von den allerchrist-<br />

lichsten Kaisern der edlen deutschen Nation [...], die alle bis<br />

zum Tod treue Söhne der römischen Kirche gewesen sind;<br />

immer Verteidiger des katholischen Glaubens.“ Deshalb sei es<br />

seine Pflicht, diesen Glauben zu schützen: „Aus diesem Grund<br />

bin ich fest entschlossen, alles aufrechtzuerhalten, was meine<br />

Vorgänger und ich bis zur Stunde aufrechterhalten haben, be-<br />

sonders aber, was meine Vorgänger verordnet haben.“ Nicht<br />

ein einzelner „Bruder“, wie Karl ausdrücklich sagt, könne in<br />

den Fragen des Glaubens Autorität sein: „denn es ist sicher,<br />

daß ein einzelner Mönchsbruder irrt mit seiner Meinung, die<br />

gegen die ganze Christenheit ist sowohl während der vergan-<br />

genen tausend und mehr Jahre als auch in der Gegenwart –<br />

dieser Ansicht nach wäre die ganze Christenheit immer im Irr-<br />

tum gewesen und würde es noch heute sein.“ Dieser Zustand<br />

ist aber nicht allein für ihn, den Kaiser, unerträglich; die<br />

Reichsstände sind davon in gleicher Weise betroffen: „denn es<br />

wäre eine große Schande für mich und für Euch, die Ihr die<br />

edle und berühmte Nation von Deutschland seid, die wir<br />

durch Privileg und besonderen Vorrang eingesetzt sind als<br />

Verteidiger und Schützer des katholischen Glaubens, wenn in<br />

unserer Zeit nicht allein Ketzerei, sondern auch nur Argwohn<br />

von Ketzerei oder Verminderung der christlichen Religion<br />

aufbricht durch unsere Nachlässigkeit.“<br />

Die konkrete Schlußfolgerung an dieser Stelle ist klar: Lu-<br />

ther soll als ein „notorischer Häretiker“ verfolgt werden, er,<br />

Karl, sei nicht bereit, noch einmal mit ihm zu sprechen. Bei<br />

diesem Vorgehen bittet er die Stände dringend um Unterstüt-<br />

zung, wozu sie kraft Vertrag verpflichtet seien: „Euch aber<br />

ersuche ich, daß Ihr Euch in dieser Sache als gute Christen<br />

erweist, wie Ihr es ja zu tun gehalten seid und es mir verspro-<br />

chen habt“ (Rabe 1991, S. 238f. und Seibt 1990, S. 73f.).<br />

Damit sprach der Kaiser die Wahlkapitulation an: Nicht nur<br />

er hatte Pflichten, auch die Stände mußten ihre Verpflichtun-<br />

53


gen ernst nehmen! Das Grundthema der folgenden Jahrzehnte<br />

ist angeschlagen, die kaiserliche Religionspolitik forderte die<br />

reichsständische Solidarität ein. Wie weit aber mußte diese<br />

Verpflichtung gehen, wo war die Grenze der Treuepflicht<br />

gegenüber dem Kaiser erreicht? Die Sache des Glaubens<br />

wurde zum Prüfstein der ständischen Verfassung des Alten<br />

Reichs. Glaubensfragen wurden zu politischen Fragen und<br />

diese zu Glaubensfragen. Selbst wenn diese Funktionalisie-<br />

rung von Religion immer möglich war, mit dem Reichstag zu<br />

Worms hat sie eine bis dahin nicht gekannte Sprengkraft ge-<br />

wonnen.<br />

2. Der Kaiser und die protestantischen Stände<br />

Am 8.5.1521 unterzeichnete der Kaiser das Wormser Edikt,<br />

mit dem die Reichsacht über Luther verhängt wurde. Die<br />

noch auf dem Reichstag verbliebenen Stände – die mit der Lu-<br />

thersache sympathisierenden Stände, und das waren die mei-<br />

sten, waren bereits abgereist – erklärten, daß das Edikt ihre<br />

Zustimmung finde und deshalb sogleich vollzogen werden<br />

solle. Eben dies aber erwies sich als sehr problematisch: Die<br />

reformatorische Bewegung hatte bereits soviel Zustimmung<br />

und Anhänger gefunden, daß sie selbst durch die Reichsacht<br />

nicht mehr unterdrückt werden konnte. Zudem gab es unter<br />

den Reichsständeri etliche, die sich neutral verhalten wollten<br />

oder es ablehnten, das Edikt aktiv durchzusetzen. Zu diesen<br />

gehörte bekanntermaßen der sächsische Kurfürst, der Luther<br />

kurzerhand auf die Wartburg entführen ließ, um ihn auf diese<br />

Weise weiteren Verfolgungen zu entziehen.<br />

In dieser Situation wurde der kaiserlichen Ordnungsmacht<br />

deutlich vor Augen geführt, wie gering ihre Sanktionsmög-<br />

lichkeiten im Reich waren. Die Dringlichkeit einer politischen<br />

Reform des Reichs, seit dem ausgehenden Mittelalter als<br />

Reichsreform immer wieder gefordert, war mit Händen zu<br />

greifen. Der Wormser Reichstag hat ihr den Boden bereitet.<br />

Bereits in der Wahlkapitulation war der Kaiser verpflichtet<br />

worden, „ein loblich ehrlich regiment mit fromen [...] redli-<br />

54


chen personen Teutscher nation“ einzusetzen (Rabe 1991, S.<br />

241). Die Absicht der Reichsstände war es dabei auch gewe-<br />

sen, die ohnehin schwache kaiserliche Macht weiter zurück-<br />

zudrängen. In Worms wurde diese Zusage von der Mehrheit<br />

der Reichsstände eingefordert. Man verlangte ein Reichsregi-<br />

ment als Organ ständischer Herrschaftsbeteiligung im Reich.<br />

Der Kaiser dagegen hat „vom Anfang seiner Regierung bis zu<br />

seiner Abdankung die Idee der Monarchie vertreten und in<br />

deren Verwirklichung sein politisches Ziel gesehen, also auch<br />

eine Reichsreform gewiß nur in diesem Sinne akzeptiert“<br />

(Angermeier 1982, S. 550). Es war deshalb nicht verwunder-<br />

lich, daß sich auf dem Wormser Reichstag die Auseinander-<br />

setzungen darüber, wie das Reichsregiment zu verstehen und<br />

entsprechend zu gestalten sei, über drei Monate hinzogen. Der<br />

Kompromiß zeigt, daß sich der Kaiser keineswegs zurück-<br />

drängen ließ. Gewiß kam ihm dabei die gekonnte Verhand-<br />

lungsführung seiner Räte ebenso zugute wie die häufig gespal-<br />

tene Haltung der Reichsstände. Und auch andere Teile der<br />

Reichsreform, die in Worms in Gang gesetzt wurden (Bildung<br />

von Reichskreisen, Aktivierung des Reichskammergerichts,<br />

Neuordnung des Reichsaufgebots mit Hilfe der Reichsmatri-<br />

kel) waren wirkungsvoll.<br />

Das neue Reichsregiment (mit Sitz in Nürnberg, seit 1524<br />

in Eßlingen) bestand aus 22 Personen (Regimentsräte); den<br />

Vorsitz hatte der Statthalter des Kaisers. Diesen und vier der<br />

Räte bestellte der Kaiser selbst, die übrigen benannten die<br />

Stände nach einem genau festgelegten Modus, der alle Stände<br />

berücksichtigte. Die Kurfürsten wurden besonders verpflich-<br />

tet: Je einer von ihnen sollte im Wechsel jeweils drei Monate<br />

beim Regiment anwesend sein. Die Amtsfunktion des Regi-<br />

ments galt nur für die Abwesenheit des Kaisers. Sobald er<br />

wieder ins Reich zurückgekehrt war, sollte es bis zum näch-<br />

sten Reichstag als sein Beratungsgremium fungieren. Die Auf-<br />

gaben des Gremiums waren sehr umfassend: Neben der Ent-<br />

wicklung einer einheitlichen Rechts- und Münzordnung ging<br />

es um die Formulierung einer Straf rechtsordnung (peinliche<br />

Halsgerichtsordnung), auch außenpolitische Befugnisse wur-<br />

55


den ihm übertragen. Allerdings waren alle wichtigeren Ent-<br />

scheidungen an die Zustimmung des Kaisers gebunden.<br />

Trotz der relativen Stärke des kaiserlichen Elements wurde<br />

das Reichsregiment keine effektive Regierung im Interesse<br />

einer Zentrierung der Herrschaft beim Kaiser. Dazu waren<br />

einerseits seine Kompetenzen, niedergelegt in der Regiments-<br />

ordnung von 1521, zu unklar, andererseits die Partikularin-<br />

teressen der mächtigen Reichsstände zu stark, zum dritten die<br />

Position des Statthalters nicht rasch genug gestärkt. Der Kai-<br />

ser hatte zwar schon in Worms seinen Bruder Ferdinand für<br />

dieses Amt in Aussicht genommen, ihn auch bei den Erbge-<br />

sprächen Anfang 1522 in Brüssel mit der Statthalterschaft im<br />

Reich betraut, aber in ausdrücklicher Bindung an das Reichs-<br />

regiment. Um die Wahl Ferdinands zum römischen König, die<br />

ebenfalls vereinbart war und die Ferdinands Position gegen-<br />

über den Ständen und in der Zusammenarbeit mit dem Regi-<br />

ment erheblich gestärkt hätte – wäre damit doch deutlich ge-<br />

worden, daß er der präsumtive Nachfolger des Kaiser war –,<br />

kümmerte Karl sich in den langen Jahren seiner Abwesenheit<br />

vom Reich (1522–1530) nur mäßig.<br />

Das Reichsregiment also hatte nur geringe Resonanz. Seine<br />

Maßnahmen gegen rechtswidriges Verhalten einiger Reichs-<br />

stände wurden als unzumutbar zurückgewiesen, ebenso ver-<br />

schiedene finanz- und wirtschaftspolitische Vorschläge. Insbe-<br />

sondere aber die Religionsmandate erwiesen sich als undurch-<br />

führbar.<br />

Die wachsende Bedeutung der Religionsfrage im Reich<br />

stärkte weder den Kaiser noch die Stände insgesamt, da der<br />

Gegensatz zwischen Reformationsanhängern und -gegnern<br />

wuchs. Aber sie führte zur Intensivierung der Auseinanderset-<br />

zungen um die ständischen Rechte im Reich insbesondere ge-<br />

genüber dem Kaiser. Die Frage nach dem Verhältnis zwischen<br />

Kaiser und Reichsständen spitzte sich zur Frage nach dem<br />

Verhältnis zwischen den protestantischen Ständen und dem<br />

Kaiser zu. Einen dafür folgenreichen Kompromiß formulier-<br />

ten die Stände auf dem Reichstag zu Speyer 1526. Erneut hat-<br />

te der ferne Kaiser durch seinen Bruder die hier versammelten<br />

56


Stände zur strikten Einhaltung des Wormser Edikts ermahnt.<br />

Zugleich verweigerte er allen Beschlüssen des Reichstags in<br />

Religions- und Glaubensfragen seine Zustimmung, da diese<br />

Fragen grundsätzlich nur auf einem Konzil zu beraten seien,<br />

über dessen Einberufung er sich bald mit dem Papst verstän-<br />

digen werde. Die Antwort aller Stände war ein Reichstagsbe-<br />

schluß, in dem die Unmöglichkeit der Durchführung des<br />

Wormser Edikts betont wurde, so daß es jedem Reichsstand<br />

bis zu einem zu erwartenden Konzil freistehe, mit dessen<br />

Formulierungen so umzugehen, wie er es gegenüber Gott und<br />

dem Kaiser verantworten könne. Mit dieser Feststellung wur-<br />

de erstmals eine eigene ständische Verantwortung in Glau-<br />

bensdingen beansprucht, die sich auch gegen die Entscheidun-<br />

gen des Reichstags und des Kaisers richten konnten!<br />

Die Folge dieses Beschlusses war keineswegs eine Beruhi-<br />

gung der Religionskonflikte, sondern deren Verschärfung im<br />

Reich. Auf dem bereits drei Jahre später einberufenen zweiten<br />

Speyrer Reichstag (1529) sollte der Beschluß von 1526 mit<br />

Hilfe einer kaiserlichen Proposition aufgehoben werden. In<br />

dem interkurialen Ausschuß, der darüber zu beraten hatte,<br />

waren die Gegner der Reformation in der deutlichen Mehr-<br />

heit. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen mit den der<br />

Reformation nahestehenden Reichsständen, die in der be-<br />

rühmten „Protestation“ der evangelischen Stände (vom 19.4.<br />

1529) gipfelten, der bis heute der Name der Protestanten zu<br />

verdanken ist. Zum ersten sei es nicht rechtmäßig, den 1523<br />

einhellig beschlossenen Reichstagsabschied mit Hilfe eines<br />

Mehrheitsentscheids wieder aufzuheben. Zum zweiten dürfe<br />

in Zukunft in Glaubenssachen ein Mehrheitsentschluß keine<br />

Gültigkeit mehr beanspruchen, denn: „in den Sachen Gottes<br />

Ehre und unser Seelen Heil und Seligkeit belangend ein jegli-<br />

cher für sich selbst vor Gott stehen und Rechenschaft geben<br />

muß“ (Rabe 1991, S. 321). Unterzeichner der Protestation<br />

waren fünf Reichsfürsten (Sachsen, Hessen, Brandenburg-<br />

Ansbach, Braunschweig-Lüneburg, Anhalt) und die Gesand-<br />

ten von 14 evangelischen Reichsstädten. Sie erhielt die Form<br />

einer feierlichen Appellation an Kaiser und Konzil, nachdem<br />

57


die katholische Reichstagsmehrheit den Vorschlag des Aus-<br />

schusses ohne größere Veränderungen mit Mehrheitsbeschluß<br />

in das Reichstagsvotum aufgenommen hatte.<br />

Protestationen von Gruppierungen des Reichstags, die<br />

überstimmt worden waren, gab es schon lange. Das Neue der<br />

Protestation von 1529 lag darin, daß Kaiser und Reichstag<br />

das Recht bestritten wurde, in Glaubensfragen auch nur gegen<br />

die Meinung eines einzigen Reichsstands zu entscheiden. Da-<br />

mit war nicht die Glaubensfreiheit aller Individuen gemeint,<br />

es ging ausschließlich um die Entscheidungsfreiheit jedes ein-<br />

zelnen Reichsstands. Ständisches Recht richtete sich gegen die<br />

Autorität der Kirche und den Herrschaftsanspruch des Kaisers<br />

als Schirmherrn der Christenheit, deren Einheit er zu wahren<br />

hatte! Ob damit bereits das Ende des Reiches als eines<br />

„heiligen Nachbarschaftsverbandes“ (Seibt 1990, S. 109) ge-<br />

kommen war, kann bezweifelt werden, denn protestantische<br />

wie katholische Stände bauten fest auf ein Konzil und damit<br />

auf eine Überwindung der Glaubensspaltung. Aber der auf<br />

seiner Schutzfunktion beruhende Herrschaftsanspruch des<br />

Kaisers, der seine Kaiseridee stützte, war nachhaltig in Frage<br />

gestellt.<br />

Es liegt auf der Hand, daß die Protestierenden von nun an<br />

um ihre eigene Sicherheit besorgt sein mußten, denn das von<br />

ihnen in Anspruch genommene Recht wurde von der reichs-<br />

ständischen Mehrheit einschließlich des Kaisers als Mißach-<br />

tung des Mehrheitsbeschlusses verstanden, und das wurde mit<br />

der Reichsacht bedroht. Im unmittelbaren Anschluß an den<br />

Reichstag von Speyer, Ende April 1529 also, schlossen Kur-<br />

sachsen, Hessen, Straßburg, Nürnberg und Ulm ein erstes, ge-<br />

heimes Defensivbündnis. Parallel dazu versuchten sie, den<br />

Kaiser von ihrer Verhandlungsbereitschaft zu überzeugen.<br />

Dies allerdings gelang nicht, Karl lehnte alle Vermittlungsge-<br />

spräche ab. Die Bemühungen der evangelischen Reichsstände,<br />

wirksame Verteidigungsbündnisse zu schließen, intensivierten<br />

sich erneut. Solche Pläne waren allerdings auch innerhalb des<br />

protestantischen Lagers (unter Politikern, Theologen und Ju-<br />

risten) umstritten. Die schon seit den frühen zwanziger Jahren<br />

58


geführte Debatte um die Existenz eines ständischen Wider-<br />

standsrechts verdichtete sich noch einmal, ohne allerdings zu<br />

einem allseitig akzeptierbaren Ergebnis zu führen; wir kom-<br />

men darauf zurück.<br />

Um so überraschender war deshalb im Winter 1529/30 die<br />

Einladung des Kaisers zum Reichstag nach Augsburg. Ver-<br />

mutlich stammte der versöhnlich formulierte Text vom<br />

Kanzler Gattinara. Der Reichstag solle die Möglichkeit bie-<br />

ten, „alle Meinungen zu einer einigen christlichen Wahrheit<br />

zu vergleichen und alles, so zu beiden Teilen nicht recht aus-<br />

gelegt oder behandelt ist, abzutun“ (Brandi 1937, Bd.l, S.<br />

263). Ganz offensichtlich hatte der Kaiser nach jahrelanger<br />

Fehlinterpretation verstanden, wie grundlegend die Verände-<br />

rungen in Deutschland zu werden drohten, und mühte sich,<br />

die Konstellationen zu verstehen. Entscheidend für diesen<br />

Lernprozeß waren vermutlich Gespräche, die er mit einem der<br />

wichtigsten Berater seines Bruders, dem Trienter Kardinal<br />

Bernhard Cles (1485–1539) geführt hatte (Rabe 1991, S.<br />

329). Auch theologische Kompromißbereitschaft wurde beim<br />

Kaiser vermutet: Im Gespräch mit seiner Schwester Maria, die<br />

ihn von Innsbruck nach Augsburg begleitete, soll er sich gegen<br />

die Verteufelung der Lehren Luthers gewandt haben. Es gehe<br />

offensichtlich doch nur um äußerliche Dinge zwischen den<br />

Parteien (Seibt 1990, S. 111). Ebenso neu wie diese Diskussi-<br />

onsbereitschaft war die Tatsache, daß der Kaiser die Lösung<br />

dieser schweren Aufgabe von den Verhandlungen auf einem<br />

Reichstag erwartete, „der damit eben jene Funktion einer<br />

Nationalversammlung erhielt, wie sie der Kaiser 1524 und<br />

wieder 1526 strikt abgelehnt hatte“ (Rabe 1996, S. 329). In<br />

den kommenden Jahren verfolgte der Kaiser auch nach dem<br />

Scheitern des Augsburger Reichstags diese Linie bis hin zur<br />

Forderung nach einem allgemeinen Konzil konsequent weiter.<br />

Einen Eindruck dieses Engagements vermittelt der Brief Karls<br />

an Papst Clemens VII., den er noch vom Reichstag in Augs-<br />

burg schrieb: „In einem Wort, man erkennt in Allen [Ständen]<br />

den Wunsch nach einer andern bessern Ordnung, als der ge-<br />

genwärtigen. Deshalb schien es [...], daß es das nothwendige<br />

59


und wahre Heilmittel sein werde, ihnen besagtes Concil [...]<br />

anzubieten“ (Kohler, Quellen, 1990, S. 167).<br />

Daß er mit seiner Einschätzung der theologischen Gegen-<br />

sätze als äußerliche deren Tiefe unterschätzte, ist deutlich.<br />

