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KARL V.

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wurde zum Schreckensbild des weltlichen Zugriffs auf die<br />

geistliche Autorität des Papstes. In der durch den Kultur-<br />

kampf des späten 19. Jahrhunderts erneut gespaltenen Gesell-<br />

schaft des deutschen Kaiserreichs wirkten solche Deutungs-<br />

muster weiter.<br />

Die Darstellung, die der Berliner Historiker Leopold von<br />

Ranke (1795–1886) in den dreißiger und vierziger Jahren des<br />

19. Jahrhunderts vorlegte, hatte sich dagegen nicht behaupten<br />

können. Auch Ranke war Protestant; aber sein Blick für die<br />

Wechselwirkung von politischer und religiöser Entwicklung<br />

im 16. Jahrhundert öffnete sein Verständnis für die Idee des<br />

Kaisertums, die Karl V. bewegte. Als Schutzherr der Chri-<br />

stenheit mußte er für die Einheit der christlichen Kirche sor-<br />

gen, der „Ursprung der Spaltung der Nation“ lag deshalb<br />

auch in Rankes Bewertung nicht beim Kaiser, sondern bei der<br />

verweltlichten Papstkirche. Daß Ranke die Überwindung der<br />

Spaltung als Aufgabe des nationalen Staats betrachtete, ließ<br />

ihn zu einem negativen Urteil über die Durchsetzungschancen<br />

der Kaiseridee kommen.<br />

Für die Generation der Rankenachfolger waren weder das<br />

Alte Reich noch der Kaiser noch dessen übernationale Kaiser-<br />

idee eine Frage von wissenschaftlichem Belang. Die Traditio-<br />

nen, denen sich die Generation der Droysen, Treitschke, Sy-<br />

bel, Lenz und Marcks verpflichtet fühlten, waren diejenigen<br />

der protestantisch-brandenburgischen Staatsbildung, mit de-<br />

ren Hilfe die Einheit der Nation ohne, ja gegen das Reich<br />

doch noch gelang. Es ist nachvollziehbar, daß diese Ge-<br />

schichtsforschung an Karl V. kein Interesse zeigte.<br />

Die einzige Ausnahme war der Straßburger Historiker<br />

Hermann Baumgarten (1825–1893), der zwischen 1885 und<br />

1892 eine dreibändige Monographie zu Karl V. vorlegte. Als<br />

scharfer Gegner Treitschkes gehörte der liberale Professor zu<br />

der Minderheit bleibenden Gruppe unter den protestantischen<br />

Historikern des Kaiserreichs, die nicht nur die Vorgeschichte<br />

der preußischen Monarchie als Weg zur staatlich-nationalen<br />

Einheit untersuchte, sondern weiterhin die Bedeutung des Al-<br />

ten Reichs anerkannte. Schon deshalb spielte in Baumgartens<br />

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