KARL V.
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Die Verzahnung von Reichs- und Kirchenreform wurde<br />
zum Signum der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Damit<br />
waren die deutschen Probleme europäische Probleme. Ihnen<br />
konnte der Kaiser sich, wie er schließlich selbst erkannte,<br />
nicht durch Desinteresse entziehen, zumal sein kaiserliches<br />
Selbstverständnis die Schutzherrschaft für die ganze Christen-<br />
heit umfaßte.<br />
1. Frömmigkeit und Luthersache<br />
Über die Frömmigkeit des Kaisers ist in den bisher vorliegen-<br />
den großen Biographien bemerkenswert wenig reflektiert<br />
worden. Dies ist einerseits auf die Quellenlage zurückzufüh-<br />
ren, andererseits gewiß auch ein Stück konfessioneller Befan-<br />
genheit. Denn die Beschreibung von Frömmigkeit war zwi-<br />
schen den Konfessionen bis weit in unser Jahrhundert hinein<br />
eine umstrittene Sache. Wir wissen von den frühen Kontakten<br />
des jungen Prinzen mit der Reformbewegung der devotio mo-<br />
derna; ebenso wissen wir von der Faszination, die die spani-<br />
schen Hieronymiten auf den jungen König ausgeübt haben.<br />
Wir wissen von der Übereinstimmung zwischen Papst Hadri-<br />
an und dem jungen Kaiser in ihrer Kritik an der verdorbenen<br />
Lebensführung des hohen Klerus, der Kirchenführung insge-<br />
samt. Und wir wissen von der kirchentreuen Lebensführung<br />
des Kaisers als Ehemann (seine natürlichen Kinder wurden<br />
vor der Heirat mit Isabella oder nach deren Tod geboren)<br />
sowie des Kaisers als Gemeindeglied, wenn es um die Teil-<br />
nahme an Wallfahrten, Gebeten, Gottesdiensten u.a.m. ging.<br />
In den Augen der Zeitgenossen war der Kaiser also durchaus<br />
ein frommer Mann, einer, der den standardisierten Anforde-<br />
rungen der Kirche nach einem Gott wohlgefälligen Leben ins-<br />
besondere im Vergleich mit seinen fürstlichen Vettern in aus-<br />
geprägtem Umfang nachkam. Auch Luther hat den Kaiser als<br />
frommen Mann bezeichnet; und dieses Urteil war von der ste-<br />
ten Achtung gekennzeichnet, die der Reformator dem<br />
Reichsoberhaupt zeitlebens entgegenbrachte: „Wir haben ei-<br />
nen frommen Kaiser. Er hat einen Keil im Herzen, es hab’ ihn<br />
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