Dennoch begann die theologische Grundsatzdebatte, die der<br />

Kaiser ausdrücklich erbeten hatte, nicht ganz ohne Aussicht<br />

auf Erfolg. In Zusammenarbeit mit lutherischen Theologen<br />

und Juristen erarbeitete Philipp Melanchthon (1497–1560)<br />

während des Reichstags die Confessio Augustana (= CA), die<br />

dem Kaiser am 25.6.1530 vorgelegt wurde. Die von einer<br />

katholischen Theologenkommission erarbeitete Begutachtung<br />

des Texts geriet zu einer klaren Ablehnung. Zwar gab der<br />

Kaiser sie zur Bearbeitung noch einmal an die Theologen zu-<br />

rück, akzeptierte dann aber die gekürzte Fassung als Con-<br />

futatio, die am 3.8.1530 in seinem Namen vor dem Reichstag<br />

verlesen wurde. Da die evangelischen Stände nun ihrerseits die<br />

katholische Verteidigung ablehnten, kam es Mitte August zu<br />

Vermittlungsbemühungen, an denen die in beiden Lagern ver-<br />

tretenen Humanisten einen wesentlichen Anteil hatten. Aber<br />

auch diese scheiterten. Um sich wenigstens nicht ohne jeden<br />

Erfolg trennen zu müssen, führten die beiden Seiten noch dar-<br />

über Verhandlungen, ob es Möglichkeiten geben konnte, die<br />

Anhänger des Augsburger Bekenntnisses politisch zu dulden.<br />

Das aber hätte die reichsrechtliche Duldung zweier Bekennt-<br />

nisse, den Verzicht auf die Einheit der Religion festgeschrie-<br />

ben. Eine solche Wendung ging dem Kaiser zu weit, denn<br />

damit wäre sein Anspruch auf Universalität des Kaisertums<br />

beendet gewesen.<br />

Angesichts der Kooperationsbereitschaft des Reichstags bei<br />

der Bewilligung der dringend erforderlichen Türkenhilfe ließ<br />

Karl im November 1530 die aus seiner Sicht ohnehin nicht<br />

mehr fruchtbaren Religionsverhandlungen abbrechen. Mit<br />

Hilfe der verbliebenen katholischen Reichsstände – die prote-<br />

stantischen hatten den Reichstag bereits verlassen – wurde das<br />

Wormser Edikt wieder in Kraft gesetzt. Alle reformatorischen<br />

Veränderungen sollten in Zukunft als Landfriedensbruch be-<br />

wertet werden. Damit wurde die Reformation kriminalisiert.<br />

60


Der „rechtliche Krieg“ gegen die reformatorischen Bewegun-<br />

gen hatte begonnen.<br />

3. Konzil, Schmalkaldischer Krieg und Interim<br />

Es kann nicht erstaunen, daß die Antwort der protestanti-<br />

schen Stände in der intensivierten Suche nach Partnern für ein<br />

Verteidigungsbündnis gegen den Kaiser bestand. Im Februar<br />

1531 wurde in Schmalkalden ein entsprechender Bundesver-<br />

trag geschlossen: Der Schmalkaldische Bund war gegründet.<br />

Zu ihm gehörten neben Kursachsen und Hessen eine Reihe<br />

norddeutscher Fürsten und Städte, aber auch einige bedeuten-<br />

dere süddeutsche Reichsstädte, u.a. Straßburg. Auch dieses<br />

Bündnis war entstanden aus der Gemengelage von religiösem<br />

und ständischem Selbstbehauptungswillen gegen den kaiserli-<br />

chen Zentrierungswunsch, der seinerseits christliche Schutz-<br />

verpflichtung und weltlichen Herrschaftsanspruch aufs engste<br />

ineinander verwoben hatte. Auch das katholische Bayern<br />

stand deshalb für eine gewisse Zeit dem Bund und dessen<br />

Stoßrichtung gegen eine habsburgische Vorherrschaft nahe,<br />

ferner war er ein interessanter Partner für alle Gegner des<br />

Kaisers außerhalb des Reichs (u.a. Dänemark und Frank-<br />

reich). Karl V. sah sich deshalb gezwungen, in der Religions-<br />

frage zumindest ein Stillhalten zu vereinbaren. Der sogenann-<br />

te „Nürnberger Anstand“ vom Juli/August 1532 besiegelte<br />

eine zeitlich begrenzte Duldung der Protestanten im Reich.<br />

Auf die weitreichenden Vorstellungen der evangelischen Stän-<br />

de während der Verhandlungen am Rande des Regensburger<br />

Reichstags von 1532 (Parität der Reichsstände beider Glau-<br />

bensrichtungen bis zur Entscheidung eines Konzils auf deut-<br />

schem Boden) wollte der Kaiser sich aber nicht einlassen.<br />

Denn darin sah er das rechtlich sanktionierte Ende der Einheit<br />

des christlichen Reichs. Der Kompromiß sah deshalb nur die<br />

Wiederaufnahme der evangelischen Reichsstände in den<br />

Schutz des Landfriedens vor; die letzte Entscheidung über das<br />

Miteinander sollte einem Generalkonzil vorbehalten bleiben.<br />

Der rechtliche Krieg gegen die Protestanten fand also zu-<br />

61


nächst ein Ende. Selbst wenn dieser Kompromiß schmal er-<br />

scheint: Der Kaiser hatte sich erstmals, wenn auch nur zeitlich<br />

begrenzt, auf einen Weg eingelassen, der nicht an Acht und<br />

Bann festhielt.<br />

Die Gegensätze zwischen Kaiser und Reichsständen waren<br />

weiter gewachsen, dennoch blieben beide Seiten bis in die<br />

Mitte der vierziger Jahre des Jahrhunderts im Kern bereit,<br />

nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen. Für den Kaiser<br />

bestand dieser Weg seit dem Reichstag zu Worms in der Ein-<br />

berufung eines Generalkonzils. Lange Jahre hatte er sich die-<br />

ser Lösung verweigert, nicht zuletzt aus Rücksichtnahme auf<br />

den Papst. Dessen Sorgen vor der Reformwirkung einer sol-<br />

chen Kirchenversammlung hatten reale und historische Hin-<br />

tergründe, über die sich der Kaiser nicht einfach hinwegsetzen<br />

wollte. Auch wenn sich der seit 1534 regierende Papst Paul<br />

III. (1468–1549) solchen Plänen nicht mehr grundsätzlich<br />

widersetzte, blieb der Weg dorthin schwer und lang. Die<br />

Einberufung eines Konzils war, so hatte der Papst in den Ge-<br />

sprächen der Jahre 1532/33 immer wieder betont, nicht mög-<br />

lich ohne die Zustimmung des französischen Königs. Aber<br />

auch die protestantischen Stände mußten zustimmen. Auf die<br />

im Februar 1533 von einer päpstlich-kaiserlichen Gesandt-<br />

schaft überbrachten Konzilsbedingungen reagierten die Evan-<br />

gelischen nach langen Verhandlungen zwischen Theologen<br />

und Politikern einschränkend-positiv: Man akzeptiere trotz<br />

aller Bedenken, weil man nicht am Scheitern des so notwen-<br />

digen Treffens schuldig sein wolle. So scheiterte die Initiative<br />

denn auch am Einspruch der französischen Seite, die kein In-<br />

teresse an einer Beilegung der reichsständischen Opposition<br />

hatte.<br />

Der Kaiser aber hielt an seinen Konzilsplänen eisern fest.<br />

Im persönlichen Einsatz überzeugte er Papst und Kurie wäh-<br />

rend seines Besuchs in Rom Ostern 1536 von der Notwendig-<br />

keit eines Konzils. Und Paul III. berief das Konzil tatsächlich<br />

für den 23.5.1537 nach Mantua ein. Diesmal waren die pro-<br />

testantischen Stände keineswegs sogleich bereit, der Einladung<br />

zu folgen. Intensive Verhandlungen, zuletzt auf der Tagung<br />

62


der evangelischen Stände in Schmalkalden im Februar 1537,<br />

in denen es u.a. um die Fragen ging, ob der Besuch des Kon-<br />

zils die Anerkennung des Papsttums bedeutete und ob man<br />

ein Recht zur Verteidigung gegen Konzilsbeschlüsse habe, die<br />

der heiligen Schrift widersprächen, führten endlich zur Ableh-<br />

nung der Teilnahme. Da Frankreichs Zustimmung ebenfalls<br />

nicht zu erreichen war, scheiterte auch dieses Projekt.<br />

Karls Ausdauer an dieser Stelle wurde getragen von der<br />

breiten Hoffnung unter den Christen, daß trotz aller Wider-<br />

stände ein Konzil endlich die Einheit der Christenheit wieder-<br />

herstellen könne. Die katholischen Reichsstände drängten den<br />

Kaiser sogar, weitere Schritte zu tun. Auf dem Reichstag von<br />

1541 in Regensburg kam es zu einem gemeinsamen Beschluß<br />

aller Stände, wonach beim Scheitern eines Generalkonzils die<br />

deutschen Religionsgegensätze auch auf einem Nationalkonzil<br />

oder einem Reichstag beigelegt werden könnten. Diese energi-<br />

sche Bereitschaft beeindruckte den Papst. In zähen Verhand-<br />

lungen konnte ihn der Kaiser kurz darauf dazu veranlassen,<br />

erneut ein Konzil einzuberufen, und zwar nach Trient, das<br />

damals zum Reich gehörte. Damit war eine zentrale Forde-<br />

rung der deutschen Reichsstände erfüllt. Im Frieden von<br />

Crepy hatte der Kaiser schließlich auch dem französischen<br />

König die Zusage zur Teilnahme an einem Konzil abverlangt.<br />

Dessen Einberufung zum 15.3.1545 stand nichts mehr im<br />

Wege.<br />

Der Kaiser erwartete von dieser Kirchenversammlung viel,<br />

weil er sicher war, daß die Reform der Institution Kirche vor<br />

den dogmatischen Auseinandersetzungen stehen werde. Schon<br />

in den Gesprächen vor der Einberufung des Augsburger<br />

Reichstags hatte sich gezeigt, daß diese Einschätzung des Kai-<br />

sers trügerisch war. Den streitenden Parteien ging es nicht um<br />

äußerliche Dinge; die Reform der Kirche mußte scheitern, so-<br />

bald deutlich wurde, daß der Begriff von Kirche nicht mehr<br />

konsensfähig war. Die Position von Papst und Konzil war seit<br />

Luther in Frage gestellt, eine Einigung darüber hätte nicht<br />

mehr nur eine formale Einigung über Reformen äußerlicher<br />

Natur, sondern eine Einigung in theologischen Grundsatzfra-<br />

63


gen sein müssen. Es gelang dem Kaiser zwar, das Nebenein-<br />

ander beider Gegenstände als Verhandlungsstrategie durchzu-<br />

setzen, damit konnte aber eine Verurteilung protestantischer<br />

Positionen nicht von vornherein verhindert werden. Die Teil-<br />

nahme der evangelischen Reichsstände blieb mithin zweifel-<br />

haft.<br />

Tatsächlich erwies sich auf dem Reichstag in Worms im<br />

Frühjahr 1545, daß die protestantischen Stände das Konzil<br />

unter den Bedingungen von Trient rundweg ablehnten. Sie ta-<br />

ten dies vor allem aufgrund von Glaubensüberzeugungen,<br />

nicht zuletzt aber auch, weil der militärische Schutz durch den<br />

Schmalkaldischen Bund das Beharren auf ständischen Positio-<br />

nen erleichterte. Der Kaiser dagegen beharrte auf einer prin-<br />

zipiellen Anerkennung des Konzils durch die evangelischen<br />

Reichsstände; die Verhandlung von Religionsfragen wäre<br />

dann nicht mehr Aufgabe des Reichstags, sondern des Konzils<br />

gewesen. Dieser Gegensatz blockierte den gesamten Verlauf<br />

des Reichstags. Als er Anfang August 1545 zu Ende ging, war<br />

mehr als deutlich, daß eine kriegerische Auseinandersetzung<br />

zwischen den protestantischen Ständen und dem Kaiser nahe-<br />

gerückt war.<br />

In der Tat hatte der Kaiser seit Mai 1545 den Krieg gegen<br />

die in seinen Augen rebellischen evangelischen Stände fest<br />

geplant (Rabe 1991, S. 392). Die außenpolitischen Vorausset-<br />

zungen waren durch die Friedensschlüsse mit Franzosen und<br />

Türken gegeben, die Finanzierung des Unternehmens auf-<br />

grund der steigenden Einnahmen des Kaisers aus Amerika<br />

und durch die päpstlichen Zusagen gesichert, der Papst da-<br />

durch in den Krieg gegen die protestantischen Stände einge-<br />

bunden.<br />

Vor einem Religionskrieg im Reich aber warnten nicht nur<br />

sein Bruder Ferdinand, sein Statthalter im Reich, und seine<br />

Schwester Maria, Statthalterin in den Niederlanden, auch der<br />

Kaiser selbst wollte einen Religionskrieg vermeiden! Denn es<br />

war ihm klar, daß ein Krieg des Kaisers auch nur gegen Teile<br />

des Reichs, die protestierenden Stände, die kaiserliche Autori-<br />

tät beschädigen würde. „Das Ehrwürdige am Kaisertum er-<br />

64


trug, nein es forderte sogar bewaffnete Wahrung der Reichs-<br />

disziplin gegen einzelne; aber keinen Krieg des Kaisers gegen<br />

das Reich“ (Seibt 1990, S. 164). Der Krieg, der unvermeidbar<br />

schien, war kein Kreuzzug gegen die Protestanten. In den Au-<br />

gen des Kaisers war es vielmehr ein Waffengang, um den<br />

Schmalkaldischen Bund und damit die politisch organisierte<br />

ständische Macht des Protestantismus im Reich zu vernichten.<br />

Über die Ziele seiner Kirchenpolitik nach einem erhofften Sieg<br />

war sich der Kaiser kurz vor dem Ausbruch der Kämpfe noch<br />

keineswegs im klaren. An seine Schwester Maria schrieb er<br />

am 9.6.1546, daß es darum gehe, die evangelischen Stände<br />

„zu einigermaßen erträglichen Bedingungen zu nötigen, durch<br />

die man, wenn man schon nicht mehr damit erreicht [...]<br />

verhindern kann, daß alles unwiderruflich verloren geht“<br />

(Kohler, Quellen 1990, S. 324).<br />

Gerade ein so verstandener Krieg des Kaisers gegen ständi-<br />

schen Ungehorsam konnte nicht ohne Bündnispartner im<br />

Reich selbst geführt werden. Deshalb bemühte sich Karl V.<br />

mit Erfolg um entsprechende Partner – nicht nur aus den Rei-<br />

hen der katholischen Reichsstände. Die Verbindung, die in<br />

der Geschichtsschreibung gewiß am nachdrücklichsten disku-<br />

tiert wurde, war diejenige mit dem protestantischen Fürsten<br />

Moritz von Sachsen (1521–1553). Dem Kaiser war es gelun-<br />

gen, den jungen Fürsten gegen die Zusage der Kurwürde sei-<br />

nes Vetters, des Kurfürsten Johann Friedrich (1503–1554),<br />

aus dem protestantischen Lager abzuwerben. In der prote-<br />

stantischen Geschichtsschreibung war Moritz seitdem der<br />

„Judas von Meißen“. Zudem konnte der Kaiser die beiden<br />

jungen protestantischen Fürsten Hans von Küstrin (1513–<br />

1571) und Albrecht Alkibiades von Brandenburg-Kulmbach<br />

(1522–1557) zur normalen Fürstenbesoldung für kaiserliche<br />

Dienste anwerben. Mit Bayern hatte er zwei Tage nach der<br />

Eröffnung des Regensburger Reichstags einen Vertrag ge-<br />

schlossen, in dem wohlwollende Neutralität zugesichert wur-<br />

de.<br />

Demgegenüber blieben die schmalkaldischen Bundesver-<br />

wandten zu lange untätig. Neben innerbündischen Konflikten<br />

65


und Mißtrauen gegenüber den eigenen Führern, denen man<br />

Eigenmächtigkeiten im eigenen Interesse unterstellte, fehlte es<br />

vor allem an der Bereitschaft, größere finanzielle Mittel zum<br />

Bündnis beizusteuern. Erst Mitte Juni 1546 begannen einige<br />

der protestantischen Stände mit der Anwerbung von Truppen.<br />

Am 20.7.1546 wurde über Sachsen und Hessen die Reichs-<br />

acht mit der Begründung verhängt, sie hätten den Braun-<br />

schweigisch-Wolfenbüttelschen Herzog unter Verletzung des<br />

Landfriedens angegriffen. Obwohl reichsrechtlich tragfähig,<br />

war diese den Krieg auslösende Handlung des Kaisers vor-<br />

nehmlich darauf gerichtet, eine Solidarisierung der übrigen<br />

Reichsstände mit den Geächteten zu verhindern. Ohne dieses<br />

Ziel hätte der Kaiser den Angriff auf den Herzog sicher nicht<br />

zum Anlaß eines Krieges genommen.<br />

Obgleich Karl den Krieg möglichst rasch nach Hessen und<br />

Sachsen tragen wollte, gelang dies aufgrund des Engagements<br />

der süddeutschen Verbündeten der beiden geächteten Reichs-<br />

fürsten nicht. Erst das Eingreifen der päpstlichen Truppen in<br />

Oberdeutschland und der gemeinsame Angriff der böhmi-<br />

schen Truppen und der Truppen des sächsischen Fürsten<br />

Moritz auf Kursachsen brachten den Erfolg für die kaiserliche<br />

Seite. Am Ende des Jahres 1546 hatten sich die protestanti-<br />

schen Stände Oberdeutschlands dem Kaiser gegen Zahlung<br />

erheblicher Kontributionssummen unterworfen. Den Sieg<br />

über die Schmalkaldischen Bundesverwandten in Mittel- und<br />

Norddeutschland erreichte der Kaiser schließlich in der<br />

Schlacht bei Mühlberg an der Elbe (24.4.1547); Kurfürst Jo-<br />

hann Friedrich geriet in kaiserliche Gefangenschaft. Zwar wa-<br />

ren die Schmalkaldischen Truppen im Norden keineswegs ge-<br />

schlagen – ein kaiserliches Heer wurde bei Drakenburg an der<br />

Weser sogar im Mai noch deutlich besiegt –, aber die Gefan-<br />

gennahme des Kurfürsten gab dem Kaiser die Möglichkeit,<br />

auf dem Verhandlungswege weitere Zugeständnisse zu errei-<br />

chen. Am 19.6.1547 ergab sich schließlich auch Landgraf<br />

Philipp von Hessen (1504–1567) in der Hoffnung, damit sei-<br />

ne Freiheit zu bewahren. Aber auch er wurde gefangengesetzt.<br />

Allein die an ihrem Widerstand festhaltenden norddeutschen<br />

66


Reichsstände (Städte und Territorien) wurden vom Kaiser<br />

nicht weiter bekämpft. In der Annahme, daß auch sie sich ei-<br />

ner politischen Neuordnung im Reich unterwerfen würden,<br />

verzichtete der Kaiser auf weitere, kostspielige Kriegszüge.<br />

Eine weise Entscheidung war dies sicher nur bedingt.<br />

Ganz und gar nicht weise jedenfalls war die Behandlung<br />

der beiden gefangengesetzten Reichsfürsten. Das reichsständi-<br />

sche Selbstbewußtsein wurde dadurch erheblich getroffen, mit<br />

