Hamburger China-Nachrichten - Hamburger China-Gesellschaft eV
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<strong>China</strong><br />
in Hamburg<br />
in <strong>China</strong> gibt es in D., das lange aus unabhängigen Fürstentümern bestanden<br />
hatte, allerorten Universitäten, auch in Kleinstädten mit nicht einmal hunderttausend<br />
Einwohnern. Die Universität war eine der ältesten des Landes, und<br />
die Maschinenbau-Fakultät, an der Lin studierte, war in der ganzen Welt berühmt.<br />
Lin Xiangyang hatte bei der Zwischenprüfung geschummelt, und nach<br />
den jahrhundertealten Regeln dieser Hochschule stand darauf die umgehende<br />
Zwangsexmatrikulation. Es war traurig zu sehen, wie Lins Blick, in dem einst<br />
ein Feuer gelodert hatte, nun plötzlich leer geworden war. Die Professoren,<br />
die an der Anhörung teilnahmen, drückten ihr Bedauern darüber aus, dass die<br />
Studenten aus <strong>China</strong>, die früher fast ausnahmslos eine Elite gebildet hätten,<br />
jetzt doch sehr durchmischt seien. Viele gebe es, die wie Lin wegen ihrer Jobberei<br />
das Studium nicht mehr auf die Reihe brächten.<br />
Lin schlug sich als Studienabbrecher ein halbes Jahr schlecht und recht durch.<br />
Dann weigerte sich das Ausländeramt, seinen Aufenthalt zu verlängern, und<br />
Lin stellte Antrag auf Asyl. Doch ausser einer allgemeinen „Verfolgung durch<br />
die Behörden“ konnte er dafür keine Begründung beibringen. Doch das Asylverfahren<br />
in D. ist für seine Langwierigkeit berühmt, und so vergingen weitere<br />
zwei Jahre, bis ich ihm im Verwaltungsgericht wieder begegnete. Das Leben im<br />
Asylanten-Container hatte Lins Augen vollends den Glanz genommen. Sein<br />
Antrag wurde abgelehnt. Es war nicht mehr wie in den frühen 90er Jahren,<br />
die Erfolgsquote der Asylanträge von Chinesen war drastisch gesunken. Nach<br />
der Verhandlung brach man mit Lin in Richtung Flughafen auf, er sollte nach<br />
<strong>China</strong> zurückgeführt werden. Doch unterwegs gelang ihm die Flucht, und danach<br />
hörte ich nichts mehr von ihm. Er war wohl wie so viele Chinesen in die<br />
Illegaligät abgetaucht und spülte im Keller eines <strong>China</strong>restaurants Geschirr.<br />
Vor zwei Wochen nun klingelte mein Bereitschaftstelefon, als ich gerade mit<br />
chinesischen Freunden einen Ausflug machte. Es war am Tag des chinesischen<br />
Totenfests. Die Strassenbahn hatte einen chinesischen Staatsbürger überfahren,<br />
der unvermittelt auf das Geleis gesprungen war. Die Polizei identifizierte ihn<br />
als den seit fast zwei Jahren verschwundenen Lin Xiangyang. Als ich die Klinik<br />
erreichte, war er schon tot. Seine Augen standen noch weit offen, und aus seinen<br />
erstarrten Pupillen traf mich ein so unendlich trauriger Blick, dass ich ihm<br />
am liebsten mit eigener Hand die Lider<br />
geschlossen hätte.<br />
Das Gericht, vor dem der Unfall verhandelt<br />
wurde, war in einer mittelalterlichen<br />
Burg untergebracht. Davor wuchsen<br />
Linden mit dichten Kronen, der Marmorboden<br />
in der Halle des Gerichts<br />
glänzte wie ein Spiegel, und Statuen