KARL V.
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Diese positiven Züge finden sich in mehreren Berichten<br />
auch der folgenden Jahre; sie trafen einen offensichtlich wah-<br />
ren Kern. In den zeitgenössischen Berichten fehlen allerdings<br />
auch die negativen Charakterzüge nicht. Der Kaiser wird als<br />
verschlossen beschrieben, als unnahbar, spröde und nachtra-<br />
gend, was sich auf seine politischen Entscheidungen u.a. in<br />
der Auseinandersetzung mit den deutschen Protestanten als<br />
konfliktverschärfend erwies. „Er erweist sich als wenig leut-<br />
selig und eher schnell zugeknöpft als großzügig, daher ist er<br />
nicht übermäßig beliebt [...]. Wie [...] sein Beichtvater [...]<br />
sagte, behält der Kaiser ihm einmal zugefügte Beleidigungen<br />
im Gedächtnis und kann sie nicht so leicht vergessen“ (Koh-<br />
ler, ebd., S. 115). Diese Eigenschaften verschärften sich im<br />
Laufe der Jahre, möglicherweise auch als Folge der Enttäu-<br />
schung und Resignation, die den Kaiser in seinen letzten Re-<br />
gierungsjahren zeichneten. Karl wurde nicht altersweise, ganz<br />
im Gegenteil. Nach Berichten aus seinen letzten Lebenstagen<br />
verschärfte sich seine Haltung gegenüber den Protestanten,<br />
den Ketzern, wie er sie nun nur noch nannte, zu einer Un-<br />
barmherzigkeit, die in den Tagen der direkten.Konfrontation<br />
beim Kaiser unbekannt gewesen war. „Ich bitte ihn und bürde<br />
es ihm auf“, so schrieb Karl in seinem letzten Brief an seinen<br />
Sohn Anfang September 1558, „mit aller Inständigkeit und<br />
Dringlichkeit und wie ich es nur kann und wie es meine<br />
Pflicht ist: ich befehle es ihm als sein liebender Vater und um<br />
des Gehorsams willen, den er mir schuldig ist, als Wichtigstes<br />
und Hauptsächliches, daß die Ketzer vernichtet und bestraft<br />
werden mit allem nur möglichen Nachdruck der Gewalt, ohne<br />
Ausnahme und ohne Barmherzigkeit [...], und zu meiner größ-<br />
ten Entlastung und Beruhigung.“ Aus diesen Sätzen spricht<br />
Enttäuschung über die Vergeblichkeit seiner Ausgleichs- und<br />
Reformbemühungen, die Verletzung also desjenigen, der sich<br />
mißverstanden sieht. So viel Schärfe im Urteil läßt auch auf<br />
Einsamkeit und fehlenden Austausch mit einem als gleich-<br />
rangig akzeptierten Partner schließen. Daß der Kaiser diese<br />
Kommunikation, das Nachdenken über Herrschaftsübung<br />
und -praxis gerade in seinen letzten Lebensjahren suchte, zeigt<br />
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