der sicherlich nicht beabsichtigten Folge wachsender Solidari-<br />

tät der Reichsstände untereinander, unabhängig von ihrer<br />

Glaubensüberzeugung. Wieder einmal ging es um das Recht<br />

der ständischen „libertät“ gegen die kaiserliche „monarchia“.<br />

Die politische und religiöse Neuordnung des Reichs, die dem<br />

Kaiser nun möglich war, bereitete unter diesen Voraussetzun-<br />

gen erhebliche Probleme. Um die Dinge in die Wege zu leiten,<br />

blieb Karl ein ganzes Jahr lang in Augsburg.<br />

Daß die Stellung des Kaisers hervorgehoben bleiben sollte,<br />

war erklärte Absicht Karls. Dessen Stellung zu den unterwor-<br />

fenen und verbündeten Reichsständen sollte in Gestalt einer<br />

Liga, also eines Reichsbundes, gestaltet werden, letzte Ent-<br />

scheidungen darüber wollte Karl durch einen Reichstag for-<br />

muliert wissen. Vermutlich war dies keine glückliche Absicht,<br />

denn Reichstage hatten schwerfällige Verfahrensweisen, vor<br />

allem aber war keine Entscheidung gegen das Votum der<br />

Stände möglich! Die kaiserlichen Bundespläne wurden den<br />

Gesandten der Stände im Juli 1547 überreicht. Sie waren so<br />

weitreichend, daß das Kräfteverhältnis im Reich nachdrück-<br />

lich zugunsten des Kaisers und in Europa zugunsten der<br />

Habsburger verschoben worden wäre. War es verwunderlich,<br />

daß die ständische Opposition zunächst darauf setzte, alle<br />

weiteren Entscheidungen zu verzögern?<br />

Auf dem für September 1547 nach Augsburg einberufenen<br />

Reichstag (später als geharnischter Reichstag bezeichnet)<br />

wurde die Bundessache neben der Religionsfrage zum ent-<br />

scheidenden Thema. Trotz der starken Stellung des Kaisers<br />

und trotz seiner erklärten Absichten kam es nicht zu der von<br />

ihm erwarteten straffen Bundeslösung. Was war der Grund?<br />

67


Ausschlaggebend war die Interessenkollision zwischen kaiser-<br />

lichen und habsburgisch-dynastischen Ansprüchen – der Kai-<br />

ser gab seiner Dynastie den Vorzug. Angesichts der her-<br />

kömmlichen Eigenständigkeit der habsburgischen Niederlan-<br />

de hätte deren Einbindung in einen zentral geordneten<br />

Reichsbund nicht zuletzt die dynastische Handlungsfähigkeit<br />

der Habsburger stark beeinträchtigt. Um dies zu vermeiden,<br />

schlugen die Statthalterin Maria und ihre Räte einen Einzel-<br />

vertrag zwischen dem Reich und den Burgundischen Landen<br />

vor. Der Kaiser akzeptierte diese Bedenken und gab damit<br />

zugleich seine Absichten eines zentral organisierten Reichs-<br />

bundes auf. Als „Burgundischer Vertrag“ wurde die relative<br />

Selbständigkeit der Niederlande am 26.7.1548 festgeschrie-<br />

ben, die Verhandlungen zur Bundessache auf dem Reichstag<br />

liefen sich fest, weil der Kaiser das Interesse daran verloren<br />

hatte. Nicht einmal eine gemeinsame Vorlage der Stände kam<br />

zustande. Eine Reaktion des Kaisers darauf gab es schon gar<br />

nicht mehr.<br />

Immerhin gelang die Festigung der Position des Reichskam-<br />

mergerichts und damit die Erleichterung der Rezeption des rö-<br />

mischen Rechts auf Reichsebene.<br />

Als weitaus schwieriger erwies sich die Neuordnung der re-<br />

ligiösen Landschaft im Reich. Das Konzil, nach Bologna ver-<br />

legt, fiel als Entscheidungsinstitution aus; im Februar 1548<br />

hatte der Papst die Verhandlungen bis auf weiteres ausgesetzt.<br />

Die Religionsfrage – und hier zunächst die Konzilsfrage –<br />

wurde also zum Thema des Reichstags. Die Reichsstände,<br />

insbesondere die weltlichen, äußerten recht uneingeschränkt<br />

ihre Vorstellungen dazu. Vor allem könne der Papst nicht<br />

länger das Haupt einer solchen Kirchenversammlung sein.<br />

Vielmehr habe er sich deren Beschlüssen zu unterwerfen. Zu-<br />

dem müßten die evangelischen Theologen an den Beratungen<br />

der protestantischen Reichsstände teilnehmen können. Es war<br />

vorhersehbar, daß die katholischen Reichsstände diesen For-<br />

derungen nicht zustimmen würden. Nach mehrwöchigen Ver-<br />

handlungen lagen dem Kaiser schließlich uneinheitliche Be-<br />

denken der einzelnen Reichstagskurien vor. Diese Uneinigkeit<br />

68


mußte er nutzen, um seine eigenen Vorstellungen durchzuset-<br />

zen. Nach massivem kaiserlichem Druck und zähen Verhand-<br />

lungen erklärten die Reichsstände am 24.10.1547 schließlich<br />

ihr Einverständnis mit der kaiserlichen Vorlage, wonach der<br />

Religionsstreit vor ein allgemeines Konzil in Trient gebracht<br />

werden sollte. Der Kaiser hatte sich durchgesetzt, die Stände<br />

waren, wenn auch widerstrebend, gefolgt.<br />

Die religiösen Verhältnisse im Reich aber blieben bis zur<br />

Wiedereröffnung des Konzils unklar. Der Kaiser sah sich in<br />

dieser Situation gefordert, eine Übergangslösung, eine interi-<br />

mistische Ordnung, herzustellen. Offensichtlich schon vor<br />

Beginn des Augsburger Reichstags hatte er eine Kommission<br />

katholischer Theologen eingesetzt, die Entwürfe für Reformen<br />

der Kirche und die Voraussetzungen zur Duldung der Prote-<br />

stanten erarbeiten sollte. Alle Teilnehmer vertraten einen<br />

strikten Kurs im Verhältnis zu den Protestanten, wesentliche<br />

Anliegen der anderen Seite, insbesondere eine Berücksichti-<br />

gung der inzwischen entwickelten eigenen Formen der Kir-<br />

chenordnung, waren nicht vorgesehen. Solcher Rigorismus<br />

hätte eher das Gegenteil einer Versöhnung heraufbeschworen,<br />

deshalb setzte der Kaiser Anfang 1548 eine zweite Kommissi-<br />

on ein, der nicht nur vermittlungsbereite katholische Theolo-<br />

gen angehörten, sondern mit dem Hofprediger des branden-<br />

burgischen Kurfürsten Johann Agricola (1492–1566) auch ein<br />

vermittlungsbereiter Protestant. Der nun vorgelegte Text war<br />

ein durchaus ernstzunehmender Versuch, ein möglichst weit-<br />

reichendes Entgegenkommen der katholischen Seite mit den<br />

unverzichtbaren Grundlagen der Glaubenslehre der prote-<br />

stantischen Seite zu verbinden. Dazu gehörten neben der Prie-<br />

sterehe vor allem der Laienkelch, d. h. die Vergabe des Abend-<br />

mahls mit Brot und Wein auch an Laien.<br />

Gegen den Widerstand der katholischen Stände aber konnte<br />

der Kaiser das Interim nicht als eine für beide Teile verbindli-<br />

che religiöse Grundlage durchsetzen; unter diesen gab es etli-<br />

che, denen das Religionsgesetz nicht weit genug ging. Die Fas-<br />

sung, die der Reichstag im Mai 1548 als Vorlage des Kaisers<br />

akzeptierte, sollte deshalb nur für die Protestanten gültig sein.<br />

69


Offensichtlich ist den protestantischen Ständen diese Ein-<br />

schränkung verschwiegen worden.<br />

Damit aber geriet das Interim in die „gefährliche Nähe ei-<br />

nes diskriminierenden Sondergesetzes für – oder besser: gegen<br />

– die Protestanten“ (Rabe 1996, S. 338). An anderer Stelle ist<br />

das Ganze sogar als „konfessionelle Diktatur“ (Seibt 1990, S.<br />

170) bezeichnet worden. Bei den Protestanten brach denn<br />

auch ein Sturm der Entrüstung los, der sich zum aktiven Wi-<br />

derstand gegen die kaiserliche Religionspolitik bis in den letz-<br />

ten Winkel des Reichs hinein entfaltete. Lediglich in den süd-<br />

deutschen Reichsstädten konnte der Kaiser als Stadtherr<br />

durchsetzen, daß das Interim zusammen mit weitreichenden<br />

Verfassungsänderungen in Kraft trat. Widerstand gab es al-<br />

lerdings auch in diesen Regionen. Das ohnehin gespannte<br />

Verhältnis zwischen Kaiser und Ständen erhielt neuen Zünd-<br />

stoff. Dies geschah nicht zuletzt aufgrund der Wiederbelebung<br />

der Debatte um das Recht auf Widerstand gegen einen tyran-<br />

nischen Kaiser, wie sie bereits in den ausgehenden zwanziger<br />

Jahren geführt worden war.<br />

4. Ungehorsam oder ständisches Widerstandsrecht?<br />

In der Auseinandersetzung um die Herrschaftsansprüche des<br />

Kaisers hatte die Religionsfrage zur Intensivierung des reichs-<br />

ständischen Selbstbewußtseins beigetragen. In all seinen Herr-<br />

schaftsbereichen übernahm Karl sein Amt zu einem Zeit-<br />

punkt, an dem entsprechende Konflikte bereits an Dynamik<br />

gewonnen hatten. Neue Probleme waren dies nicht, eine mit-<br />

telalterliche Wurzel der Diskussionen ist unverkennbar. Schon<br />

seit dem 14. Jahrhundert war die Frage umstritten, ob Bünd-<br />

nisse der Stände gegen den Kaiser/König als Lehnsherrn zu-<br />

lässig seien. Formale Einigkeit bestand darüber, daß deren<br />

Zielrichtung den Kaiser/König stets ausnehmen müsse, sofern<br />

er nicht selbst an dem Konflikt beteiligt sei; denn alle Stände<br />

hatten Treue geschworen (Treuevorbehalt). Dies galt für die<br />

spanischen Stände ebenso wie für die burgundischen, für die<br />

böhmischen ebenso wie für die Reichsstände. Im Zuge des<br />

70


Konflikts um die Durchsetzung des Wormser Edikts wurde<br />

diese Frage für diejenigen Reichsfürsten aktuell, die der re-<br />

formatorischen Bewegung zuneigten. Dem sächsischen Kur-<br />

fürsten hatte der Kaiser abverlangt, alles zu tun, „damit des<br />

Luthers lere und handlung abgethun und nit weiter ausgebrait<br />

werde“ (Des kursächsischen Rates, 1899, S. 223). Offensicht-<br />

lich gab es Pläne Karls V., dem Sachsen bei Nichterfüllung die<br />

Kurwürde zu entziehen. In dieser bedrohlichen Situation wur-<br />

den die Wittenberger Theologen vom kursächsischen Rat Ge-<br />

org Spalatin (1484–1545) um ein Gutachten gebeten, ob es<br />

ein Recht oder gar eine Pflicht „des christlichen Fürsten [ge-<br />

be], sein Territorium gegen einen Angriff wegen der Religion<br />

zu schützen.“<br />

Schon auf diese erste Anfrage gaben die Theologen eine dif-<br />

ferenzierte Antwort. Während Johannes Bugenhagen (1485-<br />

1558) und Nikolaus von Amsdorf (1483–1565) das ständi-<br />

sche „Recht der Gegenwehr“ (Widerstandsrecht) auch in Fra-<br />

gen der Religion uneingeschränkt anerkannten, lehnten Mar-<br />

tin Luther und Philipp Melanchthon dies, wenn auch mit<br />

unterschiedlichen Begründungen, ab. Aktualität erhielten die<br />

Gutachten erst 1529 wieder, als der Kaiser während des<br />

Reichstags zu Speyer in einem „Mandat an die protestieren-<br />

den Stände“ feststellte, daß die Minderheit einem Beschluß<br />

der Reichstagsmehrheit auch in Glaubensdingen zu folgen ha-<br />

be. Nicht nur das Verfahren des Kaisers empörte die „pro-<br />

testierenden Stände“: Gerade der Kaiser müsse denjenigen, die<br />

anderer Meinung waren, zumindest Gehör einräumen, argu-<br />

mentierten Melanchthon und Philipp von Hessen (1504-<br />

1567) gleichermaßen. Auch in der Sache standen sich zwei<br />

deutlich unterschiedene Positionen gegenüber. Noch einmal<br />

wurden die Wittenberger Theologen um Stellungnahme gebe-<br />

ten; Bugenhagens Votum (vom 29.9.1529) ergänzte die juri-<br />

stische durch eine theologische Sichtweise.<br />

Aus der Sicht der Stände war das Kaisertum eine Funktion<br />

mit begrenzten Kompetenzen, folglich mit begrenztem Gehor-<br />

samsanspruch. Selbstverständlich waren die Reichsstände<br />

durch ihren Huldigungseid verpflichtet zu gehorchen, aber<br />

71


diese Pflicht ging nur soweit, wie deren Erfüllung kein höher-<br />

wertiges Recht verletzte. Als ein solches galt in den Argumen-<br />

ten, der protestantischen Juristen, die sich dabei sowohl auf<br />

die Traditionen des Lehnsrechts als auch des römischen Ver-<br />

tragsrechts beriefen, das Naturrecht, ferner das göttliche<br />

Recht in Gestalt des Alten und des Neuen Testaments. Das<br />

hieß konkret: Die Gehorsamspflicht und damit die Pflicht zur<br />

Unterordnung der Stände beruht auf der Huldigung, ist also<br />

nicht naturgegeben. Deshalb erstreckt sie sich auch nicht auf<br />

alle Lebensbereiche. Die erwarteten Leistungen müssen zu-<br />

mutbar sein, sie dürfen höheren Pflichten nicht zuwiderlaufen.<br />

Das Anknüpfen an den Vertragscharakter des Verhältnisses<br />

zwischen Kaiser und Reichsständen begründete zudem die<br />

Auffassung, daß die Stände Obrigkeiten aus eigenem Recht<br />

seien (magistratus inferiores), gegenüber denen der Kaiser als<br />

magistratus superior zwar eine eigene Herrschaftsübung be-<br />

anspruchen könne, diese aber in der skizzierten Weise klar<br />

begrenzt sei.<br />

Dieser Argumentationsrichtung arbeitete Bugenhagen mit<br />

seiner theologischen Rechtfertigung der Gehorsamsverweige-<br />

rung bzw. des Rechts zu aktivem Widerstand zu. Nach seiner<br />

Auffassung ist alle obrigkeitliche Gewalt von Gott eingesetzt<br />

(Römer 13). Indem sie die Frommen schützt und die Bösen<br />

straft, hilft sie, die Schöpfungsordnung zu bewahren. Aber<br />

auch diese Obrigkeit ist in ihrer Gewalt begrenzt, in Sachen,<br />

die das Wort Gottes betreffen, ist sie kein Richter (Böttcher<br />

1991, S. 23 f.). Ein christlicher magistratus inferior (Unterherr<br />

bei Bugenhagen) nimmt die Gehorsamspflicht gegen den<br />

christlichen Oberherrn (magistratus superior) besonders ernst,<br />

aber in dem, was Gott gehört, hat er ihm nicht gehuldigt.<br />

Wenn nun der Oberherr seine Gewalt gegen Gott und Gottes<br />

Wort richtet, verliert diese ihre Legitimation, sie hört auf,<br />

obrigkeitliche Gewalt zu sein.<br />

Auch der Kaiser argumentierte nicht in den Kategorien un-<br />

begrenzten Herrschaftsrechts. Seine Auffassung der monar-<br />

chia universalis gehörte ebenso in eine vorreformatorische<br />

Tradition wie die Rechtfertigung des Widerstandsrechts durch<br />

72


die Stände. Als Schutzherr der Christenheit war der Kaiser<br />

festgelegten Geboten verpflichtet, von denen allerdings die ei-<br />

gennützigen Ansprüche einzelner Stände zurückzutreten hat-<br />

ten. Gerade weil der Kaiser die monarchia universalis als<br />

wahren Willen Gottes interpretierte, die Vielzahl der Stände<br />

und Herrschaften aber als Ausdruck des Sündenfalls, zog er<br />

die Grenze zwischen legitimem Widerstand und illegitimem<br />

Ungehorsam an anderer Stelle als die Reichsstände. Beide<br />

aber, Stände und Kaiser, blieben dem frühneuzeitlichen<br />

Selbstverständnis von Herrschaftsübung verbunden: Nicht Be-<br />

fehl und Gehorsam, sondern wechselseitige Treueverpflich-<br />

tung waren die entscheidenden Kategorien politischen Han-<br />

delns.<br />

In der Frage, was als unzumutbare Forderung durch die<br />

Stände zurückgewiesen werden konnte, eröffneten sich durch<br />

die Religionsfrage allerdings neue Abgrenzungsprobleme.<br />

Denn was als Unrecht in Glaubenssachen anzusehen sei, war<br />

aufgrund des unterschiedlichen Glaubensverständnisses dem<br />

Grundkonsens entzogen. Hier entstanden Ausschließlichkeits-<br />

ansprüche in der Wahrheitsfrage. Protestantische Theologen<br />

wie Bugenhagen oder Amsdorf verließen den traditionellen<br />

Argumentationsrahmen politischer Herrschaft nicht: Im Ver-<br />

hältnis zum Kaiser war auch für sie der einzelne Landesherr<br />

nicht Untertan, sondern Unterherr. Eine vollständige Einhel-<br />

ligkeit der Meinungen gab es allerdings im protestantischen<br />

Lager ebensowenig wie unter den altgläubigen Ständen. Die<br />

Vorstellungen des Nürnberger Ratsschreibers Lazarus Speng-<br />

ler z.B. (1479–1534) stützten eher die Auffassung des Kaisers<br />

als die der protestierenden Stände. Für ihn waren die Reichs-<br />

fürsten zwar Obrigkeiten gegenüber ihren eigenen Unterta-<br />

nen, nicht aber im Verhältnis zum Kaiser (Böttcher 1991, S.<br />

16f.).<br />

Für die Rolle des Kaisers im Reich waren diese Auseinan-<br />

dersetzungen von großer Bedeutung. Das gilt entsprechend für<br />

die Bewertung des Kaisertums Karls V.: Immer weniger ein-<br />

sichtig wird die Gegenüberstellung spätmittelalterlicher Herr-<br />

scher einerseits, frühabsolutistischer Kaiser andererseits. Kai-<br />

73


ser wie protestantische Stände argumentierten im Rahmen der<br />

als gut befundenen zeitgenössischen Traditionen der Herr-<br />

schaftslegitimation. Das gilt für Bugenhagen ebenso wie für<br />

Spengler, für Kaiser Karl V. ebenso wie für den Landgrafen<br />

Philipp von Hessen. Ebensowenig wie der Kaiser eine von al-<br />

len Bindungen gelöste Herrschaft anstrebte, waren die prote-<br />

stierenden Reichsstände Revolutionäre’, die mit dem Vor-<br />

handenen brechen wollten. „Weder der sächsische noch der<br />

brandenburgische noch der hessische Fürst verstanden sich im<br />

Glauben oder im Widerstandsdenken als Neuerer“ (Böttcher<br />

1991, S. 25f.).


