KARL V.
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uhte. Weil diese überregionale Einheit eine Form der Regie-<br />
rung brauchte, die die alten Formen ständischer Mitherrschaft<br />
ablöste, wirkte die dynastische Weltmachtpolitik „überra-<br />
schend genug doch wieder in der Richtung der beherrschen-<br />
den Idee des Jahrhunderts aufsteigender moderner europäi-<br />
scher Staaten“ (Brandi ebd.).<br />
Im Unterschied zu seinen auf den preußischen ,Normalweg’<br />
ausgerichteten Fachkollegen skizzierte Brandi einen Weg in<br />
die Moderne, der vom Reichsgedanken Karls V. ausging. Die-<br />
ser Interpretation widersprach 1932 Peter Rassow (1889-<br />
1961), damals Privatdozent in Breslau. Von dynastischer<br />
Staatsraison im Sinne Machiavellis könne bei Karl V. nicht<br />
gesprochen werden. Das Herrschaftsverständnis des Kaisers –<br />
seine Kaiseridee – beruhe auf der Existenz eines allumfassen-<br />
den christlichen Weltreichs, das er in der konkreten Gestalt<br />
des ihm per Erbfall zugegangenen Konglomerats von Herr-<br />
schaften zu regieren habe. Diese Vorstellung sei zutiefst mit-<br />
telalterlichen Traditionen verbunden. Denn der Kaiser habe<br />
sich als Vogt der Christenheit bezeichnet, als pater ecclesiae,<br />
und diese Aufgabe teile er in spezifischer Weise mit dem<br />
Papst. „Denn in der kirchlichen Einheit war, begrifflich nicht<br />
geschieden, die bürgerliche Ordnung eingeschlossen, oder<br />
umgekehrt ausgedrückt, die politische Ordnung des Reiches,<br />
die er vertrat, war eine sakrale“ (Rassow 1942, S. 39). Für<br />
diese Zuordnung des Kaisers zum Mittelalter verwies Rassow<br />
auf den engen Zusammenhang von Religion und Politik auch<br />
über das Ende des 16. Jahrhunderts hinaus. Nicht zuletzt sei-<br />
ne Studien bei Ernst Troeltsch in Heidelberg dürften Rassow<br />
an dieser Stelle bestärkt haben, denn auch für Troeltsch<br />
(1865–1923) setzte der Umbruch zur Moderne erst nach der<br />
Mitte des 17. Jahrhunderts ein. Diese Ferne des Kaisers war<br />
für Rassow eine entscheidende methodische Bedingung, um<br />
die Beschäftigung mit seiner Zeit überhaupt wissenschaftlich<br />
rechtfertigen zu können. „Geschichte ist die lebendige Bezie-<br />
hung einer vergangenen Epoche zu einer ihr grundverschiede-<br />
nen Gegenwart“ (Erdmann 1962, S. 142). Mit dieser Formu-<br />
lierung wurde Rassows Distanz zu jeder Art historistischem<br />
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