KARL V.
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2. Selbstdarstellung und Persönlichkeit<br />
Wie nähern sich Zeitgenossen, wie Historiker einem Kaiser?<br />
Das Problem der parteiischen Färbung aller Berichte über<br />
einflußreiche, mächtige Persönlichkeiten stellt sich selbstver-<br />
ständlich auch bei der Würdigung Karls V. Die Fülle der Be-<br />
richte der Zeitgenossen wird ergänzt durch die Fülle der hi-<br />
storiographischen Deutungen durch die nachfolgenden<br />
Generationen, die zudem in zwei feindlichen Lagern auftre-<br />
ten: die antikaiserliche Propaganda und Geschichtsschreibung<br />
ist ebenso umfangreich wie die prokaiserliche. Karls Herr-<br />
schaftsübung wirkte polarisierend. Das kann nicht erstaunen<br />
angesichts der konfessionellen Verwerfungen seit dem ersten<br />
Drittel des 16. Jahrhunderts, angesichts der außenpolitischen<br />
Polarisierungen, durch die seine Regierungszeit geprägt war,<br />
angesichts schließlich des „übergroßen Wirkungsbereiches“<br />
(E. Schulin 1999), den er auszufüllen hatte und dessen regio-<br />
nale Identitäten nicht in einer überregionalen Einheit aufge-<br />
hen konnten, geschweige denn aufgehen wollten.<br />
Wenn auch die Herrschaftspraxis polarisierende Wirkung<br />
hatte, die Persönlichkeit des Kaisers besaß sie ganz offensicht-<br />
lich nicht! Folgen wir dem Bericht des Venezianischen Ge-<br />
sandten aus dem Jahre 1525, dann zeichneten den Kaiser Be-<br />
scheidenheit, Gerechtigkeit und eine sichtbar ernst gemeinte<br />
Religiosität aus. „Im Grunde seines Wesens ist er schwermü-<br />
tig, aber nicht temperamentlos, und seine ganze Veranlagung<br />
entspricht dieser Gesamthaltung. Er ist ein sehr religiöser<br />
Mensch, sehr gerecht, frei von jedem Laster und nicht, wie<br />
andere junge Leute der Wollust ergeben, er kennt auch sonst<br />
keine anderen Vergnügungen“ (Kohler, Quellen, 1990, S.<br />
114). Bemerkenswert erscheint dem Berichterstatter, daß der<br />
Kaiser nur hin und wieder auf die Jagd gehe, „selten genug“,<br />
wie er schreibt. Auch gemessen am zeitgenössischen Ideal des<br />
höfischen Lebensstils schien der Kaiser maßvoll: ausufernde<br />
Lebensformen waren ihm – mit Ausnahme seiner Eßgewohn-<br />
heiten – fremd, das traditionale Ritterideal lag ihm näher als<br />
die beginnende Hofkultur seiner eigenen Zeit.<br />
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