V. Rückzug: Ein Kaiser dankt ab<br />

Am Ende des geharnischten Reichstags von 1547/48 war der<br />

Kaiser auf dem Gipfel seiner Macht: Die Schmalkaldener hat-<br />

te er besiegt, das Konzil zumindest einberufen, das Interim als<br />

Übergangslösung in der Religionsfrage vom Reichstag verab-<br />

schiedet. Warum gelang die Festigung dieses Sieges nicht? Be-<br />

reits vier Jahre später stand der Kaiser einer geschlossenen<br />

Abwehrfront der Reichsstände in Gestalt des Fürstenbunds<br />

gegenüber (1552), und der Versuch, das Interim durchzuset-<br />

zen, blieb ein grandioser Fehlschlag. Der Zwangscharakter<br />

der Religionspolitik trug zu einer Solidarisierung der prote-<br />

stantischen Kräfte im Reich bei, wie er nach der Niederlage<br />

des Schmalkaldischeh Bundes nicht mehr für möglich gehalten<br />

worden war. Ständische und konfessionelle Opposition fügten<br />

sich zum Widerstand selbst bei solchen Fürsten zusammen,<br />

die noch kurz zuvor Verbündete des Kaisers gewesen waren.<br />

1. Fürstenopposition im Reich<br />

Eine für Karl gefährlich werdende Gestalt erhielt diese Oppo-<br />

sition im Bündnis der protestantischen Fürsten, das seit 1550<br />

unter der Führung des Markgrafen Hans von Küstrin immer<br />

weitere Kreise zog. Neben Herzog Albrecht von Preußen<br />

(1490–1568) und Herzog Albrecht von Mecklenburg (1486-<br />

1547) schlossen sich im Mai 1551 in Torgau noch der sächsi-<br />

sche Kurfürst Moritz und der junge hessische Landgraf Wil-<br />

helm (1532–1592) an. Damit wird ein gewichtiger Motor des<br />

Bündnisses deutlich: die Befreiung des seit 1547 gefangenge-<br />

haltenen Landgrafen Philipp. Die unversöhnliche Haltung des<br />

Kaisers gegenüber dem hessischen Fürsten vergiftete das Kli-<br />

ma zusätzlich. Moritz, der wegen seiner undurchsichtigen<br />

Haltung im Schmalkaldischen Krieg unter den protestanti-<br />

schen Fürsten einen schweren Stand hatte, war nunmehr<br />

sächsischer Kurfürst. Er stellte sich selbst an die Spitze des<br />

Bündnisses und kehrte sein Verhandlungs- und militärisches<br />

75


Geschick diesmal gegen den Kaiser. Auf sein Drängen hin<br />

wurde in der Torgauer Vereinbarung König Ferdinand als<br />

Gegner ausgenommen; auf diese Weise konnte er später in der<br />

Tat als Vermittler fungieren.<br />

Seine Schlagkraft gewann das innerdeutsche Bündnis durch<br />

die Allianz mit Frankreich. Am 15. Januar 1552 unterzeichne-<br />

ten die Beteiligten ihre militärische Kooperation im Vertrag<br />

zu Chambord. Explizites Bündnismotiv war die Verteidigung<br />

gegen die „viehische Servitut“ des Kaisers, der die ständische<br />

Freiheit und die Religion unterwerfen wollte (Seibt 1990, S.<br />

187). Die Zusagen allerdings, die die deutschen Bündnispart-<br />

ner dem französischen König Heinrich II. (1519–1559) mach-<br />

ten (Übertragung der Bischofsstädte Metz, Toul und Verdun)<br />

entbehrten jeder rechtlichen Grundlage: „Reichsrechtlich ge-<br />

sehen war der Vertrag von Chambord Landesverrat“ (Rabe<br />

1991, S. 434).<br />

Obgleich der Kaiser gewarnt worden war, hatte er die Be-<br />

drohung nicht ernst genug genommen. Als im Februar des<br />

Jahres der französische König in Lothringen einfiel und zu-<br />

gleich der sächsische Kurfürst nach Oberdeutschland und<br />

schließlich Tirol zog, drohte Karl, der sich in Innsbruck auf-<br />

hielt, gefangengenommen zu werden. Nur mit Mühe, ohne<br />

Geld, ohne Truppen und ohne die Hilfe seines Bruders, der in<br />

strikter Neutralität verharrte, konnte er nach Villach fliehen.<br />

Offensichtlich hatten auch seine Gegner nicht mit einer sol-<br />

chen Entwicklung gerechnet. Denn Kurfürst Moritz soll be-<br />

merkt haben, daß er gar keinen Käfig gehabt hätte, „um einen<br />

so großen Vogel zu fangen“ (Seibt ebd.).<br />

In dieser Lage blieb dem Kaiser nichts anderes übrig, als<br />

auf die von den Fürsten angebotenen Verhandlungen einzuge-<br />

hen. Dies tat er nicht in Person, sondern bat seinen Bruder<br />

Ferdinand als Vermittler. Die Forderungen der Gegenseite<br />

gingen weit und waren für den Kaiser fast unannehmbar:<br />

Freilassung des Landgrafen Philipp, Abschluß eines allgemei-<br />

nen Friedens im Reich, Abstellung aller ständischen Be-<br />

schwerden, soweit sie sich auf die Regierungsweise des Kai-<br />

sers bezogen, Gewährung eines dauernden Religionsfriedens<br />

76


im Reich. Trotz seiner bedrängten Lage lehnte der Kaiser<br />

diese Forderungen über Monate rundheraus ab. Es bedurfte<br />

langer Verhandlungen und der ausdauernden Geduld des kai-<br />

serlichen Bruders, um schließlich eine Einigung zustande zu<br />

bringen. Der Religionsfriede sollte wiederum nur bis zum<br />

nächsten Reichstag gelten, die ständischen Beschwerden woll-<br />

te der Kaiser in eigener Kompetenz beseitigen. Am 15.8.1552<br />

wurde der Passauer Vertrag nach weiterem Zögern schließlich<br />

doch von beiden Seiten ratifiziert.<br />

Die Wirkung, die diese Entwicklungen auf das Ansehen des<br />

Kaisers im Reich hatten, war äußerst negativ. Ein Kaiser auf<br />

der Flucht vor rebellischen Fürsten – das war ein Bild, das in<br />

den Augen der Zeitgenossen (und nicht nur in deren) die kai-<br />

serliche Autorität nachhaltig schwächte. Auf der anderen Seite<br />

hatte der Fürstenaufstand die geistlichen Reichsstände von der<br />

Notwendigkeit überzeugt, einem Religionsfrieden in jedem<br />

Falle zuzustimmen, selbst wenn die katholische Kirche im<br />

Reich nicht sogleich wieder in ihre alten Rechte eingesetzt<br />

werden konnte. Im Interesse eines Ausgleichs näherten sich<br />

die konfessionsverschiedenen Stände einander an, die Stellung<br />

des Kaisers wurde dadurch weiter geschwächt. König Ferdi-<br />

nand hatte diese Zwangsläufigkeiten längst akzeptiert. Nur<br />

der Kaiser wehrte sich gegen alle pragmatischen Lösungen<br />

und beharrte auf der Wahrung seiner tiefsten Überzeugungen.<br />

Und diese bestanden in der „Unantastbarkeit der Würde des<br />

Kaisertums und seiner Verpflichtung zum Schutz der römi-<br />

schen Kirche“ (Rabe 1991, S. 438) – mit anderen Worten in<br />

der Wahrung der Werte der monarchia universalis.<br />

Der Krieg gegen den französischen König, den der Kaiser<br />

unmittelbar nach dem Passauer Vertrag mit Hilfe der inzwi-<br />

schen wieder um ihn versammelten Truppen eröffnete, um die<br />

Franzosen aus Lothringen zu verdrängen, wirkt wie ein letzter<br />

Versuch, wenigstens im europäischen Rahmen wieder Herr<br />

der Entscheidungen zu werden. Aber auch dieses Unterneh-<br />

men mißlang. Die Belagerung der bestens verteidigten Festung<br />

Metz scheiterte am einbrechenden Winter; im Januar 1553<br />

brach Karl den Feldzug ab, und die Lothringer Bischofsstädte<br />

77


lieben zunächst französisch. Nicht nur die militärische Nie-<br />

derlage beschädigte das Ansehen des Kaisers weiter; es kam<br />

hinzu, daß er zur Durchführung dieses Kampfes ein Bündnis<br />

mit dem als Landfriedensbrecher wenig geachteten Markgra-<br />

fen Albrecht Alkibiades von Brandenburg geschlossen hatte.<br />

Dies war eine Mißachtung der Normen, auf denen das reichs-<br />

ständische Selbstbewußtsein ruhte. Sie wog fast so schwer wie<br />

der Versuch, die ständische „übertat“ zu begrenzen.<br />

Selbst wenn die Niederlage vor Metz einige Monate später<br />

durch Siege in Italien (1554) militärisch wieder ausgeglichen<br />

zu sein schien; selbst wenn durch die Hochzeit seines Sohnes<br />

Philipp mit der englischen Königin Maria (1516–1558), der<br />

stets katholisch gebliebenen ältesten Tochter Heinrichs VIII.,<br />

am 6.7.1553 eine Wendung der europäischen Politik im Sinne<br />

der kaiserlichen Universalmonarchie möglich schien – die per-<br />

sönliche Resignation des Kaisers zeichnete sich immer deutli-<br />

cher ab. Seine Religionspolitik im Reich schien gescheitert,<br />

das Interim war zu den Akten gelegt. Die ständische Opposi-<br />

tion war lebendig, die Stellung des Kaisers weiter umstritten.<br />

Die französische Rivalität existierte ungebrochen, der Papst<br />

blieb mißtrauisch, ein solider Partner im Interesse der Einheit<br />

der Christenheit wurde gerade der letzte zu Lebzeiten Karls<br />

regierende geistliche Oberhirte Paul IV. (1476–1559) nicht.<br />

Aber auch ein Kaiser entscheidet nicht allein nach politischen<br />

Kriterien. Karl war persönlich erschöpft und aufgrund seiner<br />

Gicht nach den Maßstäben damaliger medizinischer Kennt-<br />

nisse schwer krank. Was entsprach einer Persönlichkeit, die<br />

wie der Kaiser hohe Maßstäbe an die eigene Amtsführung leg-<br />

te, mehr, als sich zurückzuziehen? In seinen Augen war dies<br />

vermutlich kein Scheitern, es war vielmehr die unerschütterli-<br />

che, manche würden sagen starre Konsequenz, die er bei der<br />

Umsetzung seines Herrschaftskonzeptes stets gezeigt hatte.<br />

Ein Kaiser, der sich selbst treu blieb – vielleicht wird dieses<br />

Urteil der Situation zumindest im persönlichen Sinne gerecht.<br />

78


2. Reichstag zu Augsburg 1555<br />

Die Vorbereitung und der Verlauf des Reichstags zu Augsburg<br />

1555 bestätigen solche Deutungen. Über die beiden zentralen<br />

Verhandlungsgegenstände – Religionsfrage und Reichsreform<br />

– waren sich Kaiser, König und Stände einig, nicht aber über<br />

die Verhandlungsweise und die Konsequenzen etwaiger Be-<br />

schlüsse. Während Ferdinand als Realist den Passauer Vertrag<br />

als Ausgangspunkt auch weiterer Vereinbarungen mit den<br />

Ständen auf dem Reichstag betrachtete, wollte Karl V. die<br />

Bindung an den ungeliebten Vertrag in jedem Fall vermeiden.<br />

Die Wahrscheinlichkeit, daß trotz seiner Verweigerung Kon-<br />

zessionen an die Protestanten gemacht werden müßten,<br />

veranlaßte den Kaiser schließlich, Ferdinand mit der Leitung<br />

der Verhandlungen und umfassenden Vollmachten auszustat-<br />

ten. „Und um Euch den Grund offen zu sagen, wie es sich<br />

unter Brüdern gehört und mit der Bitte, nichts anderes dahin-<br />

ter zu suchen: es ist nur die Sache der Religion, bezüglich<br />

deren ich jene unüberwindlichen Bedenken habe“, heißt es<br />

zum Abschluß jener Vollmacht. Dies war noch nicht die Über-<br />

tragung der Reichsregierung auf den römischen König, denn<br />

dazu hätte es, weil der Kaiser gewählt worden war, der<br />

Zustimmung der Wählenden, also der Stände, bedurft. Aber<br />

es war „Ausdruck einer extremen Abneigung des Kaisers,<br />

weiterhin Verantwortung für den Fortgang der Reichspoli-<br />

tik zu tragen“ (Lutz 1964, S. 415). Alle weiteren Schritte<br />

Karls waren danach auf die endgültige „Ablösung der Last“<br />

gerichtet.<br />

Am 5.2.1555 eröffnete König Ferdinand den Augsburger<br />

Reichstag im Namen des Kaisers. In zähen, langwierigen Ver-<br />

handlungen, die zumeist von den zum Reichstag abgeordneten<br />

Räten der Reichsstände geführt wurden, konnten nach über<br />

sieben Monaten die Beratungen über einen Religionsfrie-<br />

den abgeschlossen werden. Als „Sieg der Politik über die Re-<br />

ligion“ ist die Übereinkunft später charakterisiert worden<br />

(Angermeier 1982, S. 598) und das nicht zu Unrecht: Die<br />

Vereinbarung eines „Friedstandes“ (Art. 3 und 4 des Reichs-<br />

79


abschieds) zwischen den Ständen des Augsburgischen Be-<br />

kenntnisses und denjenigen, die der alten Kirche treu blieben,<br />

ruhte auf der Übereinkunft, die „religiöse Wahrheitsfrage“ im<br />

Interesse des friedlichen Zusammenlebens zunächst ruhen zu<br />

lassen. Damit waren konfessionelle Besitzstandswahrungen<br />

akzeptiert, die sich natürlich in weltlicher Herrschaft nieder-<br />

schlugen. Den Reichsständen stand das Recht der Wahl zwi-<br />

schen den Konfessionen zu; dem mußten sich die Untertanen<br />

fügen, oder sie konnten auswandern. In Reichsstädten sollten<br />

beide Konfessionen nebeneinander geduldet werden. Für die<br />

geistlichen Territorien galt der allerdings umstritten bleibende<br />

„geistliche Vorbehalt“, wonach geistliche Fürsten beim Kon-<br />

fessionswechsel ihre Territorien nicht ,mitnehmen’ durften,<br />

weil dies zu deren Säkularisierung geführt hätte. Die Freiheit<br />

der Religionsausübung des niederen Adels blieb auf den<br />

Reichsadel beschränkt.<br />

Am 21.9.1555 waren die Beratungen über den Religions-<br />

frieden abgeschlossen, in den folgenden Tagen konnten auch<br />

noch die Reform der Kammergerichtsordnung und die Aus-<br />

führungsordnung für den Landfrieden vereinbart werden. Am<br />

25.9.1555 wurde der Reichsabschied veröffentlicht, als Augs-<br />

burger Vertragswerk war er damit rechtswirksam.<br />

Dies geschah im Namen des Kaisers, in dessen Namen ja<br />

auch die Eröffnung des Reichstags stattgefunden hatte. Ferdi-<br />

nand dokumentierte darin seine Selbständigkeit gegenüber<br />

dem kaiserlichen Bruder; denn nur Stunden vor der Eröffnung<br />

der abschließenden Reichsversammlung war ein Bote des Kai-<br />

sers aus Brüssel in Augsburg eingetroffen, um dem römischen<br />

König die bevorstehende Abdankung des Kaisers mitzuteilen.<br />

Sowohl die Übertragung der Kaiserwürde als auch der Reichs-<br />

regierung sollte, so der Wunsch des Kaisers, noch während<br />

des laufenden Reichstags vollzogen werden, so daß der<br />

Reichsabschied im Namen Ferdinands erfolgt wäre. Für Karl<br />

V. war diese Lösung konsequent, denn er lehnte den Reichs-<br />

tagsabschied ab. Ein Widerspruch seinerseits hätte die not-<br />

wendige Friedenslösung erneut in Frage gestellt; diese Ver-<br />

antwortung aber wollte er nicht mehr tragen. Religionsfrieden<br />

80


und Landfrieden von 1555 beruhten auf einem anderen<br />

Reichsverständnis, als der Kaiser es vertrat. „Nicht mehr die<br />

Heiligkeit des Reiches als Nachbarschafts- und Friedensver-<br />

band [...], sondern die Verbindlichkeit und die Fähigkeit die-<br />

ses Reiches zu Kompromiß und Friedenswahrung warben für<br />

den Zusammenhalt“ (Seibt 1990, S. 208).<br />

Ferdinand behielt die Botschaft aus Brüssel für sich und<br />

schickte den Boten mit der Bitte zurück, der Kaiser möge sei-<br />

nen Beschluß noch einmal überdenken. Der Reichstag ging im<br />

Namen Karls V. zu Ende, im Namen eines Kaisers, der dieses<br />

nicht mehr sein wollte.<br />

3. Resignation und Rückzug<br />

Nicht nur die Kaiserwürde wollte Karl V. ablegen, auch seine<br />

anderen Herrschertitel gab er ab. Bereits vier Wochen nach<br />

der Ankündigung seiner Abdankung als Kaiser übergab er am<br />

25.10.1555 in einer von den Zeitgenossen eindrucksvoll be-<br />

schriebenen Zeremonie im großen Schloß zu Brüssel die Herr-<br />

schaft über die Niederlande an seinen Sohn Philipp. Dies ge-<br />

schah vor der ständischen niederländischen Öffentlichkeit.<br />

Die Familie des Kaisers war durch seine beiden Schwestern<br />

und seinen Neffen Ferdinand (1529–1595), Sohn des Bruders,<br />

vertreten. Rechenschaft gab der Kaiser vor allem über die An-<br />

strengungen seiner Amtsgeschäfte; Dank stattete er seiner<br />

Schwester Maria ab, die eine gute Statthalterin gewesen sei;<br />

unter den politischen Zielen, die ein guter Herrscher zu erfül-<br />

len habe und um die er sich stets bemüht habe, erwähnte der<br />

Kaiser nachdrücklich die Abwehr aller Ketzerei. Und in einer<br />

sehr persönlichen Wendung fuhr er fort: „Vor allem hütet<br />

Euch vor jenen neuen Sekten [...]; und wenn die Ketzerei auch<br />

über Euere Gränzen eindringen sollte, dann zögert nicht, sie<br />

zu vertilgen [...]. Ich für mein Theil muss bekennen, daß ich<br />

mich zu mannigfachen Irrthümern habe verleiten lassen, sei es<br />

durch jugendliche Unerfahrenheit oder durch den Stolz des<br />

reifen Alters oder durch eine andere Schwäche der menschli-<br />

chen Natur; aber ich erkläre, daß ich mein als wissentlich und<br />

81


freiwillig Unrecht oder Gewalt geübt oder andere veranlasst<br />

oder ermächtigt habe“ (Kohler, Quellen, 1990, S. 467).<br />

Im Januar 1556 übergab Karl V. auch die Herrschaft über<br />

Spanien an seinen Sohn Philipp; und wieder geschah dies in<br />

Brüssel, nun vor Vertretern der spanischen Stände.<br />

Die Verhandlungen, die mit den Reichsständen zur Über-<br />

tragung der Kaiserwürde an Ferdinand notwendig waren, zo-<br />

gen sich bis in den Februar 1558 hin. Zu diesem Zeitpunkt<br />

hatte der Kaiser das Reich lange verlassen und sich auf seinen<br />

Landsitz in der Nähe des Hieronymitenklosters Yuste in Spa-<br />

nien zurückgezogen. Im September 1556 war er nach Spanien<br />

abgereist, die Regierung im Reich nahm Ferdinand in absentia<br />

imperatoris wahr.<br />

Im Frühling 1558 wurde Ferdinand von den Reichsständen<br />

zum Reichsoberhaupt gewählt und feierlich eingesetzt; aber<br />

ein Kaiser, der wie er von drei protestantischen Reichsfürsten<br />

gewählt worden war, konnte und sollte nicht mehr vom Papst<br />

gekrönt werden. Dieser von den Zeitgenossen sehr wohl<br />

wahrgenommene Unterschied zur Einsetzung Karls V. wirft<br />

ein bezeichnendes Licht auf das sich wandelnde Verständnis<br />

vom Verhältnis zwischen Kaiser und Reich. Die Unabhängig-<br />

keit von Rom führte den Kaiser in eine andere Rolle: Nicht<br />

mehr als advocatus ecclesiae, Wahrer der christlichen Einheit<br />

und des Friedens, trat er auf, sondern als Schiedsrichter, als<br />

Vermittler zwischen gegensätzlichen konfessionellen Positio-<br />

nen (Seibt 1990, S. 208 f.). Dieses Verständnis des Amts konn-<br />

te Karl V. nicht mittragen, es war nur folgerichtig, daß er sich<br />

zurückzog.<br />

Zwei Jahre hat Karl V. in seiner selbstgewählten Zurückge-<br />

zogenheit noch gelebt. Wiederholte Besuche des Sohns und<br />

die Fragen um Rat waren selbstverständlich, aber diese An-<br />

teilnahme wurde langsam weniger. Der Gesundheitszustand<br />

des Kaisers verschlechterte sich rasch, wohl auch deshalb<br />

nahm seine Menschenscheu zu. Die Nähe der Mönche des<br />

Ordens der Hieronymiten hat ihn in den letzten Lebenstagen<br />

beruhigt, vielleicht getröstet. Am 21.9.1558 starb Karl, ehe-<br />

mals Kaiser des Heiligen Römischen Reichs deutscher Na-<br />

82


tion, König von Spanien, Herzog von Burgund u.a. K. Brandi<br />

beschreibt ihn in seinen letzten Tagen als „Mann der tiefsten<br />

mittelalterlichen Frömmigkeit“ (Brandi 1937, Bd. 1, S. 551).<br />

Fromm war er wohl wirklich, aber war das in seiner Zeit be-<br />

sonders „mittelalterlich“?


84<br />

VI. Kaisermemoria in Deutschland<br />

Die Urteile über Karl V. waren nie einhellig, sie sind es noch<br />

immer nicht. Das nimmt bei einem Menschen wie ihm, der als<br />

Zeitgenosse und durch sein Amtsverständnis zur Polarisierung<br />

geradezu herausforderte, nicht wunder. Konfessionelle Unter-<br />

schiede haben das Bild zunächst verschiedenfarbig gezeichnet,<br />

mit der Entwicklung einer nationalen Geschichtsschreibung<br />

traten seit dem beginnenden 19. Jahrhundert nationale Va-<br />

rianten hinzu. Für die Historiker des ausgehenden 20. Jahr-<br />

hunderts hat die damit verbundene Einsicht in die nicht<br />

auflösbare Zeitbindung aller historischer Forschung nichts<br />

Erschütterndes mehr. Dies war zu Beginn unseres Jahrhun-<br />

derts anders, als in der „Krise des Historismus“ die Suche<br />

nach allgemein verbindlichen Normen für historisches Urtei-<br />

len begann (Schorn-Schütte 1999). Inzwischen ist der Charak-<br />

ter historischer Aussagen als Konstruktion vergangener Wirk-<br />

lichkeit (Berger/Luckmann 14 1997; Searle 1997), die deshalb<br />

von jeder Generation neu vorgenommen werden muß, weithin<br />

akzeptiert, ohne daß damit ein erkenntnistheoretischer Allein-<br />

vertretungsanspruch verbunden werden müßte. Das Urteil<br />

über die Gestalt des Kaisers, das 500 Jahre nach seiner Geburt<br />

formuliert wird, kann von manchen Fehleinschätzungen Ab-<br />

stand nehmen, manche Linien fortführen, die in der Vergan-<br />

genheit schon angedeutet wurden.<br />

1. Konfessionelle Geschichtsschreibung<br />

seit Ranke<br />

Ebenso konfessionell gespalten wie das Reich war die Erinne-<br />

rung an Karl V. gespalten von Anfang an. Im protestantischen<br />

Verständnis galt der Kaiser als starrer Gegenspieler des Re-<br />

formators Luther; für die katholische Erinnerung hatte er<br />

zwar den Kampf gegen die Ungläubigen und die Ketzer ge-<br />

führt, im Kampf mit dem Papst aber zugleich die Grundlagen<br />

der universalen Kirche in Frage gestellt. Der Sacco di Roma


wurde zum Schreckensbild des weltlichen Zugriffs auf die<br />

geistliche Autorität des Papstes. In der durch den Kultur-<br />

kampf des späten 19. Jahrhunderts erneut gespaltenen Gesell-<br />

schaft des deutschen Kaiserreichs wirkten solche Deutungs-<br />

muster weiter.<br />

Die Darstellung, die der Berliner Historiker Leopold von<br />

Ranke (1795–1886) in den dreißiger und vierziger Jahren des<br />

19. Jahrhunderts vorlegte, hatte sich dagegen nicht behaupten<br />

können. Auch Ranke war Protestant; aber sein Blick für die<br />

Wechselwirkung von politischer und religiöser Entwicklung<br />

im 16. Jahrhundert öffnete sein Verständnis für die Idee des<br />

Kaisertums, die Karl V. bewegte. Als Schutzherr der Chri-<br />

stenheit mußte er für die Einheit der christlichen Kirche sor-<br />

gen, der „Ursprung der Spaltung der Nation“ lag deshalb<br />

auch in Rankes Bewertung nicht beim Kaiser, sondern bei der<br />

verweltlichten Papstkirche. Daß Ranke die Überwindung der<br />

Spaltung als Aufgabe des nationalen Staats betrachtete, ließ<br />

ihn zu einem negativen Urteil über die Durchsetzungschancen<br />

der Kaiseridee kommen.<br />

Für die Generation der Rankenachfolger waren weder das<br />

Alte Reich noch der Kaiser noch dessen übernationale Kaiser-<br />

idee eine Frage von wissenschaftlichem Belang. Die Traditio-<br />

nen, denen sich die Generation der Droysen, Treitschke, Sy-<br />

bel, Lenz und Marcks verpflichtet fühlten, waren diejenigen<br />

der protestantisch-brandenburgischen Staatsbildung, mit de-<br />

ren Hilfe die Einheit der Nation ohne, ja gegen das Reich<br />

doch noch gelang. Es ist nachvollziehbar, daß diese Ge-<br />

schichtsforschung an Karl V. kein Interesse zeigte.<br />

Die einzige Ausnahme war der Straßburger Historiker<br />

Hermann Baumgarten (1825–1893), der zwischen 1885 und<br />

1892 eine dreibändige Monographie zu Karl V. vorlegte. Als<br />

scharfer Gegner Treitschkes gehörte der liberale Professor zu<br />

der Minderheit bleibenden Gruppe unter den protestantischen<br />

Historikern des Kaiserreichs, die nicht nur die Vorgeschichte<br />

der preußischen Monarchie als Weg zur staatlich-nationalen<br />

Einheit untersuchte, sondern weiterhin die Bedeutung des Al-<br />

ten Reichs anerkannte. Schon deshalb spielte in Baumgartens<br />

85


Untersuchung das Verhältnis zwischen Kaiser und Reich eine<br />

gewichtige Rolle.<br />

2. Mittelalterlicher Kaiser<br />

oder frühabsolutistischer Herrscher?<br />

Die Geschichtsschreibung in der Weimarer Republik blieb<br />

derjenigen des Kaiserreichs eng verbunden. Die konfessionelle<br />

Enge allerdings begannen die Historiker der jungen Republik<br />

allmählich zu überwinden. Ein gutes Beispiel dafür ist die Ge-<br />

schichtsschreibung zu Karl V. 1937 erschien der erste Band<br />

der großen Biographie des Göttinger Historikers Karl Brandi<br />

(1868–1946) zu Karl V. Bei der Erschließung der umfangrei-<br />

chen Überlieferung zu Karl (vor allem der politischen Korre-<br />

spondenz) hatte er sich, angeregt durch seinen Straßburger<br />

Lehrer Baumgarten, seit Jahren mit Politik und Persönlichkeit<br />

des Kaisers befaßt. Seiner Ausbildung und persönlichen Prä-<br />

gung nach war Brandi Historiker des Kaiserreichs. Sein Ver-<br />

hältnis zur jungen Republik von Weimar ähnelte derjenigen<br />

Friedrich Meineckes (1862–1954): Auch Brandi wurde zum<br />

Vernunftrepublikaner. Sein Interesse an Karl V. war kein<br />

apologetisch-konfessionelles, obgleich Brandi überzeugter Ka-<br />

tholik war. Von einer dezidiert katholischen Geschichts-<br />

schreibung hielt er nichts: Dafür spricht die Ablehnung des<br />

konfessionell gebundenen Lehrstuhls in Bonn, der ihm 1893<br />

vom Hochschulreferenten im preußischen Kultusministerium<br />

Friedrich Althoff (1839–1908) angeboten wurde.<br />

Sein methodischer Zugang zur Geschichtsschreibung war<br />

derjenige der Mehrzahl seiner Generation: Für ihn bewegten<br />

die Persönlichkeiten die Geschichte, und als eine solche wollte<br />

er Karl V. in das Reformationszeitalter einordnen. Brandis<br />

zentrale These lautete: Die Politik Karls V. war geprägt von<br />

seiner „dynastischen Idee“, die zugleich seine Staatsidee als<br />

„dynastische Staatsraison“ ausmachte. Aus der Summe der<br />

von ihm ererbten Herrschaftstitel formte er ein überseeisch-<br />

europäisches Weltreich, das „auf der dynastischen Idee und<br />

der Einheit des Glaubens“ (Brandi 1937, Bd. 1, S. 13f.) be-<br />

86


uhte. Weil diese überregionale Einheit eine Form der Regie-<br />

rung brauchte, die die alten Formen ständischer Mitherrschaft<br />

ablöste, wirkte die dynastische Weltmachtpolitik „überra-<br />

schend genug doch wieder in der Richtung der beherrschen-<br />

den Idee des Jahrhunderts aufsteigender moderner europäi-<br />

scher Staaten“ (Brandi ebd.).<br />

Im Unterschied zu seinen auf den preußischen ,Normalweg’<br />

ausgerichteten Fachkollegen skizzierte Brandi einen Weg in<br />

die Moderne, der vom Reichsgedanken Karls V. ausging. Die-<br />

ser Interpretation widersprach 1932 Peter Rassow (1889-<br />

1961), damals Privatdozent in Breslau. Von dynastischer<br />

Staatsraison im Sinne Machiavellis könne bei Karl V. nicht<br />

gesprochen werden. Das Herrschaftsverständnis des Kaisers –<br />

seine Kaiseridee – beruhe auf der Existenz eines allumfassen-<br />

den christlichen Weltreichs, das er in der konkreten Gestalt<br />

des ihm per Erbfall zugegangenen Konglomerats von Herr-<br />

schaften zu regieren habe. Diese Vorstellung sei zutiefst mit-<br />

telalterlichen Traditionen verbunden. Denn der Kaiser habe<br />

sich als Vogt der Christenheit bezeichnet, als pater ecclesiae,<br />

und diese Aufgabe teile er in spezifischer Weise mit dem<br />

Papst. „Denn in der kirchlichen Einheit war, begrifflich nicht<br />

geschieden, die bürgerliche Ordnung eingeschlossen, oder<br />

umgekehrt ausgedrückt, die politische Ordnung des Reiches,<br />

die er vertrat, war eine sakrale“ (Rassow 1942, S. 39). Für<br />

diese Zuordnung des Kaisers zum Mittelalter verwies Rassow<br />

auf den engen Zusammenhang von Religion und Politik auch<br />

über das Ende des 16. Jahrhunderts hinaus. Nicht zuletzt sei-<br />

ne Studien bei Ernst Troeltsch in Heidelberg dürften Rassow<br />

an dieser Stelle bestärkt haben, denn auch für Troeltsch<br />

(1865–1923) setzte der Umbruch zur Moderne erst nach der<br />

Mitte des 17. Jahrhunderts ein. Diese Ferne des Kaisers war<br />

für Rassow eine entscheidende methodische Bedingung, um<br />

die Beschäftigung mit seiner Zeit überhaupt wissenschaftlich<br />

rechtfertigen zu können. „Geschichte ist die lebendige Bezie-<br />

hung einer vergangenen Epoche zu einer ihr grundverschiede-<br />

nen Gegenwart“ (Erdmann 1962, S. 142). Mit dieser Formu-<br />

lierung wurde Rassows Distanz zu jeder Art historistischem<br />

87


Relativismus deutlich, dessen Beunruhigung er in den Diskus-<br />

sionen der frühen zwanziger Jahre im Umkreis von Max We-<br />

ber und Ernst Troeltsch kennengelernt hatte.<br />

3. Aktuelle Forschungsfragen<br />

In der Kontroverse um den Kaiser des Mittelalters oder den<br />

Wegbereiter der modernen Staatsraison hat Rassows Deutung<br />

die religiös-sakrale Dimension von Herrschaft im 16. Jahr-<br />

hundert wieder betont. Hier haben die Forschungen seit den<br />

sechziger Jahren, insbesondere diejenigen des Wiener Histori-<br />

kers Heinrich Lutz (1922–1986), angeknüpft. Nach seiner<br />

Interpretation hat die Gegenüberstellung von mittelalterli-<br />

chem Universalismus und werdendem modernem Staat aus-<br />

gedient. Was aber an deren Stelle treten könnte, bleibt auch<br />

nach den Arbeiten von Lutz eine offene Frage. Es sollte darum<br />

gehen, so schrieb er 1982, „die jeweils spezifische Mischung<br />

traditioneller und moderner Elemente im Selbstverständnis<br />

und im politischen System [...] und das allgemeine Vorange-<br />

triebenwerden der politischen Modernisierung’ Europas“ zu<br />

zeigen (Lutz, 3 1991, S. 148). Damit wird deutlich, daß die<br />

Forschung zu Karl V. Teil der großen Kontroversen um die<br />

Maßstäbe historischen Urteilens ist, die in den letzten zehn<br />

Jahren zur Relativierung des Modernisierungsparadigmas als<br />

ausschließlichem Maßstab historischer Entwicklung geführt<br />

haben.<br />

Verschiedene Felder vergangener historischer Realität müs-<br />

sen in diese Aufgabenstellung einbezogen werden. Dazu ge-<br />

hört die Untersuchung der politischen Herrschaftsstrukturen,<br />

mit deren Hilfe Karl V. die Vielzahl seiner Regimente zusam-<br />

menzuführen versuchte. Die These von Horst Rabe, wonach<br />

die „Modernisierung im politischen System“ des Kaisers<br />

durch den „Ausbau der Zentralverwaltung in den einzelnen<br />

Ländern“ erfolgt sei (Rabe 1982, S. 163), wird angesichts der<br />

Oppositionsbewegung regional-ständischer Kräfte gegen sol-<br />

che Maßnahmen und im Lichte der Durchsetzungskraft zen-<br />

traler Verfahrensmuster neu zu bedenken sein. Damit zeigt<br />

88


sich als weiteres Forschungsfeld die Analyse der politisch-<br />

sozialen Kommunikation zwischen den beteiligten Führungs-<br />

gruppen um den Kaiser/König einerseits und unter den stän-<br />

disch-regionalen Eliten andererseits. Am Beispiel der Wirkung<br />

des Großkanzlers Gattinara und seiner ausgearbeiteten Kon-<br />

zeption einer monarchia universalis ist erst der Anfang auf<br />

diesem Feld gemacht worden. Noch immer ungeklärt ist u.a.,<br />

wie stark die Rezeption des Machiavelli im Umkreis des Kai-<br />

sers und unter den ständischen Eliten in seinen Herrschaftsbe-<br />

reichen tatsächlich gewesen ist. Daß es eine starke ständische<br />

Opposition mit entsprechender Legitimation von Widerstand<br />

bzw. Kritik an der Obrigkeit gegeben hat, ist in Umrissen be-<br />

kannt. Ob diese Formen politischer Kommunikation (oder<br />

auch Sprache) als „traditionales“ oder „modernisierendes“<br />

Element politischer Ordnung charakterisiert werden sollen, ist<br />

bislang gänzlich offen.<br />

Schließlich zeigt sich an dieser Stelle, welch bedeutende<br />

Rolle die Religion, die persönliche und/oder kirchliche Fröm-<br />

migkeit des Kaisers ebenso wie der Zeitgenossen gespielt hat.<br />

Denn die große Debatte um das Recht und die Teilhabe an<br />

Herrschaft ist unauflösbar verknüpft mit dem sakralen Herr-<br />

schaftsanspruch des Kaisers, dem das Bild des christlichen<br />

Herrschers entgegengehalten wird, dessen Machtanspruch auf<br />

der Figur des Vertrages und/oder des Bundes beruht. Neben<br />

der Funktion des Papstes ist an dieser Stelle auch die Bedeu-<br />

tung von Konzilien im Kirchenverständnis des Kaisers und<br />

seiner regionalen Kritiker und Partner zu bestimmen.<br />

Die Erinnerung an Karl V. ist alles andere als Heldenvereh-<br />

rung. Sie ist aber auch nicht die Demontage eines unumstrit-<br />

tenen Herrschers über das Europa des 16. Jahrhunderts. Sie<br />

ist der legitime biographische Zugang zu einer Zeit, in der der<br />

Wandel sicherlich besonders deutlich spürbar war. Das Fest-<br />

halten an scheinbar Bewährtem ist in solchen Augenblicken<br />

ein sehr menschliches Mittel, den Wandel zu verarbeiten. Karl<br />

V. scheint dies ebenso getan zu haben wie die Mehrzahl seiner<br />

Zeitgenossen. Erst im Blickwinkel des Historikers zeigt sich,<br />

89


wie langsam die Veränderungen wirksam wurden und durch<br />

die Zeit Distanzen schufen. Zeitenwenden sind Wandelzeiten,<br />

zumeist ohne radikale Umbrüche.


Zeittafel<br />

1500 Geburt Karls V. in Gent<br />

1515 Regentschaft Karls in Burgund<br />

1516 Regentschaft Karls in Spanien<br />

1519 Ständerevolte in Spanien<br />

Tod Kaiser Maximilians I.; nachfolgend wird Karl V. und<br />

nicht Franz I, König von Frankreich, zum Kaiser gewählt<br />

1521 Wormser Edikt: Reichsacht gegen Martin Luther<br />

1521–1523 Papst Hadrian VI. (= Adrian v. Utrecht, der langjährige Er-<br />

zieher Karls V.)<br />

1521–1525 Erster habsburgisch-französischer Krieg in Oberitalien;<br />

1525 Sieg der kaiserlichen Truppen in Pavia<br />

1522 Ferdinand, der jüngere Bruder Karls, wird Erzherzog von<br />

Österreich<br />

1523–1534 Papst Clemens VII.<br />

1524 Einrichtung des Indienrates für die Überseegebiete<br />

1526 Friedensvertrag von Madrid, den Franz I. jedoch nach seiner<br />

Freilassung widerruft – „Heilige Liga von Cognac“, Vertei-<br />

digungsbündnis zwischen dem französischen König, dem<br />

Papst, dem Herzog von Mailand, Venedig und Florenz<br />

Trauung von Karl V. und Isabella v. Portugal in Sevilla<br />

Sieg der Türken über die Ungarn in der Schlacht von<br />

Mohács (29.8.)<br />

Ferdinand wird durch Erbfall König von Böhmen und Un-<br />

garn<br />

Erster Reichstag zu Speyer: unter den reformatorischen<br />

Ständen des Alten Reichs formiert sich der Widerstand ge-<br />

gen den Kaiser<br />

1527–1528 Zweiter habsburgisch-französischer Krieg in Oberitalien<br />

und Neapel; Sacco di Roma<br />

1529 Zweiter Reichstag zu Speyer; „Protestatio“ der reformatori-<br />

schen Stände gegen den Reichstagsabschied<br />

Friedensvertrag von Cambrai: vorläufiges Ende der Konflik-<br />

te zwischen den Häusern Habsburg und Valois, ausgehan-<br />

delt unter maßgeblicher Beteiligung von Luise v. Savoyen<br />

und Margarethe v. Österreich („Damenfrieden“)<br />

Belagerung Wiens durch die Türken unter der Führung des<br />

Sultans Süleyman<br />

1530 Krönung Karls V. durch Clemens VII. zum Kaiser des Heili-<br />

gen Römischen Reichs deutscher Nation; letzte Kaiserkrö-<br />

nung durch einen Papst<br />

Reichstag zu Augsburg – Versuch einer Einigung in Glau-<br />

bensfragen: „Confessio Augustana“ der Protestantischen<br />

91


Seite; „Confutatio“ als ablehnende Antwort der kaiserlich-<br />

katholischen Partei<br />

1531 Schmalkaldischer Bund – Protestantisches Verteidigungs-<br />

bündnis<br />

1532 Türkenfeldzug<br />

1534–1549 Papst Paul III.<br />

1535 Eroberung von Tunis<br />

1536 Abkommen zwischen dem Sultan und dem französischen<br />

König – Schwächung der Position des Kaisers<br />

1536–1538 Dritter habsburgisch-französischer Krieg in Oberitalien;<br />

Waffenstillstand von Nizza<br />

1538 Vertrag von Großwardein zwischen Karl V., Ferdinand und<br />

dem vom Sultan eingesetzten ungarischen Gegenkönig Jo-<br />

hann Zápolya – vorläufige Beruhigung der Situation in Un-<br />

garn<br />

1539 Tod Isabellas von Portugal<br />

Aufstand in Gent<br />

1541 Niederlage der kaiserlichen Truppen gegen die Türken in<br />

Algier<br />

1542–1544 Vierter habsburgisch-französischer Krieg; Frieden von Crepy<br />

1542–1543 Neue Gesetze (Leyes nuevas) für die Überseegebiete<br />

1543 Politisches Testament Karls V.<br />

1545–1563 Konzil zu Trient (1. Periode 1545–1547/48; 2. Periode<br />

1551–1552; 3. Periode 1562–1563)<br />

1546–1547 Schmalkaldischer Krieg; 1547 Schlacht bei Mühlberg: Karl<br />

V. siegt über den Schmalkaldischen Bund<br />

1548 „Geharnischter Reichstag“ zu Augsburg; Augsburger Inte-<br />

rim<br />

Burgundischer Vertrag – relative Selbständigkeit der Nieder-<br />

lande<br />

1550–1555 Papst Julius III.<br />

1551–1556 Fünfter habsburgisch-französischer Krieg; Winter 1552/53<br />

erfolglose Belagerung von Metz; Waffenstillstand in Vaucel-<br />

les 1556; Friedensvertrag von Cateau-Cambresis 1559<br />

1552 Vertrag von Chambord: Opponierende Reichsstände ver-<br />

bünden sich mit dem französischen König Heinrich II.; Für-<br />

stenbund im Reich; Passauer Vertrag<br />

1553 Hochzeit Philipps v. Spanien mit Maria Tudor, Königin v.<br />

England<br />

1555–1559 Papst Paul IV.<br />

1555 Reichstag zu Augsburg; Augsburger Religionsfrieden<br />

Abdankung des Kaisers; Philipp, Sohn des Kaisers, wird<br />

Herzog v. Burgund und 1556 auch König v. Spanien<br />

1558 Wahl Ferdinands I. zum Kaiser des Heiligen Römischen<br />

Reichs deutscher Nation; Tod Karls V. in Spanien<br />

92


Glossar<br />

Absolutismus: Darunter versteht man eine monarchische Regierungsform,<br />

in welcher der Herrscher die unbeschränkte und ungeteilte Staatsgewalt<br />

ohne Mitwirkung ständischer Institutionen beansprucht. Der Fürst<br />

steht dabei als Träger der Souveränität über den Gesetzen („princeps<br />

legibus solutus“), bleibt aber an die Gebote der Religion, das Natur-<br />

recht und die Staatsgrundgesetze gebunden. Über die Interpretation ab-<br />

solutistischer Herrschaft gibt es seit längerem eine historische For-<br />

schungskontroverse.<br />

Adelsfronde: Damit bezeichnet man einen ständisch geprägten Aufstand<br />

des Adels gegen königliche Herrschaft.<br />

Acht: s. Reichsacht.<br />

Altes Reich: s. Heiliges Römisches Reich deutscher Nation.<br />

Bann: siehe Kirchenbann.<br />

Devotio moderna: Der Begriff [lat. ,neue Frömmigkeit’] bezeichnet eine<br />

religiöse Erneuerungsbewegung des 14./15. Jahrhunderts. Sie betonte<br />

statt der an äußere Formen gebundenen kirchlichen Frömmigkeit der<br />

Zeit die praktisch-erbauliche Betrachtung und mystische Versenkung<br />

des einzelnen in das Leben Jesu. Sie ging von den Niederlanden aus,<br />

fand dann aber in fast allen europäischen Ländern Eingang.<br />

Encomienda: Ursprünglich war die Encomienda in Kastilien eine Form<br />

der Grundherrschaft der Ritterorden. Während der spanischen Land-<br />

nahme in der Neuen Weit entwickelte sie sich zu einem maßgeblichen<br />

Kolonisationsinstrument als Ersatz für die verbotene Versklavung. In<br />

rechtlicher Hinsicht war die Encomienda die Zuteilung von unter-<br />

schiedlich großen Gruppen von Indianern an einzelne Eroberer mit dem<br />

Auftrag, Missionierung und Akkulturation zu gewährleisten. Dafür er-<br />

hielten sie das Privileg, die von den Indios geschuldeten Tribute und<br />

Arbeitsleistungen für sich zu nutzen.<br />

Heiliges Römisches Reich deutscher Nation: Mit diesem Titel bezeichnet<br />

man das alte, 1806 aufgelöste Deutsche Reich, das seit 962 durch das<br />

Kaisertum Ottos I. mit der Tradition des Römischen Reichs verbunden<br />

war und als dessen Fortsetzung galt. Der Zusatz „deutscher Nation“<br />

wurde erst im 15. Jahrhundert beigefügt und bezeichnete einschränkend<br />

die deutschen Teile des Reichsgebietes im Unterschied zu Italien und<br />

Burgund.<br />

Historismus: Allgemein die Auffassung der Geschichte als einer vom<br />

Menschen ins Werk gesetzten, unablässigen, alles erfassenden Verände-<br />

rung seiner Lebenswelt und Kulturformen. Gegen die daraus abgeleitete<br />

Relativierung von Institutionen und Werten wurde der Begriff von Kul-<br />

turkritikern im 19. Jahrhundert ins Feld geführt. Seit Beginn des 20.<br />

Jahrhunderts bezeichnet man damit im engeren Sinn das Wissenschafts-<br />

verständnis der sogenannten „historischen Schule“: einer Gruppe von<br />

93


Altertumswissenschaftlern, Philosophen, Juristen, Philologen und Hi-<br />

storikern, die aus der Erfahrung der Französischen Revolution und der<br />

dadurch ausgelösten Veränderungen in Deutschland ihre Gegenstände<br />

primär als geschichtliche, nämlich von Menschen gemachte und verän-<br />

derbare auffaßten. Zu ihnen zählen W. v. Humboldt, C. v. Savigny, J.<br />

und W. Grimm, L. v. Ranke u. a.<br />

Humanismus: Der Humanismus war neben Renaissance und Reformation<br />

eine der großen Geistesbewegungen, die die Abwendung von mittelal-<br />

terlichem Gedankengut ermöglichten und die Frühe Neuzeit eingeleitet<br />

haben. Die Humanisten griffen vor allem auf die antiken griechischen<br />

und lateinischen Vorbilder zurück, die als maßgeblich für alle Aspekte<br />

der Sprache, des Denkens und der Lebensführung begriffen wurden und<br />

an deren Werk man sich darum orientierte.<br />

Interim: Das Interim oder Augsburger Interim ist die auf dem Reichstag<br />

zu Augsburg 1548 verfügte vorläufige Regelung der kirchlichen Ver-<br />

hältnisse – bis zu einer endgültigen Klärung durch ein Konzil.<br />

Kirchenbann: Bezeichnung für Exkommunikation, d. h. für den Ausschluß<br />

eines Kirchenmitglieds aus der Gemeinschaft der Gläubigen.<br />

Konzil / Konzilsbewegung [lat./griech.: Synode]: Der Begriff Konzil be-<br />

deutet Versammlung’. In der katholischen Kirche bezeichnet man als<br />

Konzil ein kollegiales, nicht ständiges Organ der Kirchenleitung, auch<br />

Bischofsversammlung genannt, das den Bischof oder den Papst berät<br />

und aus Vertretern des Bistums zusammengesetzt ist.<br />

Kulturkampf: Bezeichnung für eine politische und gesellschaftliche Aus-<br />

einandersetzung im Kaiserreich, die tiefe Gräben zwischen deutschen<br />

Katholiken und Protestanten aufriß.<br />

Kurfürsten: Im Alten Reich diejenigen Reichsfürsten, die zur Wahl des<br />

deutschen Kaisers berechtigt waren. Seit 1257 gab es sieben Kurfürsten<br />

(geistliche und weltliche): die Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln<br />

sowie der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen, der Markgraf<br />

von Brandenburg und der König von Böhmen.<br />

Kurwürde: s. Kurfürsten.<br />

Landfrieden: Im Alten Reich wurde das vom Kaiser oder König mit Ge-<br />

setzeswirkung oder von den Ständen in Form einer Einung erlassene<br />

Friedensgebot zur Verhinderung der Fehde als Landfrieden bezeichnet.<br />

Maximilian I. verkündete 1495 den „Ewigen Landfrieden“, der bis<br />

1806 in Kraft blieb.<br />

Lehnsherr: s. Lehnswesen.<br />

Lehnsleute: s. Lehnswesen.<br />

Lehnswesen: Mit dem Begriff eng verbunden ist der Begriff „Feudalis-<br />

mus“, der sich aber bis heute einer einheitlichen Bestimmung entzogen<br />

hat. Die Forschung grenzt im allgemeinen den Begriff Feudalismus inso-<br />

fern ab, als sie ihn zur Kennzeichnung gesellschaftlicher Strukturen<br />

verwendet, während das Wort Lehnswesen benutzt wird, wenn es um<br />

die auf dem Lehnsrecht beruhenden Institutionen geht. Entscheidend<br />

94


ist, daß das Lehnswesen auf personalen Beziehungen zwischen einem<br />

Lehnsherrn und seinem Lehnsmann (Vasall) basierte. In diesem System<br />

verpflichteten sich beide Seiten zu gegenseitiger Treue und, wenn auch<br />

in deutlicher hierarchischer Abhängigkeit, zu Diensten und Hilfelei-<br />

stungen.<br />

Levante-Handel: Bezeichnung des Handels mit den Ländern des östlichen<br />

Mittelmeerraumes.<br />

Machiavelli / Machiavellismus: Niccoló Machiavelli (1469–1527) kann<br />

als führender politischer Theoretiker des beginnenden 16. Jahrhunderts<br />

bezeichnet werden. Insbesondere seine Schrift ,Il principe’ von 1513, in<br />

welcher er die Frage nach den Bedingungen erfolgreicher Politik stellte,<br />

ist weit rezipiert worden. Für Machiavelli ist die Erhaltung des Staates<br />

die zentrale Handlungsmaxime des Fürsten, welcher – im Notfall –<br />

auch von ethischen und moralischen Gesichtspunkten absehen könne.<br />

Unter Machiavellismus versteht man infolgedessen den Vorwurf an<br />

Machiavelli und (vermeintliche) Anhänger, eine über alle sittlichen<br />

Normen sich hinwegsetzende Machtpolitik zu vertreten.<br />

Osmanen: Die Türken im Osmanischen Reich.<br />

Pfründe [althochdt. aus lat. praebenda: ,Unterhalt’]: Ein Kirchenamt, das<br />

mit einer Vermögensausstattung (Land, Geldvermögen, laufende Ein-<br />

nahmen) verbunden ist.<br />

Reichsabschied (auch: Reichsrezeß): Gesamtheit der auf einem Reichs-<br />

tag gefaßten Beschlüsse. Sie besaßen den Status von Gesetzen für das<br />

Reich.<br />

Reichsacht: Ausschluß eines Rechtsbrechers aus der Gemeinschaft und<br />

dem Rechtsverband des Reichs mit Wirkung für das gesamte Reich.<br />

Davon betroffene Rechtsbrecher galten als ehr- und rechtlos und konn-<br />

ten bei ihrer Ergreifung getötet werden.<br />

Reichsfürsten: Wie die Kurfürsten gliederten sich auch die übrigen Reichs-<br />

fürsten in eine geistliche und eine weltliche Untergruppe. Nach der<br />

Wormser Reichsmatrikel von 1521 gehörten zu den geistlichen Reichs-<br />

fürsten vier Erzbischöfe (Magdeburg, Salzburg, Besan^on, Bremen) und<br />

46 Bischöfe. Daneben nannte sie 24 weltliche Reichsfürsten. Geistliche<br />

und weltliche Reichsfürsten hatten Sitz und Stimme im Reichstag. Sie<br />

organisierten sich dort innerhalb des Reichsfürstenrates.<br />

Reichskammergericht: Das Reichskammergericht wurde 1495 auf dem<br />

Wormser Reichstag errichtet und hatte bis 1806 Bestand. Seit 1527 be-<br />

fand es sich in Speyer und ab 1690 in Wetzlar. Aus dem Zusammen-<br />

hang der Gründung des Reichskammergerichts mit der Verkündung des<br />

„Ewigen Landfriedens von 1495“ erklärt sich seine vorrangige Aufga-<br />

be, Landfriedensbruch zu ahnden und damit dem bis dahin keiner<br />

höchstrichterlichen Sanktion unterworfenen mittelalterlichen Fehdewe-<br />

sen entgegenzutreten. Darüber hinaus war das Reichskammergericht in<br />

großem Ausmaß beanspruchte Appellationsinstanz nach endgültigen<br />

Entscheidungen landesherrlicher oder reichsstädtischer Gerichte, wo-<br />

95


durch eine weitgehende Territorialisierung der Gerichtsbarkeit im Alten<br />

Reich verhindert wurde.<br />

Reichskreise: Neben dem Reichstag waren bis zum Ende des 18. Jahrhun-<br />

derts die Reichskreise die Institutionen, durch die die Reichsverfassung<br />

besonders wirksam blieb. Die erst sechs, dann zehn Reichskreise (seit<br />

1500: fränkischer, bayerischer, schwäbischer, oberrheinischer, nie-<br />

derrheinisch-westfälischer und sächsischer Kreis; 1512 kamen noch der<br />

österreichische und der burgundische, der kurrheinische und der ober-<br />

sächsische Reichskreis hinzu) hatten zunächst die Funktion von Wahl-<br />

bezirken. Im Verlaufe des 16. Jahrhunderts erhielt darüber hinaus ihre<br />

Funktion in der Verwaltung, Organisation und Verteidigung des Alten<br />

Reichs, in deren Mittelpunkt der Kreistag als Beratungs- und Beschluß-<br />

gremium stand, immer größere Bedeutung.<br />

Reichsmatrikel: In der Reichsmatrikel wurden die militärischen und fi-<br />

nanziellen Reichshilfen der Reichsstände festgelegt. Jeder Reichsstand<br />

hatte das durch Reichstagsbeschluß in der Reichsmatrikel bestimmte<br />

Kontingent zu stellen. Der Eintrag in die Reichsmatrikel galt als Indiz<br />

der oft umstrittenen Reichsunmittelbarkeit.<br />

Reichsstädte: Im Alten Reich nahmen die Reichsstädte unter den Reichs-<br />

ständen eine Sonderstellung ein, weil sich hier die Reichsunmittelbar-<br />

keit nicht auf Einzelpersonen bezog, sondern auf die Stadt als Ganzes,<br />

vertreten durch den Rat. Unter den Städten waren sie rechtlich heraus-<br />

gehoben dadurch, daß sie keinen andern Herrn hatten als den Kaiser<br />

und im Zuge der Herausbildung des Reichstages an der Wende vom 15.<br />

zum 16. Jahrhundert dort ihre Mitgliedschaft sichern konnten.<br />

Reichsstände: Bezeichnung für die nur dem Kaiser unterstehenden Glieder<br />

des Alten Reichs, die in einem der drei Kollegien des Reichstags (Kur-<br />

fürstenkollegium, Reichsfürstenrat und Reichsstädtekollegium) Sitz und<br />

Stimme hatten (Reichsstandschaft). Die R. mußten an den Reichstagen<br />

teilnehmen, Truppenkontingente zum Reichsheer stellen und die vom<br />

Reichstag bewilligten Reichssteuern aufbringen.<br />

Reichstag / Reichstagskurie: Der Reichstag war das bedeutendste und –<br />

zusammen mit dem Reichskammergericht und den Reichskreisen –<br />

dauerhafteste Ergebnis der sogenannten Reichsreform an der Wende<br />

vom 15. zum 16. Jahrhundert. Er trat bis 1653/54 in unregelmäßigen<br />

Abständen in wechselnden Reichsstädten zusammen. Das Einberu-<br />

fungsrecht hatte allein der Römische König und Kaiser, wenn auch un-<br />

ter Zustimmung der Kurfürsten. Die im Reichstag versammelten<br />

Reichsstände fanden sich in den drei Kurien des Kurfürsten-, des<br />

Reichsfürsten- und des Reichsstädterats zusammen.<br />

Ritterorden: Nach dem Ersten Kreuzzug entstanden die sogenannten<br />

Geistlichen Ritterorden. Sie verbanden karitative Aufgaben mit dem<br />

Pilgerschutz und dem militärischen Kampf gegen „Glaubensfeinde“.<br />

Seit dem 14. Jahrhundert entstanden auf fürstliche Initiative teilweise<br />

weltliche, teilweise kirchliche, oft kurzlebige Ritterorden für die Tür-<br />

96


ken- und Häretikerabwehr und zur Einübung des Adels in die ritterli-<br />

chen Tugenden wie Treue, Loyalität, Mut, höfisches Benehmen.<br />

Römischer König: Im 11. Jahrhundert aufgekommene Bezeichnung für<br />

den noch nicht zum Kaiser gekrönten deutschen König. Maximilian I.<br />

begründete die Tradition, daß sich der regierende Herrscher „Kaiser“<br />

(Erwählter Römischer König) nannte, sein zu Lebzeiten gewählter<br />

Nachfolger „Römischer König“.<br />

Römisches Recht / Rezeption: Das Römische Recht ist das Recht des an-<br />

tiken römischen Staates. Es wurde seit dem Mittelalter allmählich auch<br />

in andere Rechtstraditionen übernommen. Dabei spielte insbesondere<br />

die Rezeption des Römischen Rechtes an den Juristischen Fakultäten<br />

der Universitäten eine ausschlaggebende Rolle.<br />

Schmalkaldischer Bund: Nach der strikten Zurückweisung der Confessio<br />

Augustana auf dem Augsburger Reichstag 1530 antworteten die prote-<br />

stantischen Stände mit der Gründung eines Verteidigungsbündnisses,<br />

das 1531 in Schmalkalden geschlossen wurde. Zu ihm gehörten neben<br />

Kursachsen und Hessen bedeutende süddeutsche Reichsstädte.<br />

Schisma, Pl. Schismen [griech. ,Spaltung’]: Kirchenspaltung, besonders<br />

das Schisma von 1054, das die Spaltung zwischen der lateinischen und<br />

der orthodoxen Kirche vollendete und bis zum heutigen Tag andauert,<br />

sowie das große abendländische Schisma (1378–1417), bei dem sich<br />

zwei, dann sogar drei Päpste gegenüberstanden.<br />

Stände: s. Reichsstände.<br />

Wahlkapitulation: Im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit bezeichnete<br />

man als Wahlkapitulation einen schriftlichen Vertrag, durch den Wäh-<br />

ler einem zu Wählenden Bedingungen für seine künftige Regierung stell-<br />

ten. Zentral waren sie im Bereich der Bischofswahlen. 1519 mußte Karl<br />

V. als erster Römischer Kaiser einer solchen Wahlkapitulation zustim-<br />

men. Die königlichen Wahlkapitulationen der Frühen Neuzeit waren<br />

Herrschaftsverträge, in denen zur Begrenzung der monarchischen<br />

Macht die Partizipation der Stände festgeschrieben wurde.<br />

Wormser Edikt: Mit dem Wormser Edikt wurde 1521 auf dem Reichstag<br />

zu Worms die Reichsacht über Martin Luther verhängt und darüber<br />

hinaus die Lektüre und die Verbreitung seiner Schriften verboten.


98<br />

Literaturverzeichnis<br />

(Aufgenommen wurden lediglich deutsch-, französisch- und englischspra-<br />

chige Monographien mit Ausnahme einiger Aufsätze, die im Text zitiert<br />

werden.)<br />

1. Quellen<br />

Berichte und Studien zur Geschichte Karls V. I-IX (= Nachrichten der Gesellschaft<br />

der Wissenschaften zu Göttingen, phil. hist. KL), Göttingen<br />

1930–42.<br />

Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Karl V. Jüngere Reihe, Bd. 1:<br />

Wahlakten 1519. Hrsg. v. A. Kluckhohn, Gotha 1893. Nachdruck<br />

Göttingen 1962.<br />

Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Karl V. Jüngere Reihe, Bd. 2: Der<br />

Reichstag zu Worms 1521. Hrsg. v. A. Wrede, Gotha 1896. Nachdruck<br />

Göttingen 1962.<br />

Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Karl V. Jüngere Reihe, Bd. 3:<br />

Reichstage zu Nürnberg 1522/23. Hrsg. v. A. Wrede, Gotha 1901.<br />

Nachdruck Göttingen 1963.<br />

Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Karl V. Jüngere Reihe, Bd. 4:<br />

Reichstag zu Nürnberg 1524. Hrsg. v. A. Wrede, Gotha 1905. Nachdruck<br />

Göttingen 1963.<br />

Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Karl V. Jüngere Reihe, Bd. 7 (in 2<br />

Teilbänden): Tagungen 1527–1529. Hrsg.v. J. Kühn, Stuttgart 1935.<br />

Nachdruck Göttingen 1963.<br />

Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Karl V. Jüngere Reihe, Bd. 8 (in 2<br />

Teilbänden): Tagungen 1529 bis zum Beginn des Reichstags 1530.<br />

Hrsg. v. W. Steglich, Göttingen 1970.<br />

Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Karl V. Jüngere Reihe, Bd. 10.<br />

Hrsg. v. R. Aulinger, Göttingen 1992.<br />

Quellen zur Geschichte Karls V. Hrsg. v. A. Kohler (= Ausgewählte<br />

Quellen zur deutschen Geschichte der Neuzeit. Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe,<br />

Bd. 15), Darmstadt 1990.<br />

Lettenhove, K. de, Commentaires de Charles-Quint (= Autobiographie<br />

Karls V. in französischer Übersetzung), Brüssel 1862.<br />

Luther, M., Werke. Kritische Gesamtausgabe, über 100 Bde. in 4 Reihen,<br />

Weimar 1883–1970.<br />

Kaiser Karl V. und die Zunftverfassung. Ausgewählte Aktenstücke zu den<br />

Verfassungsänderungen in den oberdeutschen Reichsstädten 1547-<br />

1556. Hrsg. v. E. Naujoks, Stuttgart 1985.<br />

Reiffenberg, G. (Hg.), Lettres sur la vie interieur de l’empereur Charles-<br />

Quint, ecrites par Guillaume van Male, Brüssel 1843.<br />

Des kursächsischen Rates H.v. Planitz Berichte aus dem Reichsregiment


in Nürnberg 1521–1523. Hrsg. v. E. Wülcker und H. Virck, Leipzig<br />

1899.<br />

Das Widerstandsrecht als Problem der deutschen Protestanten, 1523-<br />

1546. Hrsg. v. H. Scheible, 2. Auflage Gütersloh 1982.<br />

2. Literatur<br />

a) Darstellungen in europäischer Perspektive<br />

Kohler, A., Das Reich im Kampf um die Hegemonie in Europa 1521-<br />

1648 (= Enzyklopädie deutscher Geschichte, Bd. 6), München 1990.<br />

Reinhard, W., Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte<br />

Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart, München<br />

1999.<br />

Schilling, H., Die neue Zeit. Vom Christenheitseuropa zum Europa der<br />

Staaten, 1250–1750, Berlin 1999.<br />

b) Geschichte des Alten Reichs<br />

Bergdolt, K./Brüning, J. (Hg.), Kunst und ihre Auftraggeber im 16. Jahrhundert,<br />

Berlin 1997.<br />

Lutz, H., Christianitas afflieta. Europa, das Reich und die päpstliche Politik<br />

im Niedergang der Hegemonie Karls V. (1552–1556), Göttingen<br />

1964.<br />

Ders., Reformation und Gegenreformation (= Oldenbourg-Grundriß der<br />

Geschichte, Bd. 10), 4. Auflage München 1997.<br />

Ders., Das Ringen um deutsche Einheit und kirchliche Erneuerung. Von<br />

Maximilian I. bis zum Westfälischen Frieden 1490–1648, Frankfurt<br />

a.M./Berlin/Wien 1983.<br />

Ders., Das römisch-deutsche Reich im politischen System Karls V., München/Wien<br />

1982.<br />

Press, V., Kaiser Karl V., König Ferdinand und die Entstehung der Reichsritterschaft,<br />

2. Auflage Mainz 1980.<br />

Rabe, H., Deutsche Geschichte 1500–1600. Das Jahrhundert der Glaubensspaltung,<br />

München 1991.<br />

Roll, Chr., Das Zweite Reichsregiment 1521–1530 (= Forschungen zur<br />

deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 15), Köln/Weimar 1996.<br />

Schilling, H., Aufbruch und Krise. Deutschland 1517–1648, Berlin<br />

1988.<br />

Schmidt, G., Geschichte des alten Reiches. Staat und Nation in der Frühen<br />

Neuzeit 1495–1806, München 1999.<br />

Schorn-Schütte, L., Die Reformation. Vorgeschichte, Verlauf, Wertungen,<br />

München 1996.<br />

Schulze, W., Deutsche Geschichte im 16. Jahrhundert. 1500–1618, Frankfurt<br />

a.M. 1987.<br />

99


Sicken, B. (Hg.), Herrschaft und Verfassungsstrukturen im Nordwesten<br />

des Reiches. Beiträge zum Zeitalter Karls V. Franz Petri zum Gedächt-<br />

nis, Köln/Weimar/Wien 1994.<br />

Skalweit, St., Reich und Reformation, Berlin 1967.<br />

c) Geschichte Spaniens und der Niederlande<br />

Bauer, C, Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens, Stuttgart<br />

1960.<br />

Chaunu, P., L’Espagne de Charles Quint, 2 Bde., Paris 1973.<br />

Edelmayer, F. (Hg.), Die beiden Amerikas, Frankfurt a.M./Wien 1996.<br />

Hofmann, Chr., Das spanische Hofzeremoniell von 1500–1700, Frankfurt<br />

a.M. 1985.<br />

Kellenbenz, H., Die Fugger in Spanien und Portugal bis 1560. Ein Großunternehmen<br />

de 16. Jahrhunderts, 3 Bde., München 1990.<br />

Kohler, A./Edelmayer, F., Hispania-Austria. Die katholischen Könige,<br />

Maximilian I. und die Anfänge der Casa de Austria in Spanien, Wien<br />

1993.<br />

Lademacher, H., Geschichte der Niederlande. Politik – Verwaltung –<br />

Wirtschaft, Darmstadt 1983.<br />

Pagden, A., Dispossessing the barbarian: the language of Spanish Thomism<br />

and the debate over the property rights of the American Indians,<br />

in: The Languages of Political Theory in Early-Modern Europe. Hrsg.<br />

v. dems., Cambridge u.a. 1987, S. 79–98.<br />

Pietschmann, H., Staat und staatliche Entwicklung am Beginn der spanischen<br />

Kolonisation Amerikas, Münster 1980.<br />

Rodriguez-Salgado, M. J., The Changing Face of Empire. Charles V.,<br />

Philipp II. and Habsburg Authority, 1551–1559, Cambridge 1988.<br />

Walser, F., Die spanischen Zentralbehörden und der Staatsrat Karls V.<br />

Bearbeitet u. hrsg. von R. Wohlfeil, Göttingen 1959.<br />

d) Reichsreform, politisches Denken und ständisches Widerstandsrecht<br />

Angermeier, H., Die Reichsreform 1410–1555. Die Staatsproblematik in<br />

Deutschland zwischen Mittelalter und Gegenwart, München 1984.<br />

Ders., Reichsreform und Reformation, in: Historische Zeitschrift 235<br />

(1982), S. 529–604.<br />

Böttcher, D., Ungehorsam oder Widerstand? Zum Fortleben des mittelalterlichen<br />

Widerstandsrechtes in der Reformationszeit (1529–1530),<br />

Berlin 1991.<br />

Bosbach, F., Monarchia universalis, ein politischer Leitbegriff der Frühen<br />

Neuzeit, Göttingen 1988.<br />

Friedeburg, R.v., Widerstandsrecht und Konfessionskonflikt, Berlin 1999.<br />

Guggisberg, H.R. (Hg.), Religiöse Toleranz. Dokumente zur Geschichte<br />

einer Forderung, Stuttgart/Bad Cannstatt 1984.<br />

100


Härtung, F., Karl V. und die deutschen Reichsstände von 1546 bis 1555,<br />

Halle 1910 (ND mit einem Vorwort v. G. Oestreich 1971).<br />

Headley, J. M., The Emperor and His Chancellor. A study of the imperial<br />

chancellery under Gattinara, Cambridge 1983.<br />

Kohler, A., Antihabsburgische Politik in der Epoche Karls V. Die reichs-<br />

ständische Opposition gegen die Wahl Ferdinands I. zum römischen<br />

König und gegen die Anerkennung seines Königtums, Göttingen 1982.<br />

Wolgast, E., Melanchthon als politischer Berater, in: Melanchthon (= Er-<br />

langer Forschungen Reihe A, Bd. 85), Erlangen 1998, S. 179–208.<br />

Ders., Die Religionsfrage als Problem des Widerstandsrechts im 16. Jahr-<br />

hundert (= Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissen-<br />

schaften. Philosophisch-historische Klasse, 9/1980), Heidelberg 1980.<br />

Ders., Die Wittenberger Theologie und die Politik der evangelischen<br />

Stände. Studien zu Luthers Gutachten in politischen Fragen (= Quellen<br />

und Forschungen zur Reformationsgeschichte. 47), Gütersloh 1977.<br />

e) Biographien<br />

Armstrong, E., The Emperor Charles V., London 2. Auflage 1910.<br />

Baumgarten, H., Geschichte Karls V., 3 Bde., Stuttgart 1885–92.<br />

Brandi, K., Kaiser Karl V. Werden und Schicksal einer Persönlichkeit und<br />

eines Weltreiches, 2 Bde., München 1937–41. Neuauflagen zuletzt Bd.<br />

1: 8. Auflage Frankfurt a.M. 1986; Bd. 2: 2. Auflage Darmstadt 1967.<br />

Braudel, F., Karl V.: Die Notwendigkeit des Zufalls, Frankfurt a.M.<br />

1994.<br />

Fernändez Alvarez, M., Imperator mundi. Karl V. Kaiser des Heiligen<br />

Römischen Reiches Deutscher Nation, Stuttgart 1977 (dt. Übersetzung<br />

der engl. Ausgabe von 1975).<br />

Kohler A., Karl V. (1519–1556), in: Die Kaiser der Neuzeit 1519–1918.<br />

Hrsg. v. A. Schindling und W. Ziegler, München 1990, S. 33–54.<br />

Ders., Karl V. 1500–1558. Eine Biographie, München 1999.<br />

Lapeyre, H., Charles Quint, Paris 1971.<br />

Lutz, H., Karl V. – Biographische Probleme, in: Biographie und Geschichtswissenschaft.<br />

Aufsätze zur Theorie und Praxis biographischer<br />

Arbeit. Hrsg. v. G. Klingenstein, H. Lutz und G. Stourzh, Wien 1979,<br />

S. 151–182.<br />

Nette, H., Karl V. in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek bei<br />

Hamburg 1979.<br />

Rassow, P., Die Kaiser-Idee Karls V., dargestellt an der Politik der Jahre<br />

1528–1540, Berlin 1932.<br />

Ders., Karl V. – Der letzte Kaiser des Mittelalters, Göttingen/Berlin/<br />

Frankfurt a.M. 1957.<br />

Ders., Die politische Welt Karls V., München 1942.<br />

Schulin, E., Kaiser Karl V. Geschichte eines übergroßen Wirkungsbereiches,<br />

Stuttgart 1999.<br />

101


Tyler, R., Kaiser Karl V., Stuttgart 3. Auflage 1961 (Original: The Em-<br />

peror Charles the Fifth, London 1956).<br />

f) Kaisermemoria<br />

Lahnstein, P., Auf den Spuren von Karl V., München 1993.<br />

Rassow, P., Das Bild Karls V. im Wandel der Jahrhunderte, in: Karl V. –<br />

Der Kaiser und seine Zeit. Hrsg. v. dems. und F. Schalk, Köln/Graz<br />

1960, S. 1–17.<br />

Rassow, P ./Schalk, F. (Hgg.), Karl V. – Der Kaiser und seine Zeit, Köln/<br />

Graz 1960.<br />

g) Verhältnis zu einzelnen Mächten<br />

Braun, B., Die Eidgenossen, das Reich und das politische System Karls V.,<br />

Berlin 1997.<br />

Czernin, U., Gattinara und die Italienpolitik Karls V., Frankfurt a.M.<br />

1993.<br />

Deutschland und Frankreich in der frühen Neuzeit. Festschrift für Herman<br />

Weber zum 65. Geburtstag. Hrsg. v. H. Duchhardt und E.<br />

Schmitt, München 1987.<br />

Häpke, R., Die Regierung Karls V. und der europäische Norden (= Veröffentlichungen<br />

zur Geschichte der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. 3),<br />

Hildesheim/New York 1976 (ND d. Ausgabe von 1914).<br />

h) Religionspolitik<br />

Baumgarten, H., Karl V. und die deutsche Reformation, Halle 1889.<br />

Iserloh, E. (Hg.), Confessio Augustana und Confutatio. Der Augsburger<br />

Reichstag 1530 und die Einheit der Kirche, Münster 1980.<br />

Ludolphy, L, Die Voraussetzungen der Religionspolitik Karls V., Stuttgart<br />

1965.<br />

Maurenbrecher, W., Kaiser Karl V. und die deutschen Protestanten,<br />

1545–1555, Düsseldorf 1865.<br />

Press, V., Der Kaiser, das Reich und die Reformation, in: Martin Luther<br />

und die Reformation in Deutschland. Hrsg. v. K. Löcher (= SVRG, Bd.<br />

194), Schweinfurt 1988.<br />

Rabe, H., Reichsbund und Interim. Die Verfassungs- und Religionspolitik<br />

Karls V. und der Reichstag von Augsburg 1547–1548, Köln/Wien<br />

1971.<br />

Seibt, F., Karl V.: Der Kaiser und die Reformation, Berlin 1990.<br />

102


i) Weitere politische Einzelfragen<br />

Lutz, H. (Hg.), Das römisch-deutsche Reich im politischen System Karls<br />

V. (= Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien Bd. 1), München/<br />

Wien 1982.<br />

Ders./Kohler, A. (Hgg.), Aus der Arbeit an den Reichstagen unter Kaiser<br />

Karl V., Göttingen 1985.<br />

Rabe, H., Elemente neuzeitlicher Politik und Staatlichkeit im politischen<br />

System Karls V., in: Das römisch-deutsche Reich im politischen System<br />

Karls V. Hrsg. v. H. Lutz (=Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien<br />

Bd. 1), München/Wien 1982, S. 161–187.<br />

Rabe, H. (Hg.), Karl V. Politik und politisches System. Berichte und Studien<br />

aus der Arbeit an der politischen Korrespondenz des Kaisers, Konstanz<br />

1996.<br />

Richter, W., Die politischen Testamente Kaiser Karls V. und ihre Stellung<br />

in der politischen Anschauung seiner Zeit, Diss. Leipzig 1911.<br />

Schroeder, F.-Chr. (Hg.), Die Carolina. Die Peinliche Gerichtsordnung<br />

Kaiser Karls V. von 1532, Darmstadt 1986.<br />

j) Geschichtstheorie und Historiographiegeschichte<br />

Berger, P./Luckmann Th., Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit.<br />

Eine Theorie der Wissenssoziologie, 14. Auflage Frankfurt<br />

a.M. 1997.<br />

Erdmann, K.D., Gedenkrede für Peter Rassow, in: Historische Zeitschrift<br />

195 (1962), S. 131–146.<br />

Schorn-Schütte, L., Religion, Kultur und Staat. Deutungsmuster aus dem<br />

Krisenbewußtsein der Republik von Weimar. Eine Einleitung, in: Alteuropa<br />

oder Frühe Moderne? Deutungsmuster für das 16. bis 18. Jahrhundert<br />

aus dem Krisenbewußtsein der Weimarer Republik in Theologie,<br />

Rechts- und Geschichtswissenschaften. Hrsg. v. ders. (= Zeitschrift<br />

für historische Forschung, Beiheft 23), Berlin 1999, S. 7–24.<br />

Searle, J.R., Die Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Zur<br />

Ontologie sozialer Tatsachen, Reinbek 1997.


Abbildungsverzeichnis<br />

Seite 16: Karl V., Portrait 1548 von Tizian, AKG Berlin<br />

Seite 17: Isabella von Portugal, Bildnis von Tizian, AKG Berlin<br />

Seite 20: Karl V. über das Feld bei Mühlberg reitend, Gemälde von Tizi-<br />

an, AKG Berlin<br />

Seite 21: Karl V., Portrait mit Dogge, Gemälde von Tizian, Bildarchiv Fo-<br />

to Marburg<br />

Umschlaginnenseite vorn: Herrschaftsraum Karls V. und Hausbesitz der<br />

Habsburger in Europa.<br />

Umschlaginnenseite hinten: Stammtafeln der Häuser von Frankreich,<br />

Burgund, Österreich, Spanien und England; nach: Brandi, Karl, Kaiser<br />

Karl V. Werden und Schicksal einer Persönlichkeit und eines Weltreiches,<br />

München 1937.


Register<br />

I. Personen<br />

Adrian v. Utrecht, s. Hadrian VI. Ferdinand I., Kaiser (1503–1564)<br />

Agricola, Johann (1492–1566) 69 11, 13, 14, 15, 36, 37, 56, 64,<br />

Albrecht (1490–1568), Herzog v. 76, 77, 79, 80, 81, 82<br />

Preußen 75 Ferdinand II., Kaiser (1529–1595)<br />

Albrecht Alkibiades, Markgraf v. 81<br />

Brandenburg-Kulmbach (1522- Ferdinand V., der „Katholische“,<br />

1557) 65, 78 König v. Aragon (1452–1516)<br />

Albrecht VII., Herzog v. Mecklen- 11, 13, 30<br />

burg (1486–1547) 75 Franz I., König v. Frankreich<br />

Althoff, Friedrich (1839–1908) (1494–1547) 32, 33, 34, 35, 38,<br />

86 40<br />

Amsdorf, Nikolaus v. (1483–1565) Friedrich der Weise, Kurfürst v.<br />

71, 73 Sachsen (1482–1556) 50, 51, 54,<br />

Anna v. Ungarn (1503–1547) 14 71<br />

Frundsberg, Georg v. (1473–1528)<br />

Bartolomé de las Casas (1474– 42<br />

1566) 31<br />

Baumgarten, Hermann (1825–<br />

Fugger 49<br />

1893) 85, 86 Gattinara, Mercurino (1465–1530)<br />

Brandi, Karl (1868–1946) 11, 25, 27, 32, 34, 35, 41, 59, 89<br />

83, 86, 87 Guevara, Antonio de (1486–1546)<br />

Brück, Gregor (1483–1557) 52<br />

Bugenhagen, Johannes (1485-<br />

27<br />

1558) 71, 72, 73, 74 Habsburg 8, 10, 32, 36, 67, 68<br />

Hadrian VI., Papst (1459–1523)<br />

Chaireddin Barbarossa (um 1460- 10, 11, 13, 29, 39, 40, 48<br />

1546) 37,38 Hansv. Küstrin, Markgraf (1513-<br />

Chievres s. Croy 1571) 65, 75<br />

Clemens VII., Papst (1478–1534) Heinrich II., König v. Frankreich<br />

35, 40, 42, 43, 59 (1519–1559) 76, 77<br />

Cles, Bernhard (1485–1539) 59 Heinrich VIII., König v. England<br />

Cortes, Hernän (1485–1547) 31 (1491–1547) 14, 43, 78<br />

Croy, Wilhelm v., Herr v. Chievres<br />

(1458–1521) 11, 13<br />

Hus, Jan (um 1370–1415) 51<br />

Isabella v. Portugal (1503–1539)<br />

David, König der Juden 22<br />

Droysen, Johann Gustav (1808-<br />

12, 14, 15, 48<br />

1886) 85 Johann Friedrich, Kurfürst v.<br />

Sachsen (1503–1554) 65, 66<br />

Erasmus v. Rotterdam (um 1466- Johanna, Königin von Kastilien<br />

1536) 24 und Aragon (1479–1555) 10<br />

105


Katharina v. Aragon (1485–1536) Philipp II., König v. Spanien<br />

43 (1527–1598) 15, 19, 78, 81, 82<br />

Lenz, Max (1850–1932) 85 Rabe, Horst 25, 88<br />

Luther, Martin (1483–1546) 41, Ranke, Leopold v. (1795–1886) 8,<br />

47, 48, 50, 51, 52, 53, 54, 59, 85<br />

63, 71, 84 Rassow, Peter (1889–1961) 25,<br />

Lutz, Heinrich (1922–1986) 25, 88 43, 87<br />

Machiavelli, Niccoló (1469–1527) Sauvage, Jean, Seigneur<br />

26, 87, 89, 95 d’Escaubecq (1455–1518) 13<br />

Male, Guillaume de (t 1560) 22 Seisenegger, Jakob (1505–1567)<br />

Marcks, Erich (1861–1938) 85 22<br />

Margarete v. Parma (1522–1586) Selim L, Sultan der Osmanen<br />

12 (1467/70–1520) 36<br />

Margarethe v. Österreich (1480- Sigismund, Kaiser (1368–1437) 51<br />

1530) 11, 12, 14 Soto, Pedro de (1495–1560) 27<br />

Maria v. Österreich (1528–1603) Spalatin, Georg (1484–1545) 71<br />

15 Spengler, Lazarus (1479–1534) 73,<br />

Maria v. Ungarn (1505–1558) 12, 74<br />

45, 59, 64, 65, 68, 81 Süleyman der Prächtige, Sultan der<br />

Maria Tudor, Königin v. England Osmanen (1494–1566) 36, 37,<br />

(1516–1558) 14, 78 38<br />

Maximilian I., Kaiser (1459–1519) Sybel, Heinrich v. (1817–1895)<br />

10,11,27 85<br />

Medici 40<br />

Meinecke, Friedrich (1862–1954) Thomas v. Aquin (1224–1274) 28<br />

86 Tiziano Vecellio (um 1488–1576)<br />

Melanchthon, Philipp (1497–1560) 22, 23<br />

60, 71 Treitschke, Heinrich v. (1834-<br />

Michael, Prinz von Kastilien, 1896) 85<br />

Aragon und Portugal (1498- Troeltsch, Ernst (1865–1923) 87,<br />

1500) 10 88<br />

Moritz, Kurfürst v. Sachsen<br />

(1521–1553) 65, 66, 75, 76 Vitoria, Francisco de (um 1485–<br />

1546) 27, 28<br />

Paul III., Papst (1468–1549) 43,<br />

62 Weber, Max (1864–1920) 88<br />

Paul IV., Papst (1476–1559) 78 Wilhelm, Landgraf v. Hessen<br />

Philipp I., Landgraf v. Hessen (1532–1592) 75<br />

(1504–1567) 66, 71, 74, 75, 76<br />

Philipp der Schöne, Herzog v. Zápolya, Johann, König v. Ungarn<br />

Burgund (1478–1506) 10, 11 (1487–1540) 37<br />

106


II. Sachen und Orte<br />

Adel 11, 12, 24, 25, 26, 27, 29, Burgundischer Vertrag (26.7.1548)<br />

34, 80<br />

Adelsrevolte 12, 29, 30, 58 f., 70-<br />

68<br />

77, 93 Chambord, Vertrag von 76<br />

Advocatus ecclesiae 28, 36, 42, 77, Cambrai, Frieden von<br />

82, 87 („Damenfrieden“ 1529) 12, 35<br />

s. auch Defensor fidei Cognac, Heilige Liga von 35, 40<br />

Algier 36, 37 Confessio Augustana 60<br />

Amerika 28, 30, 64 Confutatio 60<br />

Amtsträger 26 Cortes 25, 29, 31<br />

Anhalt 57 Crepy, Frieden von (Sept. 1544)<br />

Aragon 10, 26<br />

Artois 38<br />

38, 63<br />

Augsburg 59, 67, 80 Dänemark 61<br />

- Reichstag von 1530 59, 60, Defensor fidei 22, 29, 34, 35 f., 39,<br />

63 48, 49, 50, 52, 53, 58, 61, 73,<br />

- Reichstag von 1547/48 85, 87, 89<br />

(„geharnischter“) 22, 67, 69, s. auch Advocatus ecclesiae<br />

75 Deutschland, s. Reich, Heiliges<br />

- Reichstag von 1550/51 22 Römisches<br />

- Reichstag von 1555 79, 80<br />

Barcelona 42, 50<br />

Devotio moderna 10, 13, 48, 93<br />

Drakenburg 66<br />

- Disputationen von (1542/43) Elsaß 10<br />

31 Encomienda 31, 32, 93<br />

- Frieden von (29.6.1529) England 11, 12, 13,43<br />

42<br />

Bayern 61, 65<br />

Eßlingen 55<br />

Bede 44 Flandern 38, 44<br />

Belgien 10 Florenz 35<br />

Belgrad 36 Frankreich 8, 11, 12, 32, 33, 34,<br />

Böhmen 36, 70 38, 39, 40, 42, 43, 44, 45, 61,<br />

Bologna 42, 68 62, 63, 64, 76, 78<br />

Bonn 86 Frömmigkeit 11, 15, 18, 47, 48,<br />

Brabant 44 49, 89<br />

Brandenburg-Ansbach 57 Frühabsolutismus 25, 26, 46, 73,<br />

Braunschweig-Lüneburg 57 93<br />

Breslau 87<br />

Brüssel 12,80,81,82<br />

Fürstenbund 75<br />

Brüsseler Verträge (1521) 14 Geistlichkeit 25, 48<br />

Bürgertum 44 Gent 9, 44, 45<br />

Burgund 7, 10, 11, 12, 44, 68, 70, Geschichtsschreibung 8, 9, 18, 47,<br />

83 51, 65, 84<br />

107


Glaubensspaltung 7, 8, 18, 57, 58 Kirchenstaat 39, 42<br />

Göttingen 86 Köln 25<br />

Granada 15 Kolonialpolitik 28, 30, 31<br />

Großwardein, Vertrag von Konstanz 25, 51<br />

(25.2.1538) 37 Konzil 41, 42, 43, 49, 52, 57, 58,<br />

Guadalupe 33 59, 60, 61, 62, 63, 64, 68, 69,<br />

75, 89, 94<br />

Habsburg 8, 10, 32, 36, 61, 67, 68 Kreuzzug 35, 65<br />

Hegemonie, europäische 8, 32, 35 Kulturkampf 85, 94<br />

Heidelberg 87 Kurfürsten 49, 55, 94<br />

Herrscherverständnis 7, 8, 22, 23, Kursachsen 58, 61<br />

26, 28, 29, 32, 33, 34, 43, 47,<br />

78, 84, 86, 87 La Corufia, Cortes von 1520 29,<br />

s. auch Advocatus ecclesiae; 31<br />

Defensor fidei; Kaiseridee; Liga 67, 68<br />

Katechon Loebersdorf, Schlacht bei<br />

Hessen 57, 58, 61, 66 (19.9.1532) 37<br />

Hieronymiten 15, 48, 82 Löwen 10<br />

Hofkultur 18 Lombardei 41<br />

Hofordnung 13 Lothringen 10, 76, 77<br />

Humanisten 24, 60, 94 Luxemburg 10<br />

Imperium 27, 28 Madrid, Frieden von (14.1.1526)<br />

Indienrat 31 35<br />

Innsbruck 76 Mailand 33, 35<br />

Interim 69, 70, 75, 78, 94 Malerei 22<br />

Italien 38, 39, 78 Mantua 62<br />

Metz 76, 77, 78<br />

Kaiseridee 27, 30, 35, 36, 38, 39, Mohacs, Schlacht bei (29.8.1526)<br />

42, 48, 49, 52, 53, 55, 58, 64, 36<br />

73, 77, 82, 85, 87 Monarchia universalis 7, 23, 27,<br />

s. auch Advocatus ecclesiae; 28, 30, 32, 34, 38, 39, 43, 44,<br />

Defensor fidei; Herrscher- 60, 72, 73, 77, 78, 89<br />

Verständnis; Katechon Mühlberg, Schlacht bei<br />

Kaiserkrönung 42 (24.4.1547) 22, 66<br />

Kaisermemoria 8, 84<br />

Kaisertum 27 Navarra 33<br />

Kaiserwahl 32, 49 Neu-Spanien 31<br />

Kardinale 41 Niederlande 8, 10, 29, 44, 46, 68,<br />

Kastilien 7, 10, 25, 27 81<br />

Katalonien 26 Nürnberg 55, 58<br />

Katechon 28, 52 Nürnberger Anstand 61<br />

Kirche 39, 40, 41, 42, 43, 47, 48,<br />

49, 50, 52, 58, 63, 69, 77, 84, Oberitalien 33<br />

85 Österreich 7, 10, 32<br />

108


Osmanen 32, 35, 37, 38, 43, 44, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 72,<br />

64, 84, 95 73, 75, 76, 77, 79, 80, 82, 96<br />

- Reichstag 50, 51, 57, 58, 59,<br />

Papst 7, 39, 41, 50, 51, 52, 57, 64, 64, 67, 71, 96<br />

68, 78, 82, 85, 87 Religionsfrage 50, 51, 53, 54, 56-<br />

Passauer Vertrag (15.8.1552) 77, 64, 68–73, 75, 76, 78, 79<br />

79 Religionsfrieden 76, 77, 79, 80<br />

Patriziat 46 Rhodos 36<br />

Pavia, Schlacht bei (24.2.1525) 33, Ritterideal 13, 18, 24<br />

34 Rom 42, 43, 50, 62, 82<br />

Peru 31 - Sacco di Roma 41, 84<br />

Portugal 10<br />

Propaganda 18, 22 Sachsen 57, 66<br />

Protestanten 19, 22, 38, 40, 47, Salamanca, Schule von 27, 32<br />

54, 56, 57, 58, 60, 61, 62, 64, Savoyen 10, 38<br />

65, 66, 68, 69, 70, 71, 73, 74, Schmalkalden 61, 63<br />

75, 79, 80, 82, 84 Schmalkaldischer Bund 61, 64, 65,<br />

Protestation 58 66, 75, 97<br />

Provence 10 Sevilla 15, 31<br />

Spanien 7, 8, 10, 11, 12, 13, 14,<br />

Reformkonzilien 39 24, 26, 27, 29, 30, 33, 42, 46,<br />

Regensburg 61, 63 70, 82, 83<br />

- Reichstag von 1532 61 Speyer 56<br />

- Reichstag von 1541 63, 65 - Reichstag von 1526 56, 57<br />

Reich, Heiliges Römisches - Reichstag von 1529 58, 71<br />

deutscher Nation 37, 38, 47, 49, Staat, moderner 7, 30, 87, 88<br />

50, 54, 55, 56, 58, 59, 61, 68, Städte 25, 29, 44, 45, 57, 61, 70,<br />

73, 76, 77, 81, 82, 85, 87, 93 80<br />

- Kaiser des 7 Stände 7, 25, 26, 27, 29, 30, 46,<br />

- Reichsacht 50, 51, 54, 58, 62, 54, 70, 82, 87, 88, 89<br />

66, 95 - evangelische 57<br />

- Reichsaufgebot 55 - Selbstverständnis 11 25, 26,<br />

- Reichsfürsten 50, 57, 67, 71, 27, 29, 55, 57, 58, 70, 71, 72,<br />

82, 95 73, 78, 89<br />

- Reichskammergericht 55, 68, - spanische 44<br />

80, 95 - Ständerevolte 29, 30<br />

- Reichskreise 55, 96 s. auch Adel; Adelsrevolte;<br />

- Reichsmatrikel 55, 96 Geistlichkeit; Reichsstände;<br />

- Reichsrecht 50, 51, 54, 67, 70, Städte<br />

71, 72, 76, 78, 79, 80 Straßburg 58, 61, 85, 86<br />

- Reichsreform 47, 48, 54, 55,<br />

76, 79 Tirol 76<br />

- Reichsregiment 55, 56 Toledo 15<br />

Reichsstände 47, 50, 51, 53, Torgau 75<br />

54, 55, 56, 58, 60, 61, 62, 63, Toskana 42<br />

109


Toul 76 Vlies, Orden vom Goldenen 11,<br />

Trient 63, 64, 69 13, 24<br />

Türken, s. Osmanen<br />

Türkengefahr 8, 35, 36, 37, 38, Wahlkapitulation 49, 50, 53, 54,<br />

40,60 97<br />

Tunis 36, 37, 38 Wartburg 54<br />

- Eroberung von (Juli/August Widerstand 72<br />

1535) 37 Widerstandsrecht 59, 70, 71,<br />

74<br />

Ulm 58 Wien 25<br />

Ungarn 36, 37 - Belagerung von 37<br />

Wittenberg 7, 50<br />

Valladolid 25, 26, 29 Worms 49, 50, 54, 55, 64<br />

- Cortes von 1517/18 25, 26 - Reichstag von 1521 49, 50,<br />

- Disputationen von (1542/43) 54, 55, 62<br />

31 - Reichstag von 1545<br />

Valois 32 64<br />

Venedig 18, 22, 35 Wormser Edikt 54, 57, 60, 71,<br />

Verdun 76 97<br />

Vertragscharakter frühneuzeit-<br />

licher Herrschaft 26, 30, 46, Yuste 15, 82<br />

53 f., 70, 71, 72, 73, 74, 79,<br />

89 Zentralverwaltung 25, 30, 45, 56,<br />

Villach 76 